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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 15.03.2001
Aktenzeichen: 7 U 134/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
§ 276 BGB

1. Ein Anlageberater kann sich nicht darauf berufen, dass er den Wortlaut des notariellen Vertrages eines von ihm vermittelten Immobiliengeschäftes nicht kannte.

2. Rät ein Anlageberater seinem Kunden nicht davon ab, eine Immobilie im Wege einer sogenannten Fernbeurkundung zu erwerben, kann sich der Anleger in gesteigertem Maße darauf verlassen, dass die konkrete Vertragsgestaltung auf Abweichungen zum Prospekt von seinem Berater geprüft ist.

OLG Stuttgart, 7. Zivilsenat / Urteil v. 15.3.2001 AZ: 7 U 134/00 Landgericht Ulm AZ: 4 O 151/99


Oberlandesgericht Stuttgart - 7. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer. 7 U 134/2000 40151/99 LG Ulm

In Sachen

- Kläger/Berufungskläger -

Proz. Bev.:

gegen

- Beklagter/Berufungsbeklagter-

Proz. Bev.:

wegen Forderung

Verkündet am: 15.03.2001

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Mezger / Justizangestellte

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2001 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Gramlich, des Richters am OLG Uebe, des Richters am LG Haberstroh

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichtes Ulm vom 26. Mai 2000 aufgehoben.

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung über den Betrag dieses Anspruchs sowie über die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens 119.908, 95 DM

Tatbestand:

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Falschberatung bei dem Kauf einer Eigentumswohnung als Vermögensanlage geltend.

Der Kläger genehmigte mit notarieller Urkunde vom 29.04.1994 einen am 27.04.1994 in seinem Namen ohne Vollmacht geschlossenen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung in Dortmund. Neben dem Kaufvertrag wurden ein Treuhandvertrag, ein Steuerberatungsvertrag, ein Finanzierungsvermittlungsvertrag, ein Konzeptionsvertrag, ein Baubetreuungsvertrag, ein Generalübernehmervertrag, ein Vermietungsvermittlungsvertrag, ein Mietgarantievertrag, sowie ein Hausverwaltungsvertrag abgeschlossen. Der Beklagte war nur Vertragspartner des Finanzierungsvermittlungsvertrages.

Alle Verträge betrafen eine Vermögensanlage in einer noch zu errichtenden Wohnanlage in Dortmund.

Der in erster Instanz vernommene Zeuge, ein Mitarbeiter des Beklagten, hatte den Kläger mit dem vom Beklagten vertriebenen Prospekt (Anl. K 1, Bl. 30 ff) für dieses Objekt geworben. Dort waren die zur Verfügung stehenden Grundstücke für das zu errichtende Wohngebäude mit 24 Wohneinheiten und 24 Stellplätzen im Einzelnen aufgeführt. Die im Prospekt für die Stellplätze vorgesehen Grundstücke wurden aber nicht Gegenstand des notariellen Kaufvertrages. Nach dem Kaufvertrag sollte ein Parkdeck auf einem benachbarten, fremden Grundstück errichtet werden. Hierzu kam es nicht, das Gebäude ist daher noch nicht vollständig erschlossen. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich zur Zeit keine Bebauung, das Abstellen von Kraftfahrzeugen ist derzeit dort geduldet.

Der vom Kläger bezahlte Kaufpreis für seine Wohneinheit und das Recht zur Nutzung eines Pkw-Abstellplatzes reichte schon zur Fertigstellung des eigentlichen Gebäudes nicht. Das Bauvorhaben wurde nach dem Konkurs des Generalunternehmers eingestellt. Die Eigentümergemeinschaft stellte dann im weiteren Verlaufe das Objekt in eigener Regie fertig. Der Kläger musste über den bezahlten Kaufpreis mindestens weitere 119.908,95 DM zuschießen. In dieser Höhe begehrt er Schadensersatz u.a. wegen Falschberatung.

Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen,

der Beklagte gehöre zu den Mitinitiatoren des vorliegenden Erwerbermodells.

