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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 29.03.2000
Aktenzeichen: 9 U 159/99
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 278
HGB § 87 a Abs. 3
ZPO § 97
ZPO § 515 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
GKG § 11 Abs. 2
Leitsatz:

1. Ein Anbieter von Kapitalanlagen kann aufgrund seiner Selbstdarstellung im Prospekt als Anlageberater zu qualifizieren sein.

2. Den Anlageberater trifft für die Erfüllung seiner Aufklärungs- und Hinweispflichten eine Substantiierungslast.

3. Ein Anlageberater hat den Anleger über eine ihm von der kapitalsuchenden Firma gezahlte "versteckte" Innenprovision aufzuklären.

4. Zwischen dem Anlageberater und seinem (selbständigen) Verhandlungsvertreter besteht hinsichtlich einer Schadenersatzpflicht gegenüber dem Anleger grundsätzlich kein Gesamtschuldverhältnis.


Oberlandesgericht Stuttgart - 9. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 159/99 4 O 152/97 LG Ulm

Verkündet am: 29. März 2000

In Sachen

wegen Schadenersatz

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2000 unter Mitwirkung von

Richter am OLG Ehmann Richter am OLG Böhm Richterin am OLG Weitbrecht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 21. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 1/8, der Beklagte 7/8 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 260.000,-- DM, der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,-- DM abwenden, wenn nicht jeweils die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 257.704,-- DM Beschwer des Beklagten: 209.387,-- DM

Tatbestand:

Der Kläger macht aus abgetretenem Recht Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend.

Der Kläger war für den Beklagten mit der Bezeichnung Vermögensberater als hauptberuflicher und selbständiger Handelsvertreter tätig (Vertretervertrag vom 29.08.1991; Anl. K 2). Der Beklagte betreibt unter der Bezeichnung Vermögensberatung S eine Einzelfirma.

Die Eheleute L (Erwerber) haben durch Vermittlung des Klägers mit notariellem Vertrag vom 17.12.1991 eine Eigentumswohnung in O zum Gesamtpreis von 209.387,-- DM gekauft (Anl. K 1). Es handelt sich um eine Zweizimmerwohnung mit einer Fläche von 45,19 qm. Der Kaufpreis ist wie folgt aufgegliedert: Der Festkaufpreis für die Wohnung (Sondereigentum und Miteigentum am Gemeinschaftseigentum und am Grundstück) beläuft sich auf 184.487,-- DM; hinzu kommt der Pkw-Stellplatz in der Tiefgarage (Sondernutzungsrecht) von 24.900,-- DM. Im Festkaufpreis von 184.487,-- DM sind folgende Beträge enthalten:

a) Finanzierungsvermittlungsgebühr 4.188,-- DM b) Mietgarantiegebühr 1.545,50 DM c) Notarkosten 3.732,-- DM d) Grunderwerbsteuer 3.862,-- DM e) Bauzeitzinsen bis zur kalkulierten Höhe von 4.519.-- DM

Zusätzlich hatten die Erwerber aufzubringen

- Bearbeitungsgebühr des Beklagten 7.161,-- DM - Disagio 10 % der Kreditsumme - Bankgebühr 1 % der Kreditsumme - Aufwand wegen Verzögerung der Fertigstellung des Objekts 10.791,54 DM

Der Gesamtkaufpreis von 209.387,-- DM wurde nach § 5 des Kaufvertrags auf ein Notaranderkonto bei der B bank AG, Niederlassung Hannover, einbezahlt. Nach der Abrechnung des Notars M wurden von diesem Konto am 13. Februar 1992 an den Beklagten 97.948,98 DM mit dem Vermerk "Provision i.S.Not.G /L " überwiesen (Anl. BB 1 und BB 3).

Auf dem entsprechenden Kontoauszug der Bau- und Bodenbank zum 13. Februar 1992 (Anl. BB 2) ist derselbe Betrag und Verwendungszweck angegeben.

