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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 12.03.2001
Aktenzeichen: 5 U 216/99
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 377
ZPO § 391
ZPO § 402
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Der Weiterverkauf von Waren im sog. Streckengeschäft entbindet den Käufer nicht der Untersuchungspflicht gem. Art. 38 CISG. Der Käufer kann sich auch nicht nach Art. 82 Abs. 2 lit. c CISG darauf berufen, wegen des bereits erfolgten Weiterverkaufs und der Durchlieferung der Waren an den Endabnehmer habe er den Mangel nicht entdeckt /entdecken müssen.
Oberlandesgericht Stuttgart - 5. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 5 U 216/99

Verkündet am 12. März 2001

In Sachen

wegen Forderung

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2001 unter Mitwirkung

des Richters am OLG Stähle, der Richterin am OLG Strohm sowie der Richterin am OLG Kassner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16. Juli 1999 - 20 O 331/97 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 150.000,00 abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische, schriftliche, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Bankinstituts erbracht werden.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Beklagten: DM 108.806,65

Tatbestand:

Die Klägerin, die ihren Sitz in W/Ö hat, verlangt von der Beklagten, die ihren Sitz in H Deutschland hat, Bezahlung gelieferter Ware.

Geltend gemacht werden Kaufpreisansprüche für im Januar 1997 geliefertes Apfelsaftkonzentrat in Höhe von insgesamt DM 174.053,10 (Rechnungen vom 22.01.1997, 23.01.1997 und 24.01.1997; Anlagen K 2 bis K 5 zur Klageschrift vom 04.08.1997) und restliche Kaufpreisansprüche in Höhe von DM 33.261,19 für im April 1997 gelieferte Erdbeeren (Rechnungen vom 07.04.1997 und vom 11.04.1997, Anlagenkonvolut K 16 zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 24.10.1997).

Die Beklagte bestellte im Januar 1997 bei der Klägerin 100.000 kg polnisches Apfelsaftkonzentrat (im Weiteren: ASK) zum Preis von DM 1,69/kg. Die Bestellung wurde durch die Beklagte am 16.01.1997 schriftlich bestätigt (Anl. K 1 zur Klageschrift vom 04.08.1997).

Die Klägerin bezog die Ware bei einer Fa. H, die ihren Sitz in L/ R hat und die ihrerseits das ASK in einem Betrieb in K P herstellen ließ. Dort wurde die Ware auf vier Tanklastzüge verladen.

Am 24.01.1997 wurde die erste Tanklastzugladung vereinbarungsgemäß bei der Abnehmerin der Beklagten, der S N GmbH & Co. KG in P angeliefert; die weiteren Tanklastzugladungen trafen dort am 27.01.1997 ein.

Die Fa. S ließ von der angelieferten Ware bei deren Ankunft Proben ziehen, die zunächst bei der F-L GmbH einer Grob- oder Kontrollanalyse unterzogen wurden. Die F-L GmbH war zumindest zum damaligen Zeitpunkt fast ausschließlich für die Fa. S tätig. Nachdem bei dieser etwa 2 bis 2 1/2z Stunden dauernden ersten Kontrollanalyse, bei der lediglich einige Parameter abgeprüft wurden, keinerlei Auffälligkeiten festgestellt wurden, wurde die Ware in stationäre Tanks umgefüllt und mit der Ware anderer Anlieferer vermischt. Zudem wurde mit der Verdünnung des Konzentrats auf Trinkstärke und der Abfüllung in Einzelpackungen (Tetra-Packs) begonnen.

Bei der am 28.01.1997 durch die F-L GmbH fertiggestellten Feinanalyse der Proben wurde dann festgestellt, daß das von der Klägerin gelieferte ASK mit Glucosesirup versetzt war (Analyseberichte, Anl. B 29 bis B 32 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 07.01.1998).

Bestätigt wurde dieses Analyseergebnis auch bei einer am 06.02.1997 auf Veranlassung der Fa. S erfolgten Untersuchung von bei der Fa. S) vorgehaltenen Rückstellproben durch die GfL Gesellschaft für L Forschung mbH (Prüfberichte vom 06.02.1997, Anl. B 5 bis B 8 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997).

Nachdem die Fa. S durch Telefaxschreiben vom 28.01.1997 (Anl. B 2 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) die Ware wegen erfolgten Zuckerzusatzes gerügt hatte, erhob die Beklagte ihrerseits durch Schreiben vom 29.01.1997 (Anl. B 3 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) Mängelrüge gegenüber der Klägerin. Nachdem die Analyseergebnisse der G vorlagen, rügte die Beklagte durch Schreiben vom 06.02.1997 (Anl. B 9 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) erneut den Mangel gegenüber der Klägerin. Das Schreiben endet mit der abschließenden Mitteilung: "Wir müssen uns jetzt Schritt für Schritt an die Abwicklung dieser Reklamation herantasten und halten Sie je nach Informationsstand auf dem Laufenden".

