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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 05.12.2000
Aktenzeichen: 8 WF 84/2000
Rechtsgebiete: ZPO, BSHG


Vorschriften:

ZPO § 727
BSHG § 91 nF
- Titelumschreibung auf Sozialhilfeträger -

Die Tatsache, dass der Unterhaltsanspruch des Gläubigers nunmehr von Gesetzes wegen auf den Sozialhilfe leistenden Träger übergeht (§ 91 BHSG nF), entbindet diesen reicht von der Verpflichtung, die Erfüllung der Übergangsvoraussetzungen nach § 727 ZPO durch öffentliche Urkunden nachzuweisen.


Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 84/2000 2 F 742/92 AG Ulm/D. - FamilienG -

vom 5. Dezember 2000

In der Familiensache

wegen Unterhalts,

hier: Antrag des weiteren Beteiligten auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung gem. § 727 ZPO

Gründe:

I.

Der Schuldner ist dem Gläubiger, seinem Sohn, auf Grund gerichtlichen Vergleichs zur Zahlung von monatlichem Unterhalt verpflichtet. Der Träger der Sozialhilfe (weiterer Beteiligter) hat dem Gläubiger im näher bezeichneten Zeitraum laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in darüber hinaus gehender Höhe gewährt, was er auch durch eine amtlich erstellte Erklärung belegt hat; deshalb hat er beim Amtsgericht unter Vorlage des Titels insoweit dessen Umschreibung auf sich wegen beantragt.

Diese Umschreibung hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts durch den angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats mit der Begründung abgelehnt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des weiteren Beteiligten, der auf gegenteilige Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte hinweist.

II.

Das zulässige Rechtsmittel des weiteren Beteiligten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist ... als nicht fristgebundene Beschwerde gem. § 567 ZPO (vgl. Zöller/Stöber, 22. Aufl., Rn 29 zu § 727 ZPO und Rn. 13 zu § 724 ZPO) zulässig.

2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Der Rechtspfleger hat den vom weiteren Beteiligten als Rechtsnachfolger des Klägers gestellten Antrag auf Erteilung einer für ihn vollstreckbaren Vergleichsausfertigung zurecht zurückgewiesen, da die Rechtsnachfolge des Landratsamts weder offenkundig noch durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden bewiesen ist (§ 727 ZPO).

Bei dem nach der Neuregelung des § 91 BSHG durch Gesetz vom 23.6.1993 (BGBl. 1, 944, 952) und Gesetz vom 23.7.1996 (BGBl. I, 1088) nicht mehr aufgrund einer Überleitung des Sozialhilfeträgers, sondern kraft Gesetzes eintretenden Übergang des Unterhaltsanspruchs vom Unterhaltsberechtigten auf den Sozialhilfeträger, der Leistungen nach dem BSHG erbringt, wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass beim Übergang des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs an die sozialhilferechtlichen Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten angeknüpft wird. Dies geschah dadurch, dass der Übergang davon abhängig gemacht wurde, dass die in § 91 Abs. 1 S. 3-4 und Abs. 2 BSHG aufgeführten Ausschlusstatbestände nicht vorliegen. Damit wird sichergestellt, daß nicht an die Stelle oder neben die Sozialhilfeberechtigung des Unterhaltsberechtigten die des Unterhaltsverpflichteten tritt (Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. (1997), Rn 73 zu § 91: "Aus den sozialhilferechtlichen Grundsätzen leitet sich jedoch zwingend ab, daß die Heranziehung ... nicht zur Sozialhilfebedürftigkeit des Unterhaltsverpflichteten und seiner Angehörigen führen darf"; vgl. auch ebenda Rn 2 zu § 91).

Da es das Ziel bei der Schaffung des Rechtsübergangs kraft Gesetzes (vgl. § 412 BGB) war, den Rechtsübergang auf den Sozialhilfeträger zu vereinfachen, weist ein Teil der Rechtssprechung im Rahmen von § 727 ZPO die Beachtung der sozialhilferechtlichen Schuldnerschutzvorschriften dem Schuldner zu, der diese Ausschlusstatbestände im Wege der Klage gegen die Vollstreckungsklausel (§ 768 ZPO) geltend machen muss (so: OLG Köln MDR 1997, 369; OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 1092; Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., Rn 22 zu § 727 unter Verweis auf Künkel, FamRZ 1994, 540).

