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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 07.08.2001
Aktenzeichen: 8 W 9/2001
Rechtsgebiete: GKG-KV


Vorschriften:

GKG-KV Nr. 1210 (1201)
GKG-KV Nr. 1211 (1202) lit. a)

Entscheidung wurde am 14.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
Die Rücknahme der (gesamten) Widerklage führt nicht zu einer Ermäßigung der dafür angefallenen Verfahrensgebühr, wenn über die Klage entschieden werden muss.
Geschäftsnummer: 8 W 9/2001 20 O 18/98 LG Stuttgart

Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

vom 7. August 2001

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Darlehensvertrag u. a.,

hier: Gerichtskostenansatz

Gründe:

I.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Rückzahlung des Negativsaldos eines Darlehensvertrags i. H. von mehr als 46.000,-- DM in Anspruch genommen. Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und zugleich Widerklage über knapp 740.000,- DM erhoben mit der Begründung, die Klägerin habe ihn bei Wertpapierleih-Geschäften fehlerhaft bzw. unzureichend beraten, weshalb ihm Ansprüche auf Schadensersatz bzw. ungerechtfertigter Bereicherung zustünden. Das Landgericht hat dem Beklagten zwar zur Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe bewilligt, diese aber für die Widerklage versagt. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für die Widerklage ist zurückgewiesen worden.

Darauf hat der Beklagte seine Widerklage in vollem Umfang zurückgenommen und seinen Klagabweisungsantrag weiterverfolgt. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß bei voller Kostentragung verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung hat der Beklagte zurückgenommen, nachdem er sich in einem in Frankfurt/Main geführten Schadensersatzprozess mit umgekehrten Parteirollen etwa in der Mitte seiner Forderung verglichen und dabei ua zur Berufungsrücknahme verpflichtet hatte.

Die Kostenbeamtin hat die Gerichtskosten für den 1. Rechtszug nach Nr. 1201 - also dreifach - aus einem Streitwert bis 790.000,-- DM gegen den Beklagten in Ansatz gebracht. Dagegen macht der Beklagte geltend, nach Rücknahme der Widerklage dürfe dafür nur eine einfache Gerichtsgebühr nach Nr. 1202 KV in Ansatz kommen. Nach Zurückweisung dieser Erinnerung durch den zuständigen Richter verfolgt der Beklagte seine Rechtsansicht mit der Beschwerde weiter.

II.

Das nach § 5 Abs. 2 GKG zulässige Rechtsmittel des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. ...3. Nach dem seit Mitte 1994 geltenden Gerichtskostenrecht verwirklicht die Rücknahme auch der gesamten Widerklage nicht den Ermäßigungstatbestand der Nr. 1202 (bzw 1211 nF) lit. a KV/GKG.

a) Wie sich aus der Entwurfsbegründung ergibt, war Zielsetzung der Kostenrechtsreform 1994 - neben der Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse - eine spürbare Vereinfachung des Kostenrechts (BT-Drs 12/6962, S. 1 (unter A 5), 51/52, 69f), die primär durch eine "neue Gebührenstruktur" bewirkt werden soll. Die "grundlegende Neuerung" besteht dabei in der Einführung einer pauschalen Verfahrensgebühr mit einem 3-fachen Gebührensatz unter Wegfall jeglicher Entscheidungsgebühr; eine Ermäßigung auf den einfachen Satz soll nur eintreten, wenn "das gesamte Verfahren" durch näher umschriebene Voraussetzungen endet, während es dann, wenn "nur ein Teil des Verfahrens auf eine dieser Arten erledigt" wird, "es bei der pauschalen Verfahrensgebühr in Höhe von 3,0 bleiben" soll (aaO S. 52, ähnl. S. 70). Die "vollständige Beendigung" des Verfahrens als Voraussetzung einer Ermäßigung wird für eine "spürbare Vereinfachung der Kostenberechnung" als "unerlässlich" angesehen, um komplizierte Berechnungen mit unterschiedlichen Gegenstandswerten (vgl. § 21 GKG) möglichst zu vermeiden (S. 70).