Durch Schreiben vom 26.02.1997 (Anl. B 11 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) forderte die Beklagte die Klägerin zur Nachlieferung der vereinbarten Menge ASK bis zum 06.03.1997 auf; für den Fall der nicht fristgerechten Nachlieferung kündigte die Beklagte an, die Aufhebung des Vertrags zu erklären. Zugleich teilte die Beklagte mit, daß die Fa. S bereits 501.000 Tetra-Packungen à 0,75 l aus der von der Klägerin gelieferten und mit der Ware anderer Lieferanten vermischten Ware hergestellt gehabt habe, die zunächst gesperrt und eingelagert worden seien, weshalb die Fa. gegenüber der Beklagten die Geltendmachung erheblicher Schadensersatzansprüche angekündigt habe. Der Beklagten sei es jedoch gelungen, mit der Fa. S eine Vereinbarung zu treffen, daß alle wechselseitigen Ansprüche - auch für die Zukunft - aus den mangelhaften Lieferungen als erledigt anzusehen und die Lieferungen als nicht erfolgt zu behandeln seien. Nicht erledigt seien die von der Beklagten aufgewandten Transport-, Zoll- und Analysekosten, welche von der Klägerin zu tragen seien.

Durch Schreiben vom 03.03.1997 (Anl. B 12 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) verlängerte die Beklagte die Frist bezüglich der Nachlieferung bis zum 12.03.1997; durch Schreiben vom 19.03.1997 (Anl. B 13 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) wurde eine neue Nachfrist bis zum 26.03.1997, 15.00 Uhr gesetzt.

Da eine Nachlieferung bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt war, erklärte die Beklagte durch Schreiben vom 26.03.1997 (Anl. B 14 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) die Aufhebung des Vertrags.

Die ihr für Transport, Verzollung und Probeanalysen entstandenen Kosten in Höhe von DM 33.261,19 verrechnet die Beklagte mit von der Klägerin für die Lieferung von Erdbeeren gestellten Rechnungen vom 07.04.1997 und 11.04.1997 (Anlagenkonvolut K 16 zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 24.10.1997).

Die Klägerin hat vollständige Bezahlung ihrer Lieferungen verlangt, sowohl bezüglich des ASK, als auch der Erdbeeren.

Die Klägerin hat bestritten, daß das ASK mit Glucosesirup versetzt, also mangelhaft gewesen sei. Das Apfelsaftkonzentrat sei vor der Verladung in K /P chemisch untersucht und für einwandfrei befunden worden.

Die Beklagte habe zudem nicht das Recht gehabt, die Aufhebung des Vertrags zu erklären, da eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 49 CISG nicht vorgelegen habe.

Für den Fall, daß die Beklagte - entgegen der Auffassung der Klägerin - das Recht gehabt habe, die Aufhebung des Vertrags zu erklären, müsse sie das von ihr beanstandete ASK zurückgeben. Dies sei nun jedoch nicht mehr möglich, da das von der Klägerin gelieferte ASK im Betrieb der Fa. S mit der Ware anderer Lieferanten vermischt worden sei. Das Analyseergebnis der bei Anlieferung gezogenen Proben hätte jedoch abgewartet werden müssen, ehe die Ware vermischt und mit der Verarbeitung begonnen worden sei. Die Klägerin müsse es auch keineswegs hinnehmen, daß sich die Beklagte mit der Fa. S wie geschehen, geeinigt habe. Denn auch verzuckertes ASK habe noch einen erheblichen Wert und könne ohne weiteres zu Fruchtsaftgetränken oder -nektaren verarbeitet und so in den Verkehr gebracht werden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 207.314,29 nebst 7 % Zinsen hieraus seit 04.03.1997 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, das von der Klägerin gelieferte ASK sei mangelhaft gewesen, weshalb sie zu Recht die Aufhebung des Vertrags erklärt und mit ihren Schadensersatzansprüchen (Ersatz der Transport-, Verzollungs- und Analysekosten) gegen die Forderung der Klägerin aus einer im April 1997 erfolgten Lieferung von Erdbeeren aufgerechnet habe.

Die Fa. S sei im übrigen auch berechtigt gewesen, nach dem Vorliegen der Ergebnisse der sogenannten Kontrollanalyse die Lieferung der Klägerin mit anderen ASK-Warenbeständen zu vermischen, zumal die Fa. S täglich ca. 15 Tankzüge mit diversen Konzentraten erhalte und diese nicht bis zum Vorliegen des Ergebnisses der sogenannten Feinanalyse Zwischenlagern könne, da die Feinanalyse mehrere Tage in Anspruch nehme.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in I. Instanz wird auf die Schriftsätze der Prozeßbevollmächtigten der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C S, T J, J K Und S B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 20.03.1998 (Bl. 105/116 d.A.) und vom 19.06.1998 (Bl. 124/127 d.A.) Bezug genommen. Ferner wurde die Zeugin E R im Wege der Rechtshilfe durch das Bezirksgericht in Stargard S P vernommen; auf das Vernehmungsprotokoll vom 24.03.1999 (Bl. 157/159 d.A.) wird Bezug genommen. Vom Vernehmungstermin waren die Prozeßbevollmächtigten der Parteien nicht unterrichtet worden, obwohl sie auf eine Benachrichtigung vom Beweisaufnahmetermin nicht verzichtet hatten.

