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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 12.02.2007
Aktenzeichen: 4 Ws 330/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 172 Abs. 3 Satz 1
StPO § 261
1. Stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren mit der Begründung ein, nach einem aussagepsychologischen Gutachten seien Aussagetüchtigkeit und Aussagezuverlässigkeit von Zeugen/innen als fraglich anzusehen, muss sich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung hiermit umfassend auseinandersetzen. Dabei ist der Vortrag einer genauen Rekonstruktion der Aussageentstehung und Aussageentwicklung unabdingbar.

2. In Fällen, in denen die Befürchtung besteht, dass weitere Befragungen keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn erbringen werden, ist es ausnahmsweise angebracht, dass der/die Sachverständige in einem aussagepsychologischen Gutachten zur Aussagetüchtigkeit und Aussagezuverlässigkeit von Zeugen/innen bei der Bewertung der Bekundungen sich allein auf das bis dahin vorliegende Aktenmaterial bezieht und auf eigene Erhebungen verzichtet.

3. Zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Angaben, die kindliche Zeugen/innen gegenüber ihren Eltern gemacht haben.


Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 4 Ws 330/06

vom 12. Februar 2007

in der Anzeigesache

wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht u.a.

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 30. August 2006 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO ist unzulässig, da die Vortragsvoraussetzungen des § 172 Abs. 3 StPO nicht erfüllt sind.

Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfordert eine schlüssige, aus sich heraus verständliche Darstellung eines Sachverhalts, die es dem Senat erlaubt, ohne Beiziehung der Verfahrensakten die Erfolgsaussicht der beabsichtigen Rechtsverfolgung zu beurteilen. Es ist nicht nur die Schilderung des Sachverhalts, sondern auch des Verfahrensgangs und des Inhalts der Einstellungsbescheide der Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft mitzuteilen und darüber hinaus anzugeben, welche Erwägungen rechtlicher und/oder tatsächlicher Art - unter genauer Bezeichnung der dazugehörigen Beweismittel - der Auffassung der Strafverfolgungsbehörde entgegen zu setzen sind (allgemeine Meinung: vgl. Meyer-Goßner StPO, 49. Aufl., § 172 Rn. 27; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2002, 79; OLG Düsseldorf, MDR 1992, 1071). Neben der Schilderung des objektiven Tatgeschehens bedarf es auch einer nachvollziehbaren Darstellung der inneren Tatbestandsmerkmale, so dass bei einer Unterstellung der Richtigkeit des Vortrags die Erhebung der öffentlichen Anklage in formeller und materieller Hinsicht gerechtfertigt erscheint (KK-Schmid, StPO; 5. Aufl., § 172 Rdnr. 34 m. w. N.). Die Schlüssigkeitsprüfung ist nicht allein aufgrund der Darstellung der Beweislage aus der - häufig subjektiv gefärbten - Sicht des/der Anzeigeerstatters/in möglich; vielmehr ist insoweit auch die Würdigung der Beweise durch die Staatsanwaltschaft von großer Bedeutung (vgl. OLG Karlsruhe, Die Justiz 2001, 166, 167). Die Auseinandersetzung mit der Beweiswürdigung der Staatsanwaltschaft ist das Kernstück des Klageerzwingungsantrags. Sie verträgt keine Auslassungen.

Diesen Anforderungen wird die vorliegende Antragsschrift nicht gerecht.

2. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft H. vom 13.06.2006 stützt sich in ihrer Begründung vor allem darauf, dass "nach einem eingeholten aussagepsychologischen Sachverständigengutachten die Aussagetüchtigkeit und die Aussagezuverlässigkeit der kindlichen Zeugen als fraglich anzusehen" sei. Die im Gutachten der Sachverständigen enthaltenen Argumente werden sodann ausführlich dargelegt. Abschließend komme die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass aufgrund der sich aus der Aktenanalyse ergebenden Erkenntnisse zur Aussagegeschichte eine aussagepsychologische Begutachtung als methodisch und ethisch nicht mehr vertretbar angesehen werden könne. Bedingt durch die problematischen Einflussfaktoren, die auf die kindlichen Erinnerungsleistungen gewirkt haben, sei es nicht mehr möglich, einen Zugang zu dem originären Erleben zu finden und einen möglicherweise vorhandenen Kern des Verdachts festzustellen. "Ein zuverlässiger Erkenntnisgewinn sei aus aussagepsychologischer Sicht nicht mehr möglich, vielmehr sei die Gefahr von Fehldeutung, Missverständnissen und einer fortschreitenden Ausweitung der Angaben der Kinder als ausgesprochen hoch anzusehen" (S. 9).

