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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 09.02.2001
Aktenzeichen: 8 W 54/98
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1
WEG § 21 Abs. 1
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
1. Ein unangefochten gebliebener und bisher als bestandskräftig angesehener Eigentümerbeschluss, der die Gemeinschaftsordnung geändert hat (hier: Abstimmungsverfahren über bauliche Änderungen - sog. Zitterbeschluss), kann jedenfalls durch einfachen Mehrheitsbeschluss wieder aufgehoben werden (wie OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.5.2000 - 11 Wx 96/99 - OLGR 2000, 350).

2. Das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Gültigkeit des Zweibeschlusses hat Vorrang vor einem Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des Erstbeschlusses.


Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 54/98 2 T 718/97 LG Stuttgart 1 GR I 180 /97 AG Waiblingen

vom 9. Februar 2001

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage ...

wegen Gültigkeit von Eigentümerbeschlüssen

Gründe:

I.

1. Die Antragsteller erstreben die Feststellung, dass ein die Teilungserklärung abändernder, bestandskräftig gewordener Mehrheitsbeschluss über die Zuständigkeit zur Beschlussfassung über bestimmte bauliche Änderungen, nämlich die Gestaltung der Fenster, in einer Mehrhaus-Wohnanlage wirksam aufgehoben ist.

a) Die 1988 errichtete Teilungserklärung (TE) für die aus ca. 170 Wohn- und Gewerbeeinheiten in 8 Einzelgebäuden (zuzüglich Abstellplätzen in Tiefgaragen) bestehende Wohnungseigentumsanlage bestimmt in § 5:

" 2. Bauliche Veränderungen

Bauliche Veränderungen, auch soweit sie an Sondereigentum vorgenommen werden, bedürfen, sofern sie eine Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums oder auch nur eine optische Beeinträchtigung bewirken, der Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer. Das gilt insbesondere auch für den Außenanstrich des Gebäudes, der Fenster und Schaufenster, der Geländer sowie der Balkone und die Farbe der Außenseite der Wohnungseingangstüren, deren Farb- und Formgebung einheitlich bleiben muß ..."

Die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums obliegt hinsichtlich der einzelnen Gebäude den jeweiligen Eigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile; für jedes Gebäude besteht eine gesonderte Instandhaltungsrücklage. Bezüglich des Stimmrechts besagt die Teilungserklärung in § 8.

Über Angelegenheiten, die die gemeinschaftliche Heizzentrale und die gemeinschaftlich genutzten Außenanlagen betreffen, haben die Sondereigentümer aller 8 Gebäude ... Stimmrecht. Über Angelegenheiten, die die einzelnen Gebäude betreffen, haben die Sondereigentümer dieser Gebäude ... Alleinstimmrecht. In beiden Fällen gehört zu jedem Sondereigentumsrecht eine Stimme. ..."

Eine sog. Öffnungsklausel für eine erleichterte Änderung der Gemeinschaftsordnung enthält die Teilungserklärung nur für einzelne Bereiche.

b) Auf der Eigentümerversammlung 1994 ist unter TOP 5 "Bauliche Änderungen" von den Eigentümern der ganzen Wohnanlage unter a) ein Beschluss über das "Grundsatzverfahren" mit absoluter Stimmenmehrheit (Ja: 117; Nein 7; Enthaltungen: 3) gefasst worden (im folgenden: Erstbeschluss).

"Die Wohnungseigentümer eines einzelnen Gebäudes erhalten das Recht, über Fensterveränderungen des jeweiligen Gebäudes ... zu entscheiden. Zur Vorbereitung des Beschlusses wird dem Beirat eine Skizze vorgelegt, aus der die Veränderungen ersichtlich sind."

Dieser Beschluss ist sofort in der Weise umgesetzt worden, dass unter TOP 5 b - 5 f die Eigentümer einzelner Gebäude jeweils über mehrere geplante oder bereits vollzogene Fensteränderungen abgestimmt und diese überwiegend mehrheitlich genehmigt, teilweise aber auch abgelehnt haben. Weder der Grundsatzbeschluss noch die nachfolgenden Beschlüsse sind angefochten worden.

c) Auf der Tagesordnung zur Eigentümerversammlung 1997 war unter TOP 6 "Bauliche Änderungen" unter Punkt d) aufgeführt: "Aufhebung des Beschlusses von 1994, wonach jedes Gebäude ermächtigt ist, über bauliche Änderungen bei Fenstern zu entscheiden. Begründet wurde dies mit dem Anliegen, die fortschreitende Uneinheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbilds der Wohnanlage nicht länger zu fördern. Das Protokoll der Versammlung enthält vor der Abstimmung zunächst die Feststellung des Verwalters, dass für eine wirksame Beschlussfassung eine Mehrheit von 87 Ja-Stimmen erforderlich sei, da es sich "um eine bauliche Änderung handelt".

