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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 16.06.2006
Aktenzeichen: 8 W 283/05
Rechtsgebiete: KostO, UmwG


Vorschriften:

KostO § 156
KostO § 47
KostO § 36 Abs. 1
KostO § 30 Abs. 1
UmwG §§ 190 ff
1. Erklärungen der Gesellschafter, auf die Erstattung eines Umwandlungsberichts und auf die Klage gegen die Wirksamkeit eines getroffenen Umwandlungsbeschlusses zu verzichten, sind einseitige Erklärungen i. S. d. § 36 Abs. 1 KostO. Der für die Berechnung der Beurkundungssgebühr maßgebliche Geschäftswert ist nach § 30 Abs. 1 KostO zu bestimmen.

2. Als Beziehungswert für die Festsetzung des Geschäftswerts der Verzichtserklärungen eignet sich der Geschäftswert des Umwandlungsbeschlusses nach § 47 KostO, jedoch ist ihr Wert deutlich geringer. Bei der Festsetzung ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für den Umwandlungsbeschluss in § 47 Satz 2 KostO eine Gebührenhöchstgrenze festgesetzt hat; die Gebühren für Verzichtserklärungen müssen in angemessener Relation zu den für den Umwandlungsbeschluss anfalllenden Beurkundsgebühren stehen.


Oberlandesgericht Stuttgart

8. Zivilsenat

Beschluss

vom 16.6.2006

Geschäftsnummer: 8 W 283/05

In der Notarkostensache

wegen Kostenansatz

hier Weisungsbeschwerde nach § 156 Abs. 6 KostO

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vorsitzendem Richter am OLG Bräuning, Richter am Oberlandesgericht Grüßhaber und Richterin am Landgericht Tschersich

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten 2 wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 17.6.2005

aufgehoben

und die Kostenrechnung des Notars vom 20.2.2002 zu UR Nr. H 167/2002 hinsichtlich der - allein streitgegenständlichen - Gebühr für Verzichtserklärungen in Höhe von 807 € bestätigt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Beteiligte 1 beurkundete unter UR Nr. H 167/2002 am 20.2.2002 einen Umwandlungsbeschluss der Beteiligten 2. Die Urkunde erfasst in ihrem § 2 zugleich einen Verzicht der Gesellschafter der Beteiligten 2 u.a. auf die Erstattung eines Umwandlungsberichts, die Klage gegen den Umwandlungsbeschluss und die Zustimmung der Gesellschafter nach § 193 UmwG. Für die Beurkundung des Umwandlungsbeschlusses stellte der Notar nach §§ 32,27 KostO 5.000 €, für die Verzichtserklärungen gem. §§ 32,36 Abs. 1 KostO weitere 807 €, i.Ü. Schreibauslagen u.a., zusammen 7.088,18 € in Rechnung. Die für die Verzichtserklärungen in Ansatz gebrachte Gebühr wurde in der Folgezeit vom Bezirksrevisor in ihrer Höhe als zu nieder beanstandet. Sie sei nach § 30 Abs. 1 KostO aus einem Wert von 10 % des Aktivvermögens der Beteiligten 2, mithin aus 1.375.375 € zu berechnen, was eine Gebühr von 2.157 € ergebe. Eine Gebühr für die ebenfalls beurkundete Zustimmung der Gesellschafter sei ebenfalls noch zu erheben.

Auf Anweisung des Präsidenten des Landgerichts führte der Notar danach gem. § 156 Abs. 6 KostO eine Entscheidung des Landgerichts über die in Ansatz gebrachte Verzichtsgebühr herbei.