Dem Vermittlungsgespräch zwischen dem Kläger und den Erwerbern lag der Prospekt des Beklagten mit dem Titel "Sachwertinvestment O " zugrunde (Anl. K 4). Die Erwerber hatten durch den Kauf der Eigentumswohnung für die Jahre 1991 bis 1995 einen Steuervorteil von insgesamt 45.123,85 DM (Anl. K 27). Sie wandten sich 1996 an den Kläger und warfen ihm vor, sie falsch beraten zu haben. Hierauf schloß der Kläger mit den Erwerbern "zur Vermeidung eines Rechtsstreits zwischen den Parteien (des) Kaufvertrages" den "Forderungskaufvertrag und Abtretungsvertrag" vom 27.06.1996 (Anl. K 3), wonach u.a. die Erwerber alle Ansprüche aus dem notariellen Kaufvertrag vom 17.12.1991 an den Kläger verkaufen und an ihn alle Ansprüche aus diesem Kaufvertrag aus Prospekthaftung wegen Verletzung eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses oder wegen der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten abtreten. Außerdem erklärt sich der Kläger bereit, die Wohnung von den Erwerbern zum Preis von 196.060,-- DM zu übernehmen. In Vollzug dieses Vertrages vom 27.06.1996 schloß der Kläger am 28.06.1996 mit den Erwerbern einen notariellen Kaufvertrag für die Eigentumswohnung zum vorgesehenen Kaufpreis von 196.060,-- DM (Anl. B 1).

Der Kläger hat im wesentlichen vorgetragen, er habe bei der Beratung der Erwerber im Namen des Beklagten gehandelt. Seine Informationen über die Immobilie habe er dem Prospekt entnommen. Wegen fehlender Kompetenz und Solvenz des Bauträgers, der N, sei die Immobilie mangelhaft und verspätet erstellt worden. Der Verkehrswert der Wohnung habe in mangelfreiem Zustand beim Erwerb nur 126.000,-- DM betragen. Außerdem habe der Beklagte, ihm und den Erwerbern verborgen, neben der im Prospekt genannten Provision ("Bearbeitungsgebühr von 3,42 %"), eine Innenprovision von 97.948,-- DM erhalten. Hierdurch seinen die Erwerber über den Wert der Immobilie getäuscht worden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 209.387,-- DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klageerhebung zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung eines 501,877/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung S des Aufteilungsplans, dem Keller Nr. sowie dem Sondernutzungsrecht an dem Pkw-Stellplatz in der Tiefgarage.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat im wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe bei der Vermittlung der Immobilie im eigenen Namen gehandelt. Er habe nie in irgendeiner Weise in Kontakt mit den Erwerbern gestanden. Die Angaben im Prospekt seien zutreffend. Sie seien aufgrund eingehender Recherchen zustandegekommen. Die Bauträgerin habe vor diesem Objekt andere zur allseitigen Zufriedenheit erstellt. Die geltend gemachten Ansprüche seien nicht wirksam an den Kläger abgetreten. Außerdem müsse sich der Kläger auf einen etwaigen Schadenersatzanspruch im Wege des Vorteilsausgleichs die Mieteinnahmen der Erwerber abzüglich Verwaltungskosten und Rücklagen, ihre Steuervorteile sowie der Kläger selbst die ihm vom Beklagten gezahlte Provision von 20.938,70 DM anrechnen lassen. Der Anspruch sei außerdem verwirkt, auch rechne er mit einem gleich hohen Ausgleichsanspruch aus dem Gesamtschuldverhältnis und einem nachwirkenden Anspruch aus dem Vertretervertrag mit dem Kläger gegen einen etwaigen Schadenersatzanspruch auf.

Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Verkehrswert der Immobilie im Zeitpunkt des Erwerbs in vollem Umfang stattgegeben. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 28.07.1999 zugestellte Urteil mit einem am Montag, 30.08.1999, beim Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einer am 29.09.1999 eingegangenen Begründung versehen hat.

