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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 28.04.2009
Aktenzeichen: 8 W 116/09
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 2 Abs. 1 a
GmbHG § 8 Abs. 4 Nr. 2
GmbHG § 10 Abs. 1 S. 4
GmbHG § 35 Abs. 2
Zur Anmeldung einer nach Musterprotokoll gegründeten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zum Handelsregister.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 116/09

28. April 2009

In der Handelsregistersache

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Dr. Tolk, der Richterin am OLG Tschersich und der Richterin am OLG Dr. Zeller-Lorenz

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. KfH des Landgerichts Ulm vom 24.2.2009 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Registergericht - Ulm vom 19.12.2008 aufgehoben.

Das Amtsgericht - Registergericht - Ulm wird angewiesen, nach Änderung der Anmeldung der Antragstellerin zum Handelsregister entsprechend der Rechtsauffassung des Senats, die Eintragung vorzunehmen, sofern nicht weitere Eintragungshindernisse bestehen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Am 18.12.2008 meldete der Geschäftsführer der Antragstellerin die Gründung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ..... zur Eintragung ins Handelsregister an. Die Gründung war nach Musterprotokoll (Anlage zu § 2 Abs. 1a GmbHG) erfolgt.

Die Anmeldung beinhaltet folgende Vertretungsregelung:

"II. Die Vertretung der Gesellschaft ist allgemein wie folgt geregelt:

Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er allein und ist befugt, im Namen der Gesellschaft mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gemeinsam vertreten.

Diese Formulierung entsprach der vom Registergericht Ulm den ihm zugeordneten Notariaten mitgeteilten Formulierung der Vertretungsregelung bei der Verwendung von Musterprotokollen, auf die sich die Rechtspfleger geeinigt hatten.

Dem fügte die Antragstellerin unter III. hinzu:

III. Zum Geschäftsführer ist bestellt: Herr ..., geb. am ..., ....

Der Geschäftsführer ist befugt, die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit sich selbst oder mit sich als Vertreter eines Dritten zu vertreten, vertritt ansonsten die Gesellschaft gemäß der allgemeinen Vertretungsregelung."

Mit Zwischenverfügung vom 19.12.2008 beanstandete das Registergericht die konkrete Vertretungsregelung unter Abschnitt III. Es führt aus: Es besteht folgendes Eintragungshindernis:

Bei der Gründung der Gesellschaft in einem vereinfachten Verfahren entspricht (auch laut Bundesjustizministerium) die allgemeine Vertretungsregelung der konkreten. Eine abweichende konkrete Vertretung gibt es hier nicht und eine solche ist auch nicht anzumelden.

Die Anmeldung ist bezüglich der konkreten Vertretungsregelung (grundsätzliche Befreiung des Geschäftsführers .... von den Beschränkungen des § 181 BGB) zurückzunehmen.

Mit ihrer gegen die Zwischenverfügung gerichteten Beschwerde machte die Antragstellerin geltend, dass die in Ziff. 4 des Musterprotokolls enthaltene Regelung, wonach der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, keine Abweichung von der in § 35 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG vorgesehenen gesetzlichen Vertretungsbefugnis enthalte. Die abstrakte Vertretungsbefugnis entspreche also der gesetzlichen Vertretungsbefugnis mit der Konsequenz, dass der Geschäftsführer einzelvertretungsbefugt sei, solange er alleiniger Geschäftsführer ist. Gesamtvertretungsbefugnis bestehe, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind.

Die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers sei durch einfachen Gesellschafterbeschluss möglich; ebenso sei die Abberufung des " Gründungsgeschäftsführers " durch einfachen Gesellschafterbeschluss möglich, da es sich bei der Bestellung des Geschäftsführers im Musterprotokoll um einen unechten Satzungsbestandteil handle.

Bei der im Musterprotokoll enthaltenen Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB handle es sich um eine konkrete Vertretungsregelung ausschließlich für den "Gründungsgeschäftsführer". Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB gelte nicht automatisch für einen weiteren Geschäftsführer. Bezüglich des "Gründungsgeschäftsführers" werde die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB auch nicht mit der Bestellung eines weiteren Geschäftsführers obsolet.

Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 24.2.2009 zurückgewiesen.

