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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 14.09.2005
Aktenzeichen: 8 W 397/05
Rechtsgebiete: KostO, LJKG Ba.-Wü., LFGG Ba.-Wü.


Vorschriften:

Richtlinie 69/335/EWG
KostO § 47
KostO § 143
LJKG Ba.-Wü. a.F. § 12 Abs. 1 Satz 2
LJKG Ba.-Wü. a.F. § 14
LFGG Ba.-Wü. a.F. § 3
1. Geschäftswertabhängige, nicht aufwandsbezogene Beurkundungsgebühren nach der KostO, die ein württembergischer Amtsnotar im gegenständlichen Bereich der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 nach §§ 12 Abs. 1 S. 2, 14 LJKG a.F. erhebt, sind eine nach der Richtlinie unzulässige Steuererhebung (vgl. EuGH vom 30.6.2005 Az. C-165/03, EuZW 2005, 501).

2. Richtlinienwidrig erhobene Steuern sind nach dem nationalen Recht zu erstatten. Nach dem Schutzzweck der Richtlinie stellt jedoch die betroffene Kostenvorschrift (hier: § 47 KostO) weiterhin die Rechtsgrundlage für eine aufwandsbezogene Gebühr dar, die nach Aufhebung der alten Kostenrechnung neu angesetzt werden kann.


Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 397/05

vom 14. September 2005

In der Notarkostensache

wegen weiterer Beschwerde gemäß § 156 Abs. 2 KostO

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgericht Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Bräuning, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz und des Richters am Oberlandesgericht Rast

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Kostengläubigers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 8.7.2005 wird

zurückgewiesen

und der weitere Antrag des Kostengläubigers wird

abgewiesen.

2. Der Kostengläubiger trägt die durch die Zurückweisung seiner weiteren Beschwerde angefallenen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Beschwerdewert: 9.761,42 €

Gründe:

I.

Der Kostengläubiger, ein württembergischer Amtsnotar, beurkundete am 11.5.1999 den in der Generalversammlung gefassten Beschluss über die Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften. Hierfür stellte er mit Kostenrechnung vom 17.5.1999 gemäß § 47 KostO 10.000,-- DM, insgesamt zuzüglich Schreibauslagen, Auswärtsgebühr, Nachtzulage und Umsatzsteuer 11.756,60 DM in Rechnung, die am 21.5.1999 beglichen wurden.

Am 17.12.2004 reichte die Beteiligte 2 beim Landgerichts Ravensburg Beschwerde gegen die Kostenrechnung ein, weil die Gebührenerhebung gegen europäisches Recht verstoße.

Im Einverständnis aller Beteiligten ordnete das Landgericht Ravensburg mit Beschluss vom 11.2.2005 bis zur Entscheidung des EuGH auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 7.4.2003 das Ruhen des Verfahrens an. Nach der Entscheidung des EuGH vom 30.6.2005 (Az. C-165/03 "Längst", EuZW 2005, 501) wurde die Kostenrechnung vom 17.5.1999 durch Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 8.7.2005 insoweit aufgehoben, als darin gemäß § 47 KostO eine Gebühr in Höhe von 10.000,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer in Ansatz gebracht wurde, und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Kostenansatz zurückgegeben. Im übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Die Gebühr für die Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses verstoße gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rats vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf Ansammlung von Kapital (im folgenden: Richtlinie 69/335), weil auch die Gebühren eines beamteten Notars für die notarielle Beurkundung eines unter die Richtlinie fallenden Rechtsgeschäfts eine Steuer im Sinne der Richtlinie darstellten. Wegen der Europarechtswidrigkeit der angesetzten Gebühr sei die Kostenrechnung insoweit aufzuheben und zur Berechnung der im Einklang mit der Richtlinie stehenden Gebühr an den Kostengläubiger zurückzugeben.

Die Gebühr für Schreibauslagen hätte nicht den Charakter einer Steuer im Sinn der Richtlinie, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass diese nicht dem erforderlichen Aufwand entspräche. Die Auswärts- und Nachtgebühr unterfielen nicht der Richtlinie, weil die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes ein auswärtiges Tätigwerden des Notars in den Abendstunden nicht vorschreiben und diesen Gebühren deshalb eine freiwillige Inanspruchnahme der Dienste des Notars zu Grunde liege.

Die weitere Beschwerde wurde zugelassen.