Ferner erstattete der Sachverständige Prof. Dr. R. C, U H ein mündliches Gutachten; auf die Sitzungsniederschrift vom 19.06.1998 (Bl. 127/130 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat durch Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 02.06.1999 eine Widerklage über DM 68.000,00 (betreffend eine Lieferung von Heidelbeeren) erhoben. Diese wurde jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 22.06.1999 abgetrennt (Bl. 166/167 d.A.).

Durch Urteil vom 16.07.1999 hat das Landgericht der Klage teilweise in Höhe von DM 108.806,65 stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, daß die Beklagte gem. Art. 49 Abs. 1 CISG berechtigt gewesen sei, die Aufhebung des Vertrags zu erklären. Die Beklagte sei nach Art. 81 Abs. 2 CISG verpflichtet gewesen, das Erhaltene zurückzugeben. Obwohl dies hier nicht mehr möglich gewesen sei, sei die Beklagte zur Vertragsaufhebung berechtigt gewesen, weil sie die Ware im normalen Geschäftsgang verkauft habe, bevor sie die Vertragswidrigkeit der Lieferung entdeckt habe bzw. habe entdecken müssen. Sie schulde jedoch der Beklagten den Gegenwert der Vorteile, die sie aus der Ware oder aus einem Teil von ihr gezogen habe (Art. 84 Abs. 2 b CISG). Zwar habe die Beklagte wegen des Vergleichsabschlusses mit der Fa. S aus der Ware hier letztlich keinen Vorteil gezogen. Dieser Vergleichsabschluß beseitige jedoch nicht die in Art. 84 Abs. 2 b CISG begründete Verpflichtung der Beklagten, da sie zum Abschluß der Vereinbarung im Verhältnis zur Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, da diese Einigung nicht der Rechtslage entsprochen habe. Die Klägerin könne deshalb verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sich die Beklagte nicht mit der Fa. S auf die sogenannte "Null-Lösung" geeinigt. Die Fa. S ihrerseits habe die Wareneingangskontrolle nicht ordnungsgemäß durchgeführt und dadurch im Verhältnis zur Beklagten Vertragspflichten verletzt.

Die verzuckerte Ware habe zudem auch noch einen erheblichen Handelswert gehabt, da das Konzentrat zur Herstellung von Fruchtsaftgetränken und -nektaren hätte verwendet werden können. Die Beklagte hätte unter Berücksichtigung von Zoll-, Fracht- und Analysekosten DM 151.090,91 aus dem Geschäft vereinnahmt, wovon die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Art. 84 Abs. 2 CISG die Hälfte, d.h. DM 75.545,64 beanspruchen könne. Darüber hinaus sei die Beklagte zur Zahlung des Restkaufpreises aus der Lieferung von Erdbeeren (DM 33.261,19) verpflichtet.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte das Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.

Die Beklagte trägt in Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, daß sie keinesfalls gem. Art. 82 CISG das Recht verloren habe, die Aufhebung des Vertrags zu erklären. Auch sei sie gem. Art. 84 CISG nicht zum Ausgleich von Vorteilen im Fall der Rückabwicklung verpflichtet, da sie aus der von der Klägerin gelieferten Ware keine Vorteile gezogen habe.

Zum Abschluß der Vereinbarung mit der Fa. S (sogenannte "Null-Lösung") sei sie berechtigt gewesen, da die Fa. S ihrerseits höhere Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte gehabt habe, die auf ein Mehrfaches des Warenwertes des ASK geschätzt werden müßten.

Die Fa. S ihrerseits habe keine Obliegenheit gem. § 377 HGB verletzt, da die sogenannte Kontrollanalyse vor der Vermischung der Ware mit der Ware anderer Lieferanten ausreichend gewesen sei. Mit einer Verzuckerung von ASK-Lieferungen aus P habe zum damaligen Zeitpunkt, also im Januar 1997, nicht gerechnet werden müssen, so daß die von der F-L GmbH im Auftrag der Fa. S durchgeführte Kontrollanalyse mit den angewandten Parametern angemessen gewesen sei. Das Abwarten der Ergebnisse der sogenannten Feinanalyse habe von der Fa. S nicht erwartet werden können, da diese Analyse 2 bis 2 1/2 Tage dauere und währenddessen dann die Anlieferungsfahrzeuge abgestellt werden müßten. Eine derartige Handhabung würde zu erheblichen Standgeldkosten und damit zu einer Verteuerung der Produkte führen, zudem stünden die Platzverhältnisse auf dem Betriebsgelände der Fa. S und in der Umgebung einem solchen Vorgehen entgegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.07.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin geht nach wie vor davon aus, daß ihr eigentlich Ansprüche in Höhe des gesamten mit der Klage geltend gemachten Betrags zustehen; lediglich aus Kostengründen sei von der Erhebung einer Anschlußberufung abgesehen worden.