Demnach müsste vorliegend im Mittelpunkt der Antragsschrift eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Gutachten der Sachverständigen stehen. Die einzelnen Argumente müssten substantiiert abgehandelt und am Ende müsste aufgezeigt werden, warum die von der Sachverständigen vertretene Auffassung, der sich die Staatsanwaltschaft angeschlossen hat, falsch sei. Nur wenn dargelegt werden würde, dass - entgegen der Auffassung der Sachverständigen und der Staatsanwaltschaft - doch (noch) Erkenntnismöglichkeiten für den Nachweis der behaupteten Vorwürfe bestehen, könnte ein Klageerzwingungsverfahren erfolgreich sein.

Die 23-seitige Antragsschrift verhält sich dazu nur zu einem geringen Teil auf anderthalb Seiten. Dabei werden ausschließlich Passagen aus dem Inhalt des Gutachtens wiedergegeben (Antragsschrift S. 16 - 17). Eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens fehlt.

a. Die Sachverständige kommt zusammengefasst zu folgendem Ergebnis, auf dem auch die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft basiert:

- Es sei nicht mehr möglich, die Würdigung des Gruppengeschehens (Eltern - Eltern; Eltern - Kinder; Kinder - Kinder) methodisch zu kontrollieren.

- Es liege eine Kette problematischer Einflussfaktoren vor.

- Diese problematischen Einflussfaktoren könnten nicht mehr kompensiert werden.

- Wegen all dem sei ein zuverlässiger Erkenntnisgewinn aus aussagepsychologischer Sicht nicht mehr möglich.

- Vielmehr sei die Gefahr von Fehldeutungen, Missverständnissen und einer fortschreitenden Ausweitung der Angaben der Kinder als ausgesprochen hoch anzusehen.

Tatsächlich schließen sich die Anzeigeerstatter/innen der Auffassung der Sachverständigen und der Staatsanwaltschaft, dass durch eine Befragung der Kinder zum jetzigen Zeitpunkt ein Erkenntnisgewinn nicht mehr zu erwarten ist, letztlich selbst an: "... da auch der Unterzeichnenden klar ist, dass nach dieser langen Zeit die Vernehmung der Kinder, die sich allmählich beruhigen, nicht mehr zu verantworten ist" (S. 13) sowie "Auch die Unterzeichnende verfügt über genügend Erfahrung, um zum jetzigen Zeitpunkt in Frage stellen zu können, ob die Aussagen der Kinder nach all der langen Zeit noch hinreichende Anhaltspunkte für strafbares Verhalten liefern. Zu beanstanden ist allerdings die Einstellung der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, kindliche Zeugen seien selten aussagetüchtig. Dies würde bedeuten, dass jede Straftat an Kindern unter vier Jahren keine Ahndung finden kann, sofern es sich lediglich zwischen Täter und Kind abspielt und das Kind als Zeuge noch zur Verfügung steht" (S. 20). - Die Verfahrensbevollmächtigte greift dabei ein im Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 30. August 2006 angeführtes Zitat aus Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage (vor § 48 Rn. 13), heraus. Dass es seitens der Generalstaatsanwaltschaft aber nicht in der in der Antragsschrift vorgegebenen apodiktischen Weise gemeint ist, ergibt sich aus dem Sachzusammenhang und den sonstigen Ausführungen des Bescheids.

