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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 14.12.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 227/01
Rechtsgebiete: StGB, FEVG, GG


Vorschriften:

StGB § 113 Abs. 3
FEVG § 1
FEVG § 3
FEVG § 5
FEVG § 11
GG Art. 2 Abs. 2
GG Art. 104 Abs. 2
Von der Ausländerbehörde veranlasste, auf die Anordnung von Abschiebehaft gerichtete Zwangsmaßnahmen bedürfen der vorherigen richterlichen Anordnung, deren Vorhandensein zu prüfen auch der aufgrund eines Vollzugshilfeersuchens der Ausländerbehörde mit der Durchführung der Zwangsmaßnahme befasste Polizeibeamte eigenverantwortlich verpflichtet bleibt.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 1 Ss 227/01

In dem Strafverfahren gegen

wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte u.a. hier: Revision

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken in der Sitzung vom 14. Dezember 2001,

an der teilgenommen haben:

Der Vizepräsident des Oberlandesgerichts Dr. Ohler

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 3. (Kleinen) Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 4. Juli 2001 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten darin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungs- beamte in Tateinheit mit Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte togoischer Staatsangehöriger, der als Asylsuchender in die Bundesrepublik Deutschland kam. Er lebt bereits seit vielen Jahren zusammen mit seiner Ehefrau und einem gemeinsamen Kind in Pirmasens in der Blumenstraße 12. Er ist nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet. Einer Aufforderung der Ausländerbehörde, bis zum 15. Januar 1998 auszureisen, kam er nicht nach. Die Ausländerbehörde wandte sich deshalb mit einem "Ersuchen um vorläufige Festnahme" an die Polizei. Sie bat unter Angabe der Wohnanschrift des Angeklagten darum, diesen in den frühen Morgenstunden des 16. Januar 1998 vorläufig festzunehmen; anschließend werde Antrag auf Abschiebehaft gestellt. Dementsprechend fuhren Polizeibeamte der Schutzpolizeiinspektion Pirmasens am 16. Januar 1998 gegen 7.00 Uhr zur Wohnung des Angeklagten. Durch die verschlossene Wohnungstür hindurch forderten sie den Angeklagten auf, freiwillig mitzukommen, da er dem Haftrichter zum Zwecke der Abschiebung vorzuführen sei. Da der Angeklagte sich weigerte, drangen die Polizeibeamten gewaltsam in die Wohnung ein. Sie entdeckten den Angeklagten im Schlafzimmer, wohin er sich geflüchtet und die Tür verschlossen hatte. Sie traten die Schlafzimmertür ein, um den Angeklagten festzunehmen. Dem widersetzte sich der Angeklagte mit Schlägen und Tritten. Durch die Tritte erlitt der Polizeibeamte M. Hämatome am Bein, der Polizeibeamte R. eine schmerzhafte Prellung an der rechten Hand. Der Angeklagte, der schließlich gefesselt werden konnte, trug Verletzungen am Kopf davon.

Ihr Vorgehen gegen den Angeklagten haben die Polizeibeamten allein mit dem Vollzugshilfeersuchen der Ausländerbehörde gerechtfertigt. Eine Durchsuchungs-, Vorführungs- oder Haftanordnung lag nicht vor.

Nach Vorführung des Angeklagten ordnete das Amtsgericht Pirmasens die Abschiebehaft an. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wurde die Haftanordnung aufgehoben und der Angeklagte am 20. Januar 1998 entlassen.

Die Strafkammer hat die Tatbestände des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ( § 113 Abs. 1 StGB ) und der Körperverletzung ( § 223 StGB) für erfüllt erachtet. Sie hielt das Eindringen der Polizeibeamten in die Wohnung des Angeklagten zum Zwecke seiner Festnahme jedoch für rechtswidrig und die vom Angeklagten hier- gegen geleistete Gegenwehr für gerechtfertigt, weshalb sie den Angeklagten freigesprochen hat.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand.

1.

