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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: 8 W 80/2000
Rechtsgebiete: HGB, AktG


Vorschriften:

HGB § 18 Abs. 2
HGB § 19 nF
AktG § 4
Der - grundsätzlich obligatorische - Rechtsformzusatz einer Aktiengesellschaft muss (auch) nach neuem Firmenrecht zur Vermeidung einer Irreführung entfallen, wenn die Firma der Aktiengesellschaft namensgebender Bestandteil einer GmbH & Co KG werden soll.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 80/2000 1 KfH T 1/99 LG Heilbronn/N. HRA 3907 AG Heilbronn/N.

vom 16. August 2000

In der Handelsregistersache

Gründe:

I.

Nach Umwandlung der unter der Firma "L W GmbH" erstmals 1986 Unternehmensträgerin in eine Aktiengesellschaft ist diese 1993 unter der Firma "L A" im Handelsregister B eingetragen worden.

1999 ist die Antragstellerin unter der Firma "L W GMBH & Co. KG" im Handelsregister A eingetragen worden mit folgendem Hinweis auf die Rechtsverhältnisse: "Kommanditgesellschaft durch Ausgliederung eines Teils des Vermögens aus dem Unternehmen unter der Fa. "L A" mit dem Sitz in Heilbronn nach den Spaltungsvorschriften des Umwandlungsgesetzes". Persönlich haftende Gesellschafterin der Antragstellerin ist die Fa. "M M GmbH" und (derzeit) einzige Kommanditistin die eingangs genannte "L A" mit einer Einlage von mehreren Mio. DM.

Alsbald danach hat die Antragstellerin beantragt, ihre in "L AG W GMBH & Co. KG" geänderte Firma einzutragen.

Diesen Änderungsantrag hat das Amtsgericht zurückgewiesen mit der Begründung, die zusätzliche Eintragung des Rechtsformzusatzes "AG" sei irreführend i. S. von § 18 Abs. 2 HGB.

Dagegen hat sich die Antragstellerin mit der Beschwerde gewandt und geltend gemacht, durch die Neufassung des § 19 HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz sei für eine Kommanditgesellschaft nicht mehr zwingend vorgeschrieben, den Namen eines Komplementärs in die Firma aufzunehmen; vielmehr könne diese auch mit dem Namen eines Kommanditisten gebildet werden. Dies habe dann, wenn Kommanditist ein Unternehmensträger sei, zu dessen Firma ein Rechtsformzusatz gehöre, zur Folge, dass auch dieser Rechtsformzusatz in die Firma der Kommanditgesellschaft aufgenommen werden müsse oder jedenfalls dürfe.

Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen mit der Begründung, die begehrte Firmenänderung sei unzulässig, weil der Rechtsformzusatz der Kommanditistin neben dem eigenen Rechtsformzusatz der Antragstellerin für den Rechtsverkehr irreführend sei.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der weiteren Beschwerde, mit der sie ihren Änderungsantrag weiterverfolgt und geltend macht, aufgrund der unterschiedlichen Stellung der Rechtsformzusätze im Gesamtbild der Firma sei eine Irreführungsgefahr nicht gegeben.

II.

Das als Rechtsbeschwerde zulässige Rechtsmittel der Antragstellerin (§§ 27 Abs. 1, 29, 129 FGG) hat in der Sache keinen Erfolg, denn die Entscheidungen der Vorinstanzen erweisen sich als rechtsfehlerfrei. Der Senat teilt die Rechtsansicht des Landgerichts, dass die Aufnahme des Rechtsformzusatzes "AG" der Kommanditistin in die Firma der GmbH & Co KG jedenfalls in der hier beantragten Form irreführend ist.

1. a) Zutreffend ist der rechtliche Ansatzpunkt der Antragstellerin, dass grundsätzlich zum Personennamen" einer Aktiengesellschaft der gesetzlich vorgeschriebene Rechtsformzusatz gehört (§ 4 AktG; ebenso zB § 4 Abs. 2 GmbHG; vgl. zB KG NJW 1989, 33; BayObLG BB 1990, 2065; Röhricht / Graf v. Westphalen / Ammon, HGB (1998), § 19 Rn 29; MünchKommAktG / Heider (2000) Rn 1, 9 zu § 4 AktG; MünchKommHGB / Bokelmann (ErgänzgBd 1999) Rn 54 zu § 19 HGB nF). Daran hat sich durch das Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) nichts geändert.