Die Sachverständige hat gerade dazu dezidiert vorgetragen: "Damit wird keinesfalls die Meinung vertreten, dass kleine Kinder keine gerichtsverwertbaren Aussagen machen können. Es geht vielmehr darum, eventuell bestehende Risikofaktoren zu erfassen und zu prüfen, ob diese eine irrtümliche Aussage hervorgerufen oder begünstigt haben könnten."

Genau das aber war im vorliegenden Verfahren im höchsten Maße der Fall. Das sehen inzwischen auch die Anzeigeerstatter/innen so und bringen es durch den Vortrag ihrer Rechtsanwältin auch selbst zum Ausdruck; vgl. etwa: "Leider sind die Ermittlungen auch insofern unglücklich verlaufen, als die Eltern sich in ihrer Verzweiflung an die Presse gewendet haben, die mindestens in einem bestimmten Segment nicht unbedingt seriös über die Angelegenheit berichtet hat. Hinzu kommt noch, dass in der fraglichen Zeit Wahlkampf war. Herr Bürgermeister K. wollte wieder gewählt werden. Er hat es daher für nötig gehalten, sich in die Ermittlungen einzuschalten und eindeutig dabei die Partei der Erzieherinnen in der KiTa ergriffen." - "... hat Herr Bürgermeister K. Schritte eingeleitet und mit den Eltern der aktiven Kinder Kontakt aufgenommen. Dabei kam es zu folgenden Aussagen..." (S. 14) - "... dass die Ermittlungen offensichtlich außer Kontrolle gerieten, nachdem sich zugegebenermaßen unglücklicherweise durch die Bemühungen der Eltern das Fernsehen eingeschaltet hatte und Herr Bürgermeister K. seinen Wahlkampf ganz offensichtlich dadurch gestört fühlte. Anlässlich einer Bürgerversammlung im Zusammenhang mit dem Wahlkampf wies Herr K. die betroffenen Eltern aus dem Versammlungsraum..." (S. 15).

Es kam also unstreitig von Anfang an zu teilweise massivsten Einflüssen und Beeinflussungen auf die Meinungs- und Stimmungsbildung aller Beteiligten, insbesondere auch der Anzeigeerstatter/innen. Dass dies in dem betreffenden äußerst emotional befrachteten Bereich für die Wahrung einer zwar nicht zwingend neutralen, aber - notwendigerweise - doch möglichst objektiven Wahrnehmung des Verhaltens und der Angaben der Kinder im höchsten Maße abträglich oder schädlich ist, steht außer Frage. Eine soweit wie nur irgend mögliche Wahrung der Objektivität wäre aber vorliegend deshalb ganz besonders von Nöten gewesen, da sämtliche zur Bewertung anstehenden Angaben der betroffenen Kinder durch ihre Eltern erfragt, aufgenommen und weitergegeben worden sind.

Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie folgend verfügen Kinder zwar bereits früh über die Fähigkeit, in Abhängigkeit von der Sprachentwicklung über vergangene Erlebnisse zu berichten; sie sind dabei jedoch in der Regel noch stark auf die Unterstützung durch Erwachsene angewiesen bzw. davon abhängig. Vorherrschend bis etwa zum vierten oder fünften Lebensjahr bleibt das Prinzip des gemeinsamen Erinnerns von Eltern und Kindern (Markovic, Welzer, Das autobiografische Gedächtnis, 2005). Noch viel mehr als schon bei Erwachsenen werden "Erinnerungen" bei der Befragung von Kindern in einem "gemeinsamen kommunikativen Prozess" "gewonnen" und sind deshalb besonders kritisch auf ihren realen Gehalt hin zu prüfen. Durch zahlreiche empirische Studien ist belegt, dass es ohne weiteres möglich ist, sogar Gedächtnisinhalte größeren Umfangs über Ereignisse, die tatsächlich nicht stattgefunden haben, zu induzieren (Volbert, Beurteilung von Aussagen über Traumata, 2004). Erst recht anfällig sind kleinere Kinder unter weniger günstigen Befragungsbedingungen für die Produktion von Verzerrungen, Aufbauschungen und/oder (unbewussten) Um-Interpretationen von tatsächlich Erlebtem. Das Kind macht dabei freilich weiterhin aus seiner Sicht (subjektiv) wahre Angaben.

