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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: 5 U 197/08
Rechtsgebiete: LugÜ, KWG, BGB


Vorschriften:

LugÜ Art. 5 Nr. 3
LugÜ Art. 13
LugÜ Art. 14
LugÜ Art. 15
LugÜ Art. 17
KWG § 32
BGB § 823
BGB § 826
1. Eine gem. Art 17 Lugano Übereinkommen wirksame Gerichtsstandsvereinbarung schließt auch eine Klage am Deliktsgerichtsstand aus.

2. Der Verbrauchergerichtssstand der Art. 13, 14 Lugano Übereinkommen bezieht sich nur auf vertragliche Ansprüche.

Wird nur aus Delikt geklagt, kommt er nicht zum Zuge.

Es wurde - nach Zulassung - Revision eingelegt.


Oberlandesgericht Stuttgart 5. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 5 U 197/08

Verkündet am 20. April 2009

Im Rechtsstreit

wegen Forderung, Schadensersatz

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2009 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Würthwein Richter am Oberlandesgericht Eißler Richterin am Amtsgericht Dr. Mößle

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 07.08.2008 - Az. 25 O 91/08 - abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 13.334,39 €

Gründe:

I.

Der in Deutschland lebende Kläger verlangt Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Vermögensverwaltung. Er wirft der in der Schweiz residierenden Beklagten vor, ohne Genehmigung der deutschen Bankenaufsicht nach § 32 KWG Finanzdienstleistungen in Deutschland erbracht zu haben.

Nach einem ersten Kontakt im Herbst 1997 unterzeichnete der Kläger am 17.03.1998 in seiner Wohnung einen Vermögensverwaltungsauftrag (Anl. K1), in dem Zürich als Gerichtsstand vereinbart wurde, sowie einen Zeichnungsschein über eine Anlage von 20.000 SFr innerhalb von 20 Jahren (Anl. K11). Dabei leistete er eine "Auslandsbearbeitungsgebühr" von 2.000 DM. Nach weiterem Schriftwechsel begab er sich zur Beklagten nach Zürich, wo er am 15.06.1998 einen weiteren Zeichnungsschein über eine Anlage von 300.000 SFr. zzgl. 6 % Ausgabekosten (Agio) mit einer Laufzeit von 10 Jahren unterschrieb und 25.000 DM übergab (Anl. K17). Der erste Zeichnungsschein wurde gestrichen. Weitere Beträge zahlte der Kläger nicht ein. Im Jahr 2001 kam es anlässlich eines Wechsels des eingeschalteten Kreditinstituts zu einem weiteren Vermögensverwaltungsauftrag (Anl. K2). Der Kontostand belief sich im Juli 2006 auf nur 470,49 € (Anl. K4), worauf der Kläger kündigte (Anl. K31). Die Beklagte verfügt nicht über eine Erlaubnis gem. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG in der Fassung vom 22.10.1997.

Mit der auf die Verletzung dieses Genehmigungserfordernisses i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und daneben auf § 826 BGB gestützten Klage fordert der Kläger den Differenzbetrag zur aufgebrachten Summe von 27.000 DM ersetzt.

Der Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Auch falle ihre Geschäftstätigkeit als ausländisches Unternehmen nicht unter die Genehmigungspflicht des KWG.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils gem. § 540 Abs. 1 ZPO und die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß durch Verurteilung zur Zahlung von 13.334,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.03.2008 stattgegeben unter Hinweis auf das Urteil des OLG Dresden vom 20.06.2007 (Az. 8 U 328/07, Anl. K7) und dabei seine internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ bejaht, weil die unerlaubte Finanzdienstleistung am Wohnort des Klägers erbracht und demzufolge dort das schädigende Ereignis eingetreten sei. Die Beklagte habe gegen §§ 823 Abs. 2 BGB, 32 KWG verstoßen, weil sie ohne Erlaubnis einen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen habe. Der Schaden bestehe im Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags und errechne sich aus den erbrachten Zahlungen.