Die Abstimmung über den Antrag "Der Beschluss von 1994, wonach jedes Gebäude über die Änderung von Fensteraufteilungen entscheiden darf, wird aufgehoben." führte zu folgendem Ergebnis: "abgelehnt bei 59 Ja-Stimmen, 96 Nein-Stimmen und 27 Enthaltungen" (im folgenden: Zweitbeschluss).

2. Noch vor Ablauf der 1-monatigen Anfechtungsfrist haben die Antragsteller beim Amtsgericht die Feststellung beantragt, dass der (Zweit-)Beschluss als Mehrheitsbeschluss wirksam sei und die Aufhebung des Erstbeschlusses bewirkt habe; dieser Antrag habe keine bauliche Änderung zum Gegenstand gehabt, sondern nur eine Frage der allgemeinen Beschlussfassung, nämlich Aufhebung des "Blockstimmrechts". Die Verwalterin hat für die übrigen Wohnungseigentümer geltend gemacht, ein mit der Mehrheit aller Wohnungseigentümer gefasster Beschluss könne auch nur mit dieser qualifizierten Mehrheit wieder aufgehoben werden.

a) Das Amtsgericht hat diesen Feststellungsantrag für zulässig, aber unbegründet erachtet. Es hat ausgeführt, ein Nichtigkeitsgrund liege nicht vor; der Erstbeschluss enthalte eine durch Nichtanfechtung in Bestandskraft erwachsene Änderung der Teilungserklärung, die als vereinbarungsersetzender Beschluss deren rechtliches Schicksal teile und diese nicht nur überlagere; sie könne somit nur durch eine Vereinbarung aufgehoben oder abgeändert werden.

b) Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde, mit der die Antragsteller ihre Auffassung von der Wirksamkeit des einfachen Mehrheitsbeschlusses weiter verfolgt haben, als unbegründet zurückgewiesen. Es teilt die Ansicht von der Bestandskraft des Erstbeschlusses und legt dar, dass ein einfacher Mehrheitsbeschluss als Zweitbeschluss jedenfalls nicht ausreiche, jenen Beschluss wieder aufzuheben, und die von § 5 Nr. 2 TE vorgesehene qualifizierte Mehrheit nicht erreicht sei; eine Aufhebung des Erstbeschlusses mit einfacher Mehrheit sei mit den Anforderungen des Vertrauensschutzes der übrigen Wohnungseigentümer nicht vereinbar.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihre Rechtsansicht weiter. Sie führt unter Aufhebung der Vorentscheidungen zur Feststellung, dass der Zweitbeschluss den Erstbeschluss wirksam aufgehoben hat.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteiler ist als Rechtsbeschwerde statthaft und auch im übrigen zulässig (§§ 45 Abs. 1 S.1, 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG).

2. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist im Ergebnis begründet. Die Entscheidung des Landgerichts und die von diesem im wesentlichen bestätigte Entscheidung des Amtsgerichts halten - zumal vor dem Hintergrund der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung - der rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Zutreffend haben die Vorinstanzen zu Grunde gelegt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag zur Klärung des Streits unter den Wohnungseigentümern, ob eine Abstimmung zu einem Beschluss geführt hat oder nicht, gegeben ist. Es kann nicht mit der Begründung verneint werden, aus der Niederschrift ergebe sich bereits, dass nur ein sog. Nicht-Beschluss vorliegt. Eine Meinungsverschiedenheit unter Eigentümern darüber, ob eine konkrete Beschlussfassung nur eine einfache oder eine qualifizierte Mehrheit erfordert und ob ein bestimmtes Abstimmungsergebnis zu einem wirksamen Beschluss oder zu einem Nicht-Beschluss geführt hat, kann durch einen Feststellungsantrag der notwendigen gerichtlichen Klärung zugeführt werden, wenn ein Anfechtungsantrag mangels Protokollierung eines positiven Beschlusses ausscheidet (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG; vgl. zB OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 86, 87 = OLGZ 1992, 437; OLG Hamm OLGZ 1990, 180 183; Bärmann I Pick I Merle, WEG 8. Aufl., Rn 140 zu § 23, Rn 67 ff, 71 zu § 43; Weitnauer / Lüke, WEG 8. Aufl., Rn 17 zu § 23 ; Staudinger / Bub (BGB 12. Bearb., 1997) Rn 158 zu § 23 WEG; Staudinger / Wenzel, aaO, Rn 60, 66 vor, Rn 36 f zu § 43 WEG). Die unterschiedlich beantwortete Frage, ob ein solcher Antrag innerhalb der 1-monatigen Frist des § 23 Abs. 4 WEG gestellt werden muss, kann dahingestellt bleiben, da hier diese Anfechtungsfrist gewahrt ist.