Der Beklagte trägt im wesentlichen vor, der Kläger selbst sei freiberuflich Vermögensberater der Kläger gewesen. Ihn träfen mithin die Beraterpflichten. Er, Beklagter, habe keinerlei wie auch immer geartete Beratungsleistung ausgeübt. Er, Beklagter, habe mithin nicht in einem konkludenten Beratungsverhältnis mit den Erwerbern gestanden. Er habe für die Eigentumswohnung der Erwerber auch keine Innenprovision von 97.948,93 DM erhalten. Bei diesem Betrag handle es sich tatsächlich nicht um Provisionen, sondern um Leistungen, die über die Vermittlungsfirma S zur Begleichung einer Anzahl von Kosten weitergeleitet worden seien. Aufgrund eingeholter Informationen über den örtlichen Wohnungsmarkt habe er annehmen dürfen, daß der Kaufpreis und die angegebene erzielbare Miete marktgerecht und realistisch gewesen seien. Die Abtretung angeblicher Forderungen der Erwerber an den Kläger sei unwirksam, weil diese Forderungen weder bestimmt noch bestimmbar seien. Außerdem stünden Abtretungsvertrag und Kaufvertrag in engem Zusammenhang. Aus ihnen ergebe sich, daß der Kläger die Wohnung gekauft habe, um einen Schadenersatzprozeß der Erwerber gegen ihn zu vermeiden. Den Erwerbern sei somit ein Schaden nicht entstanden. Zumindest müßten sich die Erwerber im Wege des Vorteilsausgleichs den vom Kläger geleisteten Kaufpreis auf einen Schadenersatzanspruch anrechnen lassen. Auch treffe die Erwerber ein erhebliches Mitverschulden, weil sie sich vor dem Kauf der Eigentumswohnung nicht unter Hinzuziehung eines Fachberaters ausreichend informiert hätten

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 19. Mai 1999 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen Sachvortrag im ersten Rechtszug.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf ihre im zweiten Rechtszug vorgelegten Schriftsätze neben Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

II.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadenersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages aufgrund der als "Forderungskaufvertrag und Abtretungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung mit den Erwerbern vom 27. Juni 1996 (Anl. K 3).

