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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 8 W 71/05
Rechtsgebiete: GKG, ZSEG, JVEG, VOB/B


Vorschriften:

GKG a.F. § 8
GKG n.F. § 21
ZSEG § 8 Abs. 1 Nr. 1
JVEG § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
VOB/B § 14 Nr. 1
1. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu inländischem Recht stellt eine unrichtige Sachbehandlung dar, die zur Nichterhebung von Kosten führt, wenn und soweit dadurch Mehrkosten verursacht wurden.

2. Die Grundlagen für die Prüffähigkeit einer Rechnung nach § 14 Nr. 1 VOB/B sind einem gerichtlichen Sachverständigenbeweis zugänglich, wenn im Zusammenhang mit der Prüfung der Rechnung der Auftraggeber und dessen Hilfspersonen besondere Kenntnisse und Fähigkeiten haben, die dem Gericht fehlen (Abgrenzung zu OLG Stuttgart BauR 1999, 514).

3. Die Hinzuziehung eines Mitarbeiters des Sachverständigen zur mündlichen Sachverständigenanhörung vor dem Gericht ist in der Regel nicht notwendig im Sinn des § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG / § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG, weil der Sachverständige das Gutachten aus eigener Sachkenntnis zu erstatten hat und der Mitarbeiter zur Erläuterung des Gutachtens nicht befugt ist.


Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

vom 17. März 2005

Geschäftsnummer: 8 W 71/05

In Sachen

weiterer Beteiligter:

Bezirksrevisor beim Landgericht Ravensburg als Vertreter der Staatskasse

wegen Forderung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch

Richter am Oberlandesgericht Rast als Einzelrichter gemäß §§ 66 Abs. 6, Satz 1 2. Hs GKG n. F.

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 26.1.2005 dahin

abgeändert,

dass der Beklagten aus der Staatskasse ein Betrag von 314,94 € zu erstatten ist.

2. Im übrigen wird die Beschwerde der Beklagten

zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 2.250,- € (50% aus 4.500,00 €)

Gründe:

I.

Die Klägerin und die Beklagte, eine Bauträgerin, schlossen am 10.6.2002 einen Bauvertrag, in dem die VOB/B einbezogen wurde. Nach Erteilung einer Schlussrechnung machte die Klägerin einen Teilbetrag ihrer Vergütung aus diesem Bauvertrag und Zusatzaufträgen geltend. Die Beklagte wendete die fehlende Prüfbarkeit der Schlussrechnung und Mängel der Werkleistung der Beklagten ein. Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 15.9.2003 wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Angemessenheit der Höhe der Schlussrechnung, zu Mängeln und zur Frage, ob "die Schlussrechnung der Klägerin vom 1.10.2002 mit dem dazu vorgelegten Aufmaß aus sachverständiger Sicht, insbesondere unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, prüffähig" ist, eingeholt. Für mehrere Ortstermine, die Erstellung eines Gutachtens, eines Ergänzungsgutachtens und einer weiteren schriftlichen Stellungnahme sowie die Teilnahme an einer Sitzung des Landgerichts Ravensburg wurden für den Sachverständigen und einen von ihm hinzugezogenen Mitarbeiter insgesamt 5.643,17 € ausgezahlt. Aufgrund der Kostenregelung im Prozessvergleich vom 15.11.2004 hat die Beklagte hiervon die Hälfte zu tragen.

Die Beklagte beantragt nunmehr Niederschlagung der Sachverständigenkosten in Höhe von rund 4.500,-- €, weil die Prüfbarkeit der Rechnung eine Rechtsfrage sei, über die ein Sachverständigenbeweis nicht eingeholt werden dürfe, der Sachverständige für den Ortstermin und die Verhandlung keine Hilfskraft hätte hinzuziehen dürfen, eine Pauschale von insgesamt 40,-- € für Telefon, Porto und Versand nicht erstattungsfähig sei, die Durchführung von zwei Ortsterminen unnötig gewesen sei, der Sachverständige teilweise eine auftragslose Tätigkeit abgerechnet habe, ihm die Beantwortung der in ihrem Schriftsatz vom 2.11.2004 enthaltenen Fragen nicht aufgegeben worden sei und im übrigen die Stellungnahme des Sachverständigen vom 4.11.2004 die Beantwortung von Rechtsfragen beinhalte, für die er keine Vergütung verlangen dürfe.

Mit Beschluss vom 26.1.2005 hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg den Antrag auf teilweise Niederschlagung der Gerichtskosten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf teilweise Niederschlagung der Gerichtskosten weiter verfolgt.