b) Der Erfolg der Rechtsbeschwerde ergibt sich daraus, dass der auf der Eigentümerversammlung vom 9. 6. 1997 gefasste Zweitbeschluss über die Aufhebung des Erstbeschlusses von 1994 entgegen der Ansicht des Landgerichts und des Amtsgerichts als wirksam anzusehen ist. Ob der Erstbeschluss unter Zugrundelegung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sog. "Zitterbeschluss" (Beschl. vom 20. 9. 2000 - V ZB 58/99 - NJW 2000, 3500 = MDR 2000, 1367 m. Anm. Riecke = NZM 2000, 1184 = ZMR 2000, 771 = WE 2001, 4) nichtig ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

aa) Wie beide Vorinstanzen im Ansatz zutreffend zugrundegelegt haben, handelt es sich bei dem auf der Eigentümerversammlung vom 4. 7. 1994 unter TOP 5 a) gefassten Erstbeschluss nicht um einen Beschluss über "bauliche Änderungen", sondern um einen Beschluss, der die in der Teilungserklärung unter § 5 Abs. 2 enthaltene Regelung über die Behandlung bestimmter baulicher Änderungen unter Eingriff in die Komptenzzuweisung der Teilungserklärung (§ 8 TE) abändert.

Da die vorliegende Teilungserklärung nur einzelne ausdrückliche Regelungen über ihre Änderung durch Mehrheitsbeschluss enthält, aber keine allgemeine Ermächtigung der Eigentümerversammlung zur Abänderung der Gemeinschaftsordnung (vgl. BGHZ 95, 137,140 = NJW 1985, 2832), wäre zu einer derartigen Abänderung der Zuständigkeiten eine Vereinbarung aller Miteigentümer nach § 10 Abs. 2 WEG notwendig gewesen (BGHZ 54, 65 = NJW 1970, 1316; BGHZ 130, 304 = NJW 1995, 2791 = FGPrax 1995, 194; Weitnauer I Lüke Rn 49; Staudinger I Kreuzer, aaO, Rn 63, 77, je zu § 10 WEG). Im Falle einer rechtzeitigen Anfechtung hätte ein solcher Erstbeschluss nach § 23 Abs. 4 WEG für ungültig erklärt werden müssen, weil die erforderliche Mitwirkung aller Miteigentümer nicht gegeben war.

bb) Ob der bestandskräftige Erstbeschluss angesichts des Beschlusses des BGH vom 20. 9. 2000 (aaO) nunmehr als nichtig zu qualifizieren wäre, kann offen bleiben.

Für einen Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit eines Zweitbeschlusses entfällt nicht deshalb das Feststellungsinteresse, weil auch die Feststellung, der Nichtigkeit des Erstbeschlusses - mit der Folge, dass der Zweitbeschluss von vornherein gegenstandslos ist - möglich wäre. Vielmehr hat nach Ansicht des Senats das Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit eines (vereinbarungsändernden) Erstbeschlusses regelmäßig hinter dem Interesse an der Feststellung der Gültigkeit eines Zweitbeschlusses zurückzutreten; wenn bereits damit die Rückkehr zur (aus dem Grundbuch ersichtlichen) Teilungsvereinbarung/Teilungserklärung bewirkt wird: Der Beseitigung einer "an sich" rechtswidrigen, aber äußerlich bestandskräftigen Beschlusslage für die Zukunft durch erneute Beschlussfassung ist der Vorzug zu geben gegenüber denn Ausspruch von Nichtigkeit, die wegen ihrer Rückwirkung in Gemeinschaftsverhältnissen zu schwer zu lösenden Rückabwicklungskomplikationen führen kann. Deshalb hat der Senat auch keinen Anlass gesehen, etwa auf eine Antragsänderung hinzuwirken.