Mit Beschluss vom 17.6.2005 hat das Landgericht Stuttgart die strittige Kostenrechnung abgeändert und den von der Kostenschuldnerin hinsichtlich der Verzichtserklärungen nach zu erhebenden Betrag auf 1.566 €, der Differenz zwischen der vom Notar bisher in Ansatz gebrachten 807 € und der nach Berechnung des Bezirksrevisors sich ergebenden Gebühr von 2.157 €. festgesetzt. Die Berechnung des Bezirksrevisors sei zutreffend. Nachdem alle Gesellschafter der umgewandelten Gesellschaft Verzichtserklärungen in § 2 Nr. 1-3 der Urkunde abgegeben hätten, sei deren Geschäftswert aus 10 % des gesamten Aktivvermögens der Gesellschaft, also aus 10 % von 13.753.751,60 € zu berechnen. Denn nach § 40 Abs. 2 Satz 2 iVm Satz 1 KostO sei der Geschäftswert der einzelnen Verzichtserklärungen nach dem Bruchteil der Beteiligung des Gesellschafters am Vermögen der die Form wechselnden Gesellschaft zu bemessen. Der Wert des Vermögens der Gesellschaft selbst sei nach § 18 Abs. 3 KostO zu bestimmen. Bei Verzichtserklärungen mehrerer Gesellschafter erfolge nach § 44 Abs. 2a KostO eine Zusammenrechnung. Die Obergrenzen der §§ 39 Abs. 4, 47 KostO könnten nicht angewendet werden. Die strittige Verzichtserklärung werde vom genau bestimmten Anwendungsbereich des § 39 Abs. 4 KostO nicht erfasst. Die von Notar vorgenommene Reduzierung der Gebühr für die Verzichtserklärungen könne deshalb keinen Bestand haben.

Gegen diese ihr am 27.6.2005 zugestellte Entscheidung hat die Beteiligte 2 am 12.7.2005 weitere Beschwerde eingelegt. Der Wert einer Verzichtserklärung auf Anfechtung eines Umwandlungsbeschlusses sei unter Berücksichtigung der Vorgaben nach § 39 Abs. 4 KostO und nach § 47 KostO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Eine Verzichtserklärung könne nicht mehr wert sein, als der Beschluss, auf dessen Anfechtung verzichtet werde. Dies entspreche einem allgemeinen Rechtsgedanken. Gehe man hiervon aus, sei die strittige Notarrechnung nicht zu beanstanden.

II.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten 2 ist nach § 156 Abs. 2 KostO zulässig. Sie ist vom Landgericht zugelassen und rechtzeitig beim Oberlandesgericht eingelegt worden. Die weitere Beschwerde hat auch Erfolg.

1. Erklärungen der Gesellschafter der Beteiligten 2, auf die Erstattung eines Umwandlungsberichts und auf Klage gegen die Wirksamkeit eines von ihnen getroffenen Umwandlungsbeschlusses zu verzichten, sind einseitige Erklärungen i.S.d. § 36 Abs. 1 KostO. Für diese fällt eine volle Gebühr nach § 32 KostO an. Der für die Berechnung der Gebühr maßgebliche Geschäftswert ist nach § 30 Abs. 1 KostO zu bestimmen, da es sich um vermögensrechtliche Angelegenheiten handelt. Der Wert ist mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 KostO).

2. Zur Bemessung des Geschäftswerts zieht der Senat folgende Kriterien heran:

a. Als Beziehungswert für die Festsetzung des Geschäftswerts eignet sich im Ausgangspunkt der Anteil des Verzichtenden am Aktivvermögen der formwechselnden Gesellschaft (Streifzug durch die Kostenordnung, 5. Aufl., RN 802). Letzteres ist der Geschäftswert des Umwandlungsbeschlusses nach § 47 KostO, auf den sich die Verzichtserklärungen beziehen (§ 41c Abs. 2 KostO). Bei mehreren Verzichtenden addieren sich die Werte ihrer Anteile (§ 44 Abs. 2a KostO). Das Aktivvermögen bei Verzichtserklärungen aller Gesellschafter ist somit das der Gesellschaft. Hier beträgt das Aktivvermögen der Beteiligten 2 unstreitig 13.753.751,60 €.

b. Der Geschäftswert der Verzichtserklärungen aller Gesellschafter der Beteiligten 2 entspricht aber nicht dem Aktivvermögen der Gesellschaft, sondern ist wesentlich geringer. Denn der Verzicht auf die Erstattung eines Umwandlungsberichts und der Verzicht auf eine Klage gegen die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses entspricht in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nicht dem Umwandlungsbeschluss nach § 47 KostO, auf den sie sich beziehen. Der Verzicht auf die Erstattung eines Umwandlungsberichts ist für die Umwandlung selbst ohne rechtliche Bedeutung. Sein wirtschaftlicher Wert entspricht nur dem Aufwand seiner Herstellung. Der Verzicht auf die Klage gegen die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses ist ebenfalls keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses. Bei - wie hier bestehender - Einigkeit aller Gesellschafter gewinnt er erst Bedeutung für den Fall eines nachträglichen Sinneswandels. Auch sein Wert liegt weit unter dem, der dem Umwandlungsbeschluss selbst zukommt.

c. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Beteiligten 3 findet in die Bemessung des Geschäftswerts auch Eingang, dass der Gesetzgeber für die Gebühr der Beurkundung eines Umwandlungsbeschlusses in § 47 Satz 2 KostO eine Höchstgrenze festgesetzt und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass höhere Gebühren in jedem Fall unangemessen sind. Gebühren für demgegenüber weniger bedeutsame Beurkundungen, wie es die hier zu beurteilenden Verzichtserklärungen sind, müssen daher in einer angemessenen Relation zu den für den Umwandlungsbeschluss anfallenden Beurkundungsgebühren stehen. Auch dies ist somit ein Kriterium der Bemessung des Geschäftswerts der Verzichtserklärungen. Soweit das Landgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 17.1.2001 (Justiz 2001, 216) es abgelehnt hat, die Begrenzung des § 39 Abs. 4 KostO anzuwenden, kann dem aus den vom Landgericht in seinem Beschluss dargelegten Gründen gefolgt werden. Doch hat das Landgericht Stuttgart in dem früheren Beschluss von 2001 und in dem jetzt streitgegenständlichen Beschluss übersehen, dass auch § 47 Satz 2 KostO ein Korrektiv enthält, das überzogene Gebühren verhindern soll und das für die hier zu beurteilenden Verzichtserklärungen heranzuziehen ist.

3. Die von der Beteiligten 2 beanstandete pauschale Bemessung dieses Geschäftswerts mit 10 % des Werts des Aktivvermögens der Gesellschaft beruht auf einer Verkennung der oben dargelegten Kriterien und kann keinen Bestand haben. Ein solcher Ansatz berücksichtigt nicht in angemessenem Umfang die - oben dargelegte - geringe wirtschaftliche Bedeutung, die hier diesen Verzichtserklärungen zukommt und die in einem angenommenen Geschäftswert von rund 1,3 Millionen € keine sachgerechte Relation mehr findet. Soweit in der Literatur der Ansatz von 10 % des Aktivvermögens der Gesellschaft diskutiert wurde (vgl. Tiedtke, MittBayNot 1997, 209,212, der zusätzlich begrenzend § 39 Abs. 4 KostO anwenden will; Bengel/Tiedtke in Korinthenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16.Aufl., § 40 RN 8; ablehnend bezüglich der Anwendung des § 39 Abs. 4 KostO Hartmann, KostO, 36. Aufl. § 39 RN 25; LG Stuttgart, Justiz 2001, 216), ist dieser Ansatz nicht verallgemeinerungsfähig, da es im Einzelfall auf die Bedeutung der abgegebenen Erklärungen ankommt und die Berücksichtigung von § 47 Satz 2 KostO die Wertfestsetzung zusätzlich beeinflusst.

Welcher Wertansatz hier zu machen wäre, wenn der Notar auch für die Zustimmungserklärungen einen Gebührenansatz nachholen sollte, ist nicht Gegenstand dieser Beschwerdesache. Ob dann ein Wertansatz von 10% des Aktivvermögens der Gesellschaft - auch unter Berücksichtigung des § 47 Satz 2 KostO - gerechtfertigt ist, kann daher dahinstehen. Vorliegend ist nur der Geschäftswert für beurkundete Verzichtserklärungen zu bestimmen.

Nachdem der vom Landgericht auf die Weisungsbeschwerde des Notars vorgenommene Wertsansatz von 1.375.375 € ermessensfehlerhaft ist und die hiernach bemessene Gebühr nicht Bestand haben kann, hat der Senat Wert und Gebühr selbst zu bestimmen. Die tatsächlichen Grundlagen für eine solche Bestimmung liegen vor. Der vom Notar seiner Gebührenberechnung zugrunde gelegte Geschäftswert mit 500.000 € erscheint dem Senat bei Berücksichtigung der dargestellten Bemessungskriterien angemessen. Denn er entspricht der geringen Bedeutung dieser Erklärungen und führt zu einer Gebühr, die auch in angemessener Relation zur Gebühr für die Beurkundung des Umwandlungsbeschlusses steht, auf die sie sich beziehen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 156 Abs. 6 Satz 3 KostO.



Ende der Entscheidung

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