Die Angaben der betroffenen Kinder wurden vom frühesten Stadium an unter aussagepsychologisch sehr ungünstigen Bedingungen gewonnen. Allen Kinder waren unbestritten von Anfang an stark suggestiv wirkenden Beeinflussungsprozessen ausgesetzt.

Soll eine Glaubhaftigkeitsbeurteilung überhaupt möglich sein, so ist in solchen Fällen noch viel mehr als sonst eine genaue Rekonstruktion der Aussageentstehung und -entwicklung unabdingbar.

Deshalb hätte auch sie in der Antragsschrift für deren Zulässigkeit ausführlich und genau geschildert werden müssen.

Dies gilt umso mehr, als sich aus dem Gutachten der Sachverständigen ergibt, dass - soweit die Entstehung der Aussagen überhaupt wenigstens teilweise und auch da nur kursorisch nachvollzogen werden kann - tatsächlich besonders gravierende störende Einflussfaktoren vorgelegen haben. Die Befragungen der Kinder sind zumindest in einigen Fällen nicht zeitnah zu den behaupteten Geschehnissen erfolgt. Die Kinder waren teilweise bereits vor ihrem dritten Lebensjahr über einen längeren Zeitraum hinweg in einem intensiven interaktiven Prozess mit den Sorgen und Empfindungen ihrer Eltern konfrontiert. Es kam - was unbedingt zu vermeiden ist - nahezu regelmäßig zu wiederholten Befragungen. Mit den Kindern fanden in ihrem familiären Umfeld über Monate hinweg immer wieder Gespräche über die behaupteten Ereignisse statt. Mindestens ein Kind wurde gleich mehreren Ärzten vorgestellt. Es besteht darüber hinaus sehr starker Anlass zur der Vermutung, dass die Befragungen nicht ergebnisoffen durchgeführt wurden.

b. In Fällen, wie dem vorliegenden, insbesondere wenn die begründete Befürchtung besteht, dass weitere Befragungen keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn erbringen werden, ist es ausnahmsweise angebracht, so wie es die Sachverständige getan hat, sich in der Bewertung der Bekundungen bzw. der Verdachtsmomente auf das bis dahin vorliegende Aktenmaterial zu beziehen und auf eigene Erhebungen zu verzichten (vgl. zu dieser Problematik Rohmann, Glaubhaftigkeitsbegutachtung bei nicht erfolgter Vernehmung, StraFo 2006, 401).

Im Zusammenhang mit der Bewertung der von den Kindern vorgetragenen Belastungen hat die Sachverständige in ihrem Gutachten Argumente vorgebracht, die gegen ihre Zuverlässigkeit sprechen. Auch sie hätten in der Antragsschrift ausführlicher dargestellt werden müssen, und die Antragssteller/innen hätten sich inhaltlich damit auseinandersetzen müssen.

Die Sachverständige führt aus: Bei einem Befragungsverlauf, wie er hier stattgefunden habe, in dem kleine Kinder über Monate hinweg befragt wurden, würden Kinder in der Regel weitere Aussageelemente produzieren. Wenn diese weiteren Elemente, was häufiger der Fall sei, bizarr und drastisch ausfallen, dann verstärke sich die Besorgnis der Erwachsenen, was daraufhin wiederum zu zusätzlichen Aufdeckungsgesprächen und Aufdeckungsaktivitäten führen könne, sodass sich die Verdachtsmomente hinsichtlich der Handlungen und der beteiligten Personen immer mehr ausdehnen würden. Solche Ausdehnungen sind vorliegend mehrfach durch die Anzeigeerstatterinnen dokumentiert.