Gegen das dem Beklagtenvertreter am 11.08.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.09.2008 Berufung eingelegt und diese begründet durch Schriftsatz, der am Montag, 13.10.2008 eingegangen ist. Sie vertieft im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie macht geltend, die Entscheidung des OLG Dresden betreffe eine andere Fallgestaltung, bei der alle Rechtshandlungen in Deutschland stattgefunden hätten. Im vorliegenden Fall sei die Kontaktaufnahme mit deutschen Kunden noch nicht erlaubnispflichtig gewesen, weil lediglich eine bereits im Jahr 1997 begründete Kundenbeziehung fortgeführt und im Übrigen das Merkblatt des Bundesaufsichtsamts für Finanzdienstleistungen (BaFin) vom September 2003 noch nicht in der Welt gewesen sei, mit dem das BaFin das "gezielte Wenden an Kunden" erstmals unter Erlaubnisvorbehalt gestellt habe. Zudem sei der in Deutschland im März 1998 unterzeichnete Antrag im Juni 1998 in Zürich durch einen anderen Vertrag ersetzt worden, so dass ein außerdeutscher Sachverhalt vorliege. Ohnehin sei der Kläger in der Schweiz umfassend beraten worden. Außerdem macht die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG München vom 29.09.2008 (Az. 21 U 3023/08, Bl. 131 ff. d.A.) erstmals in der Berufungsinstanz geltend, dem Kläger sei ein Mitverschulden von 50 % anzulasten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 07.08.2008 aufzuheben und die Klage abweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen als richtig und tritt dem Mitverschuldenseinwand entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 16.03.2009 (Bl. 204/208) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist form und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Die Berufung ist auch begründet. Die Klage ist unzulässig und abzuweisen, weil die deutschen Gerichte international nicht zuständig sind. Den Deliktsgerichtsstand (Art. 5 Nr. 3 LugÜ) und etwaige weitere besondere Gerichtsstände haben die Parteien wirksam abbedungen. Der - im konkreten Fall ohnehin zweifelhafte - Gerichtsstand für Verbraucherklagen nach Art. 13, 14 LugÜ ist für eine reine Deliktsklage nicht eröffnet.

1. Die internationale Zuständigkeit für den Rechtsstreit zwischen dem in Deutschland lebenden Kläger und der in der Schweiz ansässigen Beklagten bestimmt sich nach dem Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 (LugÜ).

2. a) Eine Genehmigungspflicht nach dem KWG unterstellt wäre für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG in Deutschland grundsätzlich eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ begründet, weil die Beklagte durch den eingeschalteten Call-Center und ihren Vertriebsbeauftragten im Inland gewerbsmäßig mit dem Angebot von Finanzdienstleistungen an den Kläger herangetreten ist, ohne über eine Erlaubnis der deutschen Bankenaufsicht zu verfügen. Von diesem Erfordernis war sie nicht deswegen befreit, weil die erste Kontaktaufnahme zum Kläger vor der zum 01.01.1998 in Kraft getretenen KWG-Novelle, mit der die Genehmigungspflicht eingeführt wurde, stattgefunden hatte, da der entscheidende Vertragsschluss nach diesem Zeitpunkt lag. Sie hat auch von der übergangsweise bestehenden Möglichkeit einer bloßen Tätigkeitsanzeige beim damaligen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) offenbar keinen Gebrauch gemacht und kommt daher nicht in den Genuss einer fingierten Erlaubnis nach § 64e Abs. 2 S. 2 KWG.

b) Keine Zuständigkeit gegeben wäre hingegen für den vom Kläger - am Rande und in unsubstantiierter Weise - zusätzlich geltend gemachten Anspruch wegen der angeblichen Kick-Back-Zahlungen nach § 826 BGB (vgl. Bl. 72 ff. d.A.) oder anderen etwa deliktischen Verhaltens der Beklagten im Rahmen der Durchführung der Vertragsbeziehung. Wie der Senat in ähnlich gelagerten Fällen anderer Kunden der hiesigen Beklagten und weiterer Anbieter bereits entschieden hat, liegen Handlungs- und Erfolgsort sonstiger Delikte nicht im Inland, sondern in der Schweiz, denn dort wurde die Anlagesumme einbezahlt und ebenfalls dort möglicherweise von der Beklagten nicht interessengerecht verwaltet (vgl. Beschluss vom 11.10.2007, Az. 5 U 96/07; Beschluss vom 19.03.2007, Az. 5 U 2/07). In Deutschland befindet sich allenfalls der unbeachtliche Schadensort.