Nach § 113 Abs. 3 StGB ist eine Tat dann nicht wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte strafbar, wenn die vorgenommene Diensthandlung nicht rechtmäßig war. Die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung beurteilt sich dabei vorrangig nach strafrechtlichen Bedingungen, so dass es grundsätzlich nicht auf die sachliche Richtigkeit der Amtshandlung, sondern nur auf ihre formale Rechtmäßigkeit ankommt. Rechtswidrig ist eine Maßnahme deshalb nur dann, wenn der Beamte die wesentlichen Förmlichkeiten nicht eingehalten hat, oder seine Diensthandlung deshalb nicht vertretbar erscheint, weil er sich nicht in verantwortungsbewußter Weise um die Wahrung eines Beurteilungs- oder Ermessensspielraums bemüht hat (vgl. BGHSt 4, 161, 164; 21, 334, 363; KG GA 1975, 213; BayObLGSt 54, 59; NJW 1955, 1088; JZ 1980, 109).

Danach waren die gegen den Angeklagten ergriffenen Zwangsmaßnahmen rechts- widrig. Mit der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten und dessen vorläufiger Festnahme haben die Polizeibeamten in die nach Art. 2, 13 GG garantierten Freiheitsrechte des Angeklagten eingegriffen. Sie haben dabei den nach Art. 13 Abs. 2, 104 Abs. 2 GG zu beachtenden Richtervorbehalt unberücksichtigt gelassen und damit eine wesentliche Verfahrensförmlichkeit verletzt.

Die Voraussetzungen unter denen Zwangsmaßnahmen zur Durchführung von Abschiebungshaft ergriffen werden dürfen, bestimmen sich nach § 57 AuslG; §§ 1, 3, 5, 11 FEVG; Art 2 Abs. 2, 13 Abs. 1, 2, 104 Abs. 1, 2 GG.

Danach bedarf jede von der zuständigen Ausländerbehörde veranlasste, mit der Abschiebung in Zusammenhang stehende auf Freiheitsentziehung gerichtete Zwangsmaßnahme einer vorherigen richterlichen Anordnung. Dem entsprechend besteht für die Ausländerbehörde auch keine Ermächtigung, einen Ausländer zur Vorführung vor den Abschiebungshaftrichter festzunehmen. Ein Bedürfnis für eine Sicherung der Abschiebung durch vorläufigen Verwaltungs- oder Polizeigewahrsam hat der Gesetzgeber seit der Aufhebung der Ausländerpolizeiverordnung vom 22. August 1938 (RGBl I, S. 1053) durch § 55 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1965 verneint und die Ausländerbehörden auf das Verfahren der vorherigen richterlichen Entscheidung verwiesen. In Eilfällen kann dies die richterliche Anordnung einer einstweiligen Freiheitsentziehung nach § 11 FEVG sein (vgl. BverwGE 62, 317; BverwG NJW 1982, 536; BGH NJW 1993, 369; OLG Frankfurt Inf AuslR 1997, 313; 1995, 361; BVerfG Inf AuslR 1996, 198; Marschner / Volckart , FEVG, 4. Aufl., F § 11 Rn. 2, 13 Rn. 2; Renner, Ausländerrecht 7. Aufl., § 57 Rn. 4). Unter welchen Voraussetzungen in diesem Zusammenhang das Betreten und die Durchsuchung der Wohnung eines ausreisepflichtigen Ausländers zulässig ist, ist nicht ausdrücklich geregelt. Eine entsprechende Regelung ist aber auch entbehrlich, weil es zur Ergreifung des Ausländers ohnehin einer vorherigen richterlichen Vorführungs- oder Haftanordnung bedarf, die dann auch in der Wohnung des Betroffenen vollzogen werden kann. Insoweit sind in den entsprechenden Anordnungen zugleich richterliche Durch- suchungsanordnungen zu sehen, die polizeiliche Durchsuchungsmaßnahmen rechtfertigen (vgl. BVerfGE16, 231, 239; BVerfG NJW 1981, 2111).

