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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 04.10.2000
Aktenzeichen: 8 W 590/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1804
BGB § 1821
BGB § 1908
Zur Genehmigung eines Hofübergabe-Vertrags durch das Vormundschaftsgericht im Falle der Betreuung des Übergebers.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

vom 4. Oktober 2000

Geschäftsnummer: 8 W 590/99 2 T 208/99 LG Ravensburg III GRN Nr. 253 + III GRN Nr. 408/98 Not. Wangen - VormundschG

In der Betreuungssache

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Foth,

des Richters am Oberlandesgericht Dr. Müller-Gugenberger

und des Richters am Oberlandesgericht Grüßhaber

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde der Betreuten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 30.9.1999 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Aus den Gründen:

I.

1. Die Betreute ist infolge von zwei Schlaganfällen im Jahre 1994 und im Juli 1997 ein Schwerstpflegefall. Sie ist nahezu völlig gelähmt und wird über eine Magensonde ernährt. Eine sichere Ja/Nein-Kommunikation mit ihr ist nicht möglich. Die Pflege erfolgt durch den Ehemann der Betreuten sowie eine Tochter der Betreuten und eine zu diesem Zweck angestellte Pflegekraft.

Die Betreute lebt mit ihrem Ehemann im Güterstand der Gütergemeinschaft. Ihr Vermögen besteht im wesentlichen aus ihrem hälftigen Anteil an dem ihr und dem Ehemann gehörenden landwirtschaftlichen Anwesen mit einem Gesamtwert von ca. 2.000.000,-- DM. Außerdem besteht ein ebenfalls der Betreuten und ihrem Ehemann zustehendes Bankguthaben.

Als laufende monatliche Einkünfte hat der Ehemann in den Tatsacheninstanzen neben Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von 1.300,-- DM eine von ihm und der Betreuten gemeinsam bezogene Rente in etwa gleicher Höhe mitgeteilt. Den überschießenden Bedarf an monatlichen Pflegekosten einschließlich Medikamenten hat der Ehemann bislang aus eigenen Mitteln aufgebracht.

Die Betreute und ihr Ehemann haben insgesamt 6 Kinder. Das landwirtschaftliche Anwesen ist aufgrund eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags mit Wirkung ab 1.5.1993 an den gemeinsamen Sohn J. übergeben worden, der als Gegenleistung den Eltern freie Wohnung und Naturalunterhalt gewährt sowie eine monatliche Zahlung von 300,-- DM leistet.

Mit Erbvertrag von 1993 haben die Betreute und ihr Ehemann sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt sowie den Sohn J. als Schlusserben, wobei der Überlebende die letztgenannte Verfügung noch ändern kann.

2. a) 1998 haben der Ehemann und der Sohn J. die Einrichtung einer Betreuung für die Ehefrau/Mutter zwecks Abschluss eines Hofübergabevertrags zwischen den Eltern und dem Sohn J. beantragt.

Mit Beschluss des Notariats... wurde Betreuung angeordnet mit den Wirkungskreisen: Besorgung der Vermögensangelegenheiten einschließlich Grundstücksangelegenheiten; Renten- und Pflegegeldsachen etc.; Entscheidungen im Bereich der ärztlichen Behandlung einschließlich stationärer Behandlung und Vornahme von Operationen; Sicherstellung der pflegerischen Versorgung der Betreuten einschließlich des Abschlusses, der Kündigung und Aufhebung von Pflegeverträgen; Entgegennahme und Erledigung der an die Betroffene gerichteten Post. Zum Betreuer wurde der Ehemann bestellt.