Ob sich darüber hinaus für Wohnungseigentümer aus ihrem Gemeinschaftsverhältnis sogar die Verpflichtung ergeben könnte, nur das mildere Mittel einer Aufhebung für die Zukunft zu wählen und gerichtlich geltend zu machen, bedarf angesichts der Tatsache, dass die Antragsteller von Anfang an nur die Feststellung der Wirksamkeit dieses Zweitbeschlusses begehrt haben und trotz der neuen BGH-Rechtsprechung dabei geblieben sind, keiner weiteren Prüfung.

Damit kann auch dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der vorliegende Erstbeschluss von der BGH-Entscheidung erfasst würde und inwieweit die Ausführungen zur Nichtigkeit von vereinbarungsändernden Mehrheitsbeschlüssen für den vorliegenden Sachverhalt als bindend - und eine Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG begründend - oder nur als ein "obiter dictum" (vgl. Gottschalg NZM 2000, 648) anzusehen sind.

cc) Über die Voraussetzungen, unter denen ein unangefochten gebliebener vereinbarungsersetzender Mehrheitsbeschluss durch erneuten Beschluss wirksam geändert oder aufgehoben werden kann, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Dabei ist es inzwischen allgemeine Meinung, dass grundsätzlich ein Mehrheitsbeschluss trotz seiner Unanfechtbarkeit durch einen gleichartigen Mehrheitsbeschluss - wieder aufgehoben oder abgeändert werden kann - mit der Einschränkung, dass der Zweitbeschluss nicht in eine durch den Erstbeschluss begründete, schutzwürdige Rechtsstellung eines (überstimmten) Miteigentümers eingreifen darf (BGHZ 113, 197; vgl. auch BayObLGZ 1985, 57; BayObLG WE 1992, 233; KG MDR 1994, 1206 NJW-RR 1994,1358 = WuM 1994, 561 = ZMR 1995, 44; Senat ZMR 1990, 69 = WE 1990, 106; Bärmann/Pick/Merle, Rn 48; Weitnauer/Lüke Rn 4, 31; Staudinger/Bub Rn 16, je zu § 23 WEG).

Die - vom Amtsgericht vertretene - Ansicht, die bestandskräftig mit Mehrheit beschlossene Änderung der Teilungserklärung teile deren Rechtsqualität und habe nun ebenfalls Vereinbarungscharakter, hat zur Folge, dass diese Regelung nur unter Mitwirkung aller Miteigentümer - oder durch erneuten "Zitterbeschluss" - wieder aufgehoben oder erneut abgeändert werden kann (so zB BayObLGZ 1996, 256 = MDR 1997, 136 = FGPrax 1997, 19 = WuM 1997, 57 = WE 1997, 266; WE 1997, 475).

Eine andere - vom Landgericht geteilte - Ansicht lässt es genügen, dass für die Aufhebung oder Abänderung des Erstbeschlusses jedenfalls dessen Mehrheitserfordernisse erreicht sein müssen, woraus hier zu folgern wäre, dass wieder die absolute Mehrheit aller Eigentümer für "bauliche Änderungen" zu fordern ist, wie es auch der Verwalter vertreten hat.

Eine dritte Ansicht lässt dagegen jeden ordnungsgemäß zustande gekommenen einfachen Mehrheitsbeschluss als Zweitbeschluss genügen, um einen vereinbarungsersetzenden oder vereinbarungsändernden Erstbeschluss wieder aufzuheben, und zwar selbst dann, wenn der Erstbeschluss mit qualifizierter Mehrheit oder gar "einstimmig" gefasst wurde. Es sei Ausfluss ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG), wenn zur ursprünglichen Vereinbarung zurückgekehrt werde, und die Rechtssicherheit verlange nur die Bestandskraft für die Vergangenheit, nicht aber die Weiterwirkung solcher Vereinbarungsänderungen in die Zukunft (deutlich OLG Karlsruhe (23. 5. 2000 - bzgl. Kostenverteilung) OLGR 2000, 395 = NZM 2000, 970; WE 1998, 500 (501); ähnlich KG FGPrax 1998, 137 = ZMR 1998, 515 = WuM 1998, 433 = ZflR 1998, 423 = WE 1998, 468; FGPrax 1966, 214 =WuM 1996, 647 = WE 1996, 390; ebenso zB Staudinger/Kreuzer, aaO, Rn. 60 zu § 10 WEG; Röll in MünchKommBGB, 3. Aufl., Rn 23 zu § 23 WEG; Palandt/Bassenge, 60. Aufl., Rn 19 zu § 10 WEG).