Die Klägerin trägt weiter vor, daß die Beklagte eine Vertragsaufhebung schon deshalb nicht verlangen könne, weil gar keine wesentliche Vertragspflicht im Sinne des Art. 49 Abs. 1 a CISG verletzt worden sei. Das gelieferte ASK sei -unabhängig vom Zuckergehalt - verkehrsfähig gewesen.

Ansonsten verteidigt die Klägerin das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, daß bei der Fa. S bei Entleerung der restlichen drei Tanklastzugladungen am 27.01.1997 bereits bekannt gewesen sei, daß sich die Kaliumwerte an der untersten Grenze des Zulässigen bewegt hätten und atypisch für ein solches Konzentrat gewesen seien. Eine Vermischung mit anderer Ware habe schon deshalb nicht erfolgen dürfen.

Der aus dem von der Klägerin gelieferten ASK produzierte Saft sei zudem nicht vernichtet, sondern weiterverkauft worden.

Die Beklagte erwidert, daß der unter anderem aus dem von der Klägerin gelieferten ASK hergestellte Saft bei der Fa. S tatsächlich zumindest teilweise zu Apfelfruchtsaftgetränk weiterverarbeitet worden sei, allerdings hätten zunächst die ursprünglichen Verpackungen aufgeschlagen werden müssen. Durch die entstandenen Verpackungs- und Vernichtungskosten sowie die Wertminderung bei den durch Dritte erfolgten Lieferungen sei bei der Fa. S ein höherer Schaden entstanden als der Rechnungsbetrag der Klägerin ausmache.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in II. Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches durch den Sachverständigen Prof. Dr. K D M mündlich im Termin vom 15.01.2001 erstattet wurde. Auf die Sitzungsniederschrift vom 15.01.2001 (Bl. 295/303 d.A.) wird insoweit Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

I. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist auf die im Januar 1997 begründeten Rechtsbeziehungen der Parteien das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) anzuwenden.

II. Mit dem Landgericht ist ferner davon auszugehen, daß die Klägerin nicht nachweisen konnte, daß das gelieferte Apfelsaftkonzentrat (ASK) bei Gefahrübergang vertragsgemäß war. Denn nach den Analyseberichten der F-L G (Anl. B 29 bis B 32 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 07.01.1998) bezüglich der am 24.01. und 27.01.1997 eingetroffenen ASK-Lieferungen war dem ASK Glucosesirup zugesetzt worden. Diese Ergebnisse wurden auch durch die Prüfberichte der GfL Gesellschaft für L-F mbH vom 06.02.1997 bestätigt (Anl. B 5 bis B 8 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Einkaufsbedingungen der Beklagten, nach deren Ziff. 4 der Gefahrübergang erst mit Eintreffen der Ware am Warenbestimmungsort bzw. Entladeort der Abholfahrzeuge erfolgt, wirksam in den Vertrag einbezogen wurden oder nicht. Denn die Klägerin konnte schon nicht nachweisen, daß die Ware zu dem nach Art. 67 CISG relevanten Zeitpunkt der Übergabe an den Spediteur in K/P vertragsgemäß gewesen ist. Daß die später festgestellte Verzuckerung der Ware während des Transports vorgenommen wurde, erscheint aufgrund der in I. Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ausgeschlossen (vgl. insbesondere die nicht protokollierten Ausführungen des in I. Instanz vernommenen Sachverständigen Prof. Dr. C, wiedergegeben auf S. 8 des angefochtenen Urteils).

III. Dennoch war die Beklagte nach Auffassung des Senats nicht berechtigt, gem. Art. 49 CISG die Aufhebung des Vertrags zu erklären.

1. Da das CISG bei nicht vertragsgemäßer Ware nicht zwischen Schlechtlieferung und Falschlieferung differenziert und eine Aliud-Lieferung jedenfalls keine Nichtlieferung im Sinne des Art. 49 Abs. 1 lit. b CISG darstellt (BGHZ 132, 290, 296/297; Staudinger-Magnus, 13. Bearbeitung 1999, RN 22 zu Art. 49 CISG m.w.N.), kann eine Vertragsaufhebung hier nur auf Art. 49 Abs. 1 lit. a CISG gestützt werden.

Nach Auffassung des Senats ist die Beklagte schon deshalb nicht berechtigt, die Aufhebung des Vertrags zu erklären, weil hier eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 49 Abs. 1 lit. a CISG nicht vorliegt.

Wesentlich ist eine Vertragsverletzung nach der Definition des Art. 25 CISG dann, wenn sie für die andere Partei einen solchen Nachteil zur Folge hat, daß ihr im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, es sei denn, daß die Vertragsbrüchige Partei diese Folge nicht vorausgesehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte.