Die Durchsuchung der Wohnräume und die Festnahme des Angeklagten hätte deshalb nur auf der Grundlage einer entsprechenden richterlichen Anordnung erfolgen dürfen, von deren Vorliegen die Polizeibeamten sich hätten überzeugen müssen. Aufgrund des Vollzugshilfeersuchens der Ausländerbehörde durften sie ohne Prüfung nur vom ausländerrechlichen Status des Angeklagten und seiner Ausreise- verpflichtung ausgehen. In eigener Verantwortung zu prüfen blieben die (formellen) Voraussetzungen der von ihnen ergriffenen Zwangsmaßnahmen, zu denen insbesondere die Beachtung des Richtervorbehalts gehört. Gerade die Richter- eigenschaft des die Durchsuchung, die Vorführung oder die Haft Anordnenden ist es, die, wie sich aus Art. 13 Abs. 2, 104 Abs. 2 GG ergibt, als wesentliche Förmlichkeit für die Rechtmäßigkeit des Vorgehens unabdingbar ist und deren Beachtung zum Schutz des Betroffenen die Gewähr für ein gesetzmäßiges Vorgehen bietet. Mit dem Ergreifen von Zwangsmaßnahmen sind regelmäßig schwerwiegende, über den eigentlich zu vollziehenden Hoheitsakt hinausgehende Eingriffe in die Rechte des Betroffenen verbunden, die ihrerseits der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts schließt deshalb nicht ohne weiteres die Befugnis zu dessen zwangsweiser Durchsetzung ein, weshalb der mit dem Vollzug beauftragte Amtsträger in eigener Verantwortlichkeit zur Überprüfung der formellen Vollstreckungsvoraussetzungen verpflichtet bleibt. Dem tragen auch § 96 Abs. 2 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG), §§ 5 Abs. 4 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) Rheinland Pfalz Rechnung, wonach derjenige, der Vollzugshilfe leistet, für die "Art und Weise der Durchführung" verantwortlich bleibt. Zugleich bestimmt § 98 Abs.1 POG, dass sofern das Vollzugshilfeersuchen eine Freiheitsentziehung zum Gegenstand hat, dem Ersuchen um Vollzugshilfe die entsprechende richterliche Entscheidung beizufügen ist. Dies haben die Polizei- beamten nicht bedacht. Nach den Feststellungen des Urteils (S. 6, 7) haben sie das Festnahmeersuchen der Ausländerbehörde vielmehr "wie einen Haftbefehl angesehen" und deshalb "überhaupt nicht in Erwägung gezogen", dass für das gewaltsame Eindringen in die Wohnung des Angeklagten und dessen Festnahme eine richterliche Anordnung erforderlich sein könnte. Damit haben sie eigen- verantwortlich weder die Einhaltung der wesentlichen Förmlichkeiten geprüft, noch haben sie eine eigenständige pflichtgemäße Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen im übrigen vorgenommen.

Die ergriffenen Zwangsmaßnahmen waren auch nicht, wie die Revisionsführerin meint, nach den allgemeinen polizeirechtlichen Bestimmungen des Landes gerechtfertigt.

Die landesrechtlichen Bestimmungen finden neben den bundesrechtlichen Vorschriften des Ausländerrechts und des FEVG keine Anwendung, wenn die freiheitsentziehenden Maßnahmen - wie hier - ausschließlich auf die Anordnung und Durchführung von Abschiebehaft gerichtet sind. Insoweit enthält das FEVG spezielle bundesgesetzliche Regelungen (vgl. Marschner / Volckart a.a.O., F § 1 Rn. 4, A Rn. 135 ff.), neben denen die landesrechtlichen Bestimmungen zum Polizeigewahrsam nur insoweit anwendbar sind, als die Ingewahrsamnahme einer Person zur Abwehr spezifischer polizeirechtlicher Gefahren erforderlich ist. Dies kann nach § 14 POG beispielsweise zum Schutz einer Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben, zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Straftat oder zur Verhinderung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr der Fall sein, Voraussetzungen, unter denen die gegen den Angeklagten ergriffenen Zwangsmaßnahmen nicht ergangen sind.

