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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 8 WF 104/04
Rechtsgebiete: ZPO, BSHG


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG § 88 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 104/04

vom 21.07.2004

In Sachen

wegen Ehescheidung u.a.,

hier: Nachzahlungsanordnung nach Prozesskostenhilfebewilligung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Bräuning, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Müller-Gugenberger und des Richters am Oberlandesgericht Grüßhaber

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den die einmalige Nachzahlung der auf sie entfallenden Prozesskosten anordnenden Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Nagold vom 09.06.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahren zu tragen. Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der 1954 geborenen Antragsgegnerin wurde im zu Grunde liegenden Ehescheidungs-Verbundverfahren mit späterer Erstreckung auch auf die Folgesachen Unterhalt und Zugewinnausgleich Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung bewilligt. Sie lebte damals von Unterhaltszahlungen des Antragstellers von monatlich 1.300,00 DM bei eigenen Mietkosten von 820,00 DM.

Aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 27.02.2004 erlangte die Antragsgegnerin vom Antragsteller gegen erklärten Unterhaltsverzicht eine Unterhaltsabfindungszahlung von 20.000,00 € und eine Zugewinnausgleichszahlung von 10.000,00 € sowie einen Kleinwagen. Die Prozesskostenhilfe wurde auf den Abschluss dieses Vergleichs erstreckt.

Zwischenzeitlich erzielt die Antragstellerin als Verkäuferin ein monatliches Einkommen von netto 825,00 € bei Mietkosten (ohne Strom) von 435,00 € einschließlich Nebenkosten. Sie führt eine schon früher bestehende Kapital-Lebensversicherung mit einem Kapitalwert per 2014 von 21.895,56 € mit monatlichen Zahlungen von 69,94 € fort. Aus dem aufgrund des gerichtlichen Vergleichs erhaltenen Betrag von 30.000,00 € hat die Antragsgegnerin einen Teilbetrag von 25.000,00 € zwischenzeitlich in eine weitere Lebensversicherung eingezahlt, die zum April 2016 entweder einen Kapitalauszahlungsbetrag von 31.898,45 € oder eine laufende Rente von monatlich 129,91 € erbringen wird. Den Restbetrag der Zahlung gemäß Vergleich von 5.000,00 € hat die Antragsgegnerin nach ihrem Vorbringen in eine Festgeldanlage eingebracht, von der sie zwischenzeitlich wegen eines Soll-Stands auf ihrem Girokonto jedoch wieder 2.000,00 € auf ihr Girokonto zurückgebucht hat (Anl. zu Bl. 80 d.A. im PKH-Heft).

Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, sie sei zur Zahlung von Raten auf die Prozesskosten oder gar zur einmaligen Rückzahlung der auf sie entfallenden Prozesskosten auch nach der erhaltenen Vergleichszahlung nicht in der Lage. Es sei ihr nicht zumutbar, die eingegangenen Lebensversicherungen zur Bestreitung von Prozesskosten zu kündigen. Diese Versicherungen benötige sie zur Gewährleistung einer angemessenen Altersversorgung, da sie sonst absehbar sozialhilfebedürftig werden würde. Sie habe nach Durchführung des Versorgungsausgleichs in der gesetzlichen Altersversicherung eine Rente von nur 206,18 € erworben, die sie während der ihr noch möglichen Zeit weiterer Erwerbstätigkeit allenfalls auf 405,00 € aufstocken könne. Auch zuzüglich der durch ihre Lebensversicherungen erzielbaren weiteren Bezüge werde ihre Altersversorgung danach nicht den Sozialhilfesatz erreichen.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat nach Anhörung der Bezirksrevisorin mit Beschluss vom 09.06.2004 angeordnet, dass die Antragsgegnerin die auf sie entfallenden Prozesskosten in einem einmaligen Betrag zu zahlen hat. Ihre Bevollmächtigten hatten insoweit Wahlanwaltskosten in Höhe von 5.505,36 € mitgeteilt. Die bei geltender Kostenaufhebung auf die Antragsgegnerin entfallenden hälftigen Gerichtskosten betragen 429,18 €. Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Rechtspfleger ausgeführt, die durch den Vergleich erhaltenen Zahlungen stellten eine wesentliche Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin gemäß § 120 IV ZPO dar. Es sei ihr zumindest zuzumuten, die erst unter Einsatz dieser Zahlungen neu begründete zweite Lebensversicherung wieder zu kündigen und mit dem Rückkauferlös die offenen Prozesskosten zu bestreiten. Jedenfalls diese zweite Lebensversicherung benötige sie nicht zur Sicherung einer angemessenen Altersversorgung, wie sich schon daraus ergebe, dass sie die Rentenversicherung wahlweise auch als Kapitalversicherung abgeschlossen habe. Die Antragsgegnerin sei auch noch weiter berufstätig und werde auch dadurch weitere Ansprüche in der gesetzlichen Altersversicherung erwerben.

Gegen den Beschluss vom 09.06.2004 hat die Antragsgegnerin durch Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 15./17.06.2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie verweist zur Begründung auf die schon vor der angefochtenen Entscheidung abgegebene eigene Stellungnahme.

Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Tübingen ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Der Rechtspfleger hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und es dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist gemäß § 127 II ZPO als sofortige Beschwerde statthaft. In der Sache hat es jedoch keinen Erfolg.