Er hafte daher für im Einzelnen genauer behauptete Vertragsverstöße der Mitinitiatoren. Zudem hafte er aufgrund des fehlerhaften Prospekts und der fehlerhaften Beratung für seinen Mitarbeiter W als Anlageberater bzw. Makler.

Der Beklagte habe ihn über die wirtschaftliche Situation der Initiatoren getäuscht. Ferner habe er unter anderem verschwiegen, dass nicht die im Prospekt als Verkäufer genannte Person, sondern Herr Verkäufer ist. Dem Beklagten sei bei Kaufvertragsabschluss auch bekannt gewesen, dass die Grundstücke für die Stellplätze nicht zur Verfügung stehen. Er habe auch verschwiegen, dass deshalb die Erschließung nicht gesichert sei.

Der Zeuge und Mitarbeiter des Beklagten habe ihn zur notariellen Beglaubigung der Genehmigung des Kaufvertrages veranlasst, obwohl der notarielle Kaufvertrag beim Notar nicht vorgelegen habe.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 119.908,95 nebst 9,5 % Zinsen seit 1.1.1996 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Durch Urteil vom 26. Mai 2000 hat das Landgericht Ulm nach Vernehmung des Zeugen W die Klage abgewiesen. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 31. Mai 2000 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 28. Juni Berufung eingelegt. Der Berufungsschriftsatz ging aber erst am 4. Juli beim Oberlandesgericht ein. Dies wurde dem Klägervertreter mit Kurzmitteilung vom 04.07.2000 mitgeteilt. Er hat daraufhin mit Schriftsatz vom 10. Juli, welcher am 11. Juli einging, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt und eine entsprechende eidesstattliche Versicherung seiner Rechtsanwaltsfachangestellten vorgelegt, die Berufungsschrift sei am 28.06.2000 in den Briefkasten geworfen worden. Es sei zwischen und Stuttgart von einer normalen Postlaufzeit von einem Tag auszugehen.

Der bei den Akten befindliche Umschlag in dem sich die Berufungsschrift befand trägt den Poststempel 28.06.2000.

Aufgrund eines rechtzeitig eingegangen Schriftsatzes wurde die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 24.07.2000 bis 25.08.2000 verlängert. Die Berufungsbegründung ging form- und fristgerecht ein.

Der Kläger verweist auf die in erster Instanz bereits vorgetragenen Argumente.

Er behauptet, er hätte die Immobilie nicht erworben, wenn der Kläger seiner Stellung als entgeltlich, tätiger Vermittlungsmakler einer "Rundum-Sorglos-Immobilie" gerecht worden wäre und auf die Abweichung des Vertrages vom Prospekt hingewiesen hätte.

Er behauptet unter Darstellung seiner Vermögenssituation einen Vermögensschaden aufgrund des Erwerbes der Immobilie von 228.462,60 DM. Er macht aber weiterhin nur den Betrag geltend, den er zusätzlich zum Kaufpreis zur vollständigen Herstellung der Immobilie jedenfalls hat aufwenden müssen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Endurteils des Landgerichtes Ulm vom 26. Mai 2000 zu verurteilen, an den Kläger DM 119.908,95 nebst 9,5 % Zinsen hieraus seit 01.01.1996 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und bestreitet ausdrücklich eine Pflichtverletzung. Des weiteren ist er der Auffassung, dass dem Kläger durch den Erwerb der Immobilie kein Schaden entstanden sei. Zum Beweis der Behauptung, dass die erworbene Eigentumswohnung wesentlich mehr wert sei, als vom Kläger in seiner Vermögensaufstellung angegeben, beruft er sich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Des weiteren weist er daraufhin, dass in der Vermögensaufstellung nicht alle vom Kläger aufgrund der Beratung des Beklagten erworbenen Aktienfondsanteile aufgenommen worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Dem Kläger war in die versäumte Berufungsfrist des § 516 ZPO gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Weder den Kläger noch seinen Anwalt traf an der Versäumung der Berufungsfrist ein Verschulden. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass der Berufungsschriftsatz zwei Tage vor Ablauf der Berufungsfrist in den Briefkasten geworfen wurde. Der Klägervertreter konnte sich bei dieser Sachlage darauf verlassen, dass der Berufungsschriftsatz rechtzeitig eingehen werde.