Gegen den dem Kostengläubiger am 20.7.2005 zugestellten Beschluss hat dieser am 16.8.2005 die weitere Beschwerde eingelegt. Anders als im badischen Rechtsgebiet müssten im württembergischen Rechtsgebiet von den Amtsnotaren Beurkundungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 69/335 nicht aufwandsbezogen abgerechnet werden, sondern es entfalle im württembergischen Rechtsgebiet die in § 14 LJKG geregelte Verpflichtung des Amtsnotars, für solche Beurkundungen einen Gebührenanteil an die Staatskasse abzuliefern. Soweit die Gebühr für solche Beurkundungen den Aufwand des beamteten Notars übersteige und wegen der Richtlinie 69/335 nicht dem Land zufließen dürfe, gebühre sie dem Notar. Dies verdeutliche auch die Neufassung des Landesjustizkostengesetzes.

Der Kostengläubiger beantragt nunmehr, den angegriffenen Beschluss des Landgerichts Ravensburg aufzuheben und die Beschwerde der Kostenschuldnerin als unbegründet zurückzuweisen. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, dass ihm ein Rückforderungsanspruch gegen die Staatskasse insoweit zustehe, als die zur Staatskasse vereinnahmten Staatsanteile und Kürzungsbeträge den für die Beurkundung entstandenen tatsächlichen Aufwand des Landes übersteigen. Hilfsweise erhebt der Kostengläubiger die Einrede der Verjährung.

Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Ravensburg ist der Auffassung, nicht die Gebührenberechnung nach der KostO, sondern die Abführungspflicht nach § 14 LJKG a.F. sei europarechtswidrig, weshalb - auch im Sinn der Gleichbehandlung mit anderen Notaren - die Gebühren erhoben werden und im wesentlichen beim Notar verbleiben müssten.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache unbegründet.

1.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie wurde vom Beschwerdegericht gemäß § 156 Abs. 2 Satz 2 KostO zugelassen sowie frist- und formgerecht eingelegt.

Die weitere Beschwerde hat die vom Beschwerdegericht nicht aufgehobenen Schreibauslagen sowie die Auswärts- und Nachtgebühr nicht zum Gegenstand. Durch die Abweisung der Beschwerde der Kostenschuldnerin ist der Kostengläubiger im übrigen nicht beschwert.

2.

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 8.7.2005 ist im Rechtsbeschwerdeverfahren allein darauf zu überprüfen, ob er auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO).

Im Rechtsbeschwerdeverfahren können deshalb grundsätzlich keine neuen Sachanträge gestellt werden. Der Antrag des Kostengläubigers auf Feststellung, dass dem Notar ein Rückforderungsanspruch gegen die Staatskasse zustehe, ist als neuer Antrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässig und daher abzuweisen (vgl. BayObLG NJW-RR 2001, 1231, 1233 m.w.N.; Bassenge / Herbst / Roth FGG 10. Aufl. Einleitung RN 16; KKW-Meyer-Holz, FG 15. Aufl., § 27 RN 3).

Im übrigen können Gegenstand eines Verfahrens nach §§ 154, 156 KostO lediglich die nach der KostO zu erhebenden Gebühren und Auslagen (§ 141 KostO) sowie die Mehrwertsteuer (§ 151a KostO) und die vom Notar verauslagten Gerichtskosten (§ 154 Abs. 2 KostO) sein. Dieses Verfahren dient nicht der Regelung des Innenverhältnisses zwischen dem württembergischen Amtsnotar und dem Land Baden-Württemberg, weil insoweit die Tatbestände der KostO nur mittelbar Auswirkung haben und hier eine Gebührenfestsetzung gegen das Land Baden-Württemberg nach § 154 KostO nicht möglich ist.

3.