Die Festnahme des Angeklagten und seine Vorführung vor den Haftrichter war auch nicht als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs nach §§ 57 POG, 65 LVwVG zulässig. Zwar dürfen nach diesen Bestimmungen die Ausländerbehörden und in ihrem Auftrag die Polizei bei der unmittelbaren Durchführung einer Abschiebung vom letzten inländischen Aufenthaltsort des Ausländers bis zur Staatsgrenze unmittelbaren Zwang anwenden, da es sich hierbei in der Regel nur um eine freiheitsbeschränkende Maßnahme handelt, die als solche nicht dem Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 GG unterliegt. Sie dürfen nach dem geltenden Ausländerrecht aber niemanden in eigener Machtvollkommenheit zum Zwecke der Anordnung von Abschiebehaft in Gewahrsam nehmen. Während mit der Direktabschiebung als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs lediglich die unmittelbare Durchsetzung der Ausreisepflicht bezweckt wird mit der eine eher kurzfristige Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit des Betroffenen verbunden ist, haben die Abschiebehaft und die hierauf gerichteten Zwangsmaßnahmen regelmäßig die längerfristige Unterbringung des Ausländers in einem Haftraum und damit eine Freiheitsentziehung zum Inhalt weshalb es beim Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG verbleibt (vgl. BVerwG a.a.O.).

Die landesrechtlichen Bestimmungen vermögen auch die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten nicht zu rechtfertigen. Auch §§ 20, 21 POG, 9 LVwVG lassen eine Durchsuchung von Wohnraum nur nach vorheriger richterlicher Anordnung oder bei Gefahr im Verzuge zu. Voraussetzungen die hier nicht gegeben sind. Nach den Feststellungen des Urteils durften die Polizeibeamten die richterliche Durchsuchungsanordnung gerade nicht wegen Gefahr im Verzuge für entbehrlich halten, da der ständige Aufenthalt des Angeklagten bekannt war, Anhalspunkte für sein Untertauchen nicht bestanden, und die Einholung der richterlichen Anordnung den mit der Durchsuchung verfolgten Zweck (Festnahme des Angeklagten zur Anordnung von Abschiebehaft) nicht ernsthaft gefährdet hätte. Dies hätten die Beamten bei pflichtgemäßer Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen auch erkannt haben, eine solche aber gar nicht vorgenommen, weil sie das Festnahmeersuchen der Ausländerbehörde in seiner Bedeutung einem Haftbefehl gleich erachteten und "nicht in Erwägung zogen", dass daneben eine richterliche Anordnung hätte erforder- lich sein können. Desweiteren ließe die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung die festgestellte Rechtswidrigkeit der Festname und damit die Rechtswidrigkeit der Diensthandlung im Übrigen unberührt.

Soweit §§ 13 FEVG, 98 Abs. 2 POG bei freiheitsentziehenden Maßnahmen der Verwaltung die nachträgliche Herbeiführung einer richterlichen Anordnung verlangen, kann hieraus nicht die generelle Rechtmäßigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen der Verwaltung für den Fall ihrer unverzüglichen richterlichen Bestätigung hergeleitet werden. Bei beiden Rechtsnormen handelt es sich lediglich um verfahrensrechtliche Vorschriften mittels derer die nachträgliche richterliche Konntrolle in den Fällen sichergestellt werden soll, in denen das materielle Freiheitsentziehungsrecht der richterlichen Anordnung vorausgehende Freiheitsentziehungsmaßnahmen auch tatsächlich erlaubt. Sie selbst sind kein Gesetze i.S.d. Art 104 GG auf deren Grundlage freiheitsentziehende Maßnahmen erfolgen dürfen (vgl. Marschner / Volckart a.a.O. F § 13 Rn. 1, Roos POG Rheinland Pfalz § 98 Rn.1).

