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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: 8 W 70/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Wird eine zur Fristwahrung eingelegte Berufung nicht begründet, sind die durch den nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellten Antrag auf Verwerfung der Berufung entstehenden Anwaltsgebühren notwendige Kosten der Rechtsverteidigung.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 70/05

vom 22. Februar 2005

In Sachen

wegen Forderung

hier: Sofortige Beschwerde gegen Kostenfestsetzung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richter am Oberlandesgericht Rast als Einzelrichter gemäß § 568 Satz 1 ZPO

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart vom 28.12.2004 dahin abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin aufgrund des Beschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.11.2004 zu erstattenden Kosten auf 738,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 07.12.2004 festgesetzt werden.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 224,50 €

Gründe:

I.

Gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 26.8.2004, AZ: 19 O 79/04, legte die Beklagte am 13.9.2004 Berufung ein und wies darauf hin, dass die Berufung zunächst fristwahrend erfolge, weshalb die Gegenseite gebeten werde, vorläufig von einer Bestellung bis zur Einreichung einer Berufungsbegründung abzusehen. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist wies das OLG Stuttgart mit Verfügung vom 9.11.2004 allein die Beklagte darauf hin, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden sei und der Senat daher beabsichtige, die Berufung kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen. Am 10.11.2004 beantragte die Klägerin, die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu verwerfen, vorsorglich, die Berufung zurückzuweisen. Am 15.11.2004 nahm die Beklagte ihre Berufung zurück. Aufgrund des Beschlusses des OLG Stuttgart vom 15.11.2004 hat die Beklagte die durch ihre Berufung entstandenen Kosten zu tragen.

Mit Schriftsatz vom 6.12.2004 beantragte die Klägerin, für das Berufungsverfahren eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV/RVG aus dem Gegenstandswert von 8.863,14 € sowie eine Pauschale nach Nr. 7002 VV/RVG festzusetzen. Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.12.2004 wurde von der Rechtspflegerin des Landgerichts neben der Pauschale nach Nr. 7002 VV/RVG lediglich eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Ziff. 1 VV/RVG festgesetzt, weil vor Eingang einer Berufungsbegründung ein Antrag auf Zurückweisung der Berufung nicht notwendig gewesen sei.

Gegen diesen am 19.1.2005 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 26.1.2005 ein als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, mit dem sie die Festsetzung der beantragten 1,6-Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren weiter verfolgt.

Nachdem die Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatte, hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart mit Beschluss vom 18.2.2005 erklärt, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Nachdem der Wert der Beschwerde 200,-- € übersteigt (vgl. § 567 Abs. 2 ZPO), handelt es sich bei dem Rechtsmittel der Klägerin um eine sofortige Beschwerde nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, gegen deren Zulässigkeit hier keine Bedenken bestehen.

Die sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet.

a) Der Schriftsatz der Klägerin vom 10.11.2004, mit dem die Verwerfung der Berufung beantragt wurde, ließ eine 1,6-Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren anfallen (Senat Die Justiz 2004, 398 unter 2 a; Gerold / Schmidt / von Eicken / Madert / Müller-Rabe RVG 16. Aufl., VV 3201 RN 9 m. w .N.).

b) Dieser die volle Verfahrensgebühr auslösende Sachantrag war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinn von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlich und ist deshalb von der Beklagten zu erstatten.

Richtig ist allerdings, dass bei einer nur zur Fristwahrung eingelegten Berufung ein die volle Prozessgebühr auslösender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels im erstattungsrechtlichen Sinne nicht notwendig ist, so lange ein Berufungsantrag nicht gestellt und eine Begründung nicht eingereicht worden ist, weil vorher der Berufungsbeklagten durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren nicht fördern kann (BGH NJW 2003, 2992, 2993; NJW 2004, 73). Nach dem ungenutzten Ablauf der Berufungsbegründungsfrist konnte die Klägerin als Berufungsbeklagte jedoch durch ihren Antrag und dessen Begründung die Verwerfung der Berufung und damit das Berufungsverfahren fördern. Wäre die Auffassung der Rechtspflegerin des Landgerichts richtig, so dürfte ein Berufungsbeklagter bei Ausbleiben einer Berufungsbegründung im Verfahren nicht tätig werden (vgl. auch BGH NJW 2004, 73).

Nachdem die Beklagte ihre Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet hatte und eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist weder beantragt noch gewährt worden war, nahm die Klägerin ihre berechtigten Interessen an einer Förderung des Berufungsverfahrens wahr, indem sie die Verwerfung der Berufung beantragte. Die dadurch ausgelöste 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV/RVG war deshalb Folge einer zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlichen Maßnahme und ist von der Beklagten aufgrund des Beschlusses des OLG Stuttgart vom 15.11.2004 zu erstatten (vgl. auch Senat a.a.O.).

Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens beruht auf Nr. 1811 KV/GKG und § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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