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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 8 W 286/01
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 68 Abs. 1 S. 1
GKG § 69

Entscheidung wurde am 14.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
Erhebt das Gericht sowohl auf Antrag einer beweispflichtigen als auch einer nicht beweispflichtigen Partei Beweis zum selben Gegenstand, so haftet die nicht beweispflichtige Partei nicht gem. §§ 68, 69 GKG als Zweitschuldnerin für die durch die Beweisaufnahme entstehenden gerichtlichen Auslagen (Teil Aufgabe der Senatsrechtsprechung Die Justiz 1987, 503 = MDR 1987, 1035 = Jur-Büro 1988, 347 = RPfleger 1988, 164 im Anschluss an BGH, NJW 1999, 2823).
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

vom 5. 7. 2001

Gründe:

1. Die in Frankreich ansässige Klägerin hat ihren Werklohnanspruch für Verglasungsarbeiten eingeklagt, die Beklagte Mängel der Werkleistung eingewandt. Das Landgericht hat auf Antrag beider Parteien ein schriftliches Sachverständigengutachten zum Grund der Mängel und zur Verantwortlichkeit der Parteien eingeholt und beiden Parteien die Zahlung eines Vorschusses in gleicher Höhe aufgegeben. Nach Erstattung des Gutachtens hat das Gericht beiden Parteien die Zahlung eines weiteren Vorschusses aufgegeben, den die Beklagte jedoch nicht mehr geleistet hat. Auf Antrag der Beklagten wurde der Sachverständige in der abschließenden mündlichen Verhandlung noch persönlich angehört. Das Gericht wies die Klage wegen bestehender Mängel der Werkleistung, deren Verursachung durch die Beklagte die beweispflichtige Klägerin mangels Abnahme ihrer Werkleistung nicht habe beweisen können, teilweise ab. Auf die Berufung der Beklagten nahm die Klägerin im 2. Rechtszug ihre Klage in vollem Umfange zurück, worauf ihr die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden.

Da die Beitreibung der nicht durch Vorschüsse gedeckten Sachverständigenkosten von der unter Schuldenverwaltung stehenden Klägerin keine Aussicht auf Erfolg hatte, wurde die Beklagte von der Staatskasse als Zweitschuldnerin in Höhe von über 5.000 DM in Anspruch genommen. Die Beklagte hat hiergegen unter Verweis auf neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Erinnerung eingelegt, die der Richter des Landgerichts u. a. unter Verweis auf die bisherige Senatsrechtsprechung zurückgewiesen hat. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

2. a) Soweit eine Beweisaufnahme zum selben Beweisthema auf Antrag beider Parteien angeordnet wird, war bislang streitig, ob die Vorschusspflicht gem. §§ 379, 402 ZPO für beide Parteien oder nur für die beweisbelastete Partei besteht. Der Senat hat insoweit in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte bislang die erstgenannte Auffassung vertreten (Die Justiz 1987, 503 (mwN) = MDR 1987, 1035 = JurBüro 1988, 347 = RPfl 1988, 164).

Der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich mit Urteil vom 8.6.1999 (NJW 1999, 2823) im Zusammenhang mit der Aufhebung und Zurückverweisung eines Berufungsurteils, in dem die nicht beweispflichtige Partei wegen unterbliebener Vorschusszahlung für die auf ihren Antrag beschlossene Gutachteneinholung als beweisfällig behandelt worden war, der als (inzwischen) herrschend bezeichneten Gegenauffassung angeschlossen, wonach auch bei beiderseitigem Beweisantritt nur die beweisbelastete Partei als vorschusspflichtig angesehen wird; im Urteil vom 30. 11. 1999 (NJW 2000, 1420, 1422 = ZIP 2000, 635, 638) hat er diese Ansicht bestätigt. Der 7. Zivilsenat des BGH hat sich dem in einem 'obiter dictum' angeschlossen (NJW 2000, 743). Der Bundesgerichtshof hat seine Auffassung insbesondere damit begründet, dass aus einer unterbliebenen Vorschusszahlung zu Lasten der nicht beweisbelasteten Partei für die Hauptsacheentscheidung ohnehin keine Folgerungen gezogen werden dürften.

Die neuere Kommentarliteratur zur ZPO (zB Thomas / Putzo, 23. Aufl., Rn 2; Musielak I Huber, 2. Aufl., Rn 4; Zöller / Greger, 22. Aufl., Rn 4; MünchKommZPO I Damrau, 2. Aufl., Rn 3; Baumbach I Lauterbach I Hartmann, 59. Aufl. Rn 4, je zu § 379) ist dem gefolgt, während das kostenrechtliche Schrifttum davon erst teilweise Kenntnis genommen hat (zustimmend Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., § 68 GKG Rn 12; noch der alten Auffassung folgend Markl / Meyer, GKG, 4. Aufl., Rn 4 zu § 68; Oestreich / Winter / Hellstab, Rn 10 zu § 68 GKG (Stand 9/1995, insoweit durch Nachlieferung 5/2001 nicht geändert); event. abw. Rn. 19 (Stand 3/2000) für Beweiserhebungen in Zwangsversteigerungsverfahren). ...