Da das Vorgehen der Polizeibeamten somit schon nach seinen formellen Vor- aussetzungen von keiner Eingriffsnorm gedeckt und deshalb rechtswidrig war, entfällt die Strafbarkeit des Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungs- beamte gem. § 113 Abs. 3 StGB.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß die Polizeibeamten möglicherweise von der Rechtmäßigkeit ihrer Amtsausübung überzeugt waren, denn bei einem Irrtum bleibt die Amtsausübung auch dann unrechtmäßig, wenn sie - wie hier - nicht auf der Verkennung tatsächlicher Umstände, sondern nur auf Unkenntnis oder Verkennung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen beruht und der Amtsträger seine Befugnis zum Handeln aus Rechtsgründen für gegeben hielt (vgl. BGHSt 24, 127, 132; Senat VRS 40, 192; KG a.a.O.; LK STGB, § 113 Rn. 34 m. w. Nw. ).

2. Der Angeklagte ist auch nicht wegen Körperverletzung gem. § 223 StGB strafbar. Die fehlende Rechtmäßigkeit der Diensthandlung macht das Vorgehen der Polizei- beamten zu einem rechtswidrigen Angriff, gegen den Notwehr zu üben der Angeklagte berechtigt war (vgl. BGHSt 4, 163; BayObLG NJW 1954, 1377; OLG Celle NdsRpfleger 66, 252; OLG Stuttgart NJW 71, 629; KG GA 75, 213). Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechts- widrigen Angriff abzuwenden (§ 32 StGB). Die Erforderlichkeit bemisst sich dabei grundsätzlich nach der Hartnäckigkeit und der Stärke des Angriffs, den es abzuwehren gilt, und nicht nach dem Wertverhältnis des angegriffenen zum bedrohten Rechtsgut. Der unverändert das Notwehrrecht beherschende Grundsatz, Recht braucht Unrecht nicht zu weichen, findet seine Einschränkung hier deshalb nur dort, wo die erforderliche Verteidigungshandlung aufgrund eines unerträglichen Mißverhältnisses zwischen dem Wert und der Gefährdung des zu schützenden und dem Wert und der Gefährdung des durch die Abwehr bedrohten Rechtsgutes rechtsmissbräuchlich wird (vgl. Tröndle, StGB 50. Aufl. § 32 Rn. 18, 20 m.w.Nw.). Eine Grenze, die bei Widerstandshandlungen gegen erkennbar als Amtsträger handelnde Personen zwar weit eher als sonst erreicht sein kann, von deren Überschreiten hier aber nicht auszugehen ist.

Die Schläge und Tritte, wie sie der Angeklagte zur Verhinderung seiner Festnahme gebrauchte, waren das mildeste Mittel, um den Angriff abzuwehren; sie reichten nicht einmal aus, seine Rechte erfolgreich zu verteidigen. Der Schutz seiner grund- gesetzlich garantierten Freiheitsrechte steht nach allgemeinem Rechtsempfinden in keinem "unerträglichen Missverhältnis" zu der mit denTritten und Schlägen des Angeklagten verbundenen, nur geringfügigen Gefährdung der in Überzahl agierenden Polizeibeamten. Der Angeklagte durfte sein Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gegen das unberechtigte Eindringen "scharf" verteidigen (vgl. BGH StV 1982, 219) und sich seiner Festnahme bis hin zur Grenze des Rechtsmissbrauchs widersetzen. Diese Grenze hat der Angeklagte nicht überschritten, was nicht zuletzt durch die nur leichten Verletzungen dokumentiert wird, die die Polizeibeamten in Form von Hämatomen an Bein und Hand davongetragen haben.

Nach alle dem ist der ergangene Freispruch nicht zu beanstanden und die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, 2 StPO.

Ende der Entscheidung

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