II.

Die Berufung ist dem Grunde nach auch erfolgreich. (1). Hinsichtlich der Höhe des dem Kläger durch die fehlerhafte Anlageberatung entstandenen Schadens ist die Sache noch nicht entscheidungsreif. Sie ist daher gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landgericht Ulm zurückzuverweisen (2).

1.)

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des zwischen ihm und dem Beklagten zustande gekommenen Beratervertrages.

a)

Zwischen dem Beklagten und dem Kläger ist ein Anlageberatungsvertrag geschlossen worden.

Einen Anlageberater zieht der Anleger im Allgemeinen hinzu, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitergehende Pflichten gegenüber dem Anleger als er dies bei einer Anlagevermittlung hätte. Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten (BGH WM 1993, 1238/1239). Er darf seine Kunden nicht pauschal darauf verweisen, sie seien erwachsene Menschen und eigenständig geschäftsfähig.

Der Beklagte ist als Anlageberater tätig geworden. Der Beklagte führt seinen Namen immer mit dem Zusatz Vermögensberatung. In dem Prospekt, in dem die vom Kläger erworbene Immobilie beworben wird, hebt er seine Rolle als "eine der großen Vermögensberatungsgesellschaften" hervor, deren besondere Stärke die "neutrale, individuelle Produktauswahl" ist. Der für den Beklagten tätig gewordene W ist auf dem Geschäftsbogen des Klägers als "ihr persönlicher Berater" bezeichnet. Hinzu kommt, dass der Kläger dem Beklagten, wie der Prospekt ausweist, unstreitig für seine Tätigkeit eine Bearbeitungsgebühr von 3,42 %, dies entspricht hier 13.437,51 DM bezahlt hat.

b)

Den umfassenden Aufklärungs- und Hinweispflichten eines Anlageberaters hat der Beklagte nicht entsprochen. Der Beklagte schuldete als Anlageberater eine richtige und vollständige Information über diejenigen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind.

Hierzu gehört die Aufklärung darüber, dass entgegen der Darstellung im Prospekt, weder der Kläger noch die anderen Miteigentümer mit dem Kaufvertrag eine gesicherte Rechtsposition auf einen Stellplatz erwerben. Die für die Parkplätze im Prospekt extra unter Bezeichnung der jeweiligen Flurstücknummer ausgewiesenen Grundstücke wurden nicht Gegenstand der mit den Erwerbern abgeschlossenen Kaufverträge.

Ausweislich des Prospektes konnte der Kläger aber davon ausgehen, dass zu dem Wohnungseigentum grundsätzlich auch eine gesicherte Rechtsposition an einem Stellplatz hinzu erworben wird und die hierfür angeführten Grundstücke zur Verfügung stehen. Im Abschnitt Grundstücksdaten ist ausdrücklich erwähnt, dass die Eigentumsrechte an den einzelnen Wohnungseinheiten bzw. Stellplätzen in gesonderten Wohnungsgrundbuchblättern verzeichnet sind.

An dieser sich aus dem Prospekt ergebenden grundsätzlichen Möglichkeit einen Stellplatz zu erwerben ändert auch der Passus nichts, wonach dann, wenn ein geplanter Stellplatz nicht zugewiesen werden kann, dies auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages keinen Einfluss hat, der Kaufpreis sich in solchen Fällen um den Preis des, Stellplatzes reduziert. Diese Klausel betrifft erkennbar einen Einzelfall und nicht den Umstand, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft von vornherein überhaupt keine gesicherte Rechtsposition an den im Prospekt extra ausgewiesenen Parkgrundstücken erwerben konnte.

