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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: 1 U 166/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 1 a.F.
ZPO § 520 Abs. 3 Ziff. 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 524
BGB § 847 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 1 U 166/04

Verkündet am: 9. November 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes, Schmerzensgeldes und Feststellung aus Verkehrsunfall vom 9. November 1991,

hat der 1. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Morgenroth, den Richter am Oberlandesgericht Klüber und den Richter am Landgericht Schwenninger auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 23. September 2004 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 66 % und die Beklagte 44 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der D... wegen eines Schadens aus einem Verkehrsunfall vom 19. November 1991 in Anspruch. An diesem Tag wurde der Kläger durch einen Pkw der D... schwer verletzt. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden des Klägers ist dem Grunde nach außer Streit.

Der Unfall des Klägers ereignete sich auf seinem Heimwerk von der Arbeitsstelle, der L... und Z..... Nebenberuflich betrieb der Kläger auf einem in den 60iger Jahren von den Eltern übernommenen Hof eine Schweinezucht mit landwirtschaftlichen Produktionsbereich. Nach dem Unfall konnte der Kläger seine Tätigkeit als Angestellter der L... ab August 1993 wieder aufnehmen; den Nebenberuf gab er unfallbedingt auf.

Wegen seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bis 31. Juli 1993 erhielt der Kläger von der gesetzlichen Unfallversicherung ein Verletztengeld in Höhe von insgesamt 5 392,50 DM. Für die Zeit ab 1. August 1993 wurde ihm durch Bescheid der Unfallversicherung vom 22. Dezember 1993 ein Anspruch auf Verletztenrente zuerkannt, deren Bemessung ein Jahresarbeitsverdienst des Klägers von 60 051,76 DM zugrunde lag: 56 138,79 DM aus seiner unselbstständigen Tätigkeit als Tierzuchttechniker und 3 912,97 DM aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt. Ein dagegen gerichteter Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid der Unfallversicherung vom 3. September 1996 zurückgewiesen; die dagegen gerichtete Klage zum Sozialgericht Speyer (S 6 U 395/96) nahm er zurück. Eine Klage des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der landwirtschaftlichen Alterskasse hatte ebenfalls keinen Erfolg (Urteil des SG Speyer vom 19. September 2002 - S 8 LW 50/99).

Die Beklagte zahlte dem Kläger auf seinen Verdienstausfallschaden bis 4. Oktober 1996 insgesamt 107 119,89 DM und als Schmerzensgeld 90 000,-- DM. Mit der Klage erstrebt der Kläger weiteren Ersatz seines Erwerbsschadens im Zusammenhang mit der schließlich aufgegebenen Schweinezucht für die Zeit von November 1991 bis Dezember 2003, ein weiteres Schmerzensgeld (von noch 60 000,-- DM/30 677,51 €) und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden.

Er hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 216 921,16 € nebst 5 Prozentpunkten, Zinsen hieraus über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein über den gezahlten Betrag in Höhe von 90 000,-- DM hinausgehendes angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 %-Punkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Unfall vom 19. November 1991 in Gi... nach dem 1. Januar 2004 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, dass sich bis zum Jahre 2002 ein entgangener Gewinn des Klägers von 298 733,33 DM ergebe. Abzüglich der Zahlungen der Haftpflichtversicherung in Höhe von 107 119,89 DM, des Verletztengeldes von 5 392,50 DM sowie der Verletztenrente von bis dahin 203 400,-- DM liege sogar eine Überzahlung von 17 179,06 DM vor.

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern hat nach Beiziehung der Akten des Sozialgerichts Speyer (S 6 U 395/96 und S 8 LW 50/99) und der Erhebung von Sachverständigenbeweis durch Urteil vom 23. September 2004 wie folgt erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 73 835,53 € nebst 4 % Zinsen aus 27 736,46 € seit 19. Januar 1999, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 20 161,22 € vom 1. November 2000 bis 29. Februar 2004 sowie zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 46 099,06 € seit 1. März 2004 zu zahlen.

II. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger - über den gezahlten Betrag von 90 000,00 DM (46 016,27 €) hinaus - ein weiteres Schmerzensgeld von 3 983,73 € nebst 4 % Zinsen seit 19. Januar 1999 zu zahlen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Unfallereignis vom 19. November 1991 in G... nach dem 1. Januar 2004 noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

IV. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen hat sie u.a. ausgeführt, nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S..., die von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden seien, belaufe sich der Einkommensverlust des Klägers bezüglich des Nebenerwerbs als Schweinezüchter von November 1991 bis Oktober 1992 auf 49 700,-- DM und in der Folgezeit auf jährlich 39 840,-- DM. Für den Zeitraum von November 1991 bis 31. Dezember 2003 errechne sich sonach ein Erwerbsschaden von insgesamt 494 580,-- DM/252 874,74 €. Davon seien das Verletztengeld von 5 392,50 DM/2 757,14 €, die bis zum 31. Dezember 2003 gezahlte Verletztenrente von insgesamt 121 512,54 € und die vorgerichtlichen Zahlungen der Beklagten auf den Erwerbsschaden in Höhe von 54 769,53 €/107 119,89 DM, insgesamt also 179 039,21 € abzuziehen. Dem Kläger stünden deshalb noch 73 835,53 € zu (252 874,74 € ./. 179 039,21 €).