Die Besonderheit bei der Gründung nach Musterprotokoll bestehe darin, dass das Musterprotokoll nur einen Geschäftsführer vorsehe, der zwingend von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei. Daraus und aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Ermächtigung für die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB für alle Alleingeschäftsführer in der Mustersatzung getroffen habe und insoweit eine allgemeine Vertretungsregelung vorliege. Soweit ein weiterer Geschäftsführer bestellt werde, greife diese allgemeine Regelung nicht mehr, da diese Fallgestaltung im Musterprotokoll nicht geregelt werde. Die allgemeine Vertretungsregelung sei dann aus § 35 Abs. 2 GmbHG zu entnehmen. Die Befreiung des Gründungsgeschäftsführers bzw. des alleinigen Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB sei beschränkt auf den Zeitraum, in dem er Alleingeschäftsführer ist. Wenn die Gesellschafter auch bei Bestellung eines weiteren bzw. mehrerer Geschäftsführer einen Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien wollten, müssten sie hierzu eine entsprechende Satzungsregelung schaffen.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie im wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag Bezug nimmt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschriftsätze der Antragstellerin sowie die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen.

II.

Die weitere Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 27, 29 FGG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Registergerichts ist nicht ohne Rechtsfehler.

Für die Gründung einer GmbH sieht § 2 Abs. 1 a GmbHG, eingeführt mit Wirkung vom 1.11.2008 durch Art. 1 MoMiG vom 23. 10. 2008, ein vereinfachtes Verfahren unter Verwendung des in der Anlage bestimmten Musterprotokolls vor. Das Musterprotokoll ist ein Blankoentwurf einer notariellen Urkunde, der nach Vervollständigung gem. §§ 8 ff BrUrkG zu beurkunden ist. Die in dem vereinfachten Verfahren gegründete Gesellschaft darf höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer haben, und es dürfen darüber hinaus keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden. Der Regelungsinhalt des Gründungsprotokolls ist beschränkt auf die Mindestangaben nach § 3 GmbHG, ergänzt durch Regelungen zur Vertretung und zum Gründungsaufwand. Im übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen und damit alle Regelungen des GmbHG. Das Musterprotokoll stellt gleichzeitig Gesellschaftsvertrag, Bestellung des Geschäftsführers und Liste der Gesellschafter dar (zu dem neuen GmbH-Recht s. a. Heckschen, Gründungserleichterungen nach dem MoMiG , DStR 2009, 166; Verspay, MDR 2009, 117; Wicke, Gründung, Satzungsgestaltung und Anteilsabtretung, NotBZ 2009, 9; Böhringer, Das neue GmbH-Recht in der Notarpraxis, BWNotZ 2008, 104; Wälzholz, Die Reform des GmbH-Rechts, MittBayNot 2008, 425; Katschinski/ Rawert, Stangenware versus Maßanzug: Vertragsgestaltung im GmbH-Recht nach Inkrafttreten des MoMiG; Römermann, Die vereinfachte Gründung mittels Musterprotokoll, GmbHR Sonderheft Oktober 2008; Wachter, GmbH-Reform: Auswirkungen auf die Gründung einer " klassischen" GmbH NotBZ 2008,361; Tebben, Die Reform der GmbH - das MoMiG in der notariellen Praxis, RNotZ 2008, 441; Weigl, Die Geschäftsführerbestellung im Musterprotokoll gem. MoMiG und Änderungen der Bestellung und Vertretung, notar 2008, 378).

Die Gründungsvoraussetzungen gelten auch für eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt).

Die Registeranmeldung weist bei vereinfachter Gründung gegenüber einer Anmeldung im Normalverfahren keine Besonderheiten auf. Anders als noch im Regierungsentwurf des MoMiG (Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/6140, Seite 21 f) ist ein gesetzliches Muster für die Anmeldung der im vereinfachten Verfahren gegründeten Gesellschaft zum Handelsregister nicht vorgesehen (vgl. Böhringer a. a. O.). Nach § 8 Abs. 4 Nr. 2 GmbHG und § 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist in der Anmeldung anzugeben und in das Handelsregister einzutragen, "welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben". Dabei ist die für die Geschäftsführer abstrakt geltende Vertretungsbefugnis anzugeben und darüber hinaus auch die konkrete Vertretungsbefugnis, soweit diese für einzelne oder auch alle bestellten Geschäftsführer abweichend bestimmt ist (Wicke, GmbHG 2008, § 8 Rdnr. 18; Krafka/ Willer, Registerrecht, 7. Aufl. 2007, Rdnr. 949). Auch die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, also vom Verbot des In-Sich-Geschäfts für die Fälle des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung ist ein Bestandteil der Vertretungsbefugnis (§ 35 Abs. 3 GmbHG) und muss daher allgemein oder im Einzelfall personenbezogen in der Anmeldung angegeben werden (Krafka/Willer a. a. O. Rdnr. 952).