Der Senat schließt sich vor dem Hintergrund der neueren BGH-Rechtsprechung der letztgenannten Ansicht an, dass ein einfacher Mehrheitsbeschluss als Zweitbeschluss ausreicht, den zunächst anfechtbaren, dann aber formal bestandskräftig gewordenen vereinbarungsändernden Erstbeschluss für die Zukunft wieder aufzuheben. Die Bestimmung der Teilungserklärung in § 5 Nr. 2, wonach Beschlüsse über bauliche Änderungen der Mehrheit aller Eigentümer bedürfen, steht - entgegen der Annahme des Verwalters und des Landgerichts - einer wirksamen Beschlussfassung nicht entgegen, denn wiederum geht es nicht um die Genehmigung einer einzelnen baulichen Änderung, sonder um die Wiederherstellung der ursprünglich vereinbarten Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Beschlussgremien.

Die leichtere Rückkehr zur ursprünglichen Teilungsvereinbarung sichert einerseits, dass die zwischenzeitlich im Vertrauen auf die Bestandskraft des Erstbeschlusses durchgeführten Maßnahmen ihre rechtliche Grundlage - ohne Rückgriff auf § 242 BGB - behalten und die problematische Rechtsfolge einer rückwirkenden Nichtigkeit des Erstbeschlusses vermieden wird. Andererseits wird damit dem Vereinbarungscharakter der Gemeinschaftsordnung und dem vom BGH herausgestellten "Vertragsprinzip" in stärkerem Maße Rechnung getragen. Unter Wahrung des - auch vom Landgericht hervorgehobenen - Vertrauensschutzes stellt dies eine Möglichkeit dar, dem vom BGH beanstandeten "ausufernden Gebrauch" von "Zitterbeschlüssen" mit einer auf die Zukunft begrenzten Rechtswirkung entgegenzuwirken.

dd) Anlass zur Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG sieht der Senat trotz seines Abweichens von BayObLGZ 1996, 256 (ua) nicht, weniger deshalb, weil auch das OLG Karlsruhe (aaO) nicht vorgelegt hat, sondern weil der BGH-Beschluss vom 20. 9. 2000 insoweit neue Beurteilungsmaßstäbe gesetzt und der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts die Grundlage entzogen hat.

c) Somit war dem - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren aufrecht erhaltenen - Antrag der Antragsteller auf Feststellung der Gültigkeit des Zweitbeschlusses voran 9. 6. 1997 unter gleichzeitiger Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen stattzugeben. Da es weiterer tatsächlicher Feststellungen für die Entscheidung der anstehenden Rechtsfragen nicht bedurfte, konnte der Senat abschließend entscheiden. Anhaltspunkte für einen Eingriff in geschützte Rechtspositionen von Miteigentümern durch den Zweitbeschluss sind nicht ersichtlich.

d) Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Dabei hat es der Senat als billig angesehen, die (vergleichsweise geringen) Gerichtskosten aller 3 Instanzen nach allgemeinen Regeln den übrigen Eigentümern als letztlich Unterlegenen aufzuerlegen. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten entsprach dagegen die Anwendung der allgemeinen Regel, dass eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht erfolgt, hier nicht der Billigkeit; vielmehr ist den beiden Antragstellern jedenfalls die Hälfte ihrer in 3 Instanzen angefallenen Anwaltskosten zu erstatten, nachdem sie in einer Großanlage für Klärung eines grundsätzlichen Streits gesorgt haben; die volle Erstattung der außergerichtlichen Kosten kam jedoch im Hinblick auf die allgemeine Risikoverteilung in WEG-Verfahren nicht in Betracht.

Hinsichtlich des Beschwerdewerts (§ 48 WEG) folgt der Senat der Bewertung durch die Vorinstanzen.

Ende der Entscheidung

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