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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: 9 U 215/00
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 776
BGB § 765 Abs. 1
BGB § 777
BGB § 767 Abs. 1 Satz 3
BGB § 774 Abs. 1 Satz 2
BGB § 774
AGBG § 9
AGBG § 3
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
1. Die Aufgabe einer Sicherheit im Sinne des § 776 BGB ist nicht nach der abstrakten Sicherungsmöglichkeit dieser Sicherheit (hier: Grundschuld) im Rahmen einer (weiten) Zweckerklärung zu beurteilen, sondern nach ihrem tatsächlichen, bei Übernahme der Bürgschaft bestehenden Sicherungszweck.

2. Die Aufgabe der Sicherheit liegt auch in der Verrechnung eines anstelle der Verwertung erzielten Erlöses auf eine von der Bürgschaft nicht erfasste Verbindlichkeit des Hauptschuldners


Oberlandesgericht Stuttgart - 9. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer 9 U 215/00

Verkündet am: 11. April 2001

In der Berufungssache

Wegen Bürgschaftsforderung

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 07. März 2001 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am OLG Dr. Keihl Richter am OLG Ehmann Richter am OLG Böhm

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 19.10.2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 22.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Klägerin: je 450.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Restbetrag von 450.000,-- DM aus einer Höchstbetragsbürgschaft über 600.000,-- DM geltend, nachdem ein Teilbetrag von 150.000,-- DM bereits tituliert ist (Landgericht Ravensburg, 2 O 682/99; OLG Stuttgart 9 U 176/99).

Die Klägerin gewährte der S GmbH am 06.04.1996 zwei Darlehen.

Ab 30.09.1996 war das Darlehen Nr. über 2 Mio. DM in monatlichen Raten von 16.167,-- DM, das Darlehen Nr. über 4.500.000,-- DM in monatlichen Raten von 33.750,-- DM zurückzuzahlen. Die Zahlungen sollten mit Hilfe der Miete von 50.000,-- DM monatlich erfolgen, die für das finanzierte Objekt vereinbart war. Den Darlehen liegt die Kreditzusage der Klägerin vom 03.04.1996 zugrunde (Anl. zum Schriftsatz vom 18.01.2001).

Zur Sicherung beider Darlehen wurden zugunsten der Klägerin Grundschulden über insgesamt 6,5 Mio. DM gestellt und im Grundbuch von Ü sowie von I-N eingetragen. Für diese Grundschulden hat die S GmbH am 06.04.1996 gegenüber der Klägerin eine "Zweckerklärung für Grundschulden Sicherung der Geschäftsverbindung" abgegeben, wonach die Grundschulden nebst Zinsen und Nebenleistungen zur Sicherheit für "alle bestehenden und künftigen auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen S GmbH" dienen (Anl. zum Schriftsatz vom 19.12.2000).

Als weitere Sicherheit unterzeichnete der Beklagte am 12.04.1996 eine "Betragsmäßig beschränkte Bürgschaft Sicherung der Geschäftsverbindung" bis zum Betrag von 600.000,-- DM zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen den Hauptschuldner, die S GmbH (Anl. K 2). Die Bürgschaft war befristet bis 30.04.1998. Ihr war eine von der Klägerin erstellte Anlage beigefügt, wonach eine Klinik C Gmb i. Gr. das Objekt von der S GmbH mieten wird und wonach der Beklagte "als Sicherheit für die Erbringung des Mietzinses" gegenüber der Klägerin "gemäß Bürgschaftserklärung die selbstschuldnerische Bürgschaft" übernimmt. Weiter ist bestimmt, daß Tilgungen auf die Darlehen über 6,5 Mio. DM in gleichem Umfang auf die Bürgschaft angerechnet werden.

