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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: 8 W 265/08
Rechtsgebiete: VV-RVG


Vorschriften:

VV-RVG Vorbem. 3 Abs. 5
Die gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV-RVG gebotene Anrechnung der Verfahrensgebühr hat dergestalt zu erfolgen, dass die zeitlich zuvor entstandene Verfahrensgebühr im selbständigen Beweisverfahren Bestand hat und die Verfahrensgebühr im Hauptsacheverfahren durch Anrechnung in Wegfall kommt.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 264/08 8 W 265/08

15. Juli 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung; hier: Kostenfestsetzung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Tolk gemäß § 568 Satz 1 ZPO als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortigen Beschwerden der Beklagten vom 8. Mai 2008 gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 6. Mai 2008 (22 0H 17/05 u. 22 O 312 /07) werden zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Beschwerdewert:

22 OH 17/05 : 583,70 €

22 O 312/07 : 430,40 €

Gründe:

I.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 12. 12. 2005 beim Landgericht Stuttgart beantragt, ein selbständiges Beweisverfahren einzuleiten mit dem Ziel, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens festzustellen, ob 3 im einzelnen näher bezeichnete Kraftfahrzeuge Lackmängel aufweisen. Auf Antrag der Parteien wurde am 31. 1. 2005 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Wiederanrufung wurde durch Beschluss vom 26. 6. 2006 die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschlossen. Am 10. Januar 2007 hat der Sachverständige sein Gutachten überreicht. Am 22. 2. 2007 hat das Gericht den Streitwert auf 9.000,00 € festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 13. 7. 2007 hat der Antragsteller nunmehr als Kläger die Beklagte auf Zahlung von 7.414,45 € nebst Zinsen sowie auf Feststellung in Anspruch genommen. Durch ein am 31. März 2008 verkündetes Urteil hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 1.788,45 € nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger 80 % und der Beklagten 20 % auferlegt. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens wurden in vollem Umfang der Beklagten auferlegt.

Der Kläger hat zunächst einen Kostenausgleichsantrag/Kostenfestsetzungsantrag vom 8. 4. 2008 eingereicht. Auf die Rüge des Beklagten, dass die Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr im Hauptsacheverfahren anzurechnen sei, hat der Kläger am 29. 4. 2008 einen überarbeiteten Kostenausgleichsantrag/Kostenfestsetzungsantrag eingereicht (Bl. 171/172 d. A.). In diesem Kostenausgleichsantrag hat er die Kosten der Hauptsache mit 1.632,80 € angesetzt. Dabei blieb die 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 583,70 € wegen der Anrechnungsbestimmung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 5 VVG-RVG außer Ansatz.

Für das selbständige Beweisverfahren wurde demgegenüber die 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 583,70 € in Ansatz gebracht.

Mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 6. 5. 2008 setzte der Rechtspfleger des Landgerichts Stuttgart für das Beweisverfahren 4.834,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 30. 4. 2008 als erstattungsfähig fest und entsprach damit dem Antrag des Klägervertreters in seinem geänderten Kostenausgleichsantrag vom 8. 4. 2008. In dem Verfahren 22 0 312/07 setzte der Rechtspfleger mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. 5. 2008 623,44 € nebst Zinsen als zu erstatten von dem Kläger an die Beklagte fest (Bl. 173/175 d. A.).

In der Beweissicherungssache wurde der Kostenfestsetzungsbeschluss der Beklagten am 8. 5. 2008 zugestellt. Ihre sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss ging am 9. 5. 2008 ein. Im Hauptsacheverfahren wurde der Kostenfestsetzungsbeschluss der Beklagten am 14. 5. 2008 zugestellt. Die sofortige Beschwerde war am 7. 5. 2008 bei Gericht eingegangen.

