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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 27.01.2006
Aktenzeichen: 4 Ws 18/06
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 313 Abs. 1 S. 1
StGB § 113 Abs. 4 S. 1
StGB § 49 Abs. 2
Hat das Amtsgericht von einer Bestrafung gemäß §§ 113 Abs. 4 Satz 1, 49 Abs. 2 StGB abgesehen, ist die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten nur zulässig, wenn sie angenommen wird.
Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 4 Ws 18/06

vom 27. Januar 2006

in der Strafsache gegen

wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte,

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 07. Dezember 2005 wird als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Gründe:

1.

Das Amtsgericht Heilbronn erließ am 01. Juli 2003 gegen die Angeklagte einen Strafbefehl über 20 Tagessätze zu je 20 Euro wegen (gemeinschaftlichen) Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. In der auf ihren Einspruch anberaumten Hauptverhandlung vom 13. November 2003 verurteilte das Amtsgericht sie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, sah jedoch, da sich die Angeklagte in einem vermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe, gemäß § 113 Abs. 4 Satz 1 StGB wegen geringer Schuld von ihrer Bestrafung ab. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte am 20. November 2003 durch Schriftsatz ihres Verteidiger ein unbenanntes Rechtsmittel eingelegt, welches nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist als Berufung zu behandeln war. Die Strafkammer hat mit Beschluss vom 07. Dezember 2005 die Annahme der Berufung abgelehnt und sie als offensichtlich unbegründet verworfen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 StPO). Aus dem Akteninhalt ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Berufung ein vom amtsgerichtlichen Urteil abweichendes Ergebnis erzielbar wäre.

Gegen diesen Beschluss, der keine Rechtsmittelbelehrung enthält und der Angeklagten mit einfachem Brief zugeschickt worden ist, hat die Angeklagte durch Schriftsatz ihres Verteidigers am 16. Dezember 2005 beim Landgericht sofortige Beschwerde eingelegt.

2.

Das Rechtsmittel ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.

a) Die sofortige Beschwerde der Angeklagten ist statthaft.

Zwar ist die Entscheidung über die Nichtannahme der Berufung grundsätzlich nicht anfechtbar (§ 322 a Satz 2 StPO). Dies gilt jedoch nur dann, wenn es sich tatsächlich um einen Fall des § 313 Abs. 1 StPO handelt. Sinn der Vorschrift ist es, die Bewertung der Erfolgsaussichten der Berufung in den von § 313 Abs. 1 StPO erfassten Bagatellfällen einer weiteren richterlichen Kontrolle zu entziehen. Eine darüber hinaus gehende Beschränkung der Anfechtbarkeit der Entscheidung wäre mit § 322 Abs. 2 StPO, der die Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung in allen anderen Fällen der sofortigen Beschwerde unterwirft, nicht in Einklang zu bringen (PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1994, 601). Besteht wie hier zwischen den Verfahrensbeteiligten Streit darüber, ob die Voraussetzungen einer Annahmeberufung vorliegen, ist deshalb der Beschluss der Berufungskammer, mit dem sie die Annahme abgelehnt und damit eine Annahmepflicht bejaht hat, gemäß § 322 Abs. 2 StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (KK-Ruß, StPO, 5. Auflage, § 322 a Rdnr. 1 m.w.N.).

Die sofortige Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden. Mangels förmlicher Zustellung des angefochtenen Beschlusses wurde der Lauf der Beschwerdefrist nicht in Gang gesetzt (§§ 322 Abs. 2, 311 Abs. 2 StPO).

b) In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.

Mit der Strafkammer geht der Senat davon aus, dass ein Fall der Annahmeberufung gegeben ist. Die Bestimmung des § 313 StPO wurde durch Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) in die StPO eingefügt, um die Strafgerichte im Bereich der Bagatellkriminalität zu entlasten. In den Fällen, in denen eine verhängte oder vorbehaltene Geldstrafe 15 Tagessätze nicht überschreitet oder der Angeklagte zu einer Geldbuße verurteilt wurde, ist die Zulässigkeit der Berufung von der Annahme durch das Berufungsgericht abhängig. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes muss dies über die in § 313 Abs. 1 Satz 1 StPO aufgeführten Fällen hinaus auch gelten, wenn die Schuld des Täters ebenfalls im unteren Bereich einzuordnen ist und die Rechtsfolge im Vergleich zu den in § 313 Abs. 1 geregelten Fällen ein "Weniger" darstellt. Dies ist der Fall, wenn - wie vorliegend - gemäß § 49 Abs. 2 StGB von Bestrafung abgesehen wurde (vgl. KK-Ruß a.a.O., § 313 Rdnr. 2; LG Bad Kreuznach, NStZ-RR 2002, 217, für den Fall, dass ein Schuldspruch wegen eines Aussagedeliktes erfolgte, jedoch gemäß § 158 Abs. 1 StGB von der Strafe abgesehen wurde).

Der Beschluss des OLG Oldenburg vom 12. März 1998 (NStZ-RR 1998, 309) steht dem nicht entgegen. Danach liegt ein Fall der Annahmeberufung nicht vor, wenn gemäß § 60 StGB von der Verhängung von Strafe abgesehen wurde. Diese Bestimmung knüpft aber nicht an das geringe Verschulden des Täters, sondern an die schweren Folgen der Tat an, die die Verhängung einer Strafe entbehrlich machen. Dies ist auch außerhalb des Bagatellbereiches möglich (vgl. LG Bad Kreuznach aaO).

Die Strafkammer ist danach zu Recht von einer Annahmeberufung ausgegangen. Eine weitergehende Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ist wegen dessen Unanfechtbarkeit nicht vorzunehmen (§ 322 a Satz 2 StPO).

Ende der Entscheidung

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