Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 22.02.2000
Aktenzeichen: 8 W 439/98
Rechtsgebiete: ZSEG


Vorschriften:

ZSEG § 1 Abs. 2
ZSEG § 1 Abs. 3
Zu den Dienstaufgaben der im Unterbringungsverfahren tätigen Ärzte der "Zentren für Psychiatrie" in Baden-Württemberg gehört es mangels ausdrücklicher Regelung nicht, außerhalb der Klinik Aufgaben als Gerichtssachverständiger wahrzunehmen; eine solche Tätigkeit ist nach ZSEG zu entschädigen (Erweiterung des Senatsbeschlusses vom 18. 7. 1983 - 8 W 509/82 - Die Justiz 1983, 382)
Geschäftsnummer: 8 W 439/98 5 T 109/98 LG Ravensburg X IV 36/98 L AG Ravensburg

Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat -

Beschluss

vom 22. Februar 2000

In der Unterbringungssache

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. F

des Richters am Oberlandesgericht Dr. Müller-Gugenberger

und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz

beschlossen:

Tenor:

1 Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 16.7.1998 aufgehoben.

2. Die dem Sachverständigen zu gewährende Vergütung wird antragsgemäß auf 128,20 DM festgesetzt.

Gründe:

1. Nachdem der Betroffene gegen die Unterbringungsanordnung des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt hatte, hat die Beschwerdekammer des Landgerichts zur Vorbereitung ihrer Beschwerdeentscheidung den Betroffenen persönlich (und seine Mutter als Zeugin) im Gericht angehört; der dazu geladene Sachverständige hat im Anschluss daran ein mündliches Gutachten erstattet.

Den Antrag des Sachverständigen auf Vergütung seiner Tätigkeit (1 1/2 Stunden Zeitaufwand 120,-- DM zuzüglich Fahrtkosten und Parkgebühren) hat die Kammer unter Berufung auf die Entscheidung des Senats vom 18.7.1983 (8 W 509/82 - Die Justiz 1983, 392) zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Sachverständige mit der Beschwerde, mit der er insbesondere geltend macht, spätestens seit der Umwandlung der Psychiatrischen Landeskrankenhäuser in Zentren für Psychiatrie sei die für die Verweigerung einer Sachverständigenentschädigung gegebene Begründung nicht mehr zutreffend (Bl. 49-52 d. A.).

2. Die nach § 16 Abs. 2 ZSEG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weshalb die beantragte Vergütung antragsgemäß festzusetzen war.

a) Die vom Langericht in der angefochtenen Entscheidung in den Vordergrund gestellte Erwägung, dass die Ärzte nach wie vor "Angehörige einer... sonstigen öffentlichen Stelle" iSv § 1 Abs. 3 ZSEG seien, genügt nicht, um damit schon eine Vergütung zu versagen. Entscheidend ist der weitere Satzteil, daß ein Entschädigungsanspruch nach dem "Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen" (ZSEG) dann entfällt, "wenn sie ein Gutachten in Erfüllung ihrer Dienstaufgaben erstatten, vertreten oder erläutern."

Auch wenn die Klinik als Anstalt des öffentlichen Rechts nach wie vor zu den öffentlichen Einrichtungen gehört, die in § 1 Abs. 2 ZSEG angesprochen sind, muß geprüft werden, ob und inwieweit die Sachverständigentätigkeit zu den Dienstaufgaben der dortigen Ärzte gehört. Dies war auch der rechtliche Ansatzpunkt der früheren Senatsentscheidung.

b) In dieser Entscheidung hat der Senat ausgesprochen, dass "zu den Dienstaufgaben der im Unterbringungsverfahren tätigen Ärzte der Psychiatrischen Landeskrankenhäuser mangels ausdrücklicher Regelung neben der Betreuung und Heilung der Untergebrachten die üblicherweise mit dem Vollzug der Unterbringung verbundenen Tätigkeiten" gehören, dass aber hierzu nicht die Aufgabe gehört, "außerhalb der politischen Gemeinde des psychiatrischen Landeskrankenhauses Gerichtstermine wahrzunehmen und dort mündliche Gutachten zu erstatten".

