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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 17.10.2002
Aktenzeichen: 5 W 45/02
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 16 Abs. 2
ZPO § 8
Der Gebührenstreitwert der Räumungsklage bemißt sich für gewerbliche Mietverhältnisse, bei denen neben der Kaltmiete die darauf entfallende gesetzliche Umsatzsteuer zu bezahlen ist und zudem Nebenkostenvorauszahlungen vereinbart sind, über die regelmäßig abzurechnen ist, nach der Kaltmiete zuzüglich Umsatzsteuer; die Nebenkostenvorauszahlungen einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer bleiben dagegen außer Betracht.
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluß

vom 17.10.2002

Az. 5 W 45/02

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage Zahlung rückständiger Mieten in Höhe von insgesamt 3.107,88 € nebst Zinsen, sowie Räumung und Herausgabe der Mietsache, einer Ladeneinheit in L.

Der Mietvertrag vom 27.07.2001 enthält zur Höhe des Mietzinses in § 3 eine Regelung dahingehend, daß die Kaltmiete 910,00 DM zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer beträgt und daß für im einzelnen näher genannte Betriebs-/Mietnebenkosten eine monatliche Vorauszahlung in Höhe von 400,00 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu leisten ist, über die einmal jährlich abzurechnen ist. Die Vorauszahlung bezieht sich sowohl auf verbrauchsabhängige Kosten (z.B. Wasserverbrauch, Heizkosten) als auch auf nicht verbrauchsabhängige Kosten (z.B. Grundsteuer).

Mit Beschluß vom 22.08.2002 setzte das Landgericht den Streitwert auf 8.691,12 € fest. Der Bewertung des Räumungs- und Herausgabeantrags liegt die Kaltmiete ohne Umsatzsteuer zugrunde; angesetzt wurden 12 x 910,00 DM, also 5.583,24 €.

Mit der am 18.09.2002 bei Gericht eingegangenen Streitwertbeschwerde der Klägerin wird geltend gemacht, sowohl die Nebenkostenvorauszahlungen als auch die Umsatzsteuer seien bei der Streitwertbemessung für den Räumungs- und Herausgabeantrag zu berücksichtigen, weshalb der Streitwert auf insgesamt 12.431,52 € festzusetzen sei. Hilfsweise sei jedenfalls die Umsatzsteuer auf die Kaltmiete zu berücksichtigen, so daß der Streitwert auf 9.585,58 € festzusetzen sei.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nur hinsichtlich der auf die Kaltmiete entfallende Umsatzsteuer, nicht jedoch hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlungen einschließlich Umsatzsteuer erfolgreich.

Der Gebührenstreitwert der Räumungsklage bemißt sich jedenfalls für gewerbliche Mietverhältnisse, bei denen neben der Kaltmiete die darauf entfallende gesetzliche Umsatzsteuer zu bezahlen ist und zudem Nebenkostenvorauszahlungen vereinbart sind, über die regelmäßig abzurechnen ist, nach der Kaltmiete zuzüglich Umsatzsteuer; die Nebenkostenvorauszahlungen einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer bleiben dagegen außer Betracht.

Vorliegend sind daher monatlich 910,00 DM zuzüglich 16 % Umsatzsteuer anzusetzen, also 539,72 €. Insgesamt ergibt sich für Klagantrag Ziff. 1 gemäß § 16 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 12 x 539,72 € = 6.476,64 €. Hinzu kommt Klagantrag Ziff. 2 mit 3.107,88 €, was zu einem Gesamtstreitwert von 9.584,52 € führt.

Die auf die Kaltmiete zu entrichtende Umsatzsteuer ist ein Teil des vereinbarten Entgelts. Zwar ist zutreffend, daß sie an das Finanzamt abzuführen ist, jedoch spricht dies nicht dagegen, sie bei der Bemessung des Streitwerts zu berücksichtigen. Auch ein zwischen Unternehmer und Verbraucher vereinbarter Kaufpreis enthält abzuführende Umsatzsteuer. Bei der Kaufpreisklage bemißt sich der Streitwert jedoch zweifellos nach dem Kaufpreis einschließlich Umsatzsteuer. Bei gewerblichen Mietverhältnissen entspricht es der einhelligen Meinung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, daß die Umsatzsteuer bei der Streitwertbemessung nach § 16 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen ist (OLG Bamberg OLGRep 2000, 165; OLG Dresden ZMR 1997, 527; OLG Düsseldorf JurBüro 1998, 647; OLG Hamm OLGRep 1995, 167; OLG Hamm OLGRep 2001, 38; OLG Hamm MDR 2001, 1377; KG NJW-RR 2001, 443; OLG Köln OLGRep 1996, 101). Der Senat hat in einem Beschluß vom 14.08.2000, Az. 5 W 45/00 im gleichen Sinne entschieden.

Bei der Berücksichtigung von Nebenkosten werden nahezu alle denkbaren Meinungen vertreten.

Auf der Basis einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.07.1955, BGHZ 18, 168 wird differenziert nach verbrauchsabhängigen und nicht verbrauchsabhängigen Kosten. Letztere seien zu berücksichtigen, erstere nicht. Das OLG Dresden folgt dieser Ansicht (OLG Dresden ZMR 1997, 527; OLG Dresden AGS 1998,153, zitiert nach juris).