2. Das zum Erwerb der Eigentumswohnung führende Beratungs- und Vermittlungsverhältnis bestand zwischen dem Ehepaar L und dem Beklagten. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf § 6 Nr. 4 des zwischen ihm und dem Kläger geschlossenen Vertreter-Vertrags vom 29.08.1991 (Anl. K 2). Diese Vertragsbestimmung untersagt dem Kläger lediglich, Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäfte im Namen des Beklagten einzugehen. Dagegen ergibt sich aus § 1 Nr. 2 des Vertretervertrags, daß der Kläger als selbständiger Handelsvertreter ausschließlich für den Beklagten tätig wird, nach § 1 Nr. 8, daß er verpflichtet ist, Kunden für das Verkaufs- und Vertriebssystem (des Beklagten) zu gewinnen, eine individuelle Beratung durchzuführen und Abschlüsse in den (vom Beklagten) zur Verfügung gestellten Angeboten zu vermitteln. Außerdem war es ihm nach § 1 Nr. 11 untersagt, sich als direkter Mitarbeiter eines Vertragspartners (des Beklagten) auszugeben. Es ist zwar nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, daß diese Vertragsbestimmungen den Erwerbern bekannt waren. Aus ihrer Sicht ist jedoch Partner der Geschäftsbeziehung für den Erwerb der Eigentumswohnung nicht der Kläger, sondern der Beklagte gewesen. Dies ergibt sich aus dem den Erwerbern ausgehändigten Prospekt (Anl. K 4). Er trägt auf der ersten Seite, dem Deckblatt, aber auch auf allen nachfolgenden Seiten in der Kopfzeile den Schriftzug "Vermögensberatung S " verbunden mit einem Globus, dem Logo des Beklagten. Auf Seite 27 des Prospektes wird unter "Vertrieb" und "Finanzierungsvermittlung" wiederum die Vermögensberatung S mit vollständiger Anschrift genannt. Die folgenden Seiten 28 und 29 stehen in keinem Zusammenhang mit dem Objekt in O, sondern dienen ausschließlich der Selbstdarstellung des Beklagten. So weist die Seite 28 ein Schaubild auf mit der Überschrift "Unsere Produktpalette" die neben dem grafisch und durch Schriftgröße besonders hervorgehobenen Hinweis auf "Steuerbegünstigte Immobilien" auch die Stichworte "Vermögensbildungsprogramme, Wohn- und Eigenheimprogramme, Trust- und Investment-Programme, Bauspar-Programme, Versicherungs-Programme jeder Art, Immobilien-Sparprogramme" umfaßt und unter dem Hinweis "Vermögensberatung S International" auf einen zusätzlichen Vertriebsbereich hinweist. Die Seite 29 trägt die Überschrift "Die Zentrale" und enthält neben Abbildungen der Betriebsräume des Beklagten eine knapp gefaßte Selbstdarstellung, in der sich die Vermögensberatung S als "eine der großen Vermögensberatungsgesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland" bezeichnet, die seit 1968 tätig ist und heute "über 60.000 Kunden in allen Fragen der Vermögensbildung und des Vermögensschutzes" betreue, die in der Lage sei, "für unsere Kunden jeden Anlagewunsch zu erfüllen" und deren "besondere Stärke... die neutrale, individuelle Produktauswahl" sei. Die Selbstdarstellung schließt mit dem Satz: "Wenn Sie einen seriösen, neutralen und starken Partner im Finanzmarkt suchen, dann sprechen Sie mit uns...". Auf der letzten Seite ist wiederum das Gebäude in U dargestellt, in dem sich die Geschäftsräume des Beklagten befinden. Die Darstellung erweckt den Eindruck, der Beklagte nutze das gesamte vielstöckige Gebäude. Die Seite schließt mit einem Kasten, der die Überschrift trägt "Unser für Sie zuständiger Fach-Vermögensberater". Dieser Kasten ist für den Stempel des jeweiligen Vertreters des Beklagten vorgesehen. Der Kläger hat unstreitig mit diesem Prospekt für den Erwerb der Immobilie geworben. Aus der Sicht der Erwerber kam danach als Geschäftspartner für den Vertrieb nicht der Kläger, sondern nur der Beklagte in Betracht.

3. Die Geschäftsbeziehung zwischen den Erwerbern und dem Beklagten für den Vertrieb ist als Anlageberatungsvertrag zu qualifizieren, nicht nur als Auskunftsvertrag im Rahmen einer Anlagevermittlung. Einen Anlageberater zieht der Anleger im allgemeinen hinzu, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er auch besonders honoriert. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitergehende Pflichten gegenüber dem Anleger. Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muß er besonders differenziert und fundiert beraten (BGH WM 1993, 1238/1239, BGH WM 1982, 80). Dem Anlagenvermittler, der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf die ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat, tritt der Anlageinteressent dagegen selbständiger gegenüber. An ihn wendet er sich in der Regel in dem Bewußtsein, daß der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht. Der zwischen dem Anlageinteressenten und einem solchen Anlagevermittler zustandegekommene Vertrag zielt lediglich auf Auskünftserteilung ab. Er verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH WM 1993, 1238/1239; BGH WM 1982, 90; BGH WM 1989, 1923).

Mit Rücksicht auf diese Kriterien ist der Beklagte als Anlageberater tätig geworden. Unabhängig davon, daß er seinen Namen immer mit dem Zusatz "Vermögensberatung" führt, hebt er in dem bereits erörterten Prospekt seine Rolle als "eine der großen Vermögensberatungsgesellschaften" hervor, deren besondere Stärke "die neutrale, individuelle Produktauswahl" ist und bietet sich als seriöser, neutraler und starker Partner im Finanzmarkt an. Dieser Selbstdarstellung des Beklagten als unabhängige Beratungsgesellschaft mit einer vielfältigen Produktpalette entspricht das Zustandekommen der Geschäftsbeziehung mit den Erwerbern. Die Erwerber hatten nicht von vornherein eine bestimmte Art der Kapitalanlage im Auge, für die sie einen Vermittler gesucht haben; vielmehr wandten sie sich an den Kläger, von dem sie erfahren hatten, daß er jetzt für den Beklagten tätig ist, "zum Zweck weitergehender Informationen" über die Möglichkeiten einer Kapitalanlage.