Deshalb ist inzwischen anerkannt, das nicht nur die Rücknahme eines Teils einer Klage, sondern auch die (völlige) Rücknahme einer späteren Klagerweiterung zu keiner (anteiligen) Gebührenermäßigung führt kann, selbst dann, wenn dies zu einer sehr erheblichen Verminderung des Streitvolumens führt (OLG München MDR 1997, 688 = NJW-RR 1997, 1159 = JurBüro 1997, 537 = KostRsp GKG-KostVerz Nr. 41; Oestreich / Winter / Hellstab, GKG LosebISlg, KV Nr. 1202 Rn 12; Markl / Meyer, GKG 4. Aufl., KV 1202 Rn 12, 14; KG JurBüro 1997, 93 = KostRsp GKG KostVerz Nr. 30 betrifft einen Sonderfall und besagt nichts Gegenteiliges). Das Gleiche gilt etwa, wenn von mehreren Klägern nur einer die Klage zurücknimmt.

Nachdem ein mit der Widerklage geltendgemachter Gegenanspruch (§ 33 ZPO) zur Zusammenrechnung der Werte von Klage und Widerklage führt (§ 19 Abs. 1 S. 1 GKG) und eine einheitliche Kostenentscheidung erfordert (Zöller / Herget, § 91 Rn 3, § 92 Rn 5; MünchKommZPO / Belz, 2. Aufl., § 91 Rn 1,2, § 92 Rn 3), verbietet es sich, die gegenseitigen Ansprüche getrennt zu betrachten. Die Eingangsworte der Nr. 1202 (bzw.. 1211) KV "Beendigung des gesamten Verfahrens" sind nach der Absicht des Gesetzgebers primäre Voraussetzung jeglicher Ermäßigung. Deshalb ist es überwiegende Ansicht, dass dann, wenn die Klage anhängig bleibt und - wie hier - zu einem Urteil führt, auch die Rücknahme der (gesamten) Widerklage nicht zu einer Ermäßigung der Gerichtskosten führt (OLG Frankfurt KostRsp GKG-KV Nr. 17; LG Frankenthal KostRsp GKG-KV Nr. 73; Zöller / Vollkommer § 33 Rn 31; Oestreich / Winter / Hellstab, KV Nr. 1202 Rn 12; a. A.: Hartmann, KostG, 30. Aufl. 2001, KV Nr. 1211 Rn 4; die scheinbar abweichende Ansicht von Markl / Meyer Rn 14 zu KV Nr. 1202 beruht wohl noch auf früherem Recht, wie sich dem Hinweis auf KG JurBüro 1967, 754 entnehmen lässt).

Dass bei der Widerklage eine Vorschusspflicht nicht besteht (§ 65 Abs. 1 S. 4 GKG) und deshalb das Argument der Entwurfsbegründung, arbeitsaufwendige Rückzahlungen möglichst zu vermeiden, kein Gewicht hat, rechtfertigt es nicht, vom Erfordernis der Beendigung des gesamten Rechtsstreits abzusehen. Die mit der neuen Struktur erstrebte Vereinfachung des Kostenrechts ist eine eigenständige Zielsetzung des Reformgesetzes, die nicht in allen Fällen zur Folge hat, dass streitvereinfachende Prozesserklärungen kostenrechtlich belohnt werden. Vielmehr sind in Abweichung vom früheren Recht die in Nr. 1202 (bzw. 1211) KV normierten kostenrechtlichen Anreize zur Vereinfachung des Verfahrens absichtlich auf wenige, konkret umschriebene Verhaltensweisen beschränkt. Auch wenn die Höhe der Verfahrensgebühr sich durch die Rücknahme der Widerklage nicht mehr ändert, kann dies jedoch Auswirkung auf die subsidiäre Antragstellerhaftung (§ 49 GKG) haben (Oestrich / Winter / Hellstab, KV Nr. 1202 Rn 12 aE).

Ende der Entscheidung

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