Dagegen ist die bisherige Bestimmung, dass die Firma der Kommanditgesellschaft den Personennamen mindestens eines persönlichen haftenden Gesellschafters enthalten muss (§ 19 Abs. 2 HGB aF), ersatzlos entfallen (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 HGB nF). Zudem ist das ergänzende ausdrückliche Verbot, Namen anderer Personen in die Firma aufzunehmen (§ 19 Abs. 4 HGB aF) - trotz geäußerter Bedenken (vgl. zB Kögel BB 1997, 793, 796; Karsten Schmidt ZIP 1997, 909, 915; Bokelmann GmbHR 1998, 59) - gestrichen worden. Andererseits ist die bisherige, primär auf die GmbH & Co KG zugeschnittene Bestimmung des § 19 Abs. 5 HGB aF zwar redaktionell neu gefasst, aber sachlich unverändert als Abs. 2 in das neue Recht übernommen worden, so dass die dazu ergangene Rechtsprechung nach wie vor beachtlich ist (Baumbach/Hopt, 30. Aufl. 2000, Rn 28 zu § 19 HGB; Bokelmann, aaO, Rn 81 zu § 19 HGB nF).

b) Die Frage, ob nach neuem Firmenrecht auch der Name eines Kommanditisten zur Firmenbildung verwendet werden darf oder ob dies bereits - zumindest in einer Übergangszeit - gegen das ausgeweitete Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB nF verstößt, ist umstritten (vgl. Jung ZIP 1998, 077, 681 f; Bokelmann Rn 64 zu § 19 HGB nF; Baumbach / Hopt Rn 21/22 zu § 19 HGB) und noch nicht abschließend geklärt.

Diese Frage steht hier jedoch nicht zur Entscheidung - weshalb sich der Senat auch einer Stellungnahme enthält -, denn das Registergericht hat den Namen der Kommanditistin "L" in das Register eingetragen und nicht - wie nach früherem Recht - auf Aufnahme des Namens der Komplementärin "M" bestanden. Gegenstand dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens ist allein die Frage, wie bei unterstellter Zulässigkeit des Namens der Kommanditistin als namensgebender Firmenkern der Kommanditgesellschaft der Rechtsformzusatz der Kommanditistin zu behandeln ist.

2. a) Schon nach altem Recht hat die Rechtsprechung anerkannt, dass irreführende Firmenzusätze und insbesondere Rechtsformzusätze entfallen müssen, auch wenn dadurch die sog. Firmenkontinuität (§ 22 HGB) beeinträchtigt wird (vgl. zB BGHZ 44, 286, 288; 53, 65, 68f; 68, 12, 15; BayObLGZ 197$, 48, 50; Staub / Hüffer, HGB 4. Aufl. (1983), § 18 Rn 5, 24 ff, § 22 Rn 62 ff; Heymann / Emmerich, HGB 2. Aufl. (1995) § 18 Rn 26 f, § 22 Rn 27; MünchKommHGB / Bokelmann (1996) § 18 Rn 11, 49 ff, 63, § 19 Rn 42, 33, § 22 Rn 80ff; Röhricht / Graf v. Westphalen / Ammon § 18 Rn 34ff, § 22 Rn 40, 52, je m.w.Nw).

Daran hat die Reform nichts geändert; vielmehr hat das Verbot irreführender Rechtsformzusätze im neuen Firmenrecht noch an Bedeutung gewonnen und ist zu einem umfassenden Irreführungsverbot erweitert worden (Bokelmann in MünchKommHGB/ErgBd, Rn 4 zu § 18 HGB nF; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. (1999), § 12 III 1 b bb)). Zudem müssen nun alle kaufmännischen Unternehmen zwingend eine eindeutige Angabe der Rechtsform in der Firma führen; ein Zusatz, der nur auf das Vorhandensein einer Gesellschaft hinweist (§ 19 Abs. 1, Abs. 2 HGB aF), genügt nicht mehr. Während bisher die den Firmenkern betreffenden Vorschriften über Personen- und Sachfirmen die Aufgabe hatten, den Rechtsverkehr über die rechtlichen Verhältnisse des Unternehmensträgers zu informieren, ist diese Informationsaufgabe mit der Freigabe der Bildung des Firmenkerns voll in den Rechtsformzusatz verlagert worden; dem Firmenkern kommt - nur noch - die Aufgabe der Kennzeichnung (und Unterscheidung) des Unternehmens zu (§ 18 Abs. 1 HGB nF).

Aus dieser Aufgabenverteilung ergibt sich, dass dem Rechtsformzusatz grundsätzlich keine Kennzeichnungs- oder Namensfunktion zukommen soll, sondern die Funktion, die Einordnung des Rechtsträgers in die Palette möglicher Organisationsformen offenzulegen und damit zugleich einen Hinweis auf die Haftungsverhältnisse zu geben. Die Erleichterung des Rechtsformwechsels durch das Umwandlungsgesetz 1994 verdeutlicht ebenfalls, dass der Rechtsformzusatz nicht Namensfunktion, sondern Zuordnungsfunktion haben soll.