Aus dem Aktenmaterial sei erkennbar, dass die Bekundungen der Kinder im Verlauf der Zeit tatsächlich ins Fantastische und Irreale abgeglitten seien. Derartig herausgebildete Scheinerinnerungen könnten mit inneren Bildern und Gefühlen verbunden sein, und wenn diese Inhalte bedrohlich seien, zu Belastungsreaktionen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern führen.

Die Anzeigeerstatter/innen setzen sich damit inhaltlich nicht auseinander. An mehreren Stellen treten sie dem im Gegenteil bei. Vor allem auch deshalb werden die Vorwürfe in dem Klageerzwingungsantrag nunmehr auf den Teil der "Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht gemäß § 171 StGB in Tateinheit mit Körperverletzung gemäß § 223 StGB" beschränkt (S. 3 und 13). Dies ist vorliegend jedoch nicht möglich. Die Geschehensschilderungen durch die Kinder können nicht inhaltlich "aufgesplittet" werden in vorwerfbares Verhalten der Beschuldigten mit sexuellem Hintergrund und ohne einen solchen. Eine Bewertung der Aussageninhalte kann nur insgesamt geschehen. Es gilt auch für die Teile der Angaben der Kinder, in denen es nicht um Handlungen mit sexuellem Hintergrund geht, bezüglich der Problematik einer Beurteilung das Gleiche, wie oben ausgeführt wurde. Die Aussageninhalte sind inhaltlich untrennbar miteinander verwoben.

3. In der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft ist ausgeführt, dass sich keine weiteren anderen Ermittlungen mehr anbieten, um - unabhängig von den Angaben der Kinder - zu einem Tatverdacht gegen die Beschuldigen zu gelangen.

Auch in der Antragsschrift werden, abgesehen vom Vorschlag, anhand des Dienstplans eine Zuordnung der Aufsichtspersonen zu versuchen, keine konkreten Ansätze für Ermittlungen aufgezeigt, die zum jetzigen Zeitpunkt, auf den es allein ankommt, noch möglich wären.

4. In der Verfügung der Staatsanwaltschaft werden zusätzliche Gründe angegeben, die zur Einstellung geführt haben, die jedoch im Klageerzwingungsantrag nicht oder nur am Rand erwähnt werden und zu denen eine inhaltliche Auseinandersetzung fehlt:

a. Die Beschuldigten sollen zu den Vorwürfen im Rahmen einer Stellungnahme zu der zeitgleich gegen sie erhobenen Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerde eine detaillierte Darstellung abgegeben haben, die auch im Rahmen des gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahrens Geltung haben sollte (S. 4 der Verfügung der Staatsanwaltschaft, Bl. 134 ff. der Akten). Zumindest von der Beschuldigten A. G. liegt eine vom 13. Februar 2006 datierende 9-seitige Beschuldigtenvernehmung vor. Die Beschuldigte T. M. hat, damals noch als Zeugin, am 20. Januar 2006 Angaben gemacht. - Es versteht sich von selbst, dass ihre Wiedergabe eine wichtige Zulassungsvoraussetzung ist.

b. In der Einstellungsverfügung werden einzelne der erhobenen Vorwürfe dezidiert abgehandelt (z.B.: "Hinsichtlich der 'Doktorspiele' sei die Regel aufgestellt worden..." - "Auch in den offiziellen Beschuldigtenvernehmungen wurde von den Erzieherinnen nochmals herausgestellt, dass der Turnraum und die anderen fraglichen Räume regelmäßig kontrolliert worden seien. Die Toilettengänge seien nur dann beaufsichtigt worden, wenn ein Kind noch nicht selbständig zur Toilette gehen konnte..." - S. 4). - Eine Stellungnahme zu diesen und anderen "Einlassungen" fehlt, abgesehen von der pauschalen und unrichtigen Bewertung als unglaubhaft, weil die Beschuldigten unglaubwürdig seien.

c. Nicht dargestellt sind die Angaben von befragten Müttern der so genannten "Aktivkinder" (Bl. 317 f., 322 f., 340).

d. Vor allem aber fehlt die umfassende Darstellung, was genau welche (betroffenen) Kinder geschildert haben, wann jeweils und in welcher Aufsplitterung sie die Angaben gemacht haben, unter welchen Bedingungen die "Befragungen" stattgefunden haben, wer beteiligt war, welche Fragen dabei an die Kinder gestellt wurden, wie ihre Antworten und ihre Geschehensschilderungen festgehalten bzw. dokumentiert wurden usw.

e. Auch fehlt eine Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Erweiterungen der Angaben einzelner betroffenen Kinder.