3. Die Parteien haben die Zuständigkeit für ihre Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vermögensverwaltungsauftrag in der Vertragsurkunde vom 17.03.1998 (Anl. K1) jedoch abweichend geregelt ("Gerichtsstand ist Zürich") und damit den besonderen Gerichtsstand des Deliktsorts gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1 LugÜ wirksam derogiert. Dieselbe Regelung enthalten der von beiden Parteien unterzeichnete Abwicklungsauftrag vom 17.03./30.06.1998 (Anl. K24) sowie der Anschluss-Vermögensverwaltungsauftrag vom 06.04.2001 (Anl. K2).

a) Die nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. b LugÜ erforderliche Schriftform ist eingehalten. Unschädlich ist, dass es sich bei den Formularen um vorformulierte Vertragstexte handelt, denn nach der Rechtsprechung des EuGH reicht es aus, dass die die Zuständigkeit regelnde Klausel tatsächlich Gegenstand der Willenseinigung zwischen den Parteien war und dies klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist (vgl. EuGH v. 14.12.1976, Az. 24/76 - Estasis Salotti). Die Klausel muss daher leicht zu erkennen sein und darf nicht etwa an versteckter Stelle stehen (vgl. OLG Karlsruhe vom 02.11.2006, Az. 3 U 15/06; Kropholler, 8. Aufl., Art. 23 EuGVO Rn. 34 f.; Geimer/Schütze, 2. Aufl., Art. 23 EuGVO Rn. 77 u. 85 ff.; Schlosser, EuGVÜ, Art. 17 Rn. 20 mwN.). Diese Voraussetzungen liegen vor, denn die Gerichtsstandsbestimmung steht jeweils gut erkennbar abgesetzt im letzten Absatz des Vertragstextes unmittelbar über den Unterschriften. Indem der Kläger die Formulare unterschrieben hat, gab er zum Ausdruck, auch mit der Geltung dieser Regelung einverstanden zu sein. Nachdem die Wirksamkeit der Klausel allein an Art. 17 LugÜ zu messen ist und weder nationale Normen der Inhaltskontrolle (vgl. Nagel/Gottwald, 6. Aufl., § 3 Rn. 169; Geimer/Schütze aaO. Rn. 72; Kropholler aaO. Rn. 19) noch nationale Prorogationsverbote entgegenstehen (OLG Stuttgart v. 09.11.1990, Az. 2 U 16/90, RIW 1991, 333; BayObLG NJW-RR 2002, 359; OLG Hamm RIW 2000, 382; Nagel/Gottwald aaO.; Kropholler aaO. Rn. 21 f.), bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit.

