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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 11.02.2000
Aktenzeichen: 1 Ss 30/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 248 a
StGB § 47 Abs. 1
StPO § 357
Leitsatz:

Zur Frage der Wirksamkeit einer Beschränkung der Revision auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung.


1 Ss 30/00

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss

In dem Strafverfahren gegen

wegen Diebstahls

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und den Richter am Landgericht Wolpert

am 11. Februar 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten A wird das Urteil der 4. Strafkammer es Landgerichts Zweibrücken vom 21. September 1999, soweit es diesen betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Zweibrücken hat die Angeklagten wegen Bandendiebstahls in vier Fällen, den Angeklagten A darüber hinaus wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und einem Monat (A und vier Jahren (K verurteilt. Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Zweibrücken das Urteil des Amtsgerichts geändert und die Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in vier Fällen und den Angeklagten A wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und zwei Monaten (A und einem Jahr und sechs Monaten (K verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte A (im Folgenden "der Angeklagte" genannt) mit seiner Revision, die er auf den Rechtsfolgenausspruch und insoweit auf die Nichtaussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung beschränkt hat. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Insbesondere ist unschädlich, dass die Revision keinen ausdrücklichen Antrag enthält, weil sich ihr Ziel aus dem Inhalt der Revisionsschrift eindeutig bestimmen lässt (vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 344 Rdnr. 2 m. w. N. ).

Das Rechtsmittel führt zu einem vorläufigen Erfolg.

I.

Die nicht ausgeführte Formalrüge ist unzulässig.

II.

Die erhobene Sachrüge ist begründet. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind rechtsfehlerhaft und können daher keinen Bestand haben.

Die Beschränkung der Revision auf die Strafaussetzung zur Bewährung ist unwirksam. Das Rechtsmittel ergreift daher den gesamten Strafausspruch.

Zwar ist anerkannt, dass das Rechtsmittel der Revision auch auf die Bewährungsfrage beschränkt werden kann. Diese ist ein selbständiger Entscheidungsteil, der sich insbesondere von der Entscheidung über die Höhe der Strafe trennen lässt und demgemäß auch eine gesonderte Beurteilung erlaubt (allgemein: BGHSt 5, 252; 27, 70; R § 344 Abs. 1 StPO Beschränkung 1; OLG Köln, NStZ 1989, 90 m. w. N.). Allerdings sind der Beschränkung des Rechtsmittels auf die Aussetzungsfrage Grenzen gezogen. Sie ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn die für die Strafaussetzung maßgebenden Gründe so eng mit den Erwägungen zur Strafhöhe verknüpft sind, dass sie sich wegen ihres inneren Zusammenhanges nicht voneinander trennen lassen (BGH bei Dallinger, MDR 1955, 394, 395; OLG Koblenz VRS 1951, 24, 25; OLG Frankfurt, VRS 59, 106 m. w. N.). Die Trennbarkeitsformel darf aber nicht dahin verstanden werden, dass die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Aussetzungsfrage immer schon dann unwirksam wäre, wenn die bei der Bestimmung der Strafhöhe einerseits und bei der Entscheidung über die Strafaussetzung andererseits berücksichtigten Tatsachen sich überschneiden. Weder die Berücksichtigung noch gar das bloße Vorhandensein "doppelrelevanter", also für beide Entscheidungsteile bedeutsamer Umstände steht - für sich genommen - einer Beschränkung des Rechtsmittels auf die Strafaussetzungsentscheidung im Wege. Andernfalls würde der Anwendungsbereich derartiger Rechtsmittelbeschränkungen entscheidend verengt, ohne dass sich dafür ein überzeugender Grund anführen ließe (OLG Frankfurt VRS 59, 106).

Grenzen für die Beschränkbarkeit eines Rechtsmittels auf die Frage der Strafaussetzung ergeben sich - abgesehen von dem Fall, dass das Strafmaß und die Aussetzungsentscheidung in unzulässiger Weise miteinander verknüpft werden - aus dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Sachentscheidung, so wenn die Tatsachenfeststellungen und Erwägungen so unzulänglich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Strafaussetzungsentscheidung darstellen, oder wenn die Entscheidung über die Strafaussetzung an einem Fehler leidet, der zugleich die Strafmaßentscheidung betrifft. Insoweit handelt es sich jedoch um Ausnahmefälle (OLG Köln VRS 61, 365; OLG Frankfurt VRS 59, aaO, jew. m. w. N.).

Ein solcher Fall liegt hier vor.

Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts beruhen zum einen auf einer unrichtigen Erwägung, die zugleich in der Strafzumessungs- wie der Bewährungsentscheidung ihren Niederschlag findet. Zum anderen sind sie nicht geeignet, eine tragfähige Grundlage für die Bewährungsentscheidung zu bilden.

Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der (von einer nicht einschlägigen Geldstrafe abgesehen) nicht vorbestrafte Angeklagte am Tattag bei einem Diebeszug durch mehrere Geschäfte, bei dem er, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein, einen PKW benutzte, zusammen mit Anderen vier Ladendiebstähle begangen, bei denen Waren im Wert von 24,80 DM, 81,46 DM, 109,48 DM und 246,93 DM entwendet worden sind. Zwei der Diebstähle bezogen sich somit auf geringwertige Sachen i. S. von § 248 a StGB (nach der Rechtsprechung des Senats - Beschluss vom 18. Januar 2000 1 Ss 266/99 - beträgt die Grenze der Geringwertigkeit nunmehr 100,-- DM (50 Euro), was bei der erneuten Hauptverhandlung zu beachten sein wird). Ein Schaden ist letztlich nicht entstanden, weil das Diebesgut sichergestellt und den Geschäftsinhabern zurückgegeben werden konnte.