Der Bezirksrevisor des Landgerichts Ravensburg ist der Beschwerde entgegen getreten.

II.

Die Beschwerde der Beklagten ist gemäß §§ 21 Abs. 2, 66 Abs. 2 GKG n. F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG n. F. zulässig und in der Sache teilweise begründet.

Während nach § 72 Ziff. 1 2. Hs. GKG n. F. auf die Beschwerde neues Recht anzuwenden ist und diese nach § 66 Abs. 2 GKG n. F. zulässig ist, ist auf den Antrag auf Kostenniederschlagung laut § 72 Ziff. 1 1. Hs. GKG n. F. § 8 GKG a. F. anzuwenden.

1. Nach gefestigter Senatsrechtsprechung (Die Justiz 1996, 137) und allgemeiner Ansicht (BGH, Beschluss vom 27.01.1994, Az.: V ZR 7/92, OLG München NJW-RR 2003, 1294; NJW-RR 1998, 1695; OLG Koblenz FamRZ 2002, 1644; OLG Düsseldorf, JurBüro 1995, 45; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG a. F. , § 8 GKG Rn. 10; Meyer GKG [n. F.], 6. Aufl., § 21 Rn. 2, 5) kommt eine Niederschlagung wegen unrichtiger Sachbehandlung nur wegen eines offensichtlichen schweren Verfahrensfehlers oder einer offensichtlichen, eindeutigen Verkennung des materiellen Rechts in Betracht. Dagegen ist es nicht Zweck des Kostenniederschlagungsverfahrens, die im Rechtsstreit vertretenen unterschiedlichen Rechtsansichten in materiellrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Hinsicht nach Abschluss des Rechtsstreits einer weiteren Klärung oder gar obergerichtlichen Überprüfung zuzuführen. § 8 GKG führt deshalb nicht zu einer Überprüfung einer richterlichen Sachentscheidung und des dabei eingeschlagenen Verfahrens (Senat a.a.O.). Eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 8 GKG liegt vielmehr nur dann vor, wenn ein Richter Maßnahmen oder Entscheidungen trifft, die den breiten richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum verlassen (OLG Koblenz, a.a.O.).

Aber nicht jede unrichtige Sachbehandlung führt zur Niederschlagung der Gerichtskosten nach § 8 GKG. Zusätzlich müssen diese Kosten auf der unrichtigen Sachbehandlung beruhen, diese also i.S.d. Adäquanztheorie durch die unrichtige Sachbehandlung verursacht worden sein (Meyer, a.a.O. Rn. 7; Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O., Rn. 9).

a) Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Anwendung inländischen Rechts stellt eine unrichtige Sachbehandlung im Sinn des § 8 GKG dar, weil die Anwendung inländischen Rechts originäre richterliche Aufgabe ist, die einem Sachverständigen nicht überlassen werden darf (OLG Stuttgart BauR 1999, 514; OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1662). Die Frage der Prüfbarkeit einer Schlussrechnung ist eine Rechtsfrage, die deshalb grundsätzlich allein vom Gericht zu entscheiden ist (OLG Stuttgart a.a.O.). Allerdings ist die Prüfbarkeit der Schlussrechnung eines Auftragsnehmers kein Selbstzweck. Die Anforderungen an die Prüfbarkeit ergeben sich vielmehr aus den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers. Diese bestimmen und begrenzen Umfang und Differenzierung der für die Prüfung erforderlichen Angaben der Schlussrechnung. In welchem Umfang die Schlussrechnung aufgeschlüsselt werden muss, damit der Auftraggeber in der Lage ist, sie in der gebotenen Weise zu überprüfen, ist eine Frage des Einzelfalls, die abgesehen von den Besonderheiten der Vertragsgestaltung und der Vertragsdurchführung auch von den Kenntnissen und Fähigkeiten des Auftraggebers und seiner Hilfspersonen abhängt (BGH NJW 2002, 676 m.w.N.; Werner / Pastor Der Bauprozess 10. Aufl., RN 1395). Die Abrechnung muss also nicht so erstellt werden, dass sie für jedermann verständlich ist. Die Prüfbarkeit der Abrechnung war vielmehr dann gegeben, wenn sie für die Beklagte als fachkundige Bauträgerin und ihren Architekten prüfbar war (Werner / Pastor a.a.O.).