Die von der Klägerin gelieferte Ware war mit Glucosesirup versetzt, konnte also nicht mehr als Apfelsaftkonzentrat bezeichnet werden; daraus hergestellte Getränke konnten nicht mehr als Apfelsaft in den Verkehr gebracht werden. Die Ware war also nicht vertragsgemäß. Beruht nun - wie hier - die Vertragswidrigkeit auf einer Abweichung von der vertraglichen Beschaffenheit der Ware, so kommt es darauf an, ob eine anderweitige Verarbeitung oder der Absatz der Ware im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, wenn auch mit Preisabschlag, ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich und zumutbar ist (BGHZ 132, 290, 298; Staudinger-Magnus, 13. Bearbeitung 1999, RN 12 zu Art. 25 CISG; Achilles, Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen, RN 4 zu Art. 25 CISG).

Zwar hatte die Beklagte in I. Instanz vorgetragen, ihrer Abnehmerin, der Fa. S, sei eine Verwertung des gelieferten Konzentrats nicht möglich gewesen, so daß die Ware habe vernichtet werden müssen. Vor der ersten Berufungsverhandlung wurde durch Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 06.04.2000 demgegenüber vorgetragen, daß die Ware letztendlich doch - zulässigerweise - zur Herstellung von Apfelfruchtsaftgetränk verwendet werden konnte. Daß die Ware durch die Abnehmerin der Beklagten schließlich doch - in anderer Form - verarbeitet und in den Verkehr gebracht werden konnte, spricht nach Auffassung des Senats dagegen, hier eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 49 Abs. 1 lit. a CISG anzunehmen.

2. Selbst wenn die Lieferung verzuckerter Ware als wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 49 Abs. 1 lit. a CISG angesehen werden müßte, wofür immerhin sprechen könnte, daß ausdrücklich ASK bestellt wurde, weshalb die Klägerin davon ausgehen mußte, daß es der Beklagten auf den Erhalt ungezuckerter, zur Herstellung von Apfelsaft verwendbarer Ware ankam, so änderte dies nichts daran, daß die Beklagte nicht als berechtigt angesehen werden kann, die Aufhebung des Vertrags zu erklären.

Allerdings hat die Beklagte nicht bereits gem. Art. 49 Abs. 2 lit. b CISG das Recht verloren, die Aufhebung des Vertrags zu verlangen. Denn die Beklagte hat die Aufhebung des Vertrags durch Schreiben vom 26.03.1997 (Anl. B 14 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) erklärt, nachdem eine durch Schreiben vom 19.03.1997 (Anl. B 13 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22,09.1997) gem. Art. 47 CISG bis zum 26.03.1997 gesetzte Nachfrist zur Lieferung vertragsgemäßer Ware abgelaufen war, ohne daß eine Nachlieferung seitens der Klägerin erfolgt war. Geht man vom Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung aus, so sind die Voraussetzungen einer Nachfristsetzung für eine Ersatzlieferung im Sinne des Art. 46 Abs. 2 CISG gegeben, da die Vertragswidrigkeit des gelieferten Konzentrats durch Schreiben vom 29.01.1997 (Anl. B 3 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) gerügt wurde und durch Schreiben vom 26.02.1997 (Anl. B 11 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) Nachlieferung der vereinbarten Menge ASK verlangt wurde.

3. Die Beklagte hat jedoch auf jeden Fall nach Art. 82 Abs. 1 CISG das Recht verloren, die Aufhebung des Vertrags zu erklären.

a) Nach Art. 82 Abs. 1 CISG verliert der Käufer das Recht, die Aufhebung des Vertrags zu erklären, wenn es ihm unmöglich ist, die Ware im Wesentlichen in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat.

Hier wurde die gelieferte Ware durch die Abnehmerin und Vertragspartnerin der Beklagten, also durch die Fa. S mit der Ware anderer Lieferanten vermischt und weiterverarbeitet, so daß eine Rückgabe der Ware im ursprünglichen Zustand - auch nach dem Vorbringen der Beklagten - nicht mehr möglich ist.

b) Zwar findet Art. 82 Abs. 1 CISG keine Anwendung, wenn der Käufer die Ware ganz oder teilweise im normalen Geschäftsverkehr verkauft oder der normalen Verwendung entsprechend verbraucht oder verändert hat, bevor er die Vertragswidrigkeit entdeckt hat oder hätte entdecken müssen (Art. 82 Abs. 2 lit. c CISG). Stehen nun - wie hier - die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 1 CISG fest, muß die Gegenausnahmen des Abs. 2 beweisen, wer - wie hier die Beklagte - aus einem der dort genannten Gründe dennoch an seinem Vertragsaufhebungsverlangen festhalten will (Staudinger-Magnus, 13. Bearbeitung 1999, RN 32 zu Art. 82 CISG; Achilles, Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen, RN 10 zu Art. 82 CISG; Baumgärtel/Laumen/Hepting, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 2, 2. Aufl., RN 6 zu Art. 82 CISG).

Diesen Nachweis konnte die Beklagte nicht erbringen.

aa) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß sie die von der Klägerin gelieferte Ware im normalen Geschäftsverkehr verkauft hat, bevor sie die Vertragswidrigkeit entdeckt hat oder hätte entdecken müssen.