Die Strafkammer hat für jede der Diebstahlshandlungen gemäß § 47 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten und für das Vergehen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine solche von zwei Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.

Die außergewöhnlich hohen Strafen hat die Strafkammer (von dem arbeitsteiligen, planmäßigen Vorgehen der Täter abgesehen) vor allem darauf gestützt, dass der Angeklagte aus einer polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung im Juni 1998 "nichts hinzugelernt" habe. Seine (deshalb) "dreiste Verhaltensweise" begründe die Besorgnis der "Wiederholungs- und Ansteckungsgefahr" (§ 47 Abs. 1 StPO). Nach den Feststellungen des Urteils durchsuchte die Polizei damals die Wohnung des Angeklagten, weil der Verdacht bestand, dass er (mit anderen Personen) in Schuhgeschäften große Mengen von Schuhen entwendet und mit seinem PKW weggeschafft habe. Bei der Durchsuchung seien der Angeklagte und weitere Georgier in der Wohnung inmitten frisch etikettierter und neuwertiger Verkaufswaren, die die Strafkammer (an anderer Stelle) als "Diebesbeute von Luxusartikeln" bezeichnet hat, angetroffen worden. Die Personen seien wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls zur Feststellung ihrer Personalien festgenommen, die Ware sichergestellt worden.

Diese Ausführungen geben Anlass zu der Besorgnis, dass die Strafkammer bei der Bemessung der Strafen davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe sich damals in ähnlicher Weise strafbar gemacht, wofür auch spricht, dass sie dem Angeklagten im Rahmen ihrer (negativen) Bewährungserwägungen angelastet hat, er habe in seiner Wohnung "mengenweise Diebesgut" gelagert.

Das ist rechtsfehlerhaft.

Zwar ist die Berücksichtigung von strafbaren Handlungen, die nicht Gegenstand der Anklage sind, im Rahmen der Strafzumessung auch möglich, wenn sie noch nicht abgeurteilt sind; jedoch müssen solche "Vortaten" zweifelsfrei festgestellt werden, weil sonst ihre Berücksichtigung zu unzulässigen Verdachtsstrafen führt (BGH bei Dallinger MDR 1975, 195; NStZ 1981, 100; NJW 1981, 2422; Bruhns, NStZ 1981, 86).

Eine strafbare "Vortat" des Angeklagten ist in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Es ist lediglich mitgeteilt, dass der Angeklagte bei der Durchsuchung im Juni 1998 von der Polizei in seiner Wohnung mit weiteren Georgiern inmitten von Waren angetroffen wurde und - ebenso wie andere Personen - im Verdacht des gewerbsmäßigen Diebstahls stand. Ob sich dieser Verdacht bezüglich des Angeklagten bestätigt hat oder er sonst als Teilnehmer oder Unterstützer solcher Diebstähle ermittelt worden ist, ist indes nicht festgestellt.

Die fehlerhafte Berücksichtigung der nicht festgestellten Vortat in der Strafmaß- wie in der Strafaussetzungsentscheidung führt deshalb zur Wirkungslosigkeit der Revisionsbeschränkung.

Darüber hinaus kann die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Bewährungsfrage nach Auffassung des Senats hier auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Tatgericht aufgrund seiner (fehlerhaften) Strafzumessungserwägungen zu einer so urverhältnismäßig hohen Strafe (dazu unten) gelangt ist, dass diese kein gerechter Schuldausgleich mehr ist (vgl. BGHR StGB, § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 6). Eine solche Strafzumessung kann nicht Basis für eine darauf aufbauende Bewährungsentscheidung sein.

III.

Die getroffenen Feststellungen bilden keine Grundlage für die ausgesprochenen Strafen.

Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in er Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHR, aaO, Beurteilungsrahmen 6, Strafhöhe 2; StV 1993, 71).

Das ist hier der Fall.

Die verhängten Einzelstrafen sind unverhältnismäßig hoch. Unter den gegebenen Umständen (relativ geringe Beute, kein Schaden, Täter nur geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft) werden vergleichbare Taten allgemein mit Geldstrafen geahndet. Die ausgesprochenen Freiheitsstrafen lassen sich mit den getroffenen Feststellungen nicht begründen und sind deshalb kein gerechter Schuldausgleich.

Ihre Aufhebung hat zugleich zur Folge, dass auch die Gesamtstrafe keinen Bestand haben kann.

IV.

Zu bemängeln ist darüber hinaus, dass sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt hat, welche Auswirkung der Umstand für das künftige Verhalten des Angeklagten haben wird, dass er sich seit dem Tattag bis zur Entscheidung der Strafkammer (von der zehntägigen Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe abgesehen) in Untersuchungshaft befunden hat. Dazu bestand hier aber Anlass, weil der Angeklagte bisher noch keine Freiheitsstrafe verbüßt hatte.

V.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass hinsichtlich der Rechtsfolge noch weitere Feststellungen (insbesondere über "Vortaten" des Angeklagten) getroffen werden können, ist die Sache in die Berufungsinstanz zurückzuverweisen.

VI.

Eine Erstreckung der Aufhebung gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten K scheidet aus, weil die Strafzumessung bei dem mehrfach einschlägig vorbestraften Angeklagten Im auf anderen individuellen Erwägungen beruht.

Ende der Entscheidung

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