Die Gebühr nach § 47 KostO ist vom Kostengläubiger der Höhe nach aufwandsbezogen und damit konform zur Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (im Folgenden: Richtlinie 69/335) neu zu berechnen. Die diesbezügliche Aufhebung der Kostenrechnung durch das Beschwerdegericht lässt Rechtsfehler nicht erkennen, weshalb die weitere Beschwerde des Kostengläubigers zurückzuweisen war.

a) Der Kostengläubiger ist hier als Amtsnotar nach §§ 12 Abs. 1 Satz 2 LJKG, 3 LFGG a. F. Gläubiger der Beurkundungsgebühren nach § 47 KostO. Hiervon hat er jedoch einen nach § 14 LJKG a. F. zu berechnenden Anteil an die Staatskasse abzuführen, die diese Einnahmen zur Finanzierung seiner Aufgaben verwendet. Solche Gebühren eines beamteten Notars sind als Steuern im Sinn der Richtlinie 69/335 anzusehen (EuGH, Urteil vom 30.6.2005, AZ: C-165/03, EuZW 2005, 501; vgl. auch EuGH DNotZ 2002, 389 "Gründerzentrum"). Der Senat sieht sich an diese Rechtsprechung des EuGH gebunden, da Art. 234 (früher:177) EGV dem Gerichtshof im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliedsstaaten die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des EG-Vertrags sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten abgeleiteten gemeinschaftlichen Akte zuweist (BayObLG NJW 1999, 652, 653 m.w.N.; KG JurBüro 2003, 31).

b) Die der Kostenrechnung vom 17.5.1999 zugrunde liegende Beurkundung fällt in den gegenständlichen Bereich der Richtlinie 69/335. Nach Art. 3 Abs. 2 werden den in der Richtlinie genannten Kapitalgesellschaften alle anderen Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristische Personen gleichgestellt, die einen Erwerbszweck verfolgen. An dem beurkundeten Verschmelzungsvertrag waren zwei eingetragene Genossenschaften beteiligt, die gemäß § 1 Abs. 1 GenG die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder bezwecken. Sie sind deshalb den in der Richtlinie genannten Kapitalgesellschaften nach Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 69/335 gleich zu stellen (OLG Karlsruhe NZG 2003, 487, 488). Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 13.2.1996, AZ: C-197/04 und C-252/94, ABl EG 1996, Nr. C 133, 3 - 4) stellen Verschmelzungen Erhöhungen des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art im Sinn von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c) Richtlinie 69/335 dar, wenn eine oder mehrere Kapitalgesellschaften ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen in eine oder mehrere Kapitalgesellschaften einbringen, die gegründet werden oder bereits bestehen (EuGH a.a.O. Tz 34). Der Verschmelzung der beiden Genossenschaften liegt ein Vorgang zugrunde, der hier in der Erhöhung des Kapitals der übernehmenden Gesellschaft durch die Einbringung des gesamten Vermögens der übernommenen Gesellschaft besteht; darüber hinaus ist das Ziel dieser Kapitalansammlung die Stärkung der übernehmenden Gesellschaft. Dies rechtfertigt es, die beurkundete Verschmelzung der beiden Genossenschaften als einen von der Richtlinie 69/335 umfassten Vorgang anzusehen (EuGH a.a.O. Tz 36).

Der Verschmelzungsbeschluss bedurfte nach § 13 Abs. 3 Satz 1 UmwG der notariellen Beurkundung.

c) In Abweichung von den nach Art. 10 Richtlinie 69/335 verbotenen Steuern richtet sich die Höhe von Abgaben mit Gebührencharakter, deren Erhebung erlaubt ist (Art. 12 Abs. 1 lit. e) Richtlinie 69/335), nach den Kosten der erbrachten Dienstleistung. Eine Abgabe, deren Höhe keinen Zusammenhang mit den tatsächlichen Aufwendungen für diese bestimmte Dienstleistung aufweist oder sich nicht nach den Aufwendungen, für die sie die Gegenleistung darstellt, sondern nach den gesamten Betriebs- und Investitionskosten der mit dem betreffenden Vorgang befassten Stelle richtet, ist als Abgabe anzusehen, für die das Verbot des Art. 10 Richtlinie 69/335 gilt (EuGH DNotZ 2002, 389, 394 unter Tz. 31 "Gründerzentrum" m.w.N.).

Vorliegend wurde die Gebühr nach §§ 47, 32 KostO aF abhängig allein vom Geschäftswert und nicht vom tatsächlichen Aufwand erhoben. Trotz der Begrenzung der Gebühr nach § 47 S. 2 KostO wird durch die in Rechnung gestellten 10.000,-- DM zzgl. Mehrwertsteuer der nach der Richtlinie 69/335 berücksichtigungsfähige Aufwand für den Beurkundungsvorgang einschließlich darauf entfallender allgemeiner Kosten ersichtlich überschritten. Allein das Bestehen einer Obergrenze verleiht der Abgabe nicht den Charakter einer Gebühr, weil die Obergrenze nicht zu den entstehenden Kosten angemessen ist (EuGH a.a.O. Tz. 33).