b) Gerichtsstandsvereinbarungen sind nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 LugÜ grundsätzlich abschließend mit der Folge, dass alle besonderen Gerichtsstände ausgeschlossen sind, folglich auch der Deliktsgerichtsstand (h.M.; vgl. Senatsbeschluss vom 04.10.2007, Az. 5 U 95/07; OLG München v. 08.03.1989, Az. 15 U 5989/88, RIW 1989, 902; Zöller/Geimer, ZPO, 27. Aufl., Art. 23 EuGVO Rn. 39; Schlosser aaO. Rn. 33). Selbst nach der insoweit weniger rigiden Regelung des Art. 23 EuGVO müsste ein Wille der Parteien, lediglich einen konkurrierenden Gerichtsstand zu schaffen oder etwa deliktische Anspruchsgrundlagen auszunehmen, in der Vereinbarung eindeutig zum Ausdruck gekommen sein (MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl., Art. 17 EuGVÜ, Rn. 37, 54; Kropholler aaO. Rn. 92; Geimer/Schütze aaO Rn. 206). Im vorliegenden Fall verbietet sich eine solche Auslegung schon deshalb, weil in der Schweiz am Sitz der Beklagten ohnehin der allgemeine Gerichtsstand nach Art. 2 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 LugÜ eröffnet ist. Die Parteivereinbarung wäre sinnlos. Eine Einschränkung nur für vertragliche Leistungs- oder Ersatzansprüche enthält die Klausel ebenfalls nicht. Vielmehr lag es nach den Umständen entweder im Interesse beider Parteien oder zumindest in dem für den Kläger erkennbaren und nachvollziehbaren Interesse der Beklagten, für eine unter steuerlichen Optimierungsgesichtspunkten in der Schweiz vorzunehmende Vermögensverwaltung durch ein Schweizer Unternehmen schon aus Gründen der Sachnähe und der etwaigen Aufklärungsmöglichkeiten eine alleinige und umfassende Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Beklagten festzulegen.

c) Zwar hat sich die Beklagte im Rechtsstreit nicht ausdrücklich auf die Gerichtsstandsvereinbarung berufen. Sie rügt aber generell die internationale Zuständigkeit, wenngleich mit anderer rechtlicher Begründung. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist vom Kläger selbst in Form der in Bezug genommenen Anlage K1 vorgelegt und vorgetragen und daher Prozessstoff des vorliegenden Verfahrens, was das Gericht zur Kenntnisnahme und Prüfung verpflichtet. Eine ausdrückliche Berufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung ist nicht erforderlich, weil - anders als bei nur auf Einrede zu beachtenden Zulässigkeitshindernissen wie etwa Schiedsvereinbarungen (§ 1032 ZPO) - die internationale Zuständigkeit eine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage darstellt. Das Gericht darf daher vor einer Gerichtsstandsvereinbarung, die einen ausschließlichen Gerichtsstand begründet und von der es auf prozessordnungsgemäße Weise erfahren hat, nicht die Augen verschließen, sondern muss unter Beachtung des Parteiwillens sachlich richtig entscheiden (Geimer/Schütze aaO Art. 26 EuGVO Rn. 8). Den Interessen der ausländischen Beklagten ist damit Rechnung getragen. Denn diese hat von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sich ohne Rücksicht auf die Gerichtsstandsvereinbarung rügelos vor den deutschen Gerichten einzulassen (Art. 18 LugÜ). Die Problematik wurde mit den Parteien in der Berufungsverhandlung erörtert und rechtliches Gehör gewährt (Bl. 206 d.A.).

4. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die vorliegende Deliktsklage sei im Gerichtsstand für Verbrauchersachen nach Art. 13, 14 LugÜ zulässig.

a) Zwar steht die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien dieser besonderen Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht entgegen, weil die erhöhten Anforderungen an eine abweichende vertragliche Regelung nach Art. 15 LugÜ nicht vorliegen. Desweiteren ist die Streitigkeit der privaten und nicht der beruflichen Sphäre des Klägers zuzurechnen, so dass er als Verbraucher im Sinn von Art. 13 Abs. 1 LugÜ anzusehen ist. Auch liegen die weiteren Tatbestandsmerkmale einer Verbrauchersache nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a LugÜ vor.