Diese Differenzierung ist in der Praxis schwer durchführbar. In der Regel weist der Mietvertrag - wie auch im vorliegenden Fall - die Nebenkosten Vorauszahlungen lediglich als Summe aus und enthält keine Aufteilung auf die einzelnen Kostenarten. Die Streitwertfestsetzung würde also die Vorlage einer Nebenkostenabrechnung erfordern. Daher wird diese Meinung jedenfalls für Geschäftsräume überwiegend als nicht praktikabel abgelehnt.

Ein Teil der Oberlandesgerichte bemißt den Streitwert nach der Miete einschließlich aller Nebenkosten, unabhängig davon, ob diese verbrauchsabhängig sind oder nicht (OLG Brandenburg OLGRep 1998, 170; OLG Düsseldorf OLGRep 1992, 94; OLG Düsseldorf JurBüro 1998, 647; OLG Düsseldorf OLGRep 2000, 132; OLG Hamm OLGRep 1995, 167; OLG Hamm OLGRep 2001, 38; OLG Hamm MDR 2001, 1377; KG NJW-RR 2001, 443; OLG München ZMR 1999, 172 [Kosten für Heizung und Warmwasser wurden allerdings in diesem Fall nicht auf den Mieter umgelegt]).

Umgekehrt wird vertreten, Nebenkosten müßten bei der Streitwertbemessung gänzlich unberücksichtigt bleiben, jedenfalls dann, wenn die Nebenkosten im Mietvertrag - wie im vorliegenden Fall - gesondert ausgewiesen, aber nicht nach verbrauchsabhängigen und nicht verbrauchsabhängigen Kosten aufgeschlüsselt sind (OLG Bamberg OLGRep 2000, 165; OLG Celle OLGRep 1996, 231; OLG Köln OLGRep 1996, 101; OLG Köln ZMR 1998, 697; OLG Köln OLGRep 2000, 493; OLG Oldenburg ZMR 1991, 142; OLG Rostock JurBüro 1994, 735). Die Entscheidung BGH NJW-RR 1999, 1385, die allerdings zur Frage der Beschwer nach § 8 ZPO ergangen ist, weist ebenfalls in diese Richtung, hat die Frage aber letztlich offengelassen.

Der Senat hat bereits in einem Beschluß vom 14.08.2000, Az. 5 W 45/00 ausgesprochen, daß für den Streitwert eines Räumungsantrags der Mietzins ohne Nebenkosten maßgeblich ist. Auch nach nochmaliger Überprüfung besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Die differenzierende Lösung mag zwar materiell gerecht sein, ist jedoch enorm aufwendig, was dem Grundsatz widerspricht, daß die Streitwertbemessung einfach sein soll. Gerade der vorliegende Fall, in dem der Klage durch Versäumnisurteil stattgegeben wurde, zeigt dies deutlich. Die Klägerin wäre gezwungen, nach rechtskräftigem Verfahrensabschluß nur zum Zwecke der Streitwertbemessung zumindest die Nebenkostenabrechnung der vorangegangenen Verbrauchsperiode vorzulegen, oder müßte gar für die laufende Verbrauchsperiode eine Nebenkostenabrechnung erstellen.

Für die Praxis kommt nur in Betracht, entweder alle Nebenkostenvorauszahlungen zu berücksichtigen, oder die gesamten Vorauszahlungen außer Betracht zu lassen. Für beide Meinungen sprechen gute Argumente, die umfassend insbesondere in den oben genannten Entscheidungen des OLG Hamm einerseits und des OLG Köln andererseits dargelegt sind.

Für die Entscheidung des Senats ist insbesondere die Erwägung maßgeblich, daß die Bemessung des Streitwerts auf einer möglichst sicheren Grundlage erfolgen soll, die auch im Einzelfall gerecht ist. Die Höhe der Nebenkostenvorauszahlungen hingegen ist oft von Zufällen abhängig und kann im Einzelfall zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen. Verursachte der vorige Nutzer des Objekts hohe verbrauchsabhängige Kosten, wird der Folgemieter zumindest im ersten Mietjahr mit den aus der vormaligen Abrechnung resultierenden hohen Vorauszahlungen belastet werden, auch wenn die von ihm verursachten Kosten deutlich geringer sein mögen. Genauso ist der umgekehrte Fall denkbar. Häufig versäumen es die Parteien, die Höhe der Vorauszahlungen dem Ergebnis der vorangegangenen Abrechnung anzupassen. Schließlich können auch Kostensteigerungen der Versorgungsträger dazu führen, daß die Vorauszahlungen zu gering sind. Insgesamt zeigt die Praxis, daß in einer sehr hohen Zahl von Fällen die Vorauszahlungen in erheblichem Maße nach oben oder nach unten von dem Abrechnungsergebnis abweichen.

Die Nebenkostenvorauszahlungen als zufallsgeprägter und unsicherer Faktor sind als Anknüpfungspunkt für eine Streitwertbemessung daher nicht geeignet und haben insgesamt unberücksichtigt zu bleiben.

Die Beschwerde, die auch die Nebenkostenvorauszahlungen berücksichtigt sehen möchte, hat insoweit keinen Erfolg.

Ende der Entscheidung

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