An der Einschränkung, dass die Wahrnehmung von Gerichtsterminen und die dortige Erstattung von Gutachten nur dann eine gesondert zu vergütende Sachverständigentätigkeit darstellt, wenn dies außerhalb der Gemeinde stattfindet, an der sich das psychiatrische Krankenhaus befindet, hält der Senat nicht mehr fest. Diese - aus dem Reisekostenrecht für Rechtsanwälte (§ 28 BRAGO) übernommene - Voraussetzung einer "Reise" erweist sich nach erneuter Prüfung aus heutiger Sicht als nicht mehr tragfähig.

Wie der Beschwerdeführer zurecht geltend macht, trifft der in der angegebenen Senatsentscheidung genannte Grund für die gesonderte Vergütung dieser Gutachtertätigkeit, nämlich dass der Arzt "das Krankenhaus in der Regel für nicht unerhebliche Zeit verlassen muss und daher während dieser Zeit dort für die Betreuung der Kranken nicht zur Verfügung steht", auch dann zu, wenn der Arzt einen Termin im Gericht am Ort des Krankenhauses wahrnimmt. Auch wenn sich Krankenhaus und Gericht in derselben politischen Gemeinde befinden, wie es im vorliegenden Fall gegeben ist, ist die Abwesenheit des Arztes von seinem ständigen Dienstort "erheblich".

Bedeutsam ist jedoch, dass sich seit jener Senatsentscheidung die Rechtslage in beachtlicher Weise weiter entwickelt hat. so dass heute andere normative Rahmenbedingungen gegeben sind. Zum einen hat das baden-württembergische "Gesetz zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie (EZPsychG)" vom 3.7.1995 (GBl. S. 510) die früheren Psychiatrischen Landeskrankenhäuser organisatorisch und wirtschaftlich verselbständigt und damit auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt, wie der Beschwerdeführer ebenfalls zutreffend geltend macht. Zwar nimmt jedes "Zentrum für Psychiatrie" nach § 2 Abs. 3 EZPsychG "als anerkannte Einrichtung Aufgaben im Sinne des Gesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker wahr", weshalb diese Aufgabe auch in § 2 Nr. 1.5 der Satzung des Zentrums für Psychiatrie (mit Zustimmung des Sozialministeriums vom 28.11.1996) entsprechende Erwähnung gefunden hat.

Obwohl die Aufgaben der psychiatrischen Zentren und des dort beschäftigten ärztlichen Personals sowohl im Errichtungsgesetz als auch in der genannten Satzung näher umschrieben sind, ergibt sich daraus kein weiterer Hinweis, dass die Wahrnehmung von Gerichtsterminen und Erstattung von ärztlichen Gutachten zu den Dienstaufgaben der Ärzte gehört. Wie der leitende Chefarzt der Klinik auf ausdrückliche Anfrage mitgeteilt hat, bestehen weder Dienstvereinbarungen noch andere schriftlich niedergelegte allgemeine Regelungen über die Dienstpflichten des ärztlichen Personals, die einen Ansatzpunkt für die Annahme geben könnten, die Sachverständigentätigkeit außerhalb des normalen Dienstbetriebs gehöre zu den Dienstpflichten des Arztes. Solange nicht eine ausdrückliche Norm, mindestens eine vom Sozialministerium als oberste Gesundheitsbehörde des Landes erlassene oder genehmigte Verwaltungsvorschrift besteht, die die Sachverständigentätigkeit der Ärzte außerhalb der Klinik zu ihren Dienstpflichten erklärt (vgl. § 12 Abs. 1 des Landesgesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst vom 12.12.1994 (mit späteren Änderungen)), ist somit davon auszugehen, dass diese Tätigkeiten von der Gerichtskasse nach den Bestimmungen des ZSEG zu vergüten sind.

Somit ist der - bereits von der genannten Senatsentscheidung eingeschlagene Weg für die Vergütung von Sachverständigentätigkeit an anderen Orten als dem Ort der Klinik weiter zu gehen mit dem Ergebnis, dass alle außerhalb der Klinik ausgeführten Sachverständigentätigkeiten nicht zu den Dienstaufgaben der Ärzte gehören und deshalb nach ZSEG zu entschädigen sind.

Das Beschwerdeverfahren ist nach § 16 Abs. 5 ZSEG gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

Zurück