Zur Begründung seiner sofortigen Beschwerde hat der Beklagtenvertreter vorgebracht, der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. 5. 2008 sei schon deshalb aufzuheben, weil er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, indem nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei. Im übrigen sei der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers auch in der Sache falsch, da er (zunächst) nur die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, nicht aber die Kosten des Hauptsacheverfahrens festgesetzt habe. Richtigerweise müsse die Verfahrensgebühr im Hauptsacheverfahren Bestand haben und im Wege der Anrechnung die Verfahrensgebühr im Beweissicherungsverfahren ganz oder teilweise in Wegfall kommen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe und unter Berücksichtigung einer Quotelung im Hauptsacheprozess ergebe sich ein Ersattungsanspruch der Beklagten. Dieser sei vom Erstattungsanspruch des Klägers für das selbständige Beweisverfahren abzuziehen, weshalb dort mit Sicherheit keine 4.834,36 € festgesetzt werden könnten.

Der Kläger ist den sofortigen Beschwerden der Beklagten entgegengetreten.

II.

Die gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1,567 Abs. 1 Nr.1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG zulässigen sofortigen Beschwerden der Beklagten erweisen sich als in der Sache nicht begründet.

1.

Zu Recht hat der Rechtspfleger des Landgerichts die gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV-RVG gebotene Anrechnung der Verfahrensgebühr dergestalt vorgenommen, dass die zeitlich zuvor entstandene Verfahrensgebühr im selbständigen Beweisverfahren Bestand hat und die Verfahrensgebühr im Hauptsacheverfahren durch Anrechnung in Wegfall kommt. Für diese Sichtweise spricht, dass der Bundesgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung bei der Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr die Auffassung vertritt, dass der klare Wortlaut der Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG dafür spreche, dass die Anrechnung dergestalt erfolgen müsse, dass die Verfahrensgebühr im gerichtlichen Verfahren gekürzt werde (vgl. BGH NJW 2007, 3500; BGH VersR 2007, 1098; BGH NJW 2007, 2050). Auch für die Verhältnisse des selbständigen Beweisverfahrens hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass nichts anderes zu gelten habe und dass auch in diesem Zusammenhang eine Geschäftsgebühr auf eine im selbständigen Beweisverfahren entstandene Beweisgebühr dergestalt anzurechnen sei, dass die Verfahrensgebühr im Gerichtsverfahren reduziert werde. Im Hinblick darauf, dass die Formulierung von Vorbemerkung 3 Abs. 4 (Anrechnung von Geschäftsgebühren) und Vorbemerkung 3 Abs. 5 (Anrechnung der Verfahrensgebühr bei Vorliegen eines selbständigen Beweisverfahrens und eines Hauptsacheverfahrens) sprachlich gleich ist, sind die vorgenannten Grundsätze, die im Zusammenhang mit der Anrechnung der Geschäftsgebühr entwickelt worden sind, auch auf die Anrechnung der Verfahrensgebühr im selbständigen Beweisverfahren bzw. Hauptsacheverfahren anzuwenden (anders noch Riedel-Sussbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Auflage, Rn 72 VV Teil 3 Vorbemerkung 3). Durchgreifende Gesichtspunkte , die für eine unterschiedliche Bewertung im Rahmen von Vorbemerkung 3 Abs. 4 und Abs. 5 sprechen, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Mithin ist die Verfahrensgebühr zutreffend bei der Kostenabrechnung im Beweissicherungsverfahren berücksichtigt worden und beim Hauptsacheverfahren außer Ansatz geblieben.

2.

Soweit die Beklagte die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, ist festzustellen, dass jedenfalls in der Beschwerdeinstanz der Beklagten rechtliches Gehör gewährt worden ist und die angefochtene Entscheidung nicht auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, sondern auf Grund erneuter Prüfung durch das Beschwerdegericht Bestand hat.

3.

Es war auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass der Rechtspfleger die vom Klägervertreter in einem Schriftsatz zusammengefassten Kostenfestsetzungsanträge für das Hauptsacheverfahren und das selbständige Beweisverfahren in zwei getrennten Beschlüssen beschieden hat. Immerhin ist zu bedenken, dass bei der Kostenberechnung für das Hauptsacheverfahren auf Grund der Kostenentscheidung des Landgerichts von einer Quotierung auszugehen war, während die Kosten des Beweisverfahrens in vollem Umfang von der Beklagten zu tragen waren.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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