Hinzu kommt, daß die Erwerber dem Beklagten, wie der Prospekt ausweist, unstreitig für seine Tätigkeit eine Bearbeitungsgebühr von 3,42 %, dies entspricht hier 7.161,-- DM, bezahlt haben.

Den umfassenden Aufklärungs- und Hinweispflichten eines Anlageberaters hat der Beklagte nicht entsprochen.

Grundsätzlich hat der Anleger/Erwerber die Verletzung einer Aufklärungs- und Hinweispflicht darzulegen und zu beweisen. Verlangt er Schadenersatz wegen unzureichender Aufklärung, so muß er darlegen und beweisen, daß vertragliche oder vorvertragliche Verhaltenspflichten vorhanden waren und daß diese verletzt wurden. Beweisschwierigkeiten des Anlegers, die sich aus der Führung eines Negativbeweises bei behaupteter Nichtaufklärung ergeben, werden dadurch überwunden, daß der Berater die Behauptung des Anlegers substantiiert bestreiten muß (Schimansky/Siol, Bankrechts-Handbuch, § 43 Rn. 42; BGH WM 1990, 343). Der Beklagte hat der ihn danach treffenden Substantiierungslast für die Erfüllung seiner Aufklärungs- und Hinweispflichten nicht genügt.

Es fehlt insbesondere an einer Aufklärung der Erwerber darüber, daß dem Berater neben der ausdrücklich vereinbarten, vom Erwerber zu zahlenden und auch tatsächlich bezahlten Bearbeitungsgebühr von 7.161,-- DM eine nicht unerhebliche "versteckte" Innenprovision zugeflossen ist. Nach der Abrechnung des Notars M vom 13. Februar 1992 (Anl. BB 1) wurden an den Beklagten auf dessen Konto 97.948,98 DM überwiesen. Auf dem Überweisungsauftrag (Anl. BB 3) wird dieser Betrag bezeichnet als "Provision i.S. Not. G /L ". Der Kontoauszug der bank zum 13.02.1992 (Anl. BB 2), bei der das Notaranderkonto geführt wurde, weist unter Verwendungszweck einen entsprechenden Betrag auf. Nach dem Prospekt und dem Kaufvertrag vom 17.12.1991 sind von den Erwerbern, für sie ersichtlich, an den Beklagten zu entrichten die Finanzierungsgebühr in Höhe von 4.188,- DM und die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 7.161,-- DM. Selbst wenn, beide Beträge in der Überweisung des Notars M vom 13. Februar 1992 enthalten wären, wäre dem Beklagten zusätzlich eine versteckte Innenprovision von mindestens 86.599,93 DM zugeflossen. Der Beklagte hat - auch nach einem entsprechenden Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 24.11.1999 - den Zufluß einer entsprechenden Innenprovision, über die die Erwerber unstreitig nicht aufgeklärt wurden, nicht substantiiert bestritten. Der Vortrag des Beklagten in der Berufungsbegründung, es handle sich dabei "nicht um Provisionen, sondern um Leistungen, die über die Vermittlungsfirma S zur Begleichung einer Anzahl von Kosten weitergeleitet wurden", ist ebensowenig substantiiert wie die Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 12. Februar 2000. Der Beklagte, auf dessen Konto bei der Volks- und Raiffeisenbank B der Betrag von 97.948,93 DM nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen überwiesen wurde, hat weder substantiiert bestritten, daß dieser Betrag dort eingegangen ist, noch dargelegt, daß er, zumindest im wesentlichen, diesen Betrag nicht für sich vereinnahmt, sondern für andere Zwecke, etwa den Ausgleich von Forderungen des Bauträgers, der Firma G Wohnungsbau, verwendet hat.