Demgegenüber hat der Senat wiederholt entschieden, dass es sich bei den Einschränkungen des Anspruchsübergangs nicht lediglich um Einwendungen handelt, die vom Schuldner gem. §§ 732, 768 und in dessen Rahmen gem. § 767 Abs. 1 und 3 ZPO geltend zu machen sind und bei einer Klauselumschreibung nach § 727 ZPO unbeachtet bleiben können, sondern um Voraussetzungen des Anspruchsübergangs (zu § 91 aF BSHG: Senatsbeschluss v. 19.10.1995, 8 WF 66/95; zur ähnlichen Regelung in § 37 BAföG: Senatsbeschluss v. 17.11.1994 - FamRZ 1995, 489 sowie Senatsbeschluss v. 25.11.1994 - 8 WF 104/94; so auch Brudermüller, FamRZ 1995, 1033). Hieran hat der Senat auch für die seit 23.7.1996 geltende neue Fassung von § 91 BSHG jedenfalls für Abs. 2 S. 1 dieser Vorschrift festgehalten (Beschluss v. 29.1.1998, Az.: 8 WF 9/98; Beschluss v. 4.5.1998, Az.: 8 WF 55/97).

Für diese Auffassung, an der der Senat nach erneuter Überprüfung weiterhin festhält, sind folgende Gründe maßgebend: Wenn es in § 91 Abs. 1 S. 3 BSHG heißt: "Der Übergang des Anspruchs ist ... ausgeschlossen" und in Abs. 2 S. 1 BSHG, " der Anspruch geht nur über, soweit ein Hilfeempfänger sein Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des Abschnitts 4 ... einzusetzen hat", so handelt es sich nach den gefestigten Regeln der Gesetzessprache um anspruchsbegründende Voraussetzungen, die von demjenigen darzulegen und notfalls zu beweisen sind, der sich auf den eingetretenen Anspruchsübergang beruft (vgl. Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., Rn 1 zu § 398 BGB), und nicht um eine von dem Schuldner darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende Einwendung. Würde demgegenüber dem Unterhaltsverpflichteten überlassen, die sich aus § 91 Abs. 1 und 2 BSHG ergebenden Übergangs-Ausschlußtatbestände gem. § 768 ZPO zu verfolgen, so könnte es - sei es durch zu spätes Erheben oder Nicht-Erheben der Klage gem. § 768 ZPO, sei es durch mangelhafte Prozeßführung - dazu kommen, daß trotz der genannten Übergangs-Ausschlußvorschriften Sozialhilfebedürftigkeit des Unterhaltsverpflichteten eintritt, ein Zustand, der gerade im öffentlichen Interesse vermieden werden soll. Daher geht es nicht an, die Erreichung dieses öffentlichen Interesses in das Belieben von Privatpersonen zu stellen, zumal diese in den hier interessierenden Fällen vielfach nicht sehr geschäftsgewandt sind. Dieses öffentliche Interesse ist nur sichergestellt, indem der Sozialhilfeträger die Voraussetzungen für die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel auch insoweit in der in § 727 ZPO vorgeschriebenen Form nachweisen muß, als es um das Fehlen der Ausschlußtatbestände der in § 91 Abs. 1 S. 3 - 4 und Abs. 2 BSHG geht.

Der gegenteiligen Meinung vermag sich der Senat daher nicht anzuschließen, auch wenn dadurch die vom Gesetzgeber mit der Neuregelung von § 91 BSHG angestrebte Erleichterung des Durchgriffs des Sozialhilfeträgers gegenüber einem nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen gegenüber der früheren Regelung nicht erreicht wird, denn der Sozialhilfeträger wird diese zusätzlich erforderlichen Nachweise in der durch § 727 ZPO erforderten Form kaum erbringen können. Wäre insoweit eine Erleichterung für das Verfahren gem. § 727 ZPO gewollt gewesen, hätte diese Vorschrift entsprechend geändert werden müssen oder es hätte materiell-rechtlich dafür gesorgt werden müssen, daß Gleichlauf zwischen der bürgerlichrechtlichen Unterhaltsleistungsfähigkeit und der sozialhilferechtlichen Anspruchsberechtigung besteht; allerdings ist diese Problematik im Sozialhilferecht wohl gar nicht gesehen worden, denn sie findet keinerlei Erwähnung (vgl. etwa Schellhorn u.a., aaO, Rn 127 zu § 91).

Ende der Entscheidung

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