b) Der Senat schließt sich für die Frage der Vor- und Nachschusspflicht eines Antragstellers gem. §§ 68, 69 GKG - unter Aufgabe seiner insoweit abweichenden Rechtsprechung (oben a)) - der inzwischen herrschenden Meinung an, dass bei einer Beweiserhebung auf Antrag mehrerer Parteien nur diejenige zahlungspflichtig ist, die für die entsprechende Tatsache beweisbelastet ist. Insoweit muss ausschlaggebend auf die prozessuale Funktion der Beweiserhebung abgestellt werden, das Gericht von der Richtigkeit einer von der darlegungs- und beweisbelasteten Partei aufgestellten und unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung zu überzeugen. Ohne Beweisantritt des Beweispflichtigen soll das Gericht von einer nur auf Antrag des nicht Beweispflichtigen angeordneten Beweisaufnahme grundsätzlich absehen, wenn der nicht Beweispflichtige den Vorschuss nicht einzahlt. Die Verweigerung der Einzahlung bleibt für den nicht Beweispflichtigen letztlich sanktionslos, da dieser Umstand nicht zu seinen Lasten gewürdigt werden darf. Setzt sich das Gericht über die Weigerung, einen Vorschuss einzuzahlen, hinweg und erhebt den Beweis gleichwohl, so darf sich dies im Ergebnis nicht zu Lasten des nicht Beweispflichtigen auswirken. Deshalb ist auch eine unterschiedliche Würdigung der Zahlungspflicht gem. §§ 68, 69 GKG, je nachdem ob es um den Vorschuss geht oder um die nachträgliche Erhebung der Kosten, nicht gerechtfertigt. Beide Vorschriften sind deshalb einschränkend dahingehend auszulegen, dass bei Beweiserhebung auf Antrag mehrerer Beteiligter nur derjenige zahlungspflichtig ist, der auch beweispflichtig ist.

Der Senat verkennt nicht, dass bei dieser Auslegung zusätzliche Schwierigkeiten für das Prozessgericht entstehen können, weil es vor Anordnung eines Vorschusses zunächst die Frage der Beweislast klären muss und dazu unter Umständen eine Beweisaufnahme in Etappen erforderlich werden kann. Erhebt das Gericht einen angetretenen Beweis wegen unterbliebener Vorschusszahlung jedoch nicht, wie es § 68 II 1 GKG als regelmäßige Folge vorsieht, so darf es diesen Umstand nur zu Lasten der beweispflichtigen Partei würdigen. Setzt sich das Gericht über diese Regelbestimmung trotz Zahlungsverweigerung des nicht Beweispflichtigen hinweg, so darf sich dies haftungsmäßig nicht zu dessen Lasten auswirken, denn dieser ist vielfach schon deshalb zu einem Beweisantritt genötigt, um Verspätungsfolgen zu seinen Lasten zu vermeiden, weil er die Beurteilung der Beweislast durch das Gericht oft nicht sicher absehen kann.

c) Unter Beachtung der dargelegten Einschränkung der Haftung der Beklagten gem. §§ 68, 69 GKG haftet die Beklagte im vorliegenden Fall über die bereits gezahlten Gerichtskostenvorschüsse hinaus nicht auch für die streitigen weiteren Sachverständigenkosten. aa) Bei den mit dem eingeholten schriftlichen Gutachten geklärten Beweisfragen erfolgte die Beweisaufnahme zum Hauptgegenstand dieses Rechtsstreits - der Ursache für das Springen der Scheiben und der Verantwortlichkeit der Parteien für diesen Grund - auf Antrag der Klägerin und der Beklagten letztlich zum selben Beweisthema. Mangels Abnahme der Werkleistung der Klägerin durch die Beklagte war insoweit nur die Klägerin beweis- und damit auch vor- und nachschusspflichtig.

Das (nur) auf Antrag der Beklagten zu klärende Beweisthema der Schadenshöhe, soweit die Beklagte Mängel selbst behoben hatte, war demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Der Senat schätzt gem. § 287 ZPO, dass sich der diesbezügliche Aufwand in der Größenordnung von etwa 1/4 der Gesamtkosten des schriftlichen Sachverständigengutachtens ... bewegte. Kosten in dieser Höhe hat die Beklagte jedoch vorschussweise bereits einbezahlt ...

bb) Für die weiteren Sachverständigenkosten, die für die Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung entstanden sind, haftet die Beklagte überhaupt nicht.

Diese Anhörung erfolgte zwar laut Terminsverfügung des Gerichts auf Antrag der Beklagten, betraf mit der Frage nach der Verantwortlichkeit für die vom Sachverständigen angegebene Ursache der Schäden an den Scheiben aber wiederum nur den Gegenstand der Beweisaufnahme, für den die Klägerin beweispflichtig war.

Damit betraf die auf Antrag der Beklagten erfolgte Ladung und Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung keine eigenständige Beweisaufnahme auf Antrag der Beklagten i. S. von § 68 GKG, sondern nur einen unselbständigen Teil der auf Antrag der Klägerin erfolgten Beweisaufnahme bei gegebener Beweislast der Klägerin. Auf die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung hat jede Partei unabhängig von § 411 III ZPO bei substantiiert dargelegten Fragen grundsätzlich Anspruch (BGHZ 6, 398; 26, 391; NJW 1983, 340).

Ende der Entscheidung

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