Zu einem späteren Zeitpunkt begründete die S GmbH bei der Klägerin weitere Verbindlichkeiten, zumindest auf dem Geschäftsgirokonto Nr., die durch weitere Grundschulden auf den genannten Grundstücken über insgesamt 2,3 Mio. gesichert wurden. Die ursprüngliche Zweckerklärung für die Grundschulden wurde durch diejenige vom 29.04.1997/02.05.1997 (Anl. K 9) ersetzt. Durch Vertrag vom 13.04.1996 hat die S GmbH das Objekt mit Wirkung ab 01.04.1996 an die Klinik C zu einer monatlichen Miete von 50.000,-- DM vermietet. In dem vom Beklagten verbürgten Zeitraum vom 01.04.1996 bis 30.04.1998 flossen der Klägerin anstelle der aufgrund des Mietvertrages geschuldeten 1,25 Mio. DM nur 350.000,-- DM Miete zu.

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 27.10.1997 die Kündigung der Kontoüberziehung des Girokontos, da die Pachtzahlungen nicht eingegangen seien; gleichzeitig forderte sie die Hauptschuldnerin zur Rückzahlung der Kontoüberziehung und der beiden Darlehen vom 06.04.1996 auf. Den Beklagten informierte sie hierüber mit Schreiben vom 03.11.1997. Die S GmbH stellte am 30.12.1997 Konkursantrag. Das Konkursverfahren wurde eröffnet. Hierauf kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 26.01.1998 die gesamte Geschäftsverbindung fristlos (Anl. K 4) und forderte den Beklagten mit Schreiben vom 22.04.1998 (Anl. K 5) und vom 21.09.1998 zur Zahlung der Bürgschaftssumme auf. Im Zeitpunkt der Kündigung hatten die beiden Darlehensverträge einen Stand von 6.417.281,45 DM, das Geschäftsgirokonto einen Sollstand von 5.104.807,28 DM.

Der Konkursverwalter veräußerte die Klinikgrundstücke und zahlte Mitte/Ende 1999 den Erlös von 7,7 Mio. DM an die Klägerin, damit diese Pfandfreigabe erklärte. Die Klägerin verrechnete den Veräußerungserlös nicht auf die beiden Darlehen, für die sich der Beklagte verbürgt hat, sondern vorrangig auf andere Verbindlichkeiten der S GmbH.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 450.000,-- DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweils gültigen Diskontsatz/Basiszinssatz seit 16.10.1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die Klägerin hätte den Veräußerungserlös auf die beiden Darlehen anrechnen müssen. Dies hätte dazu geführt, daß die verbürgte Hauptforderung erlischt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 24.10.2000 zugestellte Urteil mit einem am 20.11.2000 beim Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einer am 19.12.2000 eingegangenen Begründung versehen hat.

Die Klägerin trägt im wesentlichen vor, der Beklagte habe sich dafür verbürgt, daß ihr während des Bürgschaftszeitraumes ein Betrag von insgesamt 1,25 Mio. DM zufließe. Tatsächlich seien nur 350.000,-- DM bei ihr eingegangen, sodaß noch der die Bürgschaftssumme von 600.000,-- DM übersteigende Betrag von 900.000,-- DM zur Zahlung offenstehe. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Erlös aus anderen Sicherheiten vorrangig auf den vom Beklagten verbürgten Teil des Kredites zu verrechnen. Auf § 776 BGB könne sich der Beklagte nicht berufen, weil die beiden Grundschulden über 2 Mio. DM und 4,5 Mio. DM nicht nur zur Absicherung der beiden Darlehen vom 06.04.1996 über 6,5 Mio. DM, sondern der Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Klägerin gegen die S GmbH gedient hätten. Der im freihändigen Verkauf erzielte Erlös von 7,7 Mio. DM liege unter dem Haftungsbetrag der beiden Grundschulden i.H.v. 6,5 Mio. DM zuzüglich Zinsen. Selbst wenn der Beklagte eine Teilgrundschuld von 600.000,-- DM nebst Zinsen beanspruchen könnte, stünde der Klägerin ein den Veräußerungserlös von 7,7 Mio. DM übersteigender Betrag zu.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 19.10.2000 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 450.000,-- DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweils gültigen Diskontsatz/Basiszinssatz seit 16.10.1998 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er meint, mit Rücksicht auf den Anhang zur Bürgschaftsurkunde sei die Hauptforderung erloschen. Ein wirksamer Verzicht auf die Einwendungen aus § 776 BGB sei nicht erklärt. Die Pfandfreigabeerklärung der Klägerin wegen der Grundschulden über insgesamt 8,8 Mio. DM sei eine Aufgabe von Sicherheiten i.S.d. Vorschrift gewesen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf ihre im zweiten Rechtszug vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen (weiteren) Anspruch gem. § 765 Abs. 1 BGB aus der Bürgschaft vom 12.04.1996.

