Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 02.03.2000
Aktenzeichen: 1 HPL 6/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 121
StPO § 122
Zu den Voraussetzungen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Beschleunigung in Haftsachen (2 Entscheidungen)
1 HPL 6/00 4001 Js 7379/99 StA Zweibrücken

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss

In dem Strafverfahren gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung

hier: besondere Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und den Richter am Landgericht Wolpert

am 2. März 2000

beschlossen:

Tenor:

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Zweibrücken vom 16. Juli 1999 gegen den Angeklagten C W P (Gs 730/99) wird aufgehoben.

Gründe:

Der Angeklagte ist in dieser Sache am 1. September 1999 festgenommen worden. Er befindet sich seitdem aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Zweibrücken vom 16. Juli 1999 (Gs 730/99) in Untersuchungshaft.

Die 1. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken hält die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich. Sie hat deshalb die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht am 28. Februar 2000 zur Entscheidung über den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft vorgelegt 122 Abs. 1 StPO).

Der Haftbefehl ist aufzuheben, weil die Fortdauer der Untersuchungshaft bei Beachtung des Anspruchs des inhaftierten Angeklagten auf eine beschleunigte Aburteilung nicht mehr nach § 121 Abs.1 StPO gerechtfertigt ist. Nach dieser Vorschrift darf der Vollzug der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nur andauern, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen bzw. ein anderer wichtiger Grund ein Urteil noch nicht zugelassen haben. Diese Bedingungen sind vorliegend nicht erfüllt. Das Verfahren ist nicht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung gefördert worden, insbesondere stellt die in der Hauptverhandlung vom 25. November 1999 erfolgte Verweisung vom Amts- an das Landgericht im vorliegenden Fall keinen wichtigen Grund im Sinne des § 121 Abs.1 StPO dar.

Durch die Anklage zum Schöffengericht ist eine Verzögerung eingetreten, die vermeidbar gewesen wäre, wenn sogleich Anklage zum sachlich zuständigen Landgericht erhoben worden wäre. Die angeklagte Tat betrifft, da Messer als Drohmittel eingesetzt wurden (BGH NStZ 1998, 511), ein Verbrechen der schweren räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 249 250 Abs.2 Nr.1, 25 Abs.2 StGB.

Bei Anwendung des Regelstrafrahmens des § 250 Abs.2 StGB ist eine die Strafgewalt des Amtsgerichts übersteigende Mindeststrafe von 5 Jahren angedroht. Für die Annahme eines minder schweren Falles oder auch nur einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 StGB wird in der Anklageschrift kein Hinweis gegeben.

Auch objektiv fehlte es sowohl zum Zeitpunkt der Anklageerhebung, wie auch später an einer Wahrscheinlichkeit, daß nach durchgeführter Hauptverhandlung voraussichtlich ein minder schwerer Fall anzunehmen wäre.

Konkrete Anhaltspunkte für eine im Rahmen der §§ 21 oder gar 20 StGB erhebliche Alkoholisierung oder einen sonstigen Rauschzustand des zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch machenden Angeklagten P waren weder den Angaben des Mitangeklagten B, noch denen der weiteren Beschuldigten R und B zu entnehmen.

Angesichts der mehrfachen, im weiteren Sinn einschlägigen Vorbelastungen und des Umstandes, daß der Angeklagte zur Tatzeit nach Aussetzung einer Restjugendstrafe unter Bewährung stand, mußte die Annahme eines minder schweren Falles und damit eine zumindest theoretisch mögliche ausreichende Strafgewalt des Amtsgerichts in höchstem Maße fraglich erscheinen.

Bereits die Anklageerhebung zum Amtsgericht und die Eröffnung vor dem Schöffengericht sind unter diesen Umständen nicht verständlich; es wäre von Anfang an geboten gewesen, Anklage zum Landgericht zu erheben. Die durch die Anklage zu einem von Anfang an erkennbar unzuständigen Gericht eingetretene Verfahrensverzögerung hindert die Annahme eines wichtigen Grundes im Sinne des § 121 StPO (vgl. BVerfG StV 1992, 522; Senatsbeschlüsse vom 23. März 1998 - 1 BL 17/98 - und 26. März 1999 - 1 HPL 7/99), zumal im vorliegenden Fall eine weitere Verzögerung dadurch eingetreten ist, daß das Landgericht wegen bereits anderweit terminierter Verfahren erst am 28. März und 4. April 1999 die Hauptverhandlung durchführen kann.

Ende der Entscheidung

Zurück