Von einem Gericht können in der Regel die bei einer Bauträgerin und deren Architekten vorhandenen Fachkenntnisse nicht erwartet werden, die eine Beurteilung der Prüfbarkeit einer Schlussrechnung ermöglichen. Einem Gericht ist es deshalb in einem solchen Fall der besonderen Fachkunde des Auftraggebers unbenommen, zu den Grundlagen der Prüfbarkeit einer Schlussrechnung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben. Das Landgericht hätte deshalb darüber Beweis erheben dürfen, ob die Schlussrechnung so aufgeschlüsselt ist, dass sie für einen Fachkundigen nachvollziehbar ist. Die sich daran anschließende, häufig allerdings sehr naheliegende rechtliche Bewertung der Prüffähigkeit der Rechnung nach § 14 Nr. 1 Satz 1 VOB/B obliegt dagegen dem Gericht.

Diesen Anforderungen wird der Beweisbeschluss des Landgerichts Ravensburg vom 15.9.2003 zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung in zweifacher Hinsicht nicht gerecht, ohne dass dadurch allerdings zusätzliche Gerichtskosten im Sinn des § 8 GKG angefallen wären.

aa) Zu Unrecht hat das Landgericht bei der Formulierung des Beweisthemas zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung auf die Sicht des Sachverständigen und nicht der Auftraggeberin und ihrer Hilfspersonen abgestellt. Nachdem vom Architekten, den die Beklagte unter anderem auch zur Rechnungsprüfung hinzugezogen hat, die gleiche Fachkunde zu erwarten ist wie hier vom Sachverständigen, stellte die Begutachtung dennoch eine ausreichende Grundlage für die Entscheidungsfindung des Gerichts dar.

bb) Die Frage der Prüffähigkeit ist eine rechtliche Bewertung, die nicht dem Sachverständigen überlassen werden darf. Aufgrund des ihm gestellten Beweisthemas hat der Sachverständige jedoch insbesondere die Grundlagen dafür erhoben und bewertet, ob angesichts der örtlichen Gegebenheiten sowie der der Beklagten und ihm überlassenen Unterlagen die Schlussrechnung übersichtlich aufgebaut und nachvollziehbar ist (vgl. Gutachten vom 26.5.2004 Seite 8 unter 4.1 1. Ergänzung vom 4.8.2004 RN 3.3.1 bis 3.3.4; Stellungnahme vom 4.11.2004 Ziff. 2.4.1). Durch die sich daran anschließende rechtliche Wertung des Sachverständigen der Prüfbarkeit der Abrechnung sind ausweislich seiner schriftlichen Äußerungen keine oder geringfügigste, nicht ausscheidbare Gerichtskosten entstanden. Die Niederschlagung von Kosten gemäß § 8 GKG ist deshalb nicht möglich.

b) Dem Sachverständigen sind die Kosten für eine notwendige Hilfskraft zu vergüten (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG). Angesichts der im Zusammenhang mit der Beweiserhebung erforderlichen Bestandsaufnahme in den Außenanlagen ist es hier nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige die Begleitung durch einen Mitarbeiter für notwendig hielt. Die Abrechnung der im Zusammenhang mit den Ortsterminen entstandenen Aufwendungen begegnet keinen Bedenken.

Nicht notwendig im Sinn des § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG war jedoch die Hinzuziehung eines Mitarbeiters zur Sitzung vor dem Landgericht Ravensburg am 15.11.2004. Zum gerichtlichen Sachverständigen war allein Dipl. Ing. Herrmann Schall und nicht sein Mitarbeiter bestellt. Der Gerichtssachverständige hat sein Gutachten aufgrund eigener Sachkenntnis und Fachkunde zu erstellen. Ein Ergänzungsgutachten eines Dritten war vom Gericht nicht angeordnet worden. Der Sachverständige musste deshalb in der Lage sein, dem Gericht ohne Hilfe eines Mitarbeiters die tatsächlichen Grundlagen seiner Begutachtung und seine fachlichen Bewertungen mitzuteilen. Zur Erläuterung seines Gutachtens war sein Mitarbeiter nicht befugt (BVerwG NJW 1984, 2645; Meyer / Höver / Bach ZSEG 22. Aufl. § 8 Rz. 12). Wenn er trotzdem einen Mitarbeiter zur Sitzung mitbringt, geht dies grundsätzlich auf seine eigenen, nicht erstattungsfähigen Kosten. Auch wenn ausweislich des Beschlusses des Landgerichts Ravensburg vom 26.1.2005 die Anwesenheit des Helfers in der mündlichen Verhandlung vom Gericht telefonisch genehmigt worden ist, hat dies nicht zur Folge, dass die Parteien diese Kosten erstatten müssten.

c) ...

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.



Ende der Entscheidung

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