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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 21.01.2005
Aktenzeichen: 8 W 488/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 47 S. 2
Wird eine zur Fristwahrung eingelegte Beschwerde nicht innerhalb angemessener Frist, die durch eine vom Gericht gesetzte Frist konkretisiert wird, begründet, ist die Anordnung der Erstattung der durch den nach Ablauf der Begründungsfrist eingereichten Schriftsatz des Beschwerdegegners entstehenden außergerichtlichen Kosten nach Beschwerderücknahme angemessen.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 488/04

vom 21. Januar 2005

In dem Wohnungseigentumsverfahren

wegen sofortiger weiterer Beschwerde gegen die Kostenentscheidung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Bräuning, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz und des Richters am Oberlandesgericht Rast

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten 1 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 10.12.2004 wird folgt abgeändert:

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten 1 tragen die Beschwerdeführer als Gesamtschuldner. Im übrigen werden außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.

2. Die Beteiligten 3 und 4 tragen als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Wert der weiteren Beschwerde: bis 900,00 €

Gründe:

I.

Die Beteiligten 3 und 4 hatten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 20.7.2004 sowohl über ihren alten Verfahrenbevollmächtigten mit einer vorläufigen Begründung als auch durch ihren neuen Verfahrensbevollmächtigten ohne Begründung jeweils nur zur Fristwahrung sofortige Beschwerde einlegen lassen. Auf den Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 26.9.2004 bat das Beschwerdegericht um Mitteilung, ob die Beschwerde durchgeführt wird und gegebenenfalls um eine abschließende Begründung bis zum 15.10.2004. Am 20.10.2004 ging bei Gericht der Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 19.10.2004 mit der Erklärung der Rücknahme der sofortigen Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 10.12.2002 erlegte das Beschwerdegericht den Beschwerdeführern die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens auf und bestimmte, dass außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, von einer Kostenerstattung außergerichtlicher Kosten sei hier ausnahmsweise abzusehen, weil die Einlegung der sofortigen Beschwerde durch beide Verfahrensbevollmächtigte jeweils nur zur Fristwahrung erfolgt sei.

Dagegen wendet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten 1 mit dem Begehren, den Antragsgegnern auch seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Die Antragsgegner sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten.

II.

1.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt.

Gegen die isolierte Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts findet in Wohnungseigentumssachen die sofortige weitere Beschwerde statt, wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache die sofortige weitere Beschwerde zulässig wäre und der Wert des Beschwerdegegenstands 100,-- € übersteigt (§§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG, 29 Abs. 2 und Abs. 4, 27, 20a Abs. 2 FGG). Das ist hier der Fall.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist in der Sache begründet.

Nach der Zurücknahme der sofortigen Beschwerde hatte das Landgericht gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts nach § 47 Satz 2 WEG nur noch eingeschränkt, nämlich auf Rechtsfehler zu überprüfen. Die Kostenentscheidung kann deshalb nur abgeändert werden, wenn der Tatrichter die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, insbesondere wenn er wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (Bärmann / Pick / Merle WEG 9. Aufl., § 47 RN 56).

Das Landgericht hat hier einen wesentlichen Gesichtspunkt außer Acht gelassen, der das Absehen von einer Kostenerstattung außergerichtlicher Kosten des Beteiligten 1 als ermessensfehlerhaft erscheinen lässt.

