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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 02.05.2000
Aktenzeichen: 1 Ss 59/00
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 3
StPO § 473 Abs. 1
StPO § 400 Abs. 1
StGB § 193
StGB § 186
StGB § 185
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 Ss 59/00

4007 Js 2872/98 StA Zweibrücken

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluß

In dem Strafverfahren

gegen

wegen Beleidigung,

hier: Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und den Richter am Landgericht Wolpert auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten

am 2. Mai 2000

einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 17. November 1999 wird als unzulässig kostenfällig verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 17. November 1999 wird als unbegründet kostenfällig mit der Maßgabe verworfen, dass der Schuldspruch dahin berichtigt wird, dass der Angeklagte eines Vergehens der Beleidigung schuldig ist (§ 185 StGB).

Gründe

Das Amtsgericht Pirmasens hat den Angeklagten am 22. Oktober 1998 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 70,- DM verurteilt und die Veröffentlichung der Verurteilung angeordnet. Auf die Berufung des Angeklagten hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken am 17. November 1999 das Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte der üblen Nachrede schuldig ist, er verwarnt wird und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50,- DM vorbehalten bleibt.

Gegen dieses Urteil wenden sich Angeklagter und Nebenkläger mit der Revision.

1. Die Revision des Nebenklägers ist unzulässig. Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird.

Dies ist hier der Fall.

Der Nebenkläger, der beantragt, "das Urteil des Landgerichts Zweibrücken insoweit aufzuheben, als es in seinem Ausspruch vom Tenor des Amtsgerichts Pirmasens zugunsten des Angeklagten abweicht und diesen entsprechend der letztgenannten Entscheidung zu verurteilen", wendet sich damit lediglich gegen den Schuldumfang des landgerichtlichen Urteils; seine Revision ist deshalb unzulässig (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, Rn. 3 zu § 400 StPO).

Das Urteil des Landgerichts weicht von dem Amtsgerichts zwar zugunsten des Angeklagten insoweit ab, als eine mildere Sanktion verhängt und die Veröffentlichungsanordnung entfallen ist, jedoch kann der Nebenkläger wegen § 400 Abs. 1 StPO die Wiederherstellung der "schärferen" Sanktion des Amtsgerichts nicht zulässigerweise mit der Revision verfolgen.

Soweit das Landgericht weiter den Schuldspruch von Beleidigung auf üble Nachrede geändert hat, handelt es sich nicht um eine Abänderung "zugunsten des Angeklagten", denn § 186 StGB ist kein Minus gegenüber § 185 StGB, sondern verdrängt diesen als "lex specialis" im Weg der Gesetzeskonkurrenz (Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., Rn.20 zu § 186 StGB).

2. Die Revision des Angeklagten, die zwar nicht ausdrücklich, aber dem Inhalt der Begründung entnehmbar auf die Verletzung materiellen Rechts (§ 344 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. StPO) gestützt wird, ist unbegründet; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung und der Gegenerklärung des Verteidigers vom 14. April 2000 hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§§ 349 Abs. 2, Abs. 3, 473 Abs. 1 StPO). Allerdings ist, ohne dass dies eine Änderung des Strafausspruchs nach sich zieht, der Schuldspruch zu berichtigen.

Zur Rechtfertigung der Veröffentlichung kann sich der Angeklagte weder auf § 193 StGB noch auf das Recht zur freien Meinungsäußerung nach Art. 5 GG berufen.

Soweit er sich darauf beruft, er habe den Artikel als Reaktion auf erhebliche Diskussionen in der Gemeinde und Vorwürfe gegen die Gemeindeverwaltung wegen des Parkplatzmangels beim "Burgfest" veröffentlicht, liegen die Voraussetzungen des § 193 StGB, wonach die Ehrverletzung zur Interessenwahrnehmung sowohl geeignet als auch erforderlich sein muß (SKRudolphi, Rn. 19 zu § 193 StGB), nicht vor.