Die Behauptung des Beklagten, die Zahlung stehe in dieser Höhe erkennbar nicht im Zusammenhang mit der von den Eheleuten L erworbenen Wohnung und sei nicht vom Bauträger, sondern ohne dessen Weisung "und damit unrichtig der hier streitgegenständlichen Wohnung, wahrscheinlich pari passu aller für G geleisteten Zahlungen, zugeordnet worden", wird durch die vom Kläger mit Schriftsatz vom 17. Januar 2000 vorgelegten Unterlagen zumindest in Frage gestellt. Danach wurden auf das Konto des Beklagten als Provision bezeichnete Beträge in vergleichbarer Höhe nicht nur für die Wohnung der Eheleute L, sondern auch für rund 20 weitere Erwerber überwiesen (Anl. BB 5 - BB 22). Nach alldem spricht alles dafür, daß der Beklagte für diese Wohnungen jeweils eine Provision bezogen hat, die annähernd der Hälfte des im Kaufvertrag ausgewiesenen Verkaufspreises entspricht. Letztlich kann jedoch ungeprüft bleiben, ob die Provision des Beklagten tatsächlich in der Größenordnung von 40 bis 50 % lag. Der Beklagte hat nämlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. November 1999 und im Anschluß daran in seinem Schriftsatz vom 12. Februar 2000 eingeräumt, daß sich die üblichen Provision des Bauträgers, die dieser mit dem Beklagten vereinbart hatte, auf 14 bis 20 % belief, "in Einzelfällen auch einmal darüber hinaus". Da der Beklagte als Anlageberater tätig geworden ist, hätte er die Erwerber auch über eine Provision in dieser niedrigeren Größenordnung aufklären müssen. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, daß die Erwerber mit Rücksicht auf die vereinbarte Bearbeitungsgebühr von 3,42 %, die zusätzlich zu dem im Kaufvertrag genannten Gesamtaufwand zu entrichten war, davon ausgehen durften, daß der Beklagte für seine Verkaufsbemühungen von ihnen bereits eine angemessene Vergütung erhält. Zum anderen schuldete der Beklagte als Anlageberater richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Dazu gehört auch der Umstand, daß ein, bei einer Größenordnung von 14 bis 20 % nicht unerheblicher, Teil des Kaufpreises nicht dem Bauträger für die Herstellung der Immobilie zur Verfügung steht, sondern dem Beklagten zufließt. Zwar besteht grundsätzlich für den Bauträger selbst keine Pflicht, über seine Berechnungsgrundlagen und seine Preiskalkulation aufzuklären (BGHZ 114, 87 zu einem Werkvertrag). Unbeschadet dieses Grundsatzes besteht jedoch selbst dann, wenn die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck gefährden können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte. So ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als anstößig anzusehen, wenn Unternehmen, die steuerbegünstigte Vermögensanlagen anbieten, steuerlichen Beratern eine Provision für den Fall versprechen, daß sie ihren Mandanten zu einem Vertragsschluß mit diesem Unternehmen veranlassen (BGHZ 78, 263; BGHZ 95, 81). Eine Gefahr des Treubruchs wurde nicht nur bei einem steuerlichen Berater, sondern auch bei einem Sachwalter angenommen, der aufgrund eines Treueverhältnisses verpflichtet ist, fremde Vermögensinteressen zu wahren (BGH WM 1986, 1389). Ähnlich verhält es sich bei einem Baubetreuer (BGHZ 114, 87): Die Nähe des Baubetreuers zum Vermögen des Betreuten zeige sich in seiner Befugnis, für Rechnung des betreuten Bauwerks Verträge schließen zu können und in seiner Aufgabe, die Durchführung und Abrechnung der geschlossenen Werkverträge zu überwachen. Im Hinblick auf das ihm entgegengebrachte Vertrauen gehöre er zum Kreis der Personen, denen die Annahme von Zuwendungen durch die mit ihm in Verhandlung tretenden und künftig von ihm überwachten Dritten verwehrt sei. Dabei sei es nicht erforderlich, daß mit der getroffenen Provisionsvereinbarung ein Treuebruch des Beraters honoriert werden soll. Vielmehr reiche es aus, wenn der Berater hinter dem Rücken seines Auftraggebers sich von einem Dritten eine Provision versprechen lasse und dadurch in die Gefahr gerate, für seinen Auftraggeber nicht unvoreingenommen tätig sein zu können. In einer vergleichbaren Stellung befindet sich auch der Beklagte, der als Anlageberater auftritt und sich, nach der Aussage des von ihm verwendeten Prospektes, als seriöser, neutraler und starker Partner im Finanzmarkt darstellt, dessen besondere Stärke die neutrale, individuelle Produktauswahl ist.