Denn es handelt sich hier um ein sogenanntes Streckengeschäft, bei dem auch der Klägerin bekannt war, daß die Ware nicht an die Beklagte, sondern direkt bei der Abnehmerin der Beklagten, der Fa. S in P abgeliefert werden sollte. Der Verkauf an die Fa. S kann daher nicht als Abverkauf im normalen Geschäftsverkehr im Sinne des Art. 82 Abs. 2 lit. c CISG angesehen werden. Wollte man dies mit der Beklagten anders sehen, würde im Streckengeschäft die Prüfungsobliegenheit faktisch entfallen, wovon Art. 82 Abs. 2 lit. c CISG gerade nicht ausgeht.

bb) Die Beklagte kann auch nicht nachweisen, daß sie die von der Klägerin gelieferte Ware der normalen Verwendung entsprechend verbraucht oder verändert hat, bevor sie die Vertragswidrigkeit entdeckt hat oder hätte entdecken müssen. Da es sich - wie bereits ausgeführt wurde - um ein sogenanntes Streckengeschäft handelt, trifft die Untersuchungspflicht den Abnehmer der Beklagten, also die Fa. S, zumal die Untersuchung der Ware nach Art. 38 Abs. 2 CISG bis nach dem Eintreffen der Ware beim Abnehmer des Käufers, also der Beklagten, aufgeschoben war (Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, 3. Aufl., RN 22 zu Art. 38 CLSG; Achilles, Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen, RN 13 zu Art. 38 CISG). Das Verhalten bzw. Fehlverhalten ihrer Abnehmerin muß sich die Beklagte danach zurechnen lassen.

cc) Hier hat nun die Fa. S das von der Klägerin gelieferte Konzentrat mit der Ware anderer Lieferanten vermischt, obwohl sie die Vertragswidrigkeit der Ware zuvor hätte entdecken müssen.

Nach Auffassung des Senats wäre die Fa. S gehalten gewesen, vor einer Vermischung der von der Klägerin stammenden Ware mit dem ASK anderer Lieferanten das von der Klägerin gelieferte Konzentrat auf Verzuckerung untersuchen zu lassen und das entsprechende Analyseergebnis auch abzuwarten.

Zwar hat die Fa. S das Ergebnis der in ihrem Auftrag durch die F-L GmbH durchgeführten sogenannten Kontrollanalyse abgewartet, ehe die von der Klägerin stammende Ware mit der Ware anderer Lieferanten vermischt wurde. Bei dieser ersten Kontrollanalyse, die nach den Angaben der Beklagten etwa 2 bis 2 1/2 Stunden Zeit in Anspruch nimmt, wurde die Ware - wie damals bei der Fa. S bzw. bei der F-L GmbH üblich - lediglich auf wenige Parameter hin geprüft. Auf den Zusatz von Zucker wurde die Ware unstreitig zunächst nicht untersucht. Daß dem ASK Glucosesirup zugesetzt worden war, wurde erst bei der sogenannten Feinanalyse festgestellt, deren erste Ergebnisse auch bezüglich der ersten bereits am 24.01.1997 eingetroffenen Tanklastzugladung am Abend des 27.01.1997 vorlagen, als die Ware bereits mit der Ware anderer Lieferanten vermischt war. Es gibt zwar keine gesetzlichen Vorschriften, welche die Durchführung von Untersuchungen von ASK vor der Weiterverarbeitung vorschreiben. Nach Auffassung des Senats war die Fa. S jedoch gem. Art. 38 CISG, § 377 HGB gehalten, die von der Klägerin stammende Ware zumindest einer auf die wichtigsten Parameter beschränkten Untersuchung zu unterziehen, sie dabei auch auf Verzuckerung hin zu untersuchen und das entsprechende Analyseergebnis abzuwarten, ehe die Ware mit anderer Ware vermischt und weiterverarbeitet wurde.

Dies folgt daraus, daß sämtliche Beteiligten - auch die Beklagte als Händlerin - die lebensmittelrechtliche Korrektheit der Ware zu gewährleisten haben. Da aus verzuckertem Konzentrat hergestelltes Getränk nicht als Apfelsaft bezeichnet, sondern lediglich als Fruchtsaftgetränk oder -nektar in den Verkehr gebracht werden darf, mußte und konnte erwartet werden, daß die Fa. S das von der Klägerin stammende Konzentrat auch auf den Zusatz von Zucker untersucht, ehe mit der Weiterverarbeitung oder auch nur der Vermischung der Ware begonnen wird.

Aufgrund der Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. M ist der Senat davon überzeugt, daß eine Verzuckerung von ASK zum damaligen Zeitpunkt, also im Januar 1997, nicht so unüblich und ungewöhnlich war, daß mit einer derartigen Verfälschung gar nicht oder kaum hätte gerechnet werden müssen. Wie der Sachverständige plausibel ausgeführt hat, handelt es sich bei Zucker um ein gängiges Fälschungsmittel, das der Sachverständige - nach Wasser - als Fälschungsmittel Nr. 2 bezeichnet hat. In ähnlicher Weise hat sich im übrigen auch der in I. Instanz gehörte Sachverständige Prof. Dr. C von der Uni H geäußert (Sitzungsniederschrift vom 19.06.1998, Bl. 128 d.A.).