b) Eher zweifelhaft erscheint hingegen, ob der für den konkreten Schaden ursächliche Anlagevertrag in Deutschland zustande gekommen ist. Grundsätzlich kommt es bei der Zuständigkeitsbestimmung nicht auf den Vermögensverwaltungsvertrag als bloßen Rahmenvertrag an, sondern auf den für den jeweiligen Schadensfall ursächlichen Durchführungsvertrag (Zöller/Geimer, aaO. Art. 5 EuGVVO Rn. 4c; Musielak/Stadler aaO. Art. 5 EuGVVO Rn. 9 mwN.). Den in Deutschland unterschriebenen Zeichnungsschein (Anl. K11) haben die Parteien aber später in Zürich durch einen inhaltlich abweichenden Zeichnungsschein (Anl. K17) samt Abwicklungsauftrag sowie weitere Bestätigungen zum Vollzug ersetzt (Anl. K17, K24). Der Neuabschluss ergibt sich nicht nur aus den Unterlagen, sondern wurde von der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers bestätigt (Bl. 83 d.A.). Die Parteien haben sogar den ersten Zeichnungsschein gestrichen, so dass von einer Identität nicht ausgegangen werden kann (vgl. Senatsbeschluss v. 19.03.2007, Az. 5 U 2/07). Es kommt daher ernsthaft in Betracht, den ersten Zeichnungsschein also bloßes Lockmittel im Inland anzusehen, mit dessen Hilfe der eigentliche Zeichnungsschein im Ausland zustande gebracht wurde. Wenn der Verbraucher vom Vertragspartner veranlasst worden war, zum Vertragsabschluss seinen Staat zu verlassen, ist unter der Geltung des EuGVÜ ein Verbrauchergerichtsstand nicht angenommen worden (Kropholler aaO. Art. 15 EuGVVO Rn. 27; dieser unter Verbraucherschutzgesichtspunkten unbefriedigende Zustand war mit ein Grund, Art. 15 EuGVVO weiter zu fassen und damit den Verbraucherschutz auszudehnen, vgl. BR-Drucks. 534/99, 16). Die Frage kann aber letzten Endes aus den nachfolgend dargestellten Gründen offen bleiben.

c) Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage in einem der besonderen Gerichtsstände ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen der in diesem Gerichtsstand zulässigen Klage vom Kläger dargelegt werden (BGH v. 19.02.2004, Az. X ARZ 334/01, NJW 2002, 1425, 1426; BGH v. 10.12.2002, Az. X ARZ 208/02, NJW 2003, 828). Demzufolge eröffnen Art. 13, 14 LugÜ einen Gerichtsstand am Wohnsitz des Klägers nur für vertragliche Ansprüche.

Daran fehlt es. Vertragliche Ansprüche oder an deren Stelle tretende Ansprüche im Sinn von vertraglichen Erfüllungs- oder Nichterfüllungsansprüchen, ggf. auch quasivertraglichen oder Rückabwicklungsansprüchen, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Vielmehr beschränkt sich der Kläger auf den Vorwurf der Kundenwerbung ohne Bankenerlaubnis und - am Rande - der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Weg von Kick-Back-Zahlungen. Dass auf Klägerseite die Unterscheidung zwischen deliktischen Ansprüchen einerseits, für die Art. 5 Nr. 3 LugÜ gilt, und vertraglichen Ansprüchen andererseits, die im Verbrauchergerichtsstand nach Art. 13 ff. LugÜ geltend gemacht werden können, wohl bekannt ist, zeigt das vorgerichtliche Forderungsschreiben vom 30.01.2008 (Anl. K32, dort S. 6). Von der dort angesprochenen Möglichkeit der Geltendmachung vertraglicher Schadensersatzansprüche hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht, sondern seine Ansprüche ausweislich der Klagschrift ausschließlich auf gesetzliche Schadensersatzansprüche gestützt. Der Feststellung in der Klagerwiderung, vertragliche Ansprüche würden nicht geltend gemacht (weshalb der Verbrauchergerichtsstand ohne Belang sei, Bl. 31 d.A.), hat der Kläger nicht widersprochen. Vor allem trägt er auch keinen individuellen Sachverhalt vor, aus dem sich eine Vertragsverletzung ergeben könnte.