b) Mehrere Rechtsformzusätze in einer Firma sind bereits im Ausgangspunkt grundsätzlich geeignet, den Rechtsverkehr über die für den Rechtsträger maßgebende Rechtsform irrezuführen (vgl. zB OLG Hamm NJW-RR 1987, 990; Röhricht / v. Westphalen / Ammon § 18 Rn 67). Hinzu kommt, dass eine bestimmte Stellung des Rechtsformzusatzes innerhalb der Firma im Grundsatz weder vorgeschrieben noch durch gefestigten Handelsbrauch vorgegeben ist (hA; vgl zB Heymann / Emmerich § 18 Rn 3, 14; Bokelmann aaO Rn 1.4 zu § 18 nF), so dass schon nach altem Recht das Irreführungsverbot häufig herangezogen werden musste (zB OLG Hamm aaO; OLG Oldenburg NJW-RR 1997, 357; RPfl 1997, 263). Die von der Antragstellerin erstrebte Firma lässt - entgegen ihrem Vorbringen - nicht hinreichend klar erkennen, ob es sich um eine Aktiengesellschaft oder um eine Kommanditgesellschaft (mit einer unbeschränkt haftenden GmbH) handelt.

Zwar ist der Zusatz "GmbH & Co KG" ursprünglich auch aus zwei unterschiedlichen Rechtsformzusätzen zusammengesetzt, hat sich aber durch die Rechtsprechung und die nachfolgende Gesetzgebung (§ 19 Abs. 5 HGB aF, eingeführt durch die sog. kleine GmbH-Novelle 1980) zu einem eigenständigen Rechtsformzusatz mit spezieller Aussagekraft weiter entwickelt (vgl. zB Bokelmann aaO Rn 43 ff zu § 19 HGB aF und Rn 70ff zu § 19 nF; Röhricht / Graf v. Westphalen / Ammon, § 19 Rn 30ff, 39, je m.RsprNw.). Deshalb kann aus der Zulässigkeit und Verkehrsgeltung des Firmenzusatzes "GmbH & Co KG" nichts für die Zulässigkeit der von der Antragstellerin erstrebten Firmierung hergeleitet werden.

Dass die beiden sich widersprechenden Rechtsformzusätze durch das Wort "W" getrennt sind, vermag zwar im Vergleich mit einer unmittelbaren Aneinanderreihung der Rechtsformzusätze die Irreführungsgefahr etwas zu mildern, aber angesichts des nach wie vor geltenden Grundsatzes, dass die Stellung des maßgeblichen Rechtsformzusatzes nicht vorgegeben ist, nicht hinlänglich auszuschließen.

c) Vielmehr hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Beschwerdeführerin erstrebte Firmierung geeignet ist, den Rechtsverkehr auch über die bestehenden Haftungsverhältnisse irrezuführen. Der Zusatz "GmbH & Co KG" hat die im Rechtsverkehr allgemein anerkannte Bedeutung erlangt, dass die Haftung der KG auf das Vermögen einer GmbH als Komplementärin begrenzt ist, während der Firmenzusatz "AG & Co KG" auf eine Aktiengesellschaft als Komplementärin hinweist.

Dieses Verständnis der genannten Firmenzusätze hat sich zwar unter Geltung des alten Firmenrechts entwickelt, wirkt jedoch angesichts des § 19 Abs. 2 nF auch unter Geltung des neuen § 19 Abs. 1 Nr. 2 HGB weiter, weil das Reformgesetz insoweit die Rechtslage absichtlich nicht verändert hat (vgl Entwurfsbegründung - BTDrs. 1318444 - zu § 19 HGB). Da die Aufnahme des Rechtsformzusatzes einer Kapitalgesellschaft in die Firma einer Personengesellschaft regelmäßig die gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung der Haftungsbeschränkung bewirkt, führt die Aufnahme eines weiteren kapitalgesellschaftlichen Rechtsformzusatzes dazu, dass nun zumindest für den Rechtsverkehr unklar ist, ob die Haftung auf das Vermögen einer GmbH oder einer AG begrenzt ist.

d) Da dem Firmenbestandteil "L" die maßgebliche Kennzeichnungskraft zukommt, während der Rechtsformzusatz "AG" keine erhebliche Unterscheidungskraft hat, muss somit das Interesse der namensgebenden Kommanditistin an der Führung ihres Rechtsformzusatzes in der Firma der KG angesichts der bestehenden Irreführungsgefahr zurücktreten. Gerade weil die durch die Reform bewirkte Freigabe der Bildung des Firmenkerns den Interessen der Unternehmen an einer liberalen Kennzeichnung in weitem Maße Rechnung trägt, verdient beim obligatorischen Rechtsformzusatz das öffentliche Interesse an einer unmissverständlichen Zuordnung zu einer bestimmten Rechtsform den Vorzug.

Inwieweit auch die - von der Reform unverändert gelassene - Regelung des § 30 HGB, wonach sich am selben Ort befindliche Firmen deutlich unterscheiden müssen, der von der Beschwerdeführerin erstreben Firmierung entgegensteht, bedarf deshalb keiner näheren Prüfung.

Ende der Entscheidung

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