Bei der Gründung nach Musterprotokoll weicht die konkrete Vertretungsregelung jedenfalls im Hinblick auf § 181 BGB von dem abstrakt bestehenden Verbot von In-Sich-Geschäften und des Selbstkontrahierens ab. Das Musterprotokoll, das auf die Gesellschaftsgründung durch maximal drei Gesellschafter und die Bestellung nur eines Geschäftsführers beschränkt ist, enthält die Gestattung von In-Sich-Geschäften für den Fall des alleinigen Geschäftsführers, weshalb hier entsprechend der Vorgabe im Musterprotokoll auch die Anmeldung der konkreten Vertretungsbefugnis erforderlich ist. Dem Landgericht kann nicht gefolgt werden, soweit dieses davon ausgeht, bei der im Musterprotokoll geregelten Vertretungsregelung handle es sich in Bezug auf § 181 BGB um eine allgemeine Vertretungsregelung, solange und soweit nur ein Geschäftsführer bestellt ist. Es vertritt damit, ebenso wie das Registergericht eine Mindermeinung, der sich der Senat nicht anschließt (vgl. die bereits oben zitierten Beiträge; die auf Anfrage des Registergerichts Stuttgart abgegebene Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz vom 26.11.2008 hierzu ist nach Ansicht des Senats nicht eindeutig).

Der Wortlaut der Anmeldung wie sie das Registergericht und ihm folgend das Landgericht für korrekt halten, nämlich: " Die Vertretung der Gesellschaft ist allgemein wie folgt geregelt: ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er allein und ist befugt, im Namen der Gesellschaft mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gemeinsam vertreten" ist Ausdruck der vom Senat nicht geteilten Mindermeinung. Denn danach wäre jeder Alleingeschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und nicht nur der Gründungsgeschäftsführer. Dies entspricht jedoch nach Ansicht des Senats nicht den Vorgaben der vereinfachten Gründung nach Musterprotokoll. Diese setzt voraus, dass die Gesellschaft einen namentlich benannten Geschäftsführer hat, der von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Treten später Änderungen in der Geschäftsführung ein, sei es durch die Berufung eines anderen Alleingeschäftsführers oder weiterer Geschäftsführer, so entfällt die dem Gründungsgeschäftsführer als alleinigem Geschäftsführer vorbehaltene besondere Vertretungsbefugnis. Insofern folgt der Senat auch nicht der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht, dass die Befreiung des Gründungsgeschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB für diesen auch dann fortbesteht, wenn er nicht mehr alleiniger Geschäftsführer ist. Vielmehr gilt dann die allgemeine Vertretungsregelung des § 35 GmbHG, wonach die Geschäftsführer gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind und Sonderrechte einzelner Geschäftsführer durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt werden müssen.

Zur Formulierung der Vertretungsbefugnis des Gründungsgeschäftsführers bei der Anmeldung der im vereinfachten Verfahren gegründeten Gesellschaft zum Handelsregister gibt es im Schrifttum Vorschläge, die im wesentlichen deckungsgleich sind ( z. B. Wicke, Gründung, Satzungsgestaltung und Anteilsabtretung, NotBZ 2009, 9; Katschinski/Rawert, Vertragsgestaltung im GmbH-Recht nach Inkrafttreten des MoMiG, ZIP 2008,1999; Weigl, die Geschäftsführerbestellung im Musterprotokoll gem. MoMiG, notar 2008, 378). Sie sehen einen allgemeinen Teil vor, der abstrakt die Vertretung der Gesellschaft dahingehend regelt, dass dann, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist, dieser die Gesellschaft allein vertritt und dann, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, sie alle nur gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind. Konkret wird dann mitgeteilt, wer zum ersten Geschäftsführer bestellt wurde und dass dieser die Gesellschaft gemäß der allgemeinen Vertretungsregelung vertritt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.

Die Antragstellerin, die diese Formulierung ebenfalls für zutreffend hält, hat sich bereits dahin gehend geäußert, dass sie bereit ist, ihre Anmeldung entsprechend zu ändern. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Registergerichts waren deshalb aufzuheben, und die Sache war dem Registergericht zur erneuten Bescheidung der - entsprechend geänderten - Anmeldung unter Beachtung der Rechtsmeinung des Senats zurückzugeben.

Ende der Entscheidung

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