Nach bisher einhelliger höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt im Recht der internationalen Zuständigkeiten das Prinzip der Zuständigkeitsspaltung. Treffen mehrere materielle Anspruchsgrundlagen zusammen, ist das in einem besonderen Gerichtsstand angegangene Gericht nur für den Klagegrund zuständig, für den die Zuständigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, nicht auch für die konkurrierenden Anspruchsgrundlagen, denn insofern fehlt dem Gericht die Prüfungskompetenz (st.Rspr.; vgl. z.B. BGH v. 28.02.1996, Az. XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411, 1413). Zwar hat der Bundesgerichtshof diese Spaltungstheorie für die nationalen Zuständigkeitsfragen inzwischen aufgegeben (BGH v. 10.12.2002, Az. X ARZ 208/02, NJW 2003, 828, 829), dies jedoch nur im Hinblick auf eine gesetzgeberische Vorgabe in Art. 17 Abs. 2 GVG, für die es im Bereich der internationalen Zuständigkeit nach dem LugÜ keine Entsprechung gibt. Stattdessen grenzt der Bundesgerichtshof diese umfassendere Anwendung der nationalen Zuständigkeitsvorschriften ausdrücklich ab von der durch eine andere Interessenlage gebotenen restriktiven Handhabung auf internationaler Ebene (BGH aaO. S. 830) und hält daran auch in jüngeren Entscheidungen fest (BGH v. 07.12.2004, Az. XI ZR 366/03, NJW-RR 2005, 581, 582 f.)

In gleicher Weise hat bislang der Europäische Gerichtshof im Bereich des EuGVÜ die Zuständigkeitsvorschriften eng ausgelegt, worauf bei der Auslegung des LugÜ zurückgegriffen werden kann. Die durch die Gabriel-Entscheidung (U. v. 11.07.2002, Rs C-96/00, RIW 2002, 949) entstandene zwischenzeitliche Unsicherheit, wonach die Art. 13 LugÜ entsprechende Vorschrift des Art. 13 EuGVÜ "nicht dahin ausgelegt werden kann, dass unter die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 13 - 15 des Übereinkommens nur bestimmte Ansprüche aus einem Verbrauchervertrag fallen, während andere Klagen, die zu diesem Vertrag eine so enge Verbindung aufweisen, dass sie von ihm nicht getrennt werden können, unter anderer Vorschriften fielen", ist durch die Engler-Entscheidung (U. v. 20.01.2005, Az. C-27/02, EuZW 2005, 177) wieder beseitigt worden, in der eine erweiternde Auslegung von Art. 13 ff. EuGVÜ in Richtung nicht mit einem Vertragsschluss zusammenhängender Ansprüche nach einer österreichischen Verbraucherschutzvorschrift eine klare Absage erteilt worden ist.

Das Gericht übersieht nicht, dass bislang die spezielle Frage des Rechtsstreits, ob im Verbrauchergerichtsstand nach Art. 13, 14 LugÜ allein auf §§ 823 Abs. 2 und 826 BGB gestützte Ansprüche aus demselben Sachverhalt wie die Verbraucherklage zusätzlich geltend gemacht werden können, höchstrichterlich bislang ausdrücklich nicht entschieden ist. Angesichts der klaren Judikate zu den gleich gelagerten Abgrenzungsfragen zu den Zuständigkeiten nach Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3 LugÜ/EuGVÜ/EuGVO ist eine abweichende Beurteilung ohne eine grundsätzliche Rechtsprechungsänderung jedoch nicht zu erwarten. Der Senat sieht es nicht als seine Aufgabe an, einer solchen Wende vorzugreifen.