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Beklagte, wozu er als Anlageberater verpflichtet ist, sich im gebotenen Umfang eigene Informationen über die Wirtschaftlichkeit des Immobilienerwerbs verschafft und diese sorgfältig geprüft hat. Offen bleiben kann deshalb auch, ob es zutrifft, daß - wie der Kläger behauptet - der Verkehrswert der Eigentumswohnung im Zeitpunkt des Erwerbs erkennbar unter dem vereinbarten Kaufpreis lag und die für die Dauer von 5 Jahren garantierte Kaltmiete von 15,-- DM pro Quadratmeter für die Wohnung und von 50,-- DM monatlich für den Tiefgaragenabstellplatz nach Ablauf der Garantiezeit erkennbar nicht zu erzielen und die Eigentumswohnung deshalb als Kapitalanlage von vornherein unrentabel war.

4. Ein Mitverschulden der Erwerber ist nicht in Betracht zu ziehen. Zwar haben sie vor Vertragsschluß das Grundstück, auf dem das Gebäude zu errichten war, nicht in Augenschein genommen und deshalb keine Überlegungen angestellt, wie sich die Lage des Grundstücks auf den Verkehrswert der Immobilie auswirken kann. Diese Nachlässigkeit vermag jedoch ein Mitverschulden schon deshalb nicht zu begründen, weil die Erwerber dem Beklagten, der sich als seriöser, neutraler und starker Partner mit einer umfangreichen Produktpalette dargestellt hat, insoweit vertrauen durften.

5. Der Kläger ist berechtigt, den Schadenersatzanspruch der Erwerber aufgrund der als "Forderungskaufvertrag und Abtretungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung vom 27.06.1996; Anl. K 3) in eigenem Namen geltend zu machen. Zwar ist der Wortlaut der von den Parteien aufgesetzten Vereinbarung nicht zweifelsfrei. Bei der Auslegung ist jedoch nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdruckes zu haften, sondern der wirkliche Wille der Vertragsparteien zu erforschen (§ 133 BGB). Einerseits werden unter der Überschrift "Forderungskaufvertrag" von den Erwerbern alle bestehenden Ansprüche, insbesondere aus dem notariellen Kaufvertrag vom 17.12.1991, aus Prospekthaftung, wegen Verletzung eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses oder wegen der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten an den Kläger verkauft. In einem weiteren Abschnitt verzichten die Eheleute L auf etwaige Ansprüche gegen den Kläger. Im letzten Abschnitt treten sie unter der Überschrift "Abtretungserklärung" alle bestehenden Ansprüche, insbesondere aus dem notariellen Kaufvertrag vom 17.12.1991 aus Prospekthaftung, wegen Verletzung eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses oder wegen der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten an den Kläger ab. Die in der Vereinbarung erwähnte Veräußerung der Wohnung durch die Eheleute L an den Kläger wird einen Tag nach dieser Vereinbarung, durch notariellen Vertrag vom 28.06.1996 (Anl. B 1) vollzogen. Die Vereinbarung vom 27.06.1996 geht sonach dahin, daß die Erwerber L ihre gesamten Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten an den Kläger teils verkauft haben gegen Überlassung der Wohnung zum Preis von 196.060,-- DM und daß sie den darüber hinausgehenden Teil ihrer Ansprüche an ihn - ohne Gegenleistung - abgetreten haben. Der Beklagte kann sich sonach nicht darauf berufen, eine etwaige Schadenersatzforderung der Erwerber L sei in Höhe von 196.060,-- DM erloschen; weil ihnen insoweit ein Geldbetrag zugeflossen sei. Auch bezieht sich die Vereinbarung nicht nur auf Ansprüche der Erwerber L gegen den Bauträger, sondern gerade auf Ansprüche gegen den Beklagten auch wenn dieser in der Vereinbarung nicht ausdrücklich genannt ist. Dies ergibt sich insbesondere aus der Formulierung "alle bestehenden Ansprüche" sowie aus dem Umstand, daß die Erwerber nicht gegen den Bauträger, ihren Vertragspartner im notariellen Vertrag vom 17.12.1991, vorgegangen, sondern zunächst an den Kläger herangetreten sind, der ihnen schon vor der Anbahnung des Immobilienerwerbs bekannt war und der sie auf die Immobilie aufmerksam gemacht hatte.