1.

Es kann dahinstehen, ob es sich um eine Bürgschaft auf Zeit gem. § 777 BGB handelt oder um eine gegenständlich beschränkte Bürgschaft für Forderungen, die bis zum Fristablauf, dem 30.04.1998, entstanden sind.

Die Klägerin hat nämlich auch im Fall einer Bürgschaft auf Zeit den Beklagten rechtzeitig in Anspruch genommen. Sie hat die Geschäftsbeziehung zur Hauptschuldnerin, der S GmbH, mit Schreiben vom 26.01.1998 (Anl. K 4) gekündigt. Den Beklagten hat sie mit Schreiben vom 22.04.1998 (Anl. K 5) als Bürgen in Anspruch genommen.

2. Anlaß der Bürgschaft sind die beiden Darlehen der Klägerin an die S GmbH vom 06.04.1996 mit den Darlehensnummern und. Daß die Bürgschaft der Sicherung weiterer Darlehen dient, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht vorgetragen. Die Beschränkung der Bürgschaft auf diese beiden Darlehen ergibt sich auch aus der Kreditzusage der Klägerin vom 03.04.1996 (Anlage zum Schriftsatz vom 18.01.2001), in welcher der Finanzierungsbetrag von 6,5 Mio. DM und seine vorgesehene Verwendung dargestellt sind und in der auf S. 1 am Ende ausdrücklich hervorgehoben wird, daß eine Erhöhung des Finanzierungsvolumens nicht in Betracht kommt. Darüberhinaus haben die Parteien die formularmäßige "Betragsmäßig beschränkte Bürgschaft Sicherung der Geschäftsverbindung" (Anl. K 2) mit einer Anlage (Anl. K 3) versehen, auf die in der formularmäßigen Bürgschaftsurkunde ausdrücklich Bezug genommen ist und die der Beklagte am selben Tag unterzeichnet hat wie die Bürgschaftsurkunde selbst. Danach übernimmt der Beklagte die Bürgschaft "als Sicherheit für die Erbringung des Mietzinses" aus einem Mietvertrag zwischen der Hauptschuldnerin und "Die Klinik C GmbH i.Gr.". Bereits zuvor hatte der Beklagte am 04.03.1996 in einem mit "Willenserklärung" überschriebenen Schriftstück (Anl. K 1) seine Bereitschaft zur Übernahme der Bürgschaft gezeigt mit dem Zusatz "das entspricht einer Jahresmiete". Die Klägerin ihrerseits hat in ihrer Kreditzusage vom 03.04.1996 die Bürgschaft als "Mietbürgschaft" bezeichnet. Da als Hauptschuldnerin in der Bürgschaftsurkunde die S GmbH angegeben ist, sind diese Schriftstücke dahin auszulegen, daß sich der Beklagte dafür verbürgt hat, daß der Klägerin Zahlungen i.H. der Mietzinsforderung der S , d.h. i.H.v. monatlich 50.000,-- DM, zufließen. Hätte sich der Beklagte für die Mietzinsforderung selbst verbürgt, wäre Hauptschuldnerin die Klinik C GmbH gewesen.