Die Vorwürfe wurden ausgeweitet, die Erzieherinnen hätten sich aktiv beteiligt, indem sie selbst den Kindern diverse Gegenstände in den Genitalbereich und After ein- und auch wieder ausgeführt hätten. Dies sei teilweise sogar in Anwesenheit eines Arztes geschehen. Insbesondere der Beschuldigten A. G. wurde eine aktive Rolle bei den "Doktorspielen" zugeschrieben. - Es wurde über eine so genannte "Schlummerbar" berichtet (Bl. 491 ff., 745 ff.). In dieser Schlummerbar hätten die Kinder einen Apfelsaft mit einem komischen Medikament erhalten. Dieser Apfelsaft werde mit Wasser verdünnt, sonst schmecke man das bittere Medikament. Jedes Kind bekomme einen Becher etc. - A. sei dann ganz lustig geworden und habe herumgetanzt und ihre Klamotten ausgezogen. Sie sei ganz nackig gewesen. Der Arzt, der immer da sei, habe dann zuerst sie ganz schnell untersucht und ihr etwas gegeben. Erst danach seien die Kinder untersucht worden. Es gebe Fotos und Filme in einer zweiten Kiste hinter einer Notfalltür. Der beteiligte Arzt sei klein und habe weiße Haare und einen weißen Bart. Er sei anwesend, damit nichts Gefährliches passiert. Er habe die Sachen wieder aus dem Popo und Pipi holen müssen und habe nach der Einnahme der Medikamente nach den Kindern schauen müssen (Bl. 746).

Der Inhalt dieser Erweiterungen belegt erneut, dass eine Aufsplittung, eine Beschränkung auf die Vorwürfe ohne sexuelle Inhalte, nicht möglich ist (vgl. oben S. 9). Die Angaben der Kinder zu letzterem müssen natürlich ebenfalls unter Berücksichtigung der Entstehung, der Entwicklung und der Veränderung bzw. Erweiterung ihrer Schilderungen insgesamt betrachtet werden.

f. Die Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass Bekundungen von Kindern unter entsprechenden Umständen und Bedingungen typischerweise im Lauf der Zeit ins Fantastische und Irreale abgleiten (vgl. dazu auch oben 2. b. S. 9).

In der Einstellungsverfügung finden sich auch dazu Ausführungen. Kinder hätten beispielsweise bei wiederholter Befragung gesagt: Dann müsse man "posen", rennen und mit den Haaren wedeln... / Man bekomme Süßigkeiten... / A. sei oft nackig, aber sie habe eine Löwenmaske auf dem Kopf, manchmal auch eine Krokodilmaske und dann komme sie und stecke ihnen auch Sachen in den Popo und ins Pipi... (S. 5, Bl. 754) / A. habe einmal einen echten Papagei mit riesigen Krallen mitgebracht. P. sei mit dem Papagei zusammen in einen Schrank gesperrt worden... / Später sei der Papagei tot gewesen und A. habe damit die Kinder beworfen und viele auch getroffen... (S. 6, Bl. 774) / Dr. M. habe M. etwas Rundes, das aussieht wie Geld, in den Po gesteckt. Dr. G. habe es wieder herausgeholt... (S. 6).

Zu diesen Veränderungen der Angaben der Kinder verhält sich die Antragsschrift nicht.

g. Die Vorwürfe der Kinder haben sich im Laufe der Zeit auch auf weitere Personen ausgedehnt, z.B. auf die gerade erwähnten Ärzte.

