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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 14.06.2002
Aktenzeichen: 5 Ss 191/2002
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 145 a
Ist die von dem Beschuldigten an den Verteidiger erteilte Zustellungsvollmacht durch Anzeige der Mandatsbeendigung erloschen, so lebt bei Wiederaufnahme des Mandates die erloschene Vollmacht nicht wieder auf, sondern es gelten die gleichen Grundsätze wie vor der Vorlage der (erloschenen) Vollmacht. Nur sofern der Verteidiger eine neue Vollmacht zu den Akten gebracht hat, gilt er gemäß § 145 a Abs. 1 StPO zustellungsbevollmächtigt.
Oberlandesgericht Stuttgart - 5. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 5 Ss 191/2002

vom 14. Juni 2002

in der Strafsache gegen

wegen Betrugs.

Tenor:

Die Akten werden dem Landgericht Stuttgart zurückgegeben.

Gründe:

Infolge eines Zustellungsmangels wurde die Revisionsbegründungsfrist hinsichtlich des Angeklagten U. bislang nicht in Lauf gesetzt, weswegen die Akten dem Landgericht Stuttgart zur Nachholung einer ordnungsgemäßen Zustellung zurückzugeben sind. Im einzelnen:

1. Unter Vorlage einer vom Angeklagten U. am 21. Juni 1999 ausgestellten Vollmacht legitimierte sich Rechtsanwalt K. mit Schriftsatz vom 22. Juni 1999 als dessen Verteidiger. Mit am 10. Oktober 2000 beim Amtsgericht Ludwigsburg per Telefax eingegangenen Schriftsatz vom Vortage legte Rechtsanwalt K. sein Mandat als Verteidiger des Angeklagten U. nieder. Ohne eine erneute Vollmacht vorzulegen, zeigte Rechtsanwalt K. am 13. Oktober 2000 an, dass er das Mandat als Verteidiger des Angeklagten U. wieder aufgenommen habe. Bei der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Ludwigsburg sowie im Berufungsverfahren beim Landgericht Stuttgart trat er sodann als dessen Verteidiger auf, eine Zustellungsbevollmächtigung wurde in den Sitzungsprotokollen indes nicht beurkundet.

Am 14. November 2001 verfügte die Vorsitzende der Berufungskammer die Zustellung des - mit der Revision angefochtenen - Berufungsurteils an Rechtsanwalt K. sowie dessen formlose Übersendung an den Angeklagten U. unter Hinweis auf § 145 a Abs. 3 StPO. Laut Empfangsbekenntnis erhielt Rechtsanwalt K. das angefochtene Urteil am 30. November 2001.

2. Die gemäß § 343 Abs. 2 StPO veranlasste Zustellung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vermochte die Frist zur Revisionsbegründung (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) nicht in Lauf zu setzen, weil die Zustellung unwirksam war.

Als gesetzliche Zustellungsvollmacht ist die in § 145 a Abs. 1 StPO geregelte Ermächtigung des gewählten Verteidigers zur Entgegennahme von Zustellungen an das Vorliegen formeller Voraussetzungen geknüpft. Verlangt wird - schon dem Wortlaut nach -, dass sich zum Zeitpunkt der Zustellung eine Vollmachtsurkunde bei den Akten befindet. Das (bloße) Bestehen einer schriftlich oder mündlich erteilten Vollmacht genügt nicht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 145 a Rdnrn 7 u.8 m.w.N.). Andererseits ist es aber ausreichend, wenn die Vollmacht in der Hauptverhandlung mündlich erteilt und im Sitzungsprotokoll beurkundet wird (BGHR StPO § 145 a Vollmacht 1).

Beides war zur Zeit der Zustellung nicht gegeben. Zwar hatte der Verteidiger zunächst eine den Anforderungen von § 145 a StPO entsprechende Vollmacht zu den Akten gebracht. Seine Zustellungsermächtigung erlosch jedoch am 10. Oktober 2000, dem Tage, an dem er (aktenkundig) die Beendigung des Mandatsverhältnisses gegenüber dem Amtsgericht Ludwigsburg mitgeteilt hatte (OLG Koblenz VRS 71, 203; OLG Düsseldorf Beschluss vom 5. März 1998 - 1 Ws 120/98 - zitiert nach Juris).

Hieran vermochte die mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2000 angezeigte Wiederaufnahme des Mandates nichts zu ändern. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit müssen nach einem Erlöschen der Vollmacht die gleichen Formerfordernisse gelten wie vor der Vorlage der (erloschenen) Vollmacht. Der Verteidiger hat also mit einer - neuen - Vollmacht seine Legitimation zur Entgegennahme von Zustellungen anzuzeigen (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. März 1999 - 1 Ss 83/99 -). Damit wird sichergestellt, dass die Wirksamkeit einer Zustellung, welche regelmäßig die Voraussetzung für die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung ist, nicht von Umständen abhängt, die sich nicht zweifelsfrei aus den Akten nachvollziehen lassen (BayObLG VRS 38, 194 f.). Anderenfalls hätte es der Angeklagte in der Hand, durch die - nachträgliche - Behauptung, er habe seinem Verteidiger keine Zustellungsvollmacht erteilt, die Rechtskraft von Entscheidungen anzufechten.

Folgerichtig genügt auch konkludentes Verhalten, wie vorliegend das Auftreten des Verteidigers in der Hauptverhandlung, nicht den Anforderungen an eine Zustellungsbevollmächtigung (BGH a.a.O.).

Ende der Entscheidung

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