Allein durch die unstreitig auf beide Darlehen insgesamt bezahlten 350.000,-- DM ist die Bürgschaft des Beklagen jedenfalls nicht in vollem Umfang erloschen.

3.

Der Beklagte beruft sich zu Recht auf § 776 BGB. Die formularmäßig geregelte Befugnis der Klägerin (Nr. 5 Abs. 3 der Bürgschaft), den Erlös von Sicherheiten und Zahlungen des Hauptschuldners oder anderer Verpflichteter zunächst auf den den Bürgschaftsbetrag übersteigenden Teil ihrer Forderungen zu verrechnen und die Regelung, wonach der Bürge keine Rechte aus der Art oder dem Zeitpunkt der Verwertung oder der Aufgabe anderweitiger Sicherheiten herleiten kann (Nr. 2 Satz 4 der Bürgschaft) sind gem. § 9 AGBG unwirksam soweit sie einen formularmäßigen generellen Verzicht auf die Rechte aus § 776 BGB enthalten (BGH WM 2000, 764; BGH WM 2000, 1141). Die Klägerin stützt ihr Sicherungsrecht nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern auf die in der Bürgschaft vom 12.04.1996 enthaltene gesonderte Sicherungsvereinbarung. Es ist deshalb zu unterscheiden, ob anderweitige Sicherheiten der Bank bei Bürgschaftsübernahme oder zu einem späteren Zeitpunkt ausschließlich die verbürgte Hauptschuld absicherten oder ob sie von vornherein auch zur Sicherung anderer Ansprüche der Bank dienten. Im ersten Fall hätte der Beklagte bei einer Befriedigung der Klägerin die zusätzlichen Sicherheiten für sich verwerten dürfen. Sofern der Sicherungszweck derjenigen Rechte, die - neben der Bürgschaft - zunächst allein die Hauptforderung absicherten, später durch Vereinbarung zwischen Klägerin und Hauptschuldner ohne wirksame Zustimmung des Beklagten auf andere Ansprüche der Klägerin ausgedehnt und der Verwertungserlös für diese nicht von der Bürgschaft abgedeckten Ansprüche verwendet wurde, läge darin eine Aufgabe dieser Rechte i.S.v. § 776 BGB.

Im zweiten Fall dienten dagegen die zusätzlichen Sicherungsrechte bereits bei Übernahme der Bürgschaft oder - im Fall einer nachträglichen Begründung zu diesem späteren Zeitpunkt - zugleich der Absicherung anderer Ansprüche. Dann mußte der Beklagte beim Fehlen besonderer Absprachen damit rechnen, daß der Erlös aus der Verwertung dieser Rechte zur Erfüllung der anderen Ansprüche verwendet würde. In dieser Verwendung wäre dann eine Aufgabe derartiger, von Anfang an mehrfach sichernder Rechte nicht zu sehen. Vielmehr wäre es der Entscheidung der Bank als Gläubigerin überlassen, auf welche Forderungen sie die Erlöse aus der Verwertung solcher Sicherheiten verrechnet. Die beiden Grundschulden, die im Zusammenhang mit den beiden Darlehen vom 06.04.1996 bestellt wurden, dienten nach der Zweckerklärung vom 03.04.1996 (Anl. zum Schriftsatz vom 19.12.2000) zur Sicherung für "alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen" die S GmbH. Diese Zweckerklärung wurde durch eine neue vom 02.05.1997 (Anl. K 9) dahin geändert, daß auch zwei weitere Grundschulden über 300.000,-- DM und 2 Mio. DM alle bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin gegen die S GmbH sichern. Die weite Zweckerklärung dieser Grundschulden ist im Hinblick auf § 3 AGBG grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil sie von der Sicherungsgeberin, der S GmbH, zur Sicherung eigener Verbindlichkeiten bestellt wurden und Gesichtspunkte, die gegen eine Wirksamkeit sprechen, nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich sind. Gleichwohl sicherten die beiden Grundschulden über 2,5 Mio. DM und 4 Mio. DM ursprünglich, im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme, nur die beiden Kredite, für die sich der Beklagte verbürgt hat. Abzustellen ist insoweit nicht auf die abstrakte Sicherungsmöglichkeit, die diese Grundschulden im Hinblick auf die weite Zweckerklärung von Anfang an geboten haben, sondern auf den tatsächlichen, bei Übernahme der Bürgschaft bestehenden Sicherungszweck. Dies ergibt sich aus dem, auf § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB beruhenden, Verbot der Fremdbestimmung des Bürgen (vgl. BGHZ 143, 95; BGH WM 1999, 2251). Der Beklagte wußte bei Übernahme der Bürgschaft, daß neben den beiden von ihm bis zum Höchstbetrag verbürgten Verbindlichkeiten der S GmbH keine weiteren Verbindlichkeiten bestanden, die Klägerin durch den ausdrücklichen Hinweis in ihrer Kreditzusage vom 03.04.1996 sogar eine Erhöhung des Finanzierungsvolumens ausdrücklich nicht in Betracht gezogen hatte. Der Schutz des Bürgen durch § 776 BGB wäre wirkungslos, wenn aufgrund der weiten Zweckerklärung allein die bereits gegebene abstrakte Möglichkeit der Hauptschuldnerin, die Grundschulden mit weiteren Forderungen zu unterlegen, dazu führen würde, daß sich der Bürge nach der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgenommenen Differenzierung auf seine Rechte aus § 776 BGB nicht mehr berufen könnte.