Weder wird dies in der Antragsschrift mitgeteilt, noch werden dazu in eine andere als von der Sachverständigen und von der Staatsanwaltschaft vorgegebenen Richtung weisende Erklärungsansätze gebracht.

h. Für die Zulässigkeit des Klageerzwingungsantrags wäre sodann erforderlich, darzustellen und sich damit auseinanderzusetzen, dass gerade hinsichtlich der von den Kindern erwähnten Ärzte polizeiliche Ermittlungen stattgefunden haben. Laut der Einstellungsverfügung haben dabei verschiedene Behauptungen entkräftet bzw. widerlegt werden können (S. 10).

Es seien von zwei der Anzeigeerstatterinnen mehrere Arztpraxen angefahren worden (Bl. 511 ff.). Dabei sei der Arzt Dr. P. M.-R. von den Kindern als derjenige wiedererkannt worden, der ihnen den Hammer und das Klopapier herausgeholt habe. Auch sei in der Praxis des Arztes ein so genanntes Löwenzimmer wiedererkannt worden (S. 7). Bei den polizeilichen Ermittlungen habe sich dann aber herausgestellt, dass der angeblich involvierte Arzt Dr. M.-R. zur tatrelevanten Zeit keinen Bart getragen habe. Ermittlungen bei den Krankenkassen zweier Kinder hätten ergeben, dass dort niemals Abrechnungen durch den Arzt M-R. vorgelegt wurden. Polizeiliche Überprüfungen der Räumlichkeiten sollen erbracht haben, dass die von den Kindern beschriebenen "Geheimräume" sowie eine von ihnen erwähnte "Schatztruhe" nicht existierten.

Zu all dem, was die Kinder genau behauptet haben und wie die davon Betroffenen darauf reagiert haben (von dem soeben genannten Arzt liegt eine Zeugenvernehmung vor), wäre ein Vortrag erforderlich gewesen.

i. Aus der Einstellungsverfügung ergibt sich, dass die Polizei mehrere unbeteiligte Zeuginnen vernommen hat. Dabei sollen Angaben der Kinder nicht bestätigt worden sein.

Auch das hätte mitgeteilt und "erklärt" werden müssen.

j. Es fehlt, soweit es allein um den Vorwurf der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht geht, eine Schilderung dessen, was genau welche Beschuldigte insoweit, wo, wann getan oder unterlassen haben soll. So ist beispielsweise in der Antragsschrift die Rede von mangelnder Aufsicht im Garten und Turnraum (S. 8). Hierzu müsste mindestens dargestellt werden, wie die dortigen Verhältnisse sind, wie die Aufsicht geregelt war etc. An derselben Stelle wird eine Reihe von konkreten Vorwürfen erhoben. Dabei wird jedoch immer die passive Verlaufsform verwandt, so dass offen bleibt, wer was getan haben soll. Hierzu wird in der Antragsschrift auch eingeräumt, "dass es schwierig werden wird, die einzelnen Verletzungen bei den Kindern den Beschuldigten im Einzelnen zuzuordnen" (S. 21). Das ist jedoch unabdingbar.

k. Bezüglich des Vorwurfs der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht fehlt schließlich auch die Wiedergabe des Inhalts und der Ergebnisse von die Kinder betreffenden ärztlichen Attesten, auf die in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft rekurriert wird (S. 10).

5. Im Ergebnis erheben die Anzeigeerstatter/innen gegenüber der Staatsanwaltschaft den Vorwurf, dass die Ermittlungen zu früh von einer Meinung (die Beschuldigungen der Kinder gingen ins Leere) geleitet und deshalb zu einseitig und in nicht ausreichendem Umfang durchgeführt worden seien: "Am 07.12.2005 gibt es einen umfassenden Ermittlungsbericht des sachbearbeitenden Kriminaloberkommissars G. [Aktenseite 98 ff]... Herr G. war, zu diesem Zeitpunkt bereits 'selbstredend', um die eigenen Worte des ermittelnden Beamten zu benutzen, daraufhin festgelegt, dass an den Vorwürfen nichts dran sei" (Antragsschrift S. 9). "Für den ermittelnden Beamten stand also zum Zeitpunkt dieses Berichtes fest (07.12.2005), dass ein strafbares Verhalten der beschuldigten Erzieher nicht vorliegt" (S. 10). Auch die Anzeigeerstatter/innen konzedieren freilich, dass die Ermittlungen anschließend trotzdem noch weitergeführt wurden: "Die Staatsanwaltschaft hat sich dann auch nicht durch den 'Ermittlungsbericht' und die Auffassung des ermittelnden Beamten, an den Vorwürfen sei 'selbstredend' nichts dran, hindern lassen, weitere Ermittlungen anzuordnen, wobei allerdings diese Ermittlungen bei dem Beamten blieben, der zu diesem Zeitpunkt bereits überzeugt war, dass an den Vorwürfen nichts dran sei" (S. 11).