Wie der Sachverständige Prof. Dr. M nachvollziehbar dargestellt hat, wäre eine Prüfung der Ware auch auf Verzuckerung bereits bei der sogenannten Kontrollanalyse, also sogleich nach Anlieferung der Ware, ohne größeren zeitlichen Mehraufwand möglich gewesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte eine derartige Analyse - je nach Ausstattung des Labors - mit einem Zeitaufwand von höchstens 45 Minuten durchgeführt werden können; von ähnlichen Zeitvorgaben (1 Stunde) ist auch der erstinstanzlich gehörte Sachverständige Prof. Dr. C ausgegangen (Sitzungsniederschrift vom 19.06.1998, Bl. 128 d.A.). Der zeitliche Mehraufwand ist jedenfalls nicht so gravierend, daß wegen der längeren Standzeiten der Tanklastzüge ein Abwarten der Zuckerbestimmung vor der Vermischung der Ware aus wirtschaftlichen Gründen nicht verlangt werden könnte.

Im übrigen verbliebe auch noch die - allerdings ebenfalls aufwendige - getrennte Lagerung angelieferter Ware bis zum Vorliegen der Analyseergebnisse.

Wenn die Fa. S nun das Analyseergebnis bezüglich Zuckerzusatz nicht abgewartet und bereits vorab die von der Klägerin stammende Ware mit der Ware anderer Lieferanten vermischt hat, handelte sie auf eigenes Risiko, zumal die Ware dadurch bedingt nicht mehr an die Klägerin zurückgegeben werden konnte.

Da sich die Beklagte das Verhalten der Fa. S zurechnen lassen muß, geht dieses Risiko auch zu Lasten der Beklagten, die damit nicht beweisen kann, daß sie die Ware der normalen Verwendung entsprechend verbraucht oder verändert hat, bevor sie die Vertragswidrigkeit der Ware hätte entdecken müssen. Hätte die Fa. S das Analyseergebnis bezüglich Verzuckerung der Ware abgewartet, wäre die Vertragswidrigkeit der Ware vor einem Verbrauch bzw. vor einer Veränderung der Ware entdeckt worden. Die Beklagte konnte damit nicht beweisen, daß eine Ausnahme im Sinne des Art. 82 Abs. 2 lit c CISG vorliegt, weshalb sie nach Art. 82 Abs. 1 das Recht verloren hat, die Aufhebung des Vertrags zu erklären.

dd) Auch der festgestellte, an der unteren Grenze der Zulässigkeit liegende Kalium-Wert, welcher nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ein deutliches Indiz für eine mögliche Verzuckerung darstellt, hätte die Fa. S zur Vorsicht mahnen und von einer Vermischung und Weiterverarbeitung der Ware abhalten müssen. Dafür, daß die Fa. S von den niedrigen Kalium-Werten vor der Vermischung und Weiterverarbeitung der von der Klägerin stammenden Ware Kenntnis hatte, spricht nach Auffassung des Senats, daß die Beklagte - wie sie in ihrem an die Klägerin gerichteten Telefax-Schreiben vom 29.01.1997 (Anl. K 6 zur Klageschrift und Anl. B 3 zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.09.1997) selbst ausführt - die Klägerin bereits am 27.01.1997 telefonisch vorab darüber informiert haben will, daß sich die Kalium-Werte in dem gelieferten Konzentrat an der untersten Grenze der Zulässigkeit bewegen.

Daß die Kalium-Werte - wie die Beklagte im Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 16.01.2001 ausführt - möglicherweise erst im Zuge der sogenannten Feinanalyse ermittelt wurden, deren erste Ergebnisse am Abend des 27.01.1997 mündlich bekannt gemacht wurden, ist nicht erwiesen.

Letztendlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die niedrigen Kalium-Werte vor Vermischung und Verarbeitung der von der Klägerin gelieferten Ware bekannt waren oder nicht, da die Fa. S - wie ausgeführt wurde - ohnehin verpflichtet war, die angelieferte Ware vor Vermischung und Weiterverarbeitung auch auf eine mögliche Verzuckerung hin zu untersuchen und das Analyseergebnis auch abzuwarten.