1. Allerdings ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwischenzeitlich weitgehend anerkannt, dass Lebensversicherungen - wohl auch Kapitallebensversicherungen - gemäß §§ 115 II ZPO, 88 III BSHG dann und insoweit nicht zur Bestreitung von Prozesskosten eingesetzt werden müssen, wenn sie zur Erhaltung einer angemessenen Altersversorgung erforderlich sind, um im Alter nicht voraussichtlich Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen (OLG Stuttgart (18. ZS) FamRZ 99, 598; OLG Hamburg FamRZ 01, 529; OLG Karlsruhe OLGRep 04, 271; vgl. auch Zöller/Philippi, 24. Aufl., Rn. 58 b und 59 zu § 115 ZPO, der allerdings auch eine Verpflichtung in Betracht zieht, eine Lebensversicherung beitragsfrei zu stellen).

Auch der Senat bejaht grundsätzlich einen derartigen Vorrang entsprechender Lebensversicherungen, soweit diese bereits bestehen, zumal es für eine bedürftige Partei einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich bringen würde, wenn sie durch vorzeitige Kündigung einer derartigen Lebensversicherung den vielfach nur erheblich geringeren Rückkaufwert erzielen würde. Die laufenden Zahlungen der Beschwerdeführerin auf ihren 1. Lebensversicherungsvertrag würden für den Fall einer Ratenzahlungsverpflichtung bei Berechnung der Rate zu ihren Gunsten berücksichtigt.

2. Dies gilt jedoch nicht für die weitere Lebensversicherung der Antragsgegnerin, die sie nach erfolgreicher Prozessführung abgeschlossen hat, um den aufgrund der Vergleichszahlung erhaltenen Vermögenszuwachs anzulegen. Eine solche Anlage zur Vermeidung einer möglichen künftigen Sozialhilfebedürftigkeit hat gegenüber der Bestreitung der zu diesem Zeitpunkt bereits entstandenen Prozesskosten keinen Vorrang, denn die bewilligte Prozesskostenhilfe ist ebenfalls nur eine einer Sozialhilfeleistung gleichstehende Leistung. Die Antragsgegnerin war insoweit gehalten, eine neue Lebensversicherung nur unter Einsatz des Betrages abzuschließen, der ihr nach Bestreitung der auf sie entfallenden Prozesskosten verblieb. Dies gilt auch insoweit, als die Antragsgegnerin geltend gemacht hat, dass sie selbst bei vollem Einsatz des Vermögenszuwachses nur eine Alterssicherung erzielen könne, die - monatlich umgerechnet - niedriger ist als der in Betracht kommende Sozialhilfesatz.

Soweit das Oberlandesgericht Karlsruhe (aaO) - allerdings nicht tragend - ausgeführt hat, dass auch vorhandene Barmittel bei Feststellbarkeit ihrer Verwendung zur Alterssicherung privilegiert sein könnten, vermag der Senat sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Es erscheint nicht sachgerecht, Sozialhilfe - hier in der Form von Prozesskostenhilfe - zur Deckung eines anerkannten Bedarfs aufrecht zu erhalten, obwohl inzwischen eigene Mittel des Bedürftigen vorhanden sind, nur weil dieser die Mittel für einen angenommenen künftigen Bedarf vorhalten will. Denn es steht letztlich nicht sicher fest, dass dieser künftige Bedarf auch tatsächlich eintritt. Dies gilt umso mehr in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Lebensversicherungsvertrag wahlweise auch die Möglichkeit offen hält, den Betrag später als einmalige Leistung abzurufen.

Auf der Grundlage der hier vertretenen Rechtsauffassung verblieb der Antragsgegnerin schon aufgrund der erlangten Zugewinnausgleichszahlung von 10.000,-- € ein ausreichender Betrag zur einmaligen Zahlung der Prozesskosten von unter 6.000,00 €, und zwar auch dann, wenn man davon den Betrag von 2.301,00 € als Schonvermögen gemäß §§ 115 II ZPO, 88 II Nr. 8 BSHG und den auf dem Girokonto der Antragsgegnerin aufgelaufenen Fehlbetrag von 1.489,00 € - zu dessen Verursachung die Antragsgegnerin nichts vorgetragen hat - absetzt.

Unter den gegebenen Umständen kann sich die Antragsgegnerin auch nicht darauf berufen, dass sie die erhaltene Unterhaltsabfindungszahlung von 20.000,00 € ohne Anerkennung des Einsatzes für ihre Kapitallebensversicherung sich als Einkommensersatz nur verteilt auf ihre restliche Lebenszeit anrechnen lassen müsste, was bei Zugrundelegung von ca. 30 Jahren ein weiteres Einkommen von monatlich ca. 55,00 € ergeben hätte. Da die Antragsgegnerin nach den vorstehenden Ausführungen zur einmaligen Zahlung der Prozesskosten verpflichtet ist, kommt es auf die weitere Frage nicht mehr an, ob bei dem sich dann ergebenden laufenden Einkommen auch eine Verpflichtung zur monatlichen Ratenzahlung festzustellen wäre.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin war danach zurückzuweisen.

3. Als Unterlegene hat die Antragsgegnerin die aufgrund der Zurückweisung anfallende Festgebühr (Nr. 1956 KV/GKG) zu tragen.

Gemäß § 127 IV ZPO sind außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Ende der Entscheidung

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