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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 20.12.2002
Aktenzeichen: 6 W 72/2002
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 a Abs. 2
ZPO § 98
ZPO § 101
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 568 n.F.
ZPO § 574 Abs. 3
Schließen die Parteien einen Vergleich und heben sie die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander auf, hat der Streithelfer keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner der unterstützten Partei.
Oberlandesgericht Stuttgart - 6. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 6 W 72/2002

vom 20.12.2002

In Sachen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

der Vors. Richterin am OLG Dr. Kluge, der Richterin am OLG Dr. Kleene und des Richters am OLG Dr. Reder

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 06.11.2002 - 31 O 93/02 KfH - abgeändert.

Der Antrag der Streithelferin, der Klägerin die Kosten der Streithelferin zu 50 % aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten der Beschwerde.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: bis € 2.500,--.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage Zahlung restlichen Kaufpreises von DM 80.035,40 nebst Zinsen u.a. für die Lieferung einer CMC-Steuerung für eine Schneidmaschine. Widerklagend verlangte die Beklagte im Rahmen der Wandelung des gesamten Vertrags Zahlung von DM 69.100,-- nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rücknahme der Steuerung und verkündete der A für die die Anlage letztlich bestimmt gewesen war, den Streit. Diese trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei und schloss sich deren Anträgen an.

Nach Einschaltung eines Sachverständigen, der zu dem Ergebnis gekommen war, dass die von der Klägerin gelieferte Anlage bezüglich des Anschlusses den Vorschriften entsprach, einigten sich die Parteien außergerichtlich dahin, dass die Beklagte die Geräte an die Klägerin zurückgab und Zahlungen oder Rückzahlungen nicht geleistet werden sollten. Klage und Widerklage sollten zurückgenommen und die Kosten gegeneinander aufgehoben werden. Über die Kosten der Streitverkündeten trafen die Parteien keine Regelung. Entsprechend diesem außergerichtlichen Vergleich nahm sodann die Klägerin ihre Klage, die Beklagte ihre Widerklage zurück.

Auf Antrag der Streitverkündeten erließ das Landgericht am 06.11.2002 einen Beschluss, wonach die Klägerin von den außergerichtlichen Kosten der Streithelferin die Hälfte tragen sollte. Die Parteien hätten Kostenaufhebung vereinbart, weshalb die Streithelferin nach § 101 ZPO vom Gegner der unterstützten Partei die Hälfte ihrer Kosten erhalten müsse. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, der die Streithelferin entgegengetreten ist.

II.

Die sofortige Beschwerde ist entsprechend § 91 a Abs. 2 ZPO zulässig und in der Sache begründet.

1.

Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist nicht gem. § 568 ZPO n.F. der Einzelrichter, sondern der Senat berufen. Die angefochtene Entscheidung wurde durch den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen getroffen. Dieser ist nicht Einzelrichter im Sinne der genannten Vorschrift (ebenso OLG Karlsruhe NJW 2002, 1962 = OLGR 2002, 198 und OLG Frankfurt MDR 2002, 1391).

2.

Nachdem die Parteien in dem außergerichtlichen Vergleich die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben haben, hat die Streitverkündete keinen - auch keinen anteiligen - Kostenerstattungsanspruch.