Dem am Wortlaut der Zuständigkeitsvorschriften orientierten Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgen im Übrigen wesentliche Teile der Literatur. Sie sehen wegen des Ausnahmecharakters der besonderen Gerichtsstände eine erweiternde Auslegung als mit dem Willen der Vertragsparteien des Übereinkommens unvereinbar an, verweisen auf die drohende Gefahr von Zuständigkeitserschleichungen und betrachten im Ergebnis deliktische Klagen im Verbrauchergerichtsstand als ausgeschlossen (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., Art. 15 EuGVO Rn. 1; Kropholler aaO. Art. 15 EuGVO Rn. 3; Musielak/Stadler, 6. Aufl., Vorbem. zu Art. 15 - 17 EuGVO; Nagel/Gottwald aaO. § 3 Rn. 113; S. 114, die diese Auffassung als herrschend bezeichnen; Spickhoff IPrax 2009, 128, 131; Rauscher/Staudinger Vorbem. zu Art. 15 - 17 Brüssel-I VO Rn. 4; Schack, 4. Aufl. Rn. 347). Dem halten andere, ebenfalls nicht wenige Stimmen entgegen, dass der Verbraucherschutz ein weites Verständnis gerade der Art. 13, 14 LugÜ/EuGVÜ bzw. Art. 15, 16 EuGVO gebiete und bejahen teils in weiter Auslegung des Wortlauts, teils unter Hinweis auf eine anzuerkennende Annexkompetenz die Prüfungszuständigkeit des Gerichts im Verbrauchergerichtsstand für deliktische Anspruchsgrundlagen (Geimer/Schütze aaO. Art. 15 EuGVO Rn. 26; Zöller/Geimer aaO. Art. 15 EuGVO Rn. 15; Staudinger/Hausmann (2002), Anh. II zur Art. 27 - 37 EGBGB Rn. 107 sowie Rn. 56, 57; Schlosser aaO. Rn. 2 sowie 2. Aufl., Art. 15 EuGVO Rn. 2; Wieczorek/Schütze/Hausmann, 3. Aufl., Art. 13 EuGVÜ Rn. 23; Staudinger ZEuP 2004, 767, 780; Benicke WM 1997, 945).

Gegen diese weitere Auffassung sprechen nicht nur die besseren Argumente der erstgenannten Meinung und insbesondere der Wortlaut der Normen, der ausdrücklich auf vertragliche Ansprüche abstellt. Diese Auffassung ist vom Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die Rechtsperchung des EuGH auch ausdrücklich abgelehnt worden (vgl. BGH v. 28.02.1996 aaO S. 1413).

Im konkreten Fall könnte freilich schon deshalb nicht anders entschieden werden, weil der Kläger nicht neben vertraglichen Ansprüchen zusätzlich deliktische Ansprüche im Verbrauchergerichtsstand überprüft haben möchte, sondern weil er im Weg einer isolierten Deliktsklage vorgeht und einen reinen Deliktssachverhalt vorträgt, aus dem sich nicht zugleich vertragliche Ansprüche ergeben. Dass ein Vertreter der weiteren Auffassung für eine solche Konstellation eine Annexkompetenz des Gerichts im Verbrauchergerichtsstand bejahen würde, ist der Literatur nicht zu entnehmen.

Der Senat sieht ein solches Verständnis der Zuständigkeitsvorschriften jedenfalls deshalb als ausgeschlossen an, weil auf diese Weise allein mit der theoretischen Möglichkeit, dass aufgrund eines prozessual anderen Streitgegenstands andere Ansprüche bestehen könnten, der dem Kläger genehme Gerichtsstand eröffnet (vgl. BGH v. 28.02.1996 aaO. S. 1413) und nicht nur die Zuständigkeitssystematik des LugÜ gestört, sondern auch die Bindung an die Gerichtsstandsvereinbarung beseitigt werden könnte. Dafür gibt es keinen Anlass.

5. Andere Gerichtsstände, die zur Zuständigkeit der deutschen Gerichten führen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Nach dem oben unter Ziff. 3 Gesagten wären solche Zuständigkeiten auch abbedungen.

III.

Die Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 91, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO liegen vor. In gleich gelagerten Parallelfällen hat bisher eine ganze Reihe von Gerichten, darunter auch Obergerichten, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ohne Berücksichtigung der Gerichtsstandsvereinbarung und der international nach Anspruchsgrundlagen gespaltenen Zuständigkeit ohne weiteres bejaht. Insofern erscheint eine höchstrichterliche Klärung zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung erforderlich.

Ende der Entscheidung

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