6. Wegen der Schadenshöhe wird auf die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet sind. Der Beklagte ist für einen etwaigen Vorteilsausgleich darlegungs- und beweispflichtig. Insoweit fehlt es jedoch an einem, dem Beklagten möglichen, substantiierten Vortrag. Die Steuervorteile der Erwerber sind aufgrund der Bescheinigung ihrer Steuerberaterin vom 04.08.1997 (Anl. K 27) bekannt, ebenso die aufgrund der Mietgarantie den Erwerbern zugeflossene Miete und die Zinsbelastung der Erwerber aufgrund der vom Beklagten vermittelten Finanzierung. Für die Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs fehlt es jedoch an einem substantiierten Vortrag des Beklagten.

7. Zwischen dem Beklagten und dem Kläger besteht hinsichtlich einer Schadenersatzpflicht gegenüber den Erwerbern kein Gesamtschuldverhältnis. Vertragliche Beziehungen bestanden - wie unter Nr. 2 ausgeführt - nur zwischen den Erwerbern und dem Beklagten. Der Kläger ist lediglich als dessen Verhandlungsvertreter aufgetreten, für dessen etwaige Beratungsfehler der Beklagte nach § 278 BGB einzustehen hat. Daneben kommt eine Schadenersatzpflicht des Klägers gegenüber den Erwerbern aus dem Gesichtspunkt der Eigenhaftung des Vertreters nicht in Betracht. Es ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, daß der Kläger über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus in besonderem Maße Vertrauen für sich persönlich in Anspruch genommen hat oder wegen eines eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses dem Verhandlungsgegenstand besonders nahestand (vgl. BGH NJW 1997, 1233 m.w.N.).

Einen Anspruch des Beklagten gegen den Kläger aus positiver Vertragsverletzung im Hinblick auf den Vertreter-Vertrag vom 29.08.1991 (Anl. K 2) hat der Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Einem Anspruch des Beklagten auf Rückforderung von Provision steht, worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat, § 87 a Abs. 3 HGB entgegen. Nach alldem hat der Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch, mit dem er gegen die geltend gemachte Schadenersatzforderung aufrechnen könnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO und soweit der Kläger seine unselbständige Anschlußberufung vom 17.01.2000 zurückgenommen hat, auf § 515 Abs. 3 ZPO. Bei der Kostenquote ist zugunsten des Klägers berücksichtigt, daß die Urteilsgebühr nach Nr. 1226 der Anl. 1 zu § 11 Abs. 2 GKG nur auf den Teil des Streitverhältnisses entfällt, mit dem der Beklagte in vollem Umfang unterlegen ist.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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