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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 27.03.2009
Aktenzeichen: 8 W 118/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn vom 15. Januar 2009, Az. 1 O 120/08, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 915,35 Euro

Gründe: 1.

Die Parteien streiten darüber, ob nach Klagerücknahme per Telefax um 8:39 Uhr am Terminstag bezüglich der auf 10:30 Uhr anberaumten Verhandlung für die Terminsteilnahme des Beklagtenvertreters eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Hauptsachestreitwert von 31.383,87 Euro oder lediglich aus dem Kostenwert bis 3.000 Euro angefallen und erstattungsfähig ist.

Die Rechtspflegerin hat die Terminsgebühr aus dem Kostenwert berechnet. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 2. Februar 2009 eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen den am 27. Januar 2009 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Januar 2009.

Der Kläger ist dem Rechtsmittel entgegengetreten und die Rechtspflegerin hat ohne Abhilfe die Akten mit Beschluss vom 23. März 2009 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG), aber in der Sache unbegründet.

Gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Klagerücknahme der Kläger (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO) - hier entsprechend der Kostengrundentscheidung mit Beschluss vom 12. September 2008 - dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren.

Notwendig i. S. des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die Kosten nur für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder -verteidigung erscheinen.

Für den Fall der Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der BGH (NJW-RR 2007, 1575) entschieden, dass es sich hierbei um keine zur Rechtsverteidigung objektiv erforderliche Maßnahme handle und dass es auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Antragsgegners von der Antragsrücknahme nicht ankomme. Diese könne die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung nicht begründen. Dafür spreche auch, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme der Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Kostenfestsetzungsverfahren, das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten sei, eine typisierende Betrachtungsweise geboten sei und es nicht sinnvoll erscheine, dieses Verfahren durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit zu belasten (BGH, a. a. O., m. w. N.).

Vorliegend ging die Klagerücknahme etwa zwei Stunden vor dem Terminsbeginn beim Landgericht Heilbronn ein - wurde dem Einzelrichter auch sogleich zur Kenntnis gegeben - und war mit dem Eingang wirksam erklärt worden, da für ihre Wirksamkeit weder die Zustellung oder der Zugang beim Beklagtenvertreter noch die Zustimmung des Beklagten erforderlich waren (§ 269 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 ZPO). Damit war objektiv die Rechtshängigkeit der Hauptsache rückwirkend entfallen (Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 269, Rdnr. 17), über diese konnte nicht mehr verhandelt werden, sondern nur noch über die Kosten des Rechtsstreits (§ 269 Abs. 3 ZPO), weswegen der Beklagtenvertreter im Termin lediglich einen Kostenantrag stellte.

Ob die Darlegungen des BGH im Falle der Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Verfügungsantrags (BGH, a. a. O.) zur Frage der Erheblichkeit der (verschuldeten oder unverschuldeten) Unkenntnis des Antragsgegners von der Rücknahme nur bei dieser speziellen Sachverhaltskonstellation oder allgemein Gültigkeit haben (vgl. hierzu: Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 3100 RVG-VV Rdnr. 183 m. w. N.), kann dahinstehen. Denn dem Beklagtenvertreter war es möglich gewesen, die Klagerücknahme vor dem Termin zur Kenntnis zu nehmen - und zwar nicht erst nach der erfolgten Anreise zum Landgericht Heilbronn, wie von ihm unstreitig gestellt (Schriftsatz vom 20. Oktober 2008), sondern bereits davor, weil der Klägervertreter um 8:40 Uhr per Telefax und um 8:45 Uhr telefonisch bemüht war, den Beklagtenvertreter über die Klagerücknahme zu informieren. Wenn dieser bei den von ihm behaupteten Übertragungs- und Verständigungsmängeln nicht vor seiner Abfahrt nach Heilbronn weiter nachforschte, dann geschah das nur deshalb, weil zeitgleich der Parallelrechtsstreit, Az. 1 O 105/08, vor dem Landgericht Heilbronn anberaumt war und er dort ein Versäumnisurteil nehmen wollte (Schriftsatz vom 20. Oktober 2008). Der Beklagtenvertreter kann sich also nicht darauf berufen, er habe von der Rücknahme keine Kenntnis gehabt (Müller-Rabe, a. a. O., Nr. 3104 RVG-VV Rdnr. 115 und Nr. 3100 RVG-VV Rdnr. 183 und 184; je m. w. N.), da ihm die erforderliche Kenntnisnahme durchaus möglich und zumutbar war.

Das KG Berlin (KGR Berlin 2006, 281) lässt die Terminsgebühr bei wirksamer Klagerücknahme aus dem Kostenwert anfallen - unabhängig von der Kenntnis des Beklagtenvertreters.

Der Entscheidung des OLG Koblenz (NJW-RR 2007, 1563) ist nicht zu entnehmen, um welche Gebühren aus welchem Streitwert es im Einzelnen geht.

Der vom OLG Köln (AGS 2008, 28) entschiedene Fall weicht von der vorliegenden Sachverhaltskonstellation dadurch ab, dass die Berufungsrücknahme fünf Minuten vor dem Terminsbeginn per Telefax erfolgt und den Richtern bei Aufruf der Sache nicht bekannt war, der Zeitpunkt einer vorherigen Information des Prozessgegners über die zwischenzeitliche Berufungsrücknahme (fünf Minuten vor dem Termin) nicht bekannt war, vielmehr am Vortag auf entsprechende Nachfrage noch mitgeteilt worden war, dass über eine Rücknahme vom Mandanten nicht entschieden sei.

Damit konnte auf Beklagtenseite die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV in Folge der wirksamen Klagerücknahme nicht mehr aus dem Hauptsachestreitwert anfallen, sondern lediglich aus dem Kostenwert (Müller-Rabe, a. a. O., Nr. 3104 RVG-VV Rdnr. 114 m. w. N.), wie von der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss in Ansatz gebracht.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten war mit der Kostenfolge von Nr. 1812 GKG-KV und § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 ZPO kam nicht in Betracht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Im übrigen steht die Rechtsauffassung des Senats nach den vorangegangenen Ausführungen nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des OLG Koblenz und OLG Köln sowie im Einklang mit denen des BGH und des KG Berlin.

Ende der Entscheidung

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