b) Der Betreuer hat dem Vormundschaftsgericht den Entwurf eines notariellen Hofüberlassungsvertrags zwischen ihm und der Betreuten einerseits und dem Sohn J. andererseits zur Genehmigung vorgelegt. Mit der Hofübergabe sollen u. a. auch Investitionen des Sohnes J. seit der Wirtschaftsüberlassung in Höhe von ca. 600.000,-- DM abgegolten werden. Als Gegenleistungen des Sohnes, der den Hof einschließlich Campingbetrieb im Nebenerwerb bewirtschaftet, sind neben der bereits durch den Wirtschaftsüberlassungsvertrag erfolgten Übernahme sämtlicher Verbindlichkeiten weiterhin die Gewährung freier Wohnung, Naturalverpflegung, einer monatlichen Zahlung von 300,-- DM sowie umfassende Versorgung und Pflege des Vaters - außer bei Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim oder bei Pflegebedürftigkeit im Umfang von mehr als Pflegestufe 1 der Pflegeversicherung vorgesehen. Die Versorgung und Pflege der Betreuten ist dahingehend eingeschränkt, dass sie zuhause von ihrer Tochter E., einer eigens angestellten Pflegekraft sowie vom Ehemann versorgt und gepflegt wird und der Übernehmer und die anderen Kinder sich zeitweise an der Pflege beteiligen. Die nicht von der Pflegeversicherung gedeckten Pflegekosten sollen die Übergeber aus eigenen Mitteln tragen. Außerdem verpflichtet sich der Übernehmer, an seine fünf Geschwister näher bestimmte Geldbeträge zu zahlen, teilweise unter dem Vorbehalt, dass der Ehemann und der Übernehmer verlangen können, dass damit ungedeckte Pflegekosten für die Betreute in näher bestimmtere Höhe bestritten werden. Der Ehemann hat mitgeteilt, dass auch die übrigen Kinder mit dieser Regelung einverstanden seien.

Das Notariat Wangen hat die Genehmigung eines Hofübergabevertrags entsprechend diesem Entwurf abgelehnt.

c) Das Landgericht hat die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde der Betreuten mit dem eingangs näher bezeichneten Beschluss zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, eine Genehmigung gem. §§ 1821 I Nr. 1, 1908 BGB sei vom Vormundschaftsgericht zurecht versagt worden, denn die Hofübergabe gehe auch unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Investitionen des Übernehmers über eine angemessene Ausstattung nach den Verhältnissen der Betreuten hinaus und entspreche bezüglich der teilweisen Schenkung auch unter Berücksichtigung der immateriellen Interessen der Betreuten im gegebenen Fall nicht deren Willen. Es sei hierbei insbesondere im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob die finanzielle Versorgung der Betreuten ausreichend gesichert sei. Insoweit müsse festgestellt werden, dass trotz der bislang zuhause erfolgten Pflege der Betreuten sich deren Bedürfnisse seit Eintritt ihres hohen Pflegebedarfs verändert hätten. Bei Ausführung der Hofübergabe würde sich die Betreute nicht mehr selbst unterhalten können. Ihre laufenden Ausgaben überstiegen ihre Einnahmen und ihre finanzielle Situation sei nicht abgesichert. Es bleibe offen, inwieweit der Ehemann den finanziellen Bedarf der Betreuten absichern könne. Auch der von den Abfindungszahlungen an die übrigen Kinder zunächst einbehaltene Betrag decke die finanziellen Risiken nicht in ausreichendem Umfang ab. Damit würden die finanziellen Interessen der Betreuten erheblich gefährdet. Nach Weggabe ihres beträchtlich werthaltigen Hofanteils wäre sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts sofort auf die Unterstützung durch ihre Familie oder Dritte angewiesen. Deshalb sei auch keine sittliche oder moralische Verpflichtung zum Abschluss des Hofübergabevertrags festzustellen.

d) Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtet sich die weitere Beschwerde der Betreuten. Sie bringt vor, das Landgericht habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, denn über die von ihm zugrunde gelegten laufenden Einkünfte hinaus bestünden weitere verfügbare laufende Einkünfte (ist näher ausgeführt). Im übrigen habe sich das Landgericht bei seiner Beurteilung zu Unrecht über den übereinstimmenden Willen sowohl der Betreuten selbst als auch der ganzen Familie hinweg gesetzt. Hilfsweise sei ein Hofübergabevertrag zumindest mit der nunmehr angebotenen Alternative vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen, dass von den Abfindungsleistungen zugunsten der fünf Geschwister jeweils 20.000,-- DM = insgesamt 100.000,-- DM für die Pflege der Mutter reserviert würden...

II.

Die weitere Beschwerde der Betreuten ist aus eigenem Recht statthaft und auch im übrigen zulässig (§§ 27, 29 I, 20 I FGG).