d) Soweit eine Gebührenerhebung einer der Gesellschaftssteuerrichtlinie 69/335 widersprechenden Steuererhebung gleich kommt, fehlt der Einnahme der erforderliche Rechtsgrund. Da Art. 10 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 lit. e) Richtlinie 69/335 für den einzelnen Rechte begründet, kann er sich auf den Richtlinienverstoß vor dem nationalen Gericht berufen (Senat Rpfleger 2004, 380; EuGH, Urteil vom 2.12.1997, AZ: C-188/95, "Fantask" EuZW 1998, 172, 176 unter Tz 55). Richtlinienwidrig erhobene Steuern sind nach dem nationalen Recht zu erstatten (Senat a.a.O.; EuGH a.a.O. Tz 33, 38 ff.; BayObLG a.a.O.; KG a.a.O.; OLG Karlsruhe Die Justiz 2003, 634, 635).

Dabei führt die Richtlinie 69/335 nicht zur vollständigen Unwirksamkeit der betroffenen Rechtsgrundlage, die hier in § 47 KostO und nicht in § 14 LJKG zu finden ist, und zum völligen Wegfall der Abgabenerhebung. Vielmehr bleibt § 47 KostO im Regelungsbereich der Richtlinie 69/335 weiterhin Rechtsgrund für die Erhebung von Kosten, soweit sie mit der Richtlinie im Einklang stehen. Die Richtlinie verbietet nämlich nicht jegliche Abgabenerhebung, so dass Gebührentatbestände wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinie nicht gänzlich unwirksam werden. Die Richtlinie sanktioniert nur die Höhe der Abgabenerhebung, indem sie sie auf Abgaben mit Gebührencharakter, also aufwandsbezogene Gebühren, beschränkt (Art. 12 lit. e) Richtlinie 69/335). Durch ein solches Verständnis der Rechtsfolgen einer - gemessen an der Richtlinie - überhöhten Abgabenerhebung wird der Schutzzweck der Richtlinie gewahrt (im Erg. ebenso BayObLG a.a.O.; KG a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.).

Das Beschwerdegericht hat danach zu Recht die Kostenrechnung aufgehoben, soweit die Gebühr nach § 47 KostO zuzüglich Mehrwertsteuer in Ansatz gebracht worden ist, und insoweit die Kostenrechnung zu erneuten Entscheidung über den Kostenansatz zurückverwiesen, da durch die Richtlinie 69/335 gemäß deren Art. 12 lit. e und f aufwandsbezogene Abgaben zuzüglich Mehrwertsteuer erhoben werden dürfen. Das Beschwerdegericht konnte aus eigener Anschauung einen danach berechtigten Betrag der angegriffenen Kostenrechnung nicht ermitteln.

4.

Entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers führen die Richtlinie 69/335 und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht dazu, dass der Amtsnotar bei unter die Richtlinie fallenden Beurkundungen von der Pflicht, aus den hieraus angefallenen Notargebühren einen Anteil an die Staatskasse abzuführen, befreit wäre. Insoweit ist bereits zweifelhaft, ob dies den Gebühren die Steuereigenschaft nach der Richtlinie nehmen würde (ablehnend Schlussanträge des Generalanwalts vom 18.1.2005 an den EuGH in der Rechtssache C-165/03 (Längst) Tz 50 und 51). Vorliegend ist eine Entscheidung hierzu jedoch nicht veranlasst. § 14 Abs. 1 LJKG a. F. ist für die Notare verbindlich. Es steht nicht in ihrem Ermessen, Gebührenanteile an die Staatskasse abzuführen oder nicht. Der Verstoß einer Gebührenerhebung gegen die Richtlinie 69/335 schafft den Notaren keinen entsprechenden Ermessensspielraum, sondern führt zur (teilweisen) Unwirksamkeit der Rechtsgrundlage der Kostenrechnung. Es ist Aufgabe nicht des einzelnen Notars, sondern des nationalen Gesetzgebers, richtlinienkonforme Gebührentatbestände zu schaffen. Ebenso obliegt eine Regelung, die Unterschieden in der Gebührenerhebung der Amtsnotare einerseits und der freien Nur- und Anwaltsnotare andererseits entgegenwirkt, nicht dem einzelnen Notar, sondern ggf. dem Gesetzgeber.