Das Landgericht geht zu Recht von dem auch in Wohnungseigentumsverfahren geltenden Grundsatz aus, dass es nach der Rücknahme eines Rechtsmittels grundsätzlich der Billigkeit entspricht, den Beschwerdeführern die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (Senat Die Justiz 1983, 123; BayObLG ZMR 2000, 396; WE 1997, 75; zum Streitstand vgl. auch Weitnauer WEG 9. Aufl., § 47 RN 7 und Bärmann / Pick / Merle a.a.O. § 47 ff.). Zu Recht ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen sein kann, wenn ein Rechtsmittel lediglich zur Fristwahrung eingelegt wurde (BayObLG a.a.O.; NZM 2000, 1025; BayObLGR 1996, 26; Bärmann / Pick / Merle a.a.O. RN 51). Das Beschwerdegericht hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass diese Begünstigung eines Rechtsmittelführers nur dann gerechtfertigt ist und gewährt wird, wenn das Rechtsmittel innerhalb der gesetzten Begründungsfrist oder, wenn eine solche Frist fehlt, innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Einlegung der Beschwerde zurückgenommen wird (vgl. BayObLG WuM 2003, 115 = ZMR 2003, 220; WE 1997, 75; BayObLG Beschluss vom 21.1.2000, AZ: 2 Z Br 158/99; BGH NJW-RR 1995, 125 für das Landwirtschaftsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Zwar sieht das FGG für die Begründung der Beschwerde keine gesonderte Frist vor, so dass eine Rücknahme der zur Fristwahrung eingelegten Beschwerde zur Vermeidung der Kostenlast auch bezüglich der außergerichtlichen Kosten innerhalb angemessener Zeit erfolgen muss (BayObLG WuM 2003, 115 = ZMR 2003, 220). Hier wurde die angemessene Frist zur Erklärung der Rücknahme der Beschwerde durch die Fristsetzung des Landgerichts auf den 15.10.2004 konkretisiert. Mit Ablauf der gesetzten Begründungsfrist ohne eine weitere Äußerung zur Beschwerde durften die Antragsteller als Beschwerdegegner davon ausgehen, dass die Beschwerde durchgeführt wird, und sich zur Wahrung ihrer Interessen am Verfahren beteiligen (vgl. zu § 91 ZPO: BGH NJW 2003, 756; 2992). Dies ist vor Beschwerderücknahme durch den Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller vom 18.10.2004 geschehen, mit dem um einen Fortgang des Verfahrens gebeten wurde.

Jedenfalls wenn die angemessene Frist zur Rücknahme nach einer zur Fristwahrung eingelegten Beschwerde abgelaufen war und sich der Beschwerdegegner vor der Rücknahme der Beschwerde nach Ablauf dieser Frist wie hier am Beschwerdeverfahren beteiligt hat, entspricht es billigem Ermessen, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens durch die Beschwerdeführer anzuordnen.

Nachdem allein der Antragsteller 1 die weitere Beschwerde eingelegt hat, ist der Beschluss des Landgerichts vom 10.12.2004 bezüglich des Antragstellers 2 rechtskräftig. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten konnte deshalb auf weitere Beschwerde des Antragstellers 1 allein zu seinen Gunsten angeordnet werden.

3.

Nachdem die weitere Beschwerde des Antragstellers 1 erfolgreich war, haben die Beteiligten 3 und 4 als Gegner der weiteren Beschwerde die Gerichtskosten zu tragen (§ 47 Satz 1 WEG). Nachdem die Frage der Kostenerstattung außergerichtlicher Kosten nach einer Rechtsmittelrücknahme gemäß § 47 Satz 2 WEG umstritten ist und für das Verfahren nach dem WEG bezüglich der Ausnahmefälle bisher nur begrenzt Entscheidungen ergangen sind, entspricht es der Billigkeit, für das Verfahren der weiteren Beschwerde eine Kostenerstattung nicht anzuordnen.

Dem Geschäftswert gemäß § 48 Abs.3 Satz 1 WEG waren die Anwaltskosten des Antragstellers 1 im zweiten Rechtszug zugrunde zulegen. Nach dem auf das Beschwerdeverfahren anzuwendenden RVG (§ 61 Abs. 1 Satz 2 RVG) errechnet sich der Geschäftswert auf der Grundlage eines Streitwerts von 25.000,-- € gemäß Nr. 3201, 7002 KV / RVG einschließlich 16 % Mehrwertsteuer auf bis zu 900,-- €.

Ende der Entscheidung

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