Die Klägerin hat den Erlös aus der Veräußerung der Klinik i.H.v. 7,7 Mio. DM zunächst auf ihre vom Beklagten nicht verbürgte Forderung aus dem Geschäftsgirokonto verrechnet und erst danach auf die beiden Darlehen vom 06.04.1996.

Eine Aufgabenhandlung i.S.d. § 776 BGB liegt auch in der Verrechnung dieses anstelle einer Verwertung erzielten Erlöses auf eine von der Bürgschaft nicht erfaßte Verbindlichkeit des Hauptschuldners (Staudinger/Horn, BGB, 13. Bearb., § 776, Rn. 11). Im Zusammenhang mit der Veräußerung der Klinik und der damit verbundenen Freigabe der beiden Grundschulden über 2,5 Mio. DM und 4 Mio. DM hat der Beklagte eine Ersatzmöglichkeit verloren.

Ein Ausschluß des Rückgriffanspruchs des Beklagten durch Vereinbarung oder aus dem Innenverhältnis mit der Hauptschuldnerin oder einem Dritten ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Kann der Bürge den Gläubiger - wie hier im Hinblick auf den Höchstbetrag der Bürgschaft - nur teilweise befriedigen, geht insoweit die Hauptforderung nebst Zinsen auf ihn über. Der beim Gläubiger verbleibende Teil der Forderung nebst Zinsen hat wegen des Benachteiligungsverbotes des § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich Vorrang (BGHZ 92, 374; BGHZ 110, 41). Diese Vorschrift enthält dispositives Recht, wobei die Vereinbarung zwischen Bürge, dem Beklagten, und Gläubiger, der Klägerin, getroffen sein muß (Staudinger, a.a.O., § 774, Rn. 32). Eine solche Vereinbarung haben die Parteien in der Anlage zur Bürgschaftserklärung (Anl. K 3) getroffen. Dies ergibt die Auslegung der Anlage mit Rücksicht auf ihren Inhalt und ihre Entstehungsgeschichte. Der Beklagte hatte zunächst, als sich bei der Hauptschuldnerin weiterer Bedarf an Sicherheiten abzeichnete, die mit "Willenserklärung" überschriebene Erklärung vom 04.03.1996 (Anl. K 1) abgegeben. Danach erklärte er sich bereit, eine Bürgschaft i.H.v. 600.000,-- DM zu übernehmen mit dem Zusatz: "Das entspricht einer Jahresmiete". Bereits in dieser knapp gehaltenen Erklärung wird angedeutet, daß der Beklagte seine Haftung beschränkt wissen will auf den Betrag, der innerhalb eines Jahres der Klägerin als Kapitaldienst zufließt. Die ihm daraufhin vorgelegte formularmäßige "Betragsmäßig beschränkte Bürgschaft Sicherung der Geschäftsverbindung" (Anl. K 2) hat der Beklagte zurückgewiesen und auf der ergänzenden Regelung bestanden, wie sie in der Anlage zur Bürgschaftserklärung (Anl. K 3) enthalten ist. Danach übernimmt der Beklagte die Bürgschaft "als Sicherheit für die Erbringung des Mietzinses". Außerdem ist der Satz eingefügt: "Tilgungen auf die Darlehen über 6,5 Mio. DM werden in gleichem Umfang auf die Bürgschaft angerechnet."

