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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 12.11.2009
Aktenzeichen: 8 W 427/09
Rechtsgebiete: FGG RG, BGB


Vorschriften:

FGG RG Art. 111 Abs. 1 S. 1
BGB § 2200 Abs. 1
Übergangsrecht:

In Nachlasssachen ist bei der Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG RG zu unterscheiden, ob es sich um eine Verrichtung des Nachlassgerichts von Amts wegen (z. B. Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gem. § 2200 Abs. 1 BGB) oder um ein ausschließliches Antragsverfahren (z. B. Erbscheinserteilungsverfahren gem. § 2353 BGB) handelt. Ein Amtsverfahren wird im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG RG eingeleitet durch den Todesfall, ein Antragsverfahren durch den Eingang des Antrags beim Nachlassgericht.


Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 427/09

12. November 2009

In der Nachlasssache

wegen Ablehnung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Tolk Richterin am Oberlandesgericht Tschersich Richter am Oberlandesgericht Dr. Barth

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Ablehnung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers vom 12. Oktober 2009, Az. I NG 196/2009, durch das Notariat Ulm I - Nachlassgericht - wird die Sache unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses (Verfügung vom 1. Juli 2009) an das Notariat Ulm I - Nachlassgericht - zurückgegeben.

Gründe:

1.

Die Erblasserin hat durch notarielles Testament vom 24. Juni 2009 den Beschwerdeführer als Alleinerben eingesetzt und gleichzeitig alle von ihr einseitig getroffenen letztwilligen Verfügungen widerrufen.

Zu Lebzeiten ihres vorverstorbenen Ehemannes hatte sie am 17. November 1987 mit diesem einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen, in dem sie unter Ziffer V. Verfügungen getroffen hatte, "falls sie Überlebender der Ehegatten sein sollte".

In Ziffer V.02. ist ein Vermächtnis zu Gunsten der Kinder ihres Ehemannes enthalten, das sie in dem Testament vom 24. Juni 2009 unter Ziffer IV.1.a) bestätigt hat.

In dem Erbvertrag hatte sie weiterhin unter Ziffer V.03. Testamentsvollstreckung angeordnet mit dem alleinigen Aufgabenbereich, das vorstehende Vermächtnis gegenüber dem Alleinerben geltend zu machen und zu erfüllen sowie dieses für die Vermächtnisnehmer zu verwalten, zu verwerten und den Reinertrag diesen entsprechend ihrer Beteiligung zur Verfügung zu stellen.

In Ziffer VII. (Schlussbestimmungen) des Erbvertrags ist u. a. geregelt:

"01. Die Bestimmungen dieses Erbvertrags sind insoweit vertragsmäßig getroffen, als sich die Ehegatten gegenseitig bedenken; ebenso ist das Vermächtnis in Abschnitt V Ziff. 2 vertragsmäßig getroffen.

Die übrigen Bestimmungen sind einseitiger Natur.

O2. Über das Wesen der erbvertraglichen Bindung sind wir belehrt worden. Der Überlebende ist also auch nach Annahme der Alleinerbschaft berechtigt, die von ihm auf seinen Tod getroffenen Bestimmungen beliebig abzuändern oder aufzuheben, mit Ausnahme der Vermächtnisanordnung in Abschnitt V Ziff. 02."

Die Erblasserin verstarb am 29. Juni 2009. Die Testamentseröffnung bezüglich des Erbvertrags vom 17. November 1987 und des Testaments vom 24. Juni 2009 erfolgte durch das Nachlassgericht am 1. Juli 2009.

Am 17. September 2009 ersuchte der Beschwerdeführer das Nachlassgericht um Ernennung eines geeigneten Testamentsvollstreckers, was vom Notariat am 12. Oktober 2009 abgelehnt wurde.

Hiergegen richtet sich die am 21. Oktober 2009 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Oktober 2009.

Das Nachlassgericht sieht die Anordnung einer Testamentsvollstreckung in dem Erbvertrag durch das spätere Testament als widerrufen an und verneint darüber hinaus die Notwendigkeit einer Testamentsvollstreckung. Der Beschwerdeführer hält eine solche für erforderlich und vertritt die Auffassung, dass ein Widerruf der Anordnung wegen des Sachzusammenhangs mit dem Vermächtnis nicht erfolgt sei.

Das Notariat hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Zuständig für das Beschwerdeverfahren ist nicht das Oberlandesgericht gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG n. F., sondern das Landgericht nach §§ 19 Abs. 2, 30 FGG a. F. (Zimmermann in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 345 FamFG Rdnr. 46; § 342 FamFG Rdnr. 1).

Denn für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist das alte Recht anwendbar nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG (Engelhardt in Keidel, a. a. O., Art. 111 FGG-RG Rdnr. 2) mit dem Instanzenzug Nachlassgericht/Notariat (§ 38 LFGG BW) - Landgericht - Oberlandesgericht, sodass zunächst das Landgericht zur Entscheidung berufen ist.

Es handelt sich vorliegend um die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gem. § 2200 Abs. 1 BGB, nachdem es um die Streitfrage geht, ob das Ersuchen der Erblasserin in Ziffer V. 03. des Erbvertrags an das Nachlassgericht auf Ernennung eines geeigneten Testamentsvollstreckers durch das spätere Testament widerrufen wurde. Hierbei handelt es sich aber um eine Verrichtung des Nachlassgerichts von Amts wegen (Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003/2005, Vorbem. zu §§ 72-99 Rdnr. 1 ff, insb. Rdnr. 3), zu der das Notariat mit der Eröffnung und damit Kenntnisnahme des Erbvertrags und des notariellen Testaments am 1. Juli 2009 verpflichtet war, nicht aber erst durch das entsprechende Ersuchen des Beschwerdeführers vom 17. September 2009.

Dieses wurde demgemäß auch durch ein formloses Schreiben beantwortet ("Sehr geehrte Damen und Herren, Ihrer Bitte auf Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht kann nicht entsprochen werden."). Erst mit der Vorlageverfügung an das Oberlandesgericht wurde das Schreiben als rechtsmittelfähige Entscheidung gewertet.

Im Hinblick auf das tatsächlich vorliegende Amtsverfahren bezüglich der Ernennung eines Testamentsvollstreckers lag in dem Ersuchen des Beschwerdeführers lediglich eine Anregung in einem bereits mit der Eröffnung des Erbvertrags und des Testaments am 1. Juli 2009 eingeleiteten Verfahren, sodass unzweifelhaft gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG die Vorschriften des FGG a. F. zur Anwendung kommen.

Danach aber verbleibt es bei dem Instanzenzug Nachlassgericht - Landgericht - Oberlandesgericht und die Sache war unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses (Verfügung vom 1. Juli 2009) an das Notariat Ulm I - Nachlassgericht - zurückzugeben.

Ende der Entscheidung

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