Allerdings wird, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist, vertreten, dass die außergerichtliche Vereinbarung von Kostenaufhebung oder Kostenteilung durch die Parteien ohne Beteiligung des Nebenintervenienten für dessen Kosten bedeutet, dass der Gegner der unterstützten Partei den entsprechenden Teil, bei Kostenaufhebung also die Hälfte, trägt. Dies wird damit begründet, dass auch bei Kostenaufhebung der Gegner der unterstützten Partei wirtschaftlich rund die Hälfte der insgesamt entstandenen Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe, was in der Rege! auch dem Ergebnis in der Sache entspreche, und es keinen Unterschied machen könne, ob eine Kostenquote von 50 % oder Kostenaufhebung vereinbart werde. Die kostenmäßige Gleichstellung des Streithelfers mit der von ihm unterstützten Partei gegenüber dem Prozessgegner (Grundsatz der Kostenparallelität) gelte auch für den Vergleich und müsse gem. § 101 ZPO dazu führen, dass der Gegner einen Teil der Kosten des Streithelfers trage. Dessen Anspruch unterliege nicht der Disposition der Parteien (OLG Köln MDR 1993, 472 und NJW-RR 1995, 1215; OLG Nürnberg MDR 2001, 415; OLG Dresden NJW-RR 1998, 285; Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl., § 101 Rn. 4 und Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 101 Rn. 8). Nach anderer Auffassung steht dem Streithelfer kein Erstattungsanspruch zu (OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 1293; OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1741; OLG Dresden NJW-RR 99,1668). Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Auszugehen ist zunächst davon, dass entsprechend § 101 ZPO für die Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention im Fall eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs grundsätzlich der Inhalt des Vergleichs maßgeblich ist, so dass der Streithelfer hinsichtlich seiner Kosten so zu stellen ist wie die von ihm unterstützte Partei (so schon BGH MDR 1967, 392). Dabei kann es für das Ergebnis keinen Unterschied machen, ob die Parteien im Vergleich Kostenaufhebung ausdrücklich vereinbart haben oder sich dies beim Fehlen einer Regelung aus § 98 ZPO ergibt. Diese - vom Grundsatz her nicht streitige - Gleichbehandlung von Nebenintervenient und unterstützter Partei führt indes keineswegs zwingend dazu, dass dem Gegner ein Teil der Kosten des Nebenintervenienten auferlegt werden müsste. Inhalt der vertraglichen Regelung ist nämlich bei der Kostenaufhebung gerade, dass sich die Parteien zwar die Gerichtskosten zur Hälfte teilen, an denen der Streithelfer ohnehin nie beteiligt ist, dass aber im übrigen, also hinsichtlich der im Regelfall deutlich höheren außergerichtlichen Kosten, eine Kostenerstattung nicht stattfindet, sondern jede Partei diese selbst trägt und damit die Parteien im Ergebnis etwa gleichmäßig belastet sind. Würde man dem Streithelfer dennoch einen anteiligen Erstattungsanspruch zubilligen, so würde er besser gestellt als die von ihm unterstützte Partei; dafür stünde entgegen der Regelung im Vergleich der Prozessgegner entsprechend schlechter. Das Argument, die Parteien könnten über den Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers nicht dadurch disponieren, dass sie sich über die Kosten durch Kostenaufhebung vergleichen, verfängt nicht. Der Nebenintervenient geht mit seinem Beitritt immer das Risiko ein, seine Kosten selbst tragen zu müssen, wenn nämlich die von ihm unterstützte Partei im Prozess unterliegt. Einigen sich die Parteien auf eine vermittelnde Lösung und wollen sie erreichen, dass der Streithelfer seine Kosten selbst trägt, sind sie nicht gehindert, sich darauf zu verständigen, dass die unterstützte Partei die gesamten Kosten des Rechtsstreits übernimmt und dafür der Betrag in der Hauptsache entsprechend angepasst wird. Für den Fall, dass der Streithelfer dem Kläger beigetreten ist, lässt sich das gewünschte Ergebnis auch durch die Vereinbarung einer Zahlung durch den Beklagten, Klagerücknahme und Antrag auf Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO erreichen. Auch in diesen Fällen hat der Nebenintervenient keinen Kostenerstattungsanspruch. Will er jedes Kostenrisiko vermeiden, bleibt ihm nur die Wahl, sich am Rechtsstreit nicht zu beteiligen. Tut er dies aber doch und kommt es im Verhältnis zwischen den Parteien zur Kostenaufhebung, dann entspricht es dem Grundsatz der Kostenparallelität, dass nicht nur die unterstützte Partei, sondern auch der Streithelfer seine Kosten selbst trägt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Gem. § 574 Abs. 3 ZPO war die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die immer wiederkehrende Frage, ob der Streithelfer bei Kostenaufhebung im Vergleich einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner der unterstützten Partei hat, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte erscheint darüber hinaus zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich.

Ende der Entscheidung

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