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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 30.10.2000
Aktenzeichen: 6 U 130/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 631 Abs. 1
BGB § 320 Abs. 1
BGB § 322
BGB § 648 a
BGB § 641 Abs. 1
BGB § 633 Abs. 2
BGB § 320
BGB § 648 a Abs. 1
ZPO § 402
ZPO § 379
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart - 6. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 6 U 130/99 1b O 1204/98 LG Heilbronn

Verkündet am 30. Oktober 2000

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Kunz) Justizsekretärin

wegen Werklohnforderung

In Sachen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2000 unter Mitwirkung

des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Hub,

des Richters am Oberlandesgericht Ellinger und

des Richters am Oberlandesgericht Dr. Foth

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 1b Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 23. Juli 1999 abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 32.301,27 DM nebst 7,75 % Zinsen hieraus seit 11.06.1998 sowie 2.300,00 DM Zug um Zug gegen Durchführung der Restarbeiten der Rohbauarbeiten für die Errichtung des Wohn- und Bürogebäudes in Schwäbisch-Hall, H s, Flurstück-Nr. 1 in Schwäbisch-Hall ( Ausbesserung der Wärmedämmung an der UG-Decke und an der EG-Decke, Nachbessern eines Deckendurchbruchs, Verfüllen von zwei Deckendurchbrüchen in der UG-Decke, Ergänzen des hohlklingenden Putzes am Aufzugsschacht, Beseitigung von Ebenheitsabweichungen am Aufzugsschacht) zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 34.601,27 DM.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 32.301,27 DM zu. Die Zahlung des ihr darüber hinaus zustehenden Werklohns in Höhe von 2.300,00 DM kann die Klägerin nur Zug um Zug gegen Durchführung der Restarbeiten (Schließung von Deckendurchbrüchen, Vormauerungen, Wandsäule im Eingangsbereich) verlangen.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. § 631 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung der der Höhe nach unstreitigen Restwerklohnforderung von 34.601,27 DM zu, in Höhe eines Betrages von 2.300,00 DM jedoch wegen noch nicht erledigter Restarbeiten nur Zug um Zug gegen deren Durchführung, da der Beklagte den Werklohn nach §§ 320 Abs. 1, 322 BGB insoweit in Höhe der einfachen voraussichtlichen Kosten zurückbehalten kann. Im übrigen steht dem Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht zu, da er nicht fristgerecht Sicherheit nach § 648 a BGB geleistet hat.

1. Der restliche Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 34.601,27 DM ist gem. § 641 Abs. 1 BGB fällig. Daß die Werkleistung der Klägerin vom Beklagten abgenommen worden ist, ist vom Beklagten in der Berufungsbegründung vom 23.09.1999 unstreitig gestellt worden (Bl. 116 d.A.) und wurde im übrigen vom Landgericht zutreffend festgestellt (S. 12 des Urteils, Bl. 98 d.A.).

2. a) Dem Beklagten steht entgegen der Auffassung des Landgerichts gegen den Werklohnanspruch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 633 Abs. 2 BGB i.V.m. § 320 BGB wegen des fehlenden Gefälles der Balkone nicht zu. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, daß das erforderliche Gefälle der Balkon- und Terrassenflächen von mindestens 1,5 % vom Gebäude weg nicht bereits in die Rohbetondecke von der Klägerin einzubringen war und die Aufbringung eines sogenannten Aufbetons nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag von der Klägerin nicht geschuldet war. Auf die Ausführungen auf S. 12-14 des Urteils (Bl. 98-100 d.A.) wird Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Klägerin in den drei Schreiben vom 13.01.1998, 19.01.1998 und 04.03.1998 (Anl. B 3 bis B 5, Bl. 23 d.A.) sich nicht in jetzt noch sie bindender Weise verpflichtet, nachträglich in Zusammenarbeit mit der Fa. G die Aufbeton-Arbeiten durchzuführen. Die Erklärungen der Klägerin stellen kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Ein Abrücken von den Erklärungen im Schriftwechsel ist möglich. Es handelte sich um ein Angebot zur einvernehmlichen Abwicklung der aufgetretenen Probleme, zu der es letztlich jedoch nicht kam und welche gescheitert ist.