Der abgeschlossene Kaufvertrag hingegen enthält hinsichtlich des Stellplatzes nur eine sehr vage, völlig unübliche und damit auch überraschende Regelung. Dort ist zwar der Kaufpreis für den Stellplatz extra ausgewiesen, es wird aber entgegen den Ausführungen im Prospekt unter der Rubrik Abwicklung (S. 4 u.) gerade nicht sichergestellt, dass dieser Betrag auch für die Herstellung des verkauften Stellplatzes verwandt wird. Im Kaufvertrag ist nur die Rede von einem noch zu erstellenden Parkdeck. Weder die Art der Herstellung des Parkdeckes noch die genaue Angabe auf weichem Grundstück dieses erstellt werden soll, ist dargestellt. Der gesamte Kaufpreis einschließlich des für den Stellplatz ausgewiesenen Teiles ist vom Treuhänder schon dann auszubezahlen, wenn der Wohnkomplex fertiggestellt ist. Für die Herstellung des Parkdeckes und die diesbezüglich zu leistenden Zahlungen finden sich keine näheren Ausführungen.

Obwohl die für den Stellplatz ausgewiesenen 22.500,00 DM nur etwas mehr als 5 % des Gesamtaufwandes betrafen, traf den Beklagten, insbesondere deshalb, weil die Stellplatzproblematik für das gesamte Grundstück zum Zeitpunkt des Kaufvertrages nicht rechtlich abgesichert war, die Pflicht hierauf hinzuweisen und die Anleger entsprechend zu warnen. Gerade bei einem Objekt zur Vermögensanlage sind wertbildende Faktoren, wie eine fehlende sichere Rechtsposition hinsichtlich von Stellplätzen für das gesamte Gebäude von erheblicher Bedeutung. Dies gilt auch für den Umstand, dass der Kläger schlussendlich 22.500,00 DM für einen Stellplatz bezahlt hat, obwohl die Errichtung desselben im Kaufvertrag nicht abgesichert war.

c)

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass diese Umstände sich aus dem Kaufvertrag ergeben und daher vom Kläger genehmigt worden seien. Der Anlageberater wie auch der Anlagevermittler wird seinen Pflichten nicht schon dadurch gerecht, dass er dem Kunden schriftliche Unterlagen überlässt aus denen der Kunde die erforderliche Kenntnis selbst entnehmen kann, er muss vielmehr Widersprüche aufdecken und auf diese hinweisen, wenn nötig muß er auch eigene Nachforschungen anstellen (BGH, NJW 90, 2461,2463). Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beklagte nach seiner eigenen Einlassung den Kaufvertrag gar nicht kannte. Gerade darin liegt die Pflichtverletzung.

Diese wird noch verschärft durch die vom Beklagten vorgeschlagene sogenannte Fernbeurkundung. Der Käufer sollte die in seinem Namen aber ohne seine Vollmacht abgegebenen Vertragserklärungen vor einem anderen Notar lediglich notariell beglaubigt genehmigen.

Rät ein Anlageberater seinem Kunden nicht von einer solchen Fernbeurkundung ab, sondern sieht diese - wie hier - sogar formularmäßig vor, kann sich der Anleger in gesteigertem Maße darauf verlassen, dass die konkrete Vertragsgestaltung auf Abweichung zum Prospekt von seinem Berater geprüft ist. Dies gilt um so mehr, wenn zwischen dem eigentlichen Vertragsschluss und der Genehmigung desselben durch den Anleger nur 2 Tage liegen und der Anlageberater den Anleger zum Notartermin, in der nur die Genehmigung notariell beglaubigt wird, begleitet. Durch diese Art der Vertragsgestaltung gibt sich der Anleger vollständig in die Hände des Beraters. Dies ist auch für den Berater unschwer erkennbar. Es findet beim Notar weder eine Kontaktaufnahme zwischen dem Anleger als Käufer und dem ihm völlig fremden Verkäufer statt, noch liest der Notar den Kaufvertrag vor. Der Beklagte hat ausweislich der Anlage K 12, welche ebenfalls sein Logo trägt, diese Art des Vertragsschlusses formularmäßig mit getragen. Er war daher verpflichtet, den Kaufvertrag auf eventuelle Abweichungen zum Prospekt zu kontrollieren. Hierzu war er auch in der Lage. Dass im vorliegenden Fall der Vertrag nicht zunächst dem Beklagten bzw. seinem Mitarbeiter, sondern erst nach Genehmigung desselben dem Kläger direkt zugesandt wurde, ändert hieran nichts.