Dementsprechend hat der Landesgesetzgeber am 28.7.2005 das Gesetz zur Abänderung des Landesjustizkostengesetzes und des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 28.7.2005 (GBl. vom 5.8.2005, Seite 580 ff.) erlassen. Ob diese Regelung richtlinienkonform ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil nach der Übergangsvorschrift in Art. 4 § 2 dieses Gesetzes rückwirkend der Verbleib von Beurkundungsgebühren in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten erst ab dem 1.6.2002 geregelt wurde. Die der angegriffenen Kostenrechnung zugrunde liegende Beurkundung ist vor diesem Zeitpunkt geschehen.

5.

Die teilweise Aufhebung der Kostenrechnung scheidet nicht deshalb aus, weil ein eventueller Erstattungsanspruch der Kostenschuldnerin verjährt wäre. Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es einem Mitgliedsstaat, der die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, grundsätzlich nicht, sich gegenüber Klagen auf Erstattung richtlinienwidrig erhobener Abgaben auf eine nationale Verjährungsfrist zu berufen, sofern diese Frist für die Geltendmachung auf Gemeinschaftsrecht gestützter Ansprüche nicht ungünstiger ist als für die Geltendmachung auf nationales Recht gestützter Ansprüche und die Verjährungsfrist die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Senat a.a.O.; EuGH EuZW 1998, 172, 176 Tz 52 "Fantask").

a) Ein noch zu berechnender Anspruch auf Rückerstattung von Notargebühren des § 47 KostO unterliegt der allgemeinen Verjährung nach BGB. Die Verjährungsfrist des § 17 Abs. 2 KostO ist gemäß § 143 Abs. 1 KostO (in der Fassung bis zum 1.1.2002 einschließlich) unanwendbar, weil hier die Gebühr nicht der Staatskasse, sondern nach § 12 Abs. 1 Satz 2 LJKG i.V.m. § 3 LFGG dem Amtsnotar als Kostengläubiger zufließt (vgl. Senat, Die Justiz 1994, 373; Korintenberg / Bengel / Tiedtke KostO 15. Aufl. § 143 RN 1; vor § 140 RN 2; Rohs / Wedewer KostO § 142 RN 12; Assenmacher / Mathias / Mümmler KostO 15. Aufl., "Baden-Württemberg" Anm. 2; soweit dort jeweils § 10 Abs. 1 Satz 2 LJKG zitiert wird, entspricht dies seit 1993 § 12 Abs. 1 Satz 2 LJKG; Hartmann Kostengesetze 35. Aufl. Übersicht § 140 RN 8). § 143 KostO in seiner Fassung nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist unanwendbar, weil die Fälligkeit der Gebühr für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags gemäß § 7 KostO mit der Beendigung des gebührenpflichtigen Geschäfts und damit vor dem Inkrafttreten des § 143 KostO n. F. eingetreten ist (§ 161 Satz 1 KostO).

Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 galt für den Rückerstattungsanspruch die allgemeine Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. von 30 Jahren (Assenmacher / Mathias / Mümmler a.a.O. "Verjährung" Anm. 2.5; Korintenberg / Bengel / Tiedtke a.a.O. §143 RN 11; § 157 RN 4). Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB bestimmt sich der Beginn der Verjährungsfrist hier nach dem BGB a.F.. Nach § 198 S. 1 BGB a.F. begann die Verjährungsfrist von 30 Jahren mit der Entstehung des Anspruchs. Der Anspruch auf Rückerstattung entstand bereits mit der Überzahlung und nicht erst mit der Aufhebung oder Berichtigung des Kostenansatzes (Senat Rpfleger 2004, 380; KG AGS 2005, 295 m.w.N.; OLG Karlsruhe Die Justiz 2004, 422; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 296 m.w.N.; a. A. Korintenberg / Lappe a.a.O. § 17 RN 17; § 157 RN 4 jeweils zu § 17 KostO). Europarechtlich bestehen hiergegen grundsätzlich keine Bedenken (EuGH EuZW 1998, 172, 175 TZ 42 ff. "Fantask"). Die richtlinienwidrige Erhebung von Gebühren geschah von vornherein ohne Rechtsgrund, so dass schon zum Zeitpunkt der Zahlung ein Rückerstattungsanspruch entstanden ist, auch wenn die Kostenrechnung formal noch nicht aufgehoben oder abgeändert war. Die vom Gesetzgeber gewollte zeitliche Begrenzung von Rückerstattungsansprüchen wäre in aller Regel wirkungslos, wenn die Verjährung erst nach der förmlichen Aufhebung des zugrundeliegenden Kostenansatzes beginnen würde (Senat a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.).