b) Dem Beklagten steht auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 633 Abs. 2 BGB i.V.m. § 320 BGB gegen den Werklohnanspruch der Klägerin wegen eines Gegengefälles der Balkon- und Terrassenflächen zum Hausgrund hin zu. Für den Nachweis seiner Behauptung, die von der Klägerin im Rahmen des Bauvertrags über die Errichtung von Rohbauarbeiten für die Errichtung eines Wohn- und Bürogebäudes erstellten Balkon- und Terrassenflächen würden nicht nur kein Gefälle nach außen hin aufweisen, sonder ein Gegengefälle zum Hausgrund hin, welches die Maßtoleranzen nach DIN 18202 überschreitet, ist der die Beweislast tragende Beklagte beweisfällig geblieben. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluß vom 15. Juni 2000 war nicht möglich, da der Beklagte den ihm aufgegebenen Auslagenvorschuß (§ 402, 379 ZPO) nicht bezahlt hat. Sein Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist mit Beschluß des Senats vom 09.September 2000 zurückgewiesen worden, so daß seine Vorschußpflicht nach §§ 402, 379 ZPO nicht entfallen ist.

c) Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 633 Abs. 2 BGB i.V.m. § 320 BGB steht dem Beklagten jedoch wegen der unstreitig von der Klägerin noch nicht ausgeführten Restarbeiten, nämlich Schließung von Deckendurchbrüchen, Vormauerungen, Wandsäule im Eingangsbereich, zu. Hierfür ist nach dem in der I. Instanz eingeholten Sachverständigengutachten des Sachverständigen K ein Aufwand von 2.300,00 DM erforderlich.

3. Der Klägerin steht ein Leistungsverweigerungsrecht wegen nicht erbrachter Sicherheitsleistung des Beklagten als Besteller nach § 648 a BGB zu.

a) Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 08.07.1998 unter Fristsetzung zum 23.07.1998 (Anl. K 12, Bl. 31 d.A.) wirksam gem. § 648 a Abs. 1 BGB zur Sicherheitsleistung aufgefordert.

b) Gegenstand der Sicherheitsleistung nach § 648 a BGB können auch bereits erbrachte, aber noch nicht bezahlte Leistungen sein. Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung, welcher sich der Senat anschließt. Nur dies entspricht Sinn und Zweck der Regelung des § 648 a BGB, da sich das Sicherungsbedürfnis des Unternehmers auch auf schon erbrachte Werkleistungen erstreckt (OLG Karlsruhe NJW 1997, 263; LG Bonn NJW-RR 1998, 530; OLG Dresden BauR 1999, 1314; LG Erfurt NJW 1999, 3786; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl. 1996, B § 16 Rdnr. 426; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl. 1999, Rdnr. 328; a.A. OLG Schleswig NJW-RR 1998, 532 (ohne Begründung); Reinelt, Baurecht 1997, 766, 770).

c) Der Umstand, daß ein Teil der Leistungen der Klägerin (Restarbeiten) noch mängelbehaftet sind, ist für die Verpflichtung des Beklagten zur Sicherheitsleistung nach § 648 a BGB in der gesamten Höhe der Restlohnforderung ohne Belang.