ee) Soweit die Beklagte den Sachverständigen Prof. Dr. M angreift, ist festzuhalten, daß dessen mündlich erstattetes Gutachten (Protokoll vom 15.01,2001, Bl. 296/303 d.A.) nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei ist. Daß der Sachverständige - wie im übrigen zunächst auch der Senat - davon ausgegangen ist, daß die Kalium-Werte zum Zeitpunkt der Vermischung der Ware bei der Fa. S bereits bekannt waren, obwohl dies letztendlich nicht gesichert erscheint, ändert nichts an dieser Einschätzung. Der Sachverständige ist zwar nicht öffentlich bestellt und vereidigt. Der Sachverständige war jedoch - eigenen Angaben zufolge - 35 Jahre lang in Forschung und Lehre bei der Forschungsanstalt in G tätig. Er war Mitarbeiter des früheren Leiters dieser Forschungsanstalt, Herrn Prof. Dr. W, mit dessen Bestellung sich beide Parteien einverstanden erklärt hatten. Prof. Dr. W war jedoch aus Altersgründen zur Übernahme des Gutachterauftrags nicht bereit und verwies auf den sodann gerichtlich bestellten Sachverständigen. Der jetzige Leiter der Forschungsanstalt in G Herr Prof. D, war der Auffassung, daß er in vorliegendem Fall nicht über die ausreichende Sachkunde verfüge.

Gerade wegen seiner Tätigkeit bei der Forschungsanstalt in G und der großen Praxisbezogenheit seiner Arbeit erschien und erscheint der Sachverständige Prof. Dr. M für den vorliegenden Gutachterauftrag besonders geeignet. Da die in § 391 ZPO genannten Gründe, die über § 402 ZPO auch für Sachverständige Geltung beanspruchen, nicht gegeben sind, konnte auch eine Vereidigung des Sachverständigen unterbleiben, zumal sie im Termin zur mündlichen Verhandlung auch von keiner der beiden Parteien beantragt wurde.

IV. Zwar hat die Beklagte ausdrücklich die Aufhebung des Vertrags erklärt, die - wie ausgeführt - vorliegend nicht möglich ist. Diese Erklärung kann jedoch nach Auffassung des Senats hilfsweise auch als Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gem. Art. 45 CISG und der Erklärung einer Minderung gem. Art. 50 CISG ausgelegt werden, zumal mit Gegenforderungen gegen den mit der Klage geltend gemachten Kaufpreisanspruch der Klägerin aus dem Vertrag über das streitgegenständliche ASK und aus einem Vertrag über Erdbeeren aufgerechnet wurde.

Obwohl die Beklagte nach Art. 82 CISG das Recht verloren hat, die Aufhebung des Vertrags zu erklären, stehen ihr die anderen Rechtsbehelfe des CISG nach wie vor zu (Art. 83 CISG).

1. Da die von der Klägerin gelieferte Ware verglichen mit reinem ASK zwar minderwertig, aber keineswegs wertlos war (sondern verarbeitet und als Apfelfruchtsaftgetränk in den Verkehr gebracht werden konnte), war die Beklage zur Minderung berechtigt.

Die Beklagte selbst geht von einem Minderwert der gelieferten Ware von 50 % aus. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2001 und in seiner zuvor eingereichten kurzen schriftlichen Stellungnahme vom 10.01.2001 (Bl. 294 d.A.) ist der Senat davon überzeugt, daß eine 50 %ige Minderung tatsächlich eher zu hoch angesetzt ist, also von einer Minderung von allerhöchstens 50 % ausgegangen werden kann.

Setzt man nun - zugunsten der Beklagten - eine Minderung des Kaufpreises von 50 % an, so wäre vom Kaufpreis für das ASK in Höhe von DM 174.053,10 ein Betrag von DM 87.026,55 in Abzug zu bringen.

Ob dieser Abzug nun unter dem Gesichtspunkt der Minderung gem. Art. 50 CISG oder des Schadensersatzes gem. Art. 45 CISG zuzuerkennen ist, kann dabei dahingestellt bleiben.

2. Im Wege des Schadensersatzes gem. Art. 45 CISG kann die Beklagte von der Klägerin die ihr entstandenen Kosten für die Einschaltung der GfL Gesellschaft für L-F mbH in Höhe von DM 6.400,00 ersetzt verlangen, da die Vertragswidrigkeit der gelieferten Ware für die Entstehung dieser Kosten ursächlich war.

3. Die Verzollungs- und Frachtkosten kann die Beklagte dagegen auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gem. Art. 45 CISG nicht von der Klägerin ersetzt verlangen, da die gelieferte Ware nicht wertlos, sondern lediglich im Wert gemindert war.

4. Bei Zugrundelegung einer 50 %igen Minderung ergibt sich folgende Abrechnung:

Forderung der Klägerin (ASK und Erdbeeren) 207.314,29 DM abzüglich Minderung ASK - 87.026,55 DM abzüglich Schadensersatz Laborkosten - 6.400,00 DM 113.887,74 DM

Durch das angefochtene Urteil wurden der Klägerin lediglich DM 108.806,65 zugesprochen, so daß auch bei Zugrundelegung einer 50 %igen Minderung für das ASK ein weitergehender Anspruch der Beklagten, der zur Aufrechnung gestellt werden könnte, nicht bestehen kann. Wie bereits ausgeführt wurde, gilt dies sogar dann, wenn man zugunsten der Beklagten den höchstmöglichen Minderungssatz von 50 % für das ASK ansetzt.

V. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.07.1999 war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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