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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 29.05.2001
Aktenzeichen: 1 AR 29/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 14
StPO § 19
StGB § 68ff.
StGB § 462a
StGB § 463
Ein Kompetenzstreit zwischen den Leitern zweier Führungsaufsichtsstellen ist einer Entscheidung weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der §§ 14, 19 StPO zugänglich. Da es sich um eine Justizverwaltungsangelegenheit handelt, kann eine Lösung nur im Rahmen der Dienstaufsicht erfolgen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Beschluss

In dem Strafvollstreckungsverfahren

gegen

wegen Raubes u. a.

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und den Richter am Amtsgericht Pick

am 29. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

Der Senat ist zu einer Entscheidung nicht berufen.

Gründe:

Durch Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 19. März 1998 wurde gegen den Verurteilten wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung auf eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten erkannt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. In Vollstreckung dieses Urteils befand sich der Verurteilte seit dem 14. April 1998 im Maßregelvollzug in der Klinik für Forensische Psychiatrie des Pfalzklinikums in Klingenmünster. Durch Beschluss vom 30. November 2000 ordnete die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz an, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen sei; gleichzeitig wurde der noch nicht erledigte Rest der Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt sowie für die Dauer der von Gesetzes wegen eintretenden Führungsaufsicht die Unterstellung unter die Bewährungsaufsicht angeordnet. Der Verurteilte befand sich in der Zeit vom 18. Dezember 2000 bis 9. Januar 2001 in der JVA Kaiserslautern, seit dem 10. Januar 2001 sitzt er in der JVA Zweibrücken ein, Endstrafentermin ist auf den 22. September 2001 notiert. Der Verurteilte ist ohne festen Wohnsitz, hat aber angekündigt, nach seiner Haftentlassung "wieder im Raum Landau" anzusiedeln. Die Leiter der Führungsaufsichtsstellen bei den Landgerichten Landau in der Pfalz und Kaiserslautern - zugleich Vorsitzende einer Strafvollstreckungskammer - haben es unter Hinweis auf ihre jeweilige örtliche Unzuständigkeit abgelehnt, die Führungsaufsicht zu übernehmen und den Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts angerufen.

Die Überprüfung ergibt, dass in vorliegendem Kompetenzkonflikt keine Entscheidungszuständigkeit des Senats besteht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme u. a. Folgendes ausgeführt:

"(...) Zur Lösung der Zuständigkeitsstreites ist das Pfälzische Oberlandesgericht weder nach § 14 StPO noch nach § 19 StPO befugt. Beide Vorschriften setzen einen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten voraus. Beide Führungsaufsichtsstellen sind jedoch keine Gerichte. Sie gehören zum Geschäftsbereich der Landesjustizverwaltungen (Art. 295 Abs. 1 EGStGB) und sind - je nach Bundesland - entweder bei den Landgerichten oder den Staatsanwaltschaften angesiedelt (vgl. hierzu Schöch, NStZ 1992, 364, 371; Piller/Hermann, "Verwaltungsvorschriften" Nr. 2 g). In Rheinland-Pfalz ist die Führungsaufsichtstelle dem Sozialdienst der Justiz angegliedert und dort bei den Landgerichten eingerichtet (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Landesgesetz über den Sozialdienst der Justiz - GVBl. 2000, 400). Auch sachlich üben die Führungsaufsichtsstellen keine richterliche Tätigkeit aus. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, im Einvernehmen und mit Unterstützung des Bewährungshelfers dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite zu stehen und sein Verhalten zu überwachen (§ 68a StGB, 463a StPO). Mit Ausnahme der Anordnung, dass der Verurteilte zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen ausgeschrieben werden kann (§ 463 a Abs. 2 StPO), trifft die Führungsaufsichtsstelle keine, die Rechte des Verurteilten unmittelbar berührenden Entscheidungen. Solche Entscheidungen sind vielmehr ausschließlich der Strafvollstreckungskammer bzw. dem erstinstanzlichen Gericht vorbehalten (§§ 68a ff. StGB, 463 Abs. 6, 462a Abs. 1 und 2 StPO).

Auch eine analoge Anwendung der genannten Bestimmungen kommt nicht in Betracht. Hierfür könnte allerdings der Umstand sprechen, dass die örtliche Zuständigkeit der Aufsichtsstelle gesetzlich ausdrücklich geregelt ist (463a Abs. 3 StPO) und sonst im Strafverfahren einschließlich des Vollstreckungsverfahrens Kompetenzkonflikte (zwischen Gerichten) nach den §§ 14 und 19 StPO entschieden werden. Für eine Analogie ist aber nur Raum, wenn bei Bestehen einer Regelungslücke der zu entscheidende Fall von dem gesetzlichen Normalfall nur unwesentlich abweicht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. A., Einl Rdnr. 198; OLG Hamm MDR 1970, 1030). Hierfür müsste die Führungsaufsichtsstelle wenigstens richterähnliche Aufgaben wahrnehmen. Das ist aus den oben dargelegten Gründen jedoch nicht der Fall; die Tätigkeit der Aufsichtsstelle ist eher vergleichbar mit der eines Bewährungshelfers (vgl. hierzu Hanack, LK,11. A., Rdnr. 7ff. zu § 68a StGB). Hinzu kommt, dass bei Zuständigkeitskonflikten mit Aufsichtsstellen, die bei den Staatsanwaltschaften angesiedelt sind, ein Gericht auch in deren Zuständigkeitsbereich eingreifen müsste. Schließlich fehlt es angesichts der von der Aufsichtsstelle wahrzunehmenden Aufgaben an dem Bedürfnis für eine Zuständigkeitsbestimmung, die so etwas wie den gesetzlichen Richter sichern soll. Im Übrigen besteht keine echte Regelungslücke. Die Führungsaufsichtsstellen unterstehen der Dienstaufsicht entweder der Präsidenten der Landgerichte oder der Leiter der Staatsanwaltschaften. In Rheinland-Pfalz nimmt diese Aufgabe der Präsident des jeweiligen Landgerichts wahr (§ 1 Abs. 3 Landesgesetz über den Sozialdienst der Justiz). (...)"

Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend, dass eine Beilegung des vorliegenden Kompetenzstreits durch eine Absprache bzw. Einigung der Präsidenten der Landgerichte Kaiserslautern und Landau in der Pfalz in ihrer Funktion als unmittelbare Dienstvorgesetzte der Leiter der Führungsaufsichtsstellen erfolgen könnte. Obwohl es sich bei den Leitern der beiden Führungsaufsichtsstellen jeweils zugleich um die Vorsitzenden einer Strafvollstreckungskammer handelt, läge ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit aus den genannten Gründen dadurch ebenso wenig vor wie ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Sollte eine Einigung nicht erzielt werden können, wäre der Präsident des Pfälzischen Oberlandesgerichts als (gemeinsamer) Dienstvorgesetzter zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen.

Ende der Entscheidung

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