Mängel der erbrachten Leistung berühren das Sicherungsbedürfnis des Unternehmers allein noch nicht. Sie haben bei der Bemessung der Sicherheit grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben, da sie durch Nachbesserung beseitigt werden können und der Werklohn insoweit unvermindert verdient werden kann (OLG Karlsruhe NJW 1997, 263, 264; LG Erfurt NJW 1999, 3786; Warner BauR 2000, 1261; Münchener Kommentar-Soergel, BGB, 3. Aufl. 1997, § 648 a Rdnr. 40; Werner/Pastor a.a.O. Rdnr. 329). Diese Auffassung wird dem Zweck des § 648 a BGB, den Bauunternehmer gegen Insolvenz des Bauherrn zu schützen, gerecht. Die Sicherheitsleistung stellt einen Ausgleich für die Vorleistungspflicht dar. Der Unternehmer soll nicht zu weiteren Leistungen (Nachbesserungsarbeiten) verpflichtet sein, wenn nicht gesichert ist, daß er nach Erfüllung sein Werklohnanspruch erhält.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine wirksame Aufrechnung mit Gegenansprüchen vorliegt (OLG Karlsruhe NJW 1997, 263; Palandt-Sprau a.a.O. Rdnr. 10; LG Erfurt NJW 1999, 3786). Dies ist nicht der Fall. Auch die vom Beklagten in der Berufungsinstanz höchst vorsorglich erklärte Aufrechnung mit Mängelbeseitigungsansprüchen, die ohnehin nur in Höhe der nicht durchgeführten Restarbeiten begründet sein könnte, da im übrigen, wie dargelegt, Mängel nicht vorliegen, greift nicht. Zwar hat der Beklagte nach § 633 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Aufwendungsersatz bei Ersatzvornahme bzw. auf Vorschuß für entsprechende Nachbesserungskosten. Einen solchen Vorschußanspruch, mit dem der Beklagte gegen die Werklohnforderung aufrechnen könnte, steht aber bereits entgegen, daß der Beklagte bislang an seinem Beseitigungsverlangen gegen die Klägerin festhält.

d) Rechtsfolge der nicht fristgerecht erbrachten Sicherheitsleistung durch den Beklagten ist, daß der Klägerin als Unternehmerin ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Sie braucht ihre Arbeit nicht fortzusetzen (Palandt-Sprau a.a.O. § 648 a Rdnr. 16).

Mit dem Landgericht ist dem Leistungsverweigerungsrecht der Klägerin nach § 648 a BGB der Vorrang vor dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten nach § 320 BGB zuzusprechen (ebenso OLG Dresden BauR 1999, 1314; LG Erfurt NJW 1999, 3786; a.A.: AG Berlin BauR 2000, 738; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl. 1996, B § 16 Rdnr. 426). Nur dies entspricht dem Sinn und Zweck von § 648 a BGB, der darin besteht, den Auftragnehmer, der vorleistungsverpflichtet ist, vom Insolvenzrisiko des Auftraggebers zu befreien. Diese Wirkungen des § 648 a BGB sind auch nicht unangemessen, da durch Stellung der Sicherheit jederzeit wieder die Fälligkeit des Nachbesserungsanspruchs herbeigeführt werden kann.

Gleichwohl würde die Zuerkennung der Werklohnforderung in voller Höhe trotz des Bestehens des Nachbesserungsanspruchs über den von § 648 a BGB verfolgten Schutzzweck hinausgehen, da die Vorleistungspflicht bei unterbliebener Sicherheitsleistung praktisch umgekehrt würde. Der Werkunternehmer erhielte dann für noch nicht vertragsgemäß erbrachte Leistungen eine volle Vergütung, während der Auftraggeber, was vom Gesetzgeber nicht gewollt war, das Insolvenz- und Realisierungsrisiko seines Nachbesserungsanspruchs tragen würde. Der Senat schließt sich daher der Rechtsauffassung des OLG Dresden an, wonach der Werklohnanspruch nur insoweit als einredefrei zu behandeln ist, als er die Nachbesserungskosten - in Höhe der einfachen voraussichtlichen Kosten der Mangelbeseitigung - überschreitet (OLG Dresden BauR 1999, 1314, 1315 f). Einen sachlichen Grund, dem Werkunternehmer wegen einer unterbliebenen Sicherheitsleistung einen Werklohnanspruch auch im Umfang der Nachbesserungskosten zuzubilligen, gibt es nicht. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, daß in Höhe des nach dem in I. Instanz eingeholten Sachverständigengutachten voraussichtlichen Aufwandes von 2.300,00 DM für die im Wege der Nachbesserung noch vorzunehmenden Restarbeiten (Schließung von Deckendurchbrüchen, Vormauerungen, Wandsäulen im Eingangsbereich) nur eine Verurteilung Zug um Zug erfolgen kann (§ 322, 320 BGB).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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