Weil die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB n. F. von drei Jahren kürzer ist als die 30jährige Frist nach altem Recht, endete die Verjährungsfrist des Rückerstattungsanspruchs gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 31.12.2004.

Die Verjährungsfrist ist durch die am 17.12.2004 bei Gericht eingegangene Beschwerde der Beteiligten 2 nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F. analog gehemmt worden.

b) Entgegen der Auffassung des Kostengläubigers endete die Hemmung der Verjährungsfrist nicht 6 Monate nach der Anordnung des Ruhens des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss vom 11.2.2005 (§ 204 Abs. 2 BGB n. F.). Einerseits wurde das Verfahren durch den Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 8.7.2005 vor Ablauf dieser 6 Monate wieder aufgenommen und fortgeführt. Andererseits ist § 204 Abs. 2 BGB n.F. nur anwendbar, wenn die Parteien ohne triftigen Grund untätig geblieben sind. Ein triftiger Grund ist nicht nur ein rechtlich zwingender Grund, vielmehr kann ein solcher Grund auch vorliegen, wenn eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits prozesswirtschaftlich vernünftig erscheint (BGH NJW 2000, 132).

Darüber hinaus führt eine Untätigkeit der Parteien dann nicht zum Stillstand des Verfahrens nach § 204 Abs. 2 BGB n.F., wenn dessen Leitung beim Gericht liegt. Das Landgericht hatte nicht etwa durch den Beschluss vom 11.2.2005 und das allseitige Einverständnis, den Ausgang der Vorlage des Landgerichts Stuttgart an den Europäischen Gerichtshof abzuwarten, die Verfahrensleitung aus der Hand gegeben. Das Landgericht behielt seine Kompetenz und Verpflichtung, für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen (vgl. BGH a.a.O. Seite 133). Dieser Verpflichtung ist das Landgericht gerecht geworden, als es ohne weiteren Antrag eines Beteiligten alsbald nach Vorlage der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 30.6.2005 über die Beschwerde der Beteiligten 2 mit Beschluss vom 8.7.2005 entschieden hat.

Angesichts der für das vorliegende Verfahren grundlegenden Rechtsfrage, die der Europäische Gerichtshof in dem Verfahren C-165/03 (Längst) zu entscheiden hatte, war die Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits durch das Abwarten dieser Entscheidung prozesswirtschaftlich vernünftig und entsprach auch der loyalen Zusammenarbeit der Gemeinschaftsgerichte und der nationalen Gerichte. Damit berücksichtigte das Beschwerdegericht die Aufgabe des EuGH, nicht als Rechtsmittelgericht in mitgliedsstaatlichen Verfahren tätig zu werden, sondern verbindlich über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden, was durch eine Vielzahl von gleich gelagerten, nicht zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen beitragenden Vorabentscheidungsersuchen beeinträchtigt worden wäre (vgl. BGH NJW 2005, 1947, 1948).

Ob es daneben nicht auch vom Kostengläubiger treuwidrig ist, wenn er in ein Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einem konkreten Verfahren zustimmt und er alsbald nach dem Ergehen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die Einrede der Verjährung erhebt, kann danach dahingestellt bleiben.

6.

Für die Gerichtsgebühren gilt § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO. Nachdem der Kostengläubiger die weitere Beschwerde aus eigenem Recht eingelegt hat und diese erfolglos geblieben ist, sind ihm gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten aufzuerlegen.

Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde setzt sich zusammen aus der in der Kostenrechnung vom 17.5.1999 enthaltenen Gebühr gemäß § 47 KostO in Höhe von 10.000,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer und dem nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 LJKG abgeführten Anteil an die Staatskasse in Höhe von 7.491,67 DM. Der Gesamtwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt damit 19.091,67 DM = 9.761,42 € (§§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO).

Eine Vorlage an den BGH gemäß §§ 156 KostO, 28 Abs. 2 FGG ist entbehrlich, weil die Entscheidung, soweit in Teilen der Begründung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abgewichen wird, im Ergebnis darauf nicht beruht.



Ende der Entscheidung

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