Selbst wenn der Kläger den Vertragswortlaut nach Übersendung an ihn noch vor der Unterschriftsbeglaubigung kurzfristig zur Kenntnis hätte nehmen können, hätte dies den Beklagten nicht von seiner Beratungspflicht entbunden. Der Beklagte wurde nicht als Berater verpflichtet, damit der Kläger selbst die umfangreichen und nicht auf Anhieb leicht verständlichen Verträge (Bl. 52 - 145 d. GA) prüfen muss.

d)

Der Beklagte hat hier auch schuldhaft gehandelt. Den Beklagten bzw. seinen Mitarbeiter W trifft jedenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf, da er den vom Kläger zu genehmigenden Vertrag nicht zuvor auf Abweichungen kontrolliert hat bzw. den Kläger nicht darauf hingewiesen hat, dass ihm dies nicht möglich gewesen sei.

e)

Die schuldhafte Pflichtverletzung war auch kausal für den dem Kläger entstandenen Schaden. Es kommt nicht darauf an, dass sich später - nur - genau das Risiko verwirklicht, das zunächst in der Beratung nicht richtig behandelt worden ist. Hier ist es vor allem deshalb zur gerichtlichen Auseinandersetzung gekommen, weil der Baufortschritt konkursbedingt ins Stocken geraten ist. Daneben hat sich aber auch das Stellplatzrisiko verwirklicht. Beide Umstände führen gleichermaßen zum Schaden.

Es ist hier davon auszugehen, dass der Kläger bei pflichtgemäßer Belehrung über die nicht vorhandenen grundbuchrechtlich abgesicherten Stellplätze den notariellen Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, da niemand zur Geldanlage eine Immobilie erwirbt, deren Erschließung durch Parkplätze nicht gesichert ist. Einen Gegenbeweis (BGH NJW 90, 2461, 2463) hat der Beklagte nicht geführt.

2.)

Der Beklagte haftet dem Kläger für die begangene Pflichtverletzung dem Grunde nach. Nachdem der Beklagte die Schadenshöhe umfassend bestritten hat und hierüber erstinstanzlich noch keine Feststellungen getroffen worden sind, war der Berufung des Klägers durch Grundurteil stattzugeben und die Sache wegen der Anspruchshöhe gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen. Zur Schadenshöhe bedarf es noch weiteren Vortrages des Klägers und der Einholung eines Gutachtens zum derzeitigen Wert der vom Kläger gekauften Wohnung. Angesichts der konkreten Situation der streitgegenständlichen Wohnanlage und der allgemeinen Situation auf dem Wohnungsmarkt ist davon auszugehen, dass dem Kläger auch dann ein Schaden verbleibt, wenn man den behaupteten Wertzuwachs bei dem vom Kläger zur Finanzierung des Objekts erworbenen Anteilen an einem Aktienfonds im Wege des Vorteilsausgleichs in Abzug bringt. Soweit der Erwerb von Fondsanteilen entsprechend der vom Beklagten vermittelten Finanzierung (vgl. Darlehensvertrag vom 03.05./01.06.1994 - Bl. 416 d. A.) erfolgt ist, besteht ein adäquat kausaler Zusammenhang. Zum genauen Wert dieses Fonds und den erfolgten Einzahlungen wird der Kläger dann noch vortragen.

Eine Entscheidung durch den Senat selbst gemäß § 540 ZPO war hier auch nicht aus Gründen der Prozessökonomie angezeigt. Der Beklagte hat sich für den Fall, dass die Berufung nicht zurückgewiesen wird, ausdrücklich für eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht ausgesprochen. Der Kläger hat dem nicht widersprochen.

III.

Nachdem über die Klage wegen der Anspruchshöhe erneut zu verhandeln und zu entscheiden ist, bleibt die nur einheitlich für das Verfahren zu treffende Kostenentscheidung dem Landgericht vorbehalten. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, da die Berufungsentscheidung des Senates keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Ende der Entscheidung

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