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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 24.11.2000
Aktenzeichen: 1 Ss 165/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 329 Abs. 1
StPO § 244 Abs. 2
StPO § 244 Abs. 3
StPO § 244 Abs. 6
Die Voraussetzungen für ein Verwerfungsurteil wegen unentschuldigter Abwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung werden im Freibeweisverfahren festgestellt. Ein Beweisantrag muss deshalb nicht gemäß § 244 Abs. 3 und 6 StPO verbeschieden werden, ist jedoch Anregung für die gerichtliche Aufklärung gemäß Abs. 2 der Vorschrift. Auch die Verletzung der Aufklärungspflicht im Freibeweisverfahren kann mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ss 165/00 5365 Js 27097/98 StA Frankenthal

In dem Strafverfahren gegen

wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

hier: Revision

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen OOberlandesgerichts Zweibrücke durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten

am 24. November 2000

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 4. (Kleinen) Strafkammer vom 16. Mai 2000 wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung und der Gegenerklärung des Verteidigers (ohne Datum) hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§§ 349 Abs. 2, Abs. 3, 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten (ohne Bewährung) verurteilt. Gegen diese Entscheidung hat der Angeklagte Berufung eingelegt, ist jedoch der Berufungshauptverhandlung ferngeblieben, nachdem er am Vortag mitgeteilt hatte, dass er erkrankt sei. Mangels genügender Entschuldigung für diese Säumnis hat das Gericht die Berufung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen. Dagegen richtet sich die Revision mit, der Sach- und Verfahrensrüge.

Allein die als Aufklärungsrüge erhobene formelle Beanstandung gibt Veranlassung zu folgender Ausführung:

Der Rügebegründung ist zu entnehmen, dass eine Verletzung der gebotenen Amtsaufklärung darin gesehen wird, dass der Vorsitzende zwar zunächst versucht hat, den behandelnden Hausarzt des Angeklagten wegen der im Termin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung telefonisch zu befragen, nachdem der Verteidiger dessen Vernehmung als Zeugen beantragt hatte, sich dann jedoch mit einer Auskunft einer in dessen Praxis beschäftigten Arzthelferin begnügt hat. Zwar war das Gericht nicht gehalten, den Vernehmungsantrag als Beweisantrag gemäß § 244 Abs. 3, Abs. 6 StPO zu behandeln. Denn die unter Beweis gestellte Tatsache, die Erkrankung des Angeklagten in einem Ausmaß, das seine Verhandlungsunfähigkeit begründet hätte, bezieht sich nicht auf die Tat- und Schuldfrage, sondern auf eine Verfahrensvoraussetzung, die nicht im Streng-, sondern im Freibeweisverfahren festzustellen ist. Für die Beweistatsachen des Freibeweisverfahrens gilt deshalb zwar nicht das förmliche Beweisrecht nach § 244 Abs. 3 ff StPO, jedoch die allgemeine Aufklärungspflicht gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift (vgl. BVerfG NJW 1986, 767, 768; OLG Frankfurt NJW 1983, 1208, 1209; Senatsbeschluss vom 21. Juli 1998 - 1 Ss 167/98 -; Löwe/Rosenberg-Gollwitzer, StPO 25. Aufl. § 244 Rn 7). Das Berufungsgericht durfte deshalb den gestellten Beweisantrag als bloße Anregung zur Aufklärung der Beweisfrage behandeln und ohne Einschränkung durch die für den Strengbeweis geltenden Grundsätze formlos auf alle Erkenntnisquellen zurückgreifen, musste dies jedoch auch zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufklärungspflicht tun, soweit sich solche Aufklärung ohne weiteres angeboten hat.

Durch telefonische Nachfrage beim behandelnden Arzt des Angeklagten war das Gericht bemüht, dieser Verpflichtung nachzukommen, und hat durch dieses Bemühen zugleich sein Aufklärungsermessen konkretisiert. Ein Verzicht auf diesen für erforderlich gehaltenen Freibeweis der Arztbefragung wäre nunmehr lediglich zulässig gewesen, wenn sich ein gleichwertiges Beweismittel angeboten oder die beabsichtigte Aufklärung nicht möglich gewesen wäre. Die befragte Arzthelferin ist zweifellos nicht in der Lage gewesen, den Arzt als sachverständigen Zeugen gleichwertig zu ersetzen. Auch bestehen Zweifel, ob dessen vorübergehende Abwesenheit bereits den Aufklärungsverzicht rechtfertigen kann; es bietet sich an, insoweit die Grundsätze der Unerreichbarkeit des Beweismittels im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO anzuwenden.

Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da es der Angeklagte versäumt hat, den beanstandeten Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht in der gebotenen Weise zu rügen. Dies hätte in Form der prozessualen Aufklärungsrüge, also u.a. auch unter Darlegung des Ergebnisses der unterbliebenen Beweiserhebung geschehen müssen. Dazu ist in der Rügebegründung lediglich ausgeführt, das Gericht wäre bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Abwesenheit des Angeklagten genügend entschuldigt gewesen sei. Dies stellt jedoch auf die rechtliche Folge eines etwaigen Beweisergebnisses ab und genügt nicht den formalen Anforderungen an die Substantiierung der Aufklärungsrüge. Deshalb führt diese Rüge nicht zum Erfolg.

Ende der Entscheidung

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