Zur Information der Gemeindemitglieder war es nicht erforderlich, das Schild mit dem den Nebenkläger beleidigenden Inhalt wiederzugeben. Sowohl was den aktuellen Streit über den Parkplatzmangel angeht, wie auch zur Information über die Vorgeschichte, nämlich die Auseinandersetzung zwischen Angeklagtem und Nebenkläger, war die Wiederholung des Wortlauts der Beleidigung verzichtbar. Angesichts des Fehlens sachlicher Gründe für die zudem gegenüber erweitertem Personenkreis erfolgte Wiederholung entfällt der beleidigende Charakter - worauf mit der Revisionsgegenerklärung abgehoben wird - auch nicht durch den nachfolgenden Hinweis auf die Strafbarkeit der ehrverletzenden Äußerung.

Soweit der Angeklagte ausführt, er habe nicht erneut eine Beleidigung aussprechen wollen, sondern sich quasi entschuldigen wollen, er mithin Beleidigungsvorsatz in Abrede stellt, entfernt sich dieses Vorbringen von den Feststellungen des angefochtenen Urteils, wonach der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat. Diese Schlußfolgerung des Tatrichters ist naheliegend. Bei der auf die allgemeine Sachrüge hin veranlaßten Überprüfung des Urteils sind insoweit keine Rechtsfehler erkennbar.

Ebensowenig kann die Verhaltensweise des Angeklagten als zulässige Auseinandersetzung im geistigen Meinungskampf angesehen werden. Im Zusammenhang mit öffentlicher Meinungsbildung sind Gründe für die wiederholte - und nunmehr sogar gegenüber einem größeren Personenkreis geäußerte - Beleidigung weder dem Urteil zu entnehmen, noch in der Revisionsbegründung dargetan.

Allerdings führt das Rechtsmittel des Angeklagten zur Berichtigung des Schuldspruchs.

Die Bezeichnung eines Verhaltens als "Ergaunern" ist keine ehrenrührige Tatsachenbehauptung iSd § 186 StGB, sondern Werturteil iSd § 185 StGB. Zwar kann auch eine ehrverletzende Wertung, sofern sie auf Tatsachen beruht, nicht als Beleidigung, sondern als üble Nachrede zu qualifizieren sein, allerdings bedarf es dann auch eines diese Wertung veranlassenden Tatsachenkerns. Diese Wertungsbasis muss dann "Tatsache" sein, d.h. wahrnehmbar, beweisbar und geschichtlich existent sein (LK-Herdegen, StGB, 10. Aufl., Rn. 4 zu § 185 StGB).

Ein solcher beweisbarer Tatsachenkern, auf den die ehrenrührige Bewertung "Ergaunern" zurückgeführt werden könnte, fehlt vorliegend. Soweit das Landgericht die Bezeichnung "Gauner" auf die Bewertung eines vorausgegangenen "betrügerischen" Verhaltens beschränkt, wird der Begriff zu stark eingeengt.

Der Begriff ist vielmehr weiter und kann auch andere Verhaltensweisen im Sinne allgemein verachtenswerter, hinterhältiger, schlauer, durchtriebener und unehrlicher Betätigung (vgl. Duden, 2. Aufl., Bd.10; Duden, Dt. Universalwörterbuch 1983) erfassen.

Das Schwergewicht der Ehrverletzung liegt deshalb nicht auf der Bewertung von Tatsachen, sondern auf dem ehrenrührigen Werturteil, sodaß der Angeklagte sich wegen Beleidigung strafbar gemacht hat (LK-Herdegen, aaO, Rn.7).

Die Schuldspruchberichtigung ist möglich, da der Angeklagte bereits in erster Instanz wegen Beleidigung verurteilt worden war und auch der vorausgegangene Strafbefehl auf § 185 StGB gestützt war. Im übrigen hätte der Angeklagte sich auch gegen diesen Vorwurf nicht anders verteidigen können.

Ende der Entscheidung

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