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Es beruht nicht auf einem Rechtsfehler (§§ 27 I FGG, 550 ZPO), dass das Landgericht den ihm unterbreiteten Entwurf eines Hofübergabevertrags als Ausstattung bzw. Schenkung nicht als vormundschaftsgerichtlich genehmigungsfähig beurteilt hat (§§ 1908, 1908 i II i. V. m. 1804, 1821 I Nr. 1 BGB).

1. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den vorgelegten Vertragsentwurf im Kern als Ausstattungsvertrag beurteilt und demgemäß unter Abwägung aller Umstände - insbesondere des Willens der Betreuten in Verbindung mit deren materiellen und immateriellen Interessen - die Genehmigungsfähigkeit des Vertrags geprüft. Die Mitberücksichtigung materieller Interessen entspricht hierbei der übereinstimmenden obergerichtlichen Rechtsprechung (Senat, BWNotZ 1997, 147; OLG Hamm, RPfl. 1987, 200; vgl. auch BayObLG, RPfl. 1979, 455; OLG Karlsruhe, FamRZ 1973, 378; OLG Köln, OLGZ 1969,263).

Maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Genehmigungsfähigkeit einer Ausstattung gem. § 1908 BGB, der insbesondere auch für Hofübergabeverträge Bedeutung hat, ist vorrangig der Wille des Betreuten (Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Aufl., Rn. 1 zu § 1908 BGB ). Dabei ist die Angemessenheit einer Ausstattung wegen der anderen Interessenlage eines Betreuten gegenüber derjenigen der Eltern bei der Ausstattung eines Kindes gem. § 1624 BGB nicht allein anhand des dort geregelten Übermaßverbotes zu prüfen. Vielmehr sind die langfristigen Vermögensinteressen des Betreuten im Hinblick auf seine absehbaren Versorgungsbedürfnisse im Einzelfall sorgsam zu prüfen (Senat, a.a.O., m. w. N.) und gegenüber anderen - auch ideellen - Interessen abzuwägen. Dabei sind Gesichtspunkte wie der Wunsch nach Weitergabe des Familienvermögens und nach Erhalt des Familienfriedens zu berücksichtigen.

Diese Grundsätze hat das Landgericht im hier zu beurteilenden Fall weder verkannt (a) noch hat es die hier maßgeblichen Umstände unzureichend festgestellt (b) oder in ihrer Bedeutung fehlerhaft gewürdigt (c).

a) Das Landgericht hat nicht verkannt, dass der Wille der Betroffenen im Ausgangspunkt ausdrücklich auf die Weitergabe des (gesamten) Hofes an diesen Sohn gerichtet war, wie sich bereits aus dem gemeinschaftlichen Testament und der Wirtschaftsüberlassung des Hofes ergibt. Es hat jedoch zutreffend darauf abgestellt, dass sich die Verhältnisse durch den Eintritt der völligen Pflegebedürftigkeit der Betreuten entscheidend geändert haben. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Pflegebedarf der Betroffenen zwar derzeit durch finanzielle und Pflegeleistungen ihres Ehemanns sowie einer Tochter gewährleistet ist. Es hat jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass dies bei Weggabe des Hofanteils der Betreuten auch in der Zukunft uneingeschränkt der Fall sein werde. Hiervon konnte das Landgericht auch nicht aufgrund der Möglichkeit der Geltendmachung von Notbedarf gem. § 528ff BGB ausgehen, denn diese Möglichkeit ist zum einen befristet und unterliegt zum andern dem Vorbehalt der Erhaltung des standesmäßigen Unterhalts des Beschenkten ( § 529 BGB ).

Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Genehmigung des Hofübergabevertrags trotz des Einverständnisses sämtlicher Familienmitglieder derzeit nicht den Interessen der Betreuten und ihrem mutmaßlichen Willen entspricht, denn die Gesichtspunkte der Weitergabe des Familienvermögens und der Erhalt des Familienfriedens sind nicht geeignet, die schwerwiegenden Bedenken aufzuwiegen, die sich aus den langfristigen Betreuungsbedürfnissen der Betroffenen ergeben. Hinzukommen bei in Zukunft nicht ausreichend abgesichertem Pflegebedarf die Interessen Dritter, letztlich der öffentlichen Leistungsträger.

b) Ebenfalls liegt kein Rechtsfehler des Landgerichts darin, dass es bei der Feststellung des verfügbaren laufenden Einkommens der Betroffenen und ihres Ehemannes von dessen Angaben ausgegangen ist. Ein Anlass für weitere Ermittlungen gemäß § 12 FGG bestand nicht, denn angesichts der erstrebten Genehmigung konnte das Landgericht von umfassender Darlegung der zur Verfügung stehenden Mittel durch die Verfahrensbeteiligten ausgehen. Der neue Tatsachenvortrag über weitere Einkünfte kann - ungeachtet der Zweifel, ob diese für eine vollfinanzierte Fremd-Pflege ausreichen würden - im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden.

Im übrigen ist das Landgericht für die bisherige Zeit von einer - wenn auch knapp - noch ausreichend gewährleisteten Versorgung der Betroffenen ausgegangen. Es hat aber angenommen, dass die Betreuung in der Zukunft nicht hinreichend sicher gewährleistet ist, wenn das Vermögen jetzt weggegeben würde. Dies betrifft nicht nur die Situation, dass der Ehemann seine persönlichen Pflegeleistungen ganz oder teilweise nicht mehr erbringen können sollte, sondern insbesondere die etwaige Situation, dass die Betreute ihren Ehemann überlebt. Eine bindende Verpflichtung ihrer zum Teil nicht vor Ort wohnenden Kinder, entsprechende ergänzende Pflegeleistungen zu erbringen, ist nicht ersichtlich. Der übernehmende Sohn verpflichtet sich im Hofübergabevertrag nur zu Pflegeleistungen bis zur Pflegestufe 1.

Auf die mit der weiteren Beschwerde vorgetragene Bereitschaft des Ehemanns und der Kinder, eine geänderten Hofübergabevertrag mit erhöhten finanziellen Rückstellungen zugunsten der Betreuten abschließen zu wollen, kommt es für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren nicht an. In diesem ist nur zu prüfen, ob das Landgericht den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt rechtsfehlerfrei ermittelt und beurteilt hat. Neue Tatsachen können in der Rechtsbeschwerdeeinstanz keine Berücksichtigung finden, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines neuen Genehmgungsantrags gemacht werden.

c) Insoweit ist es unter Berücksichtigung der nur beschränkt überprüfbaren Ermessensentscheidung des Landgerichts (vgl. BayObLG RPfl 1998, 22 f) nicht zu beanstanden, wenn dieses der langfristigen Sicherung der primären Lebensbedürfnisse der Betreuten trotz der von ihm ausdrücklich anerkannten Immateriellen Interessen an der Weitergabe des Hofes den Vorrang eingeräumt hat.

Die weitere Beschwerde der Betreuten war nach alledem zurückzuweisen.

2. Soweit die Beteiligten unter Berücksichtigung der Bedenken des Vormundschaftsgerichts bzw. des Landgerichts und des Senats einen geänderten Hofübergabevertrag zur Genehmigung vorlegen wollen - was durch diese Entscheidung nicht ausgeschlossen ist -, handelt es sich um ein neues Verfahren, das wieder beim Notariat seinen Anfang nimmt. Insoweit sei nur angemerkt, dass der Weitergabe des gesamten Hofes durch Hofübergabevertrag nicht der Gesichtspunkt entgegen stünde, dass die Betreute dadurch jegliche finanzielle Dispositionsmöglichkeit verliert, denn diese kann sie aufgrund ihrer gegebenen schweren gesundheitlichen Schädigung ohnehin nicht mehr wahrnehmen. Grundsätzlich ist die rechtliche Möglichkeit und sittliche Rechtfertigung der mit einem Hofübergabevertrag mit Altenteilsregelung verbundenen umfassenden Vermögensübertragung auch zu Lasten anderer Abkömmlinge gesetzlich anerkannt (vgl. §§ 2312, 2049 BGB).

3. Dieses Verfahren ist gem. § 131 III KostO gerichtsgebührenfrei. Für die Auferlegung von außergerichtlichen Kosten gem. § 13 a FGG war kein Raum.

Ende der Entscheidung

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