Der Begriff Tilgung ist dabei entgegen dem sonst gebräuchlichen Wortsinn nicht nur als die eigentliche Beseitigung der Schuld durch Zurückzahlen auszulegen. Aufgrund der Verknüpfung des Wortes Tilgung mit dem vorstehenden Text der Anlage, der zunächst die Parteien des Mietvertrages und die gemieteten Objekte beschreibt, sodann die Bürgschaft als "Sicherheit für die Erbringung des Mietzinses" deklariert, ist unter Tilgung der gesamte aus den Mietzahlungen erbrachte Kapitaldienst zu verstehen. Dies hat zur Folge, daß die unstreitig an die Klägerin abgeführten Mietzahlungen von 350.000,-- DM in vollem Umfang auf die Bürgschaftssumme anzurechnen sind. Darüberhinaus sollen nach dem Wortlaut des eingefügten Satzes Tilgungen jeder Art, die auf die beiden Darlehen erbracht werden, in gleichem Umfang auf die Bürgschaft angerechnet werden. Darin liegt zum einen die Verpflichtung der Klägerin, den Beklagten zusätzlich in dem Umfang zu entlasten, in dem die beiden Darlehen durch anderweitige Tilgung zurückgeführt werden. Ausgehend vom Höchstbetrag der Bürgschaft von 600.000,--DM, den anzurechnenden Zahlungen von 350.000,-- DM und der Anrechnung des titulierten und inzwischen bezahlten Betrages von 150.000,-- DM sind sonach höchstens noch 100.000,-- DM offen. Diesen Betrag kann die Klägerin jedoch mit Rücksicht auf § 776 BGB nicht beanspruchen. Die §§ 776, 774 BGB sollen dem Gedanken Rechnung tragen, daß der Bürge nicht der primäre Schuldner ist und daß er, der mit seinem gesamten Vermögen für die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus der Bürgschaft einzustehen hat, in besonderer Weise schützenswert ist. Deshalb soll der Bürge, der den Gläubiger befriedigt hat, in dessen Rechtsstellung - und zwar - in jeder Hinsicht - einrücken, um sich nach Möglichkeit beim Hauptschuldner oder einem Dritten, der die Hauptschuld neben dem Bürgen besichert hat, "erholen" zu können (BGH WM 2000, 764). § 776 BGB befreit den Beklagten deshalb insoweit von seinen Verpflichtungen, als er aus dem aufgegebenen Recht gem. § 774 BGB hätte Ersatz verlangen können, d.h. i.H. des Verwertungserlöses. Die Klägerin hat durch die Veräußerung der Klinik einen Betrag erlöst, der über den beiden vorrangigen, zur Sicherung der beiden Darlehen vom 06.04.1996 bestellten Grundschulden über 2,5 Mio. DM und 4 Mio. DM liegt. Der Beklagte hätte deshalb aus diesen beiden von der Klägerin aufgegebenen Grundschulden im Wege des Rückgriffs Ersatz verlangen können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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