Ob es zu wesentlichen Versäumnissen während der Ermittlungen gekommen ist bzw. ob die Ermittlungen tatsächlich (gleichermaßen wie die Befragungen der Kinder durch die Eltern, nur in die entgegen gesetzte Richtung) nicht ergebnisoffen durchgeführt worden sind, hat für die Beurteilung der Zulässigkeit der Antragsschrift unberücksichtigt zu bleiben, denn das Klageerzwingungsverfahren dient nicht der Rüge einer fehlerhaften Ermittlungstätigkeit. Insoweit ist das Vorbringen im Antrag vergleichbar mit dem Beispiel, dass den Ermittlungsbehörden der Vorwurf gemacht wird, sie hätten versehentlich das einzige belastende Beweismittel vernichtet; ein solcher Vortrag könnte nicht die Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrags ergeben.

Allerdings steht fest, dass - unabhängig davon, wie man ihren Verlauf letztlich bewertet - durchaus Ermittlungen in beträchtlichem Umfang durchgeführt worden sind. Gemäß den Angaben in der Antragsschrift wurden die Ermittlungen durch die Anzeige der Mutter des Kindes M.B. am 11.11.2005 in Gang gesetzt. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft H. stammt vom 13. Juni 2006. Die Ermittlungen haben also etwa sieben Monate angedauert. Die Akten umfassen über 900 Blatt.

6. Der vorliegende Klageerzwingungsantrag ist nach alledem unzulässig, weil er nicht den gesetzlichen Formerfordernissen entspricht (§ 172 Abs. 3 StPO).

Zur Frage seiner Begründetheit im Falle der Zulässigkeit vermag der Senat nichts zu sagen. Die Verfahrensbevollmächtigte der Anzeigeerstatter/innen weist in der Antragsschrift deutlich darauf hin, dass die Ermittlungen insgesamt ausgesprochen "unglücklich" verlaufen sind. Im Ergebnis scheitert eine Aufklärung der Vorgänge (welcher auch immer) in der betreffenden Kindertagesstätte an der Art, wie die Geschehensschilderungen der Kinder entstanden und aufgenommen worden sind. Dies ist den Anzeigeerstattern/innen aber nicht vorzuwerfen. Die Gründe, weshalb es letztlich zu der Vielzahl von Gesprächen und Befragungen der Kinder gekommen ist, sind mannigfaltig. Die im Nachhinein aus aussagepsychologischer Sicht als "ungeschickt" zu wertende Vorgehensweise der beteiligten Eltern bzw. der Anzeigeerstatter/innen ist erkennbar allein aus der verständlichen und nachvollziehbaren Sorge um das Wohl ihrer Kinder heraus erfolgt. Möglicherweise waren sie dabei auch, was in der Antragsschrift anklingt, anfänglich nicht immer gut beraten und fühlten sich, gerade um die Ermittlungen voranzutreiben, zu ihrer Vorgehensweise quasi gezwungen. Fest steht für den Senat, dass heute jedenfalls keine weitere Aufklärung mehr möglich ist und dass aufgrund des Ermittlungsergebnisses, so wie es eben nun einmal vorliegt, die Anzeigen gegen die Beschuldigten zu Recht eingestellt worden sind.

Ende der Entscheidung

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