Als Schmerzensgeld sei ein Betrag von insgesamt 50 000,-- € angemessen.

Gegen dieses der Beklagten am 11. Oktober 2004 und dem Kläger am 12. Oktober 2004 zugestellte Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren jeweils selbstständigen Berufungen. Innerhalb der bis zum 20. Dezember 2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung vom 13. Dezember 2004 zunächst vorgetragen, das Landgericht habe den Erwerbsschaden des Klägers anhand der "zweifels ohne nachvollziehbaren und überzeugenden" Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K... zwar zutreffend auf 252 874,74 € festgesetzt und auch zu Recht das Verletztengeld von 2 757,14 €, die Verletztenrente von 121 512,54 € und die vorgerichtlichen Zahlungen der Beklagten von 54 769,53 € abgezogen. Es habe jedoch übersehen, dass bei der von der ihm angewandten modifizierten Bruttolohnmethode weitere Positionen abzuziehen seien, die sich aus der Berücksichtigung von ersparten Aufwendungen des Klägers für die Kranken- und Rentenversicherung und aus Steuervorteilen ergäben.

Sie hat beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage i.H.d. erlangten Steuervorteile abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2004 hat die Beklagte weiter vorgebracht, in der Berufungsbegründung sei lediglich versehentlich festgehalten worden, dass die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K... zur Höhe des Erwerbsschadens des Klägers nachvollziehbar seien und nicht angezweifelt würden; das Gegenteil sei der Fall. Auch die weiteren, bereits in erster Instanz erhobenen Einwendungen zur Kausalität des Unfalls für die angebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers würden aufrechterhalten. Gemäß Schriftsatz vom 11. Januar 2005 beantragt die Beklagte nunmehr, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kaiserslautern vom 23. September 2004 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt gemäß Berufungsbegründung vom 6. Januar 2005 und weiteren Vorbringens, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger 216 921,16 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. an den Kläger ein über den gezahlten Betrag in Höhe von 90 000,-- DM hinausgehendes, angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Er trägt vor, dass das Landgericht die Verletztenrente zu Unrecht in vollem Umfang berücksichtigt habe. Bei der Ermittlung der Rente aufgrund des Jahresarbeitsverdiensts in Höhe von 60 051,76 DM habe das Einkommen des Klägers als selbstständiger Nebenerwerbslandwirt nur in einer Größenordnung von 3 912,97 DM = 6.51 % eine Rolle gespielt. Deshalb hätte nicht das volle Verletztengeld angerechnet werden dürfen. Ansonsten käme der Beklagten ein Vorteil zugute, der ihr nicht gebühre.

Der Beklagten ist zur Erwiderung auf die Berufung des Klägers eine Frist bis 9. Februar 2005 gesetzt worden. Mit Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 20. Januar 2005 ist die Beklagte auf Bedenken gegen die Zulässigkeit ihrer selbständigen Berufung hingewiesen worden. Die Beklagte hat dazu mit Schriftsatz vom 27. Januar 2005 Stellung genommen und vorgebracht, der Berufungsantrag vom 11. Januar 2005 sei ausreichend bestimmt. Eine Erweiterung der Berufung liege nicht vor, da sie unbeschränkt eingelegt worden sei.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, diejenige des Klägers ist unbegründet.

1. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig. Sie ist deshalb nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen.

a) Nach § 520 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO muss der Berufungsführer in der Berufungsbegründung angeben, "inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge)". Dem ist der Berufungsantrag der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 13. Dezember 2004 nicht gerecht geworden. Die Beklagte hat damit nicht erkennen lassen, in welchem Umfang sie mit der Berufung eine (weitere) Klageabweisung erstrebt. Weder der Berufungsantrag in der Berufungsbegründung vom 13. Dezember 2004 noch die dazu gebrachten Gründe lassen eine irgendwie geartete Betragsvorstellung der Beklagten erkennen. Die Beklagte hat auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie den gesamten vom Erstrichter zuerkannten Betrag für unberechtigt halte. Ihrer Ansicht, der Erstrichter habe es lediglich rechtsfehlerhaft unterlassen, von dem vom Kläger behaupteten Schaden weitere Positionen abzuziehen, spricht vielmehr für ihre Bereitschaft, einen - von ihr allerdings nicht genannten - Teilbetrag dieser Urteilssumme zu akzeptieren und mit der Berufung lediglich eine höhere Teilabweisung zu erreichen. Bei dieser Sachlage hat sie mit der Berufungsbegründung vom 13. Dezember 2004 entgegen § 520 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO gerade nicht angegeben, in welchen Grenzen der Rechtsstreit von neuem verhandelt werden soll (§ 528 ZPO; BGH NJW 1997, 1336 zu dem insoweit inhaltsgleichen § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.; Albers in Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO § 520 Rdnr. 17).

b) Innerhalb der bis zum 20. Dezember 2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte keine weiteren Erklärungen zu ihrer Berufung abgegeben. Die Erweiterung ihres Berufungsantrags im Schriftsatz vom 11. Januar 2005 dahin, dass nunmehr beantragt werde, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, wird von der fristgerecht eingereichten Berufungsbegründung vom 13. Dezember 2004 nicht gedeckt. Wie ausgeführt, wendet sich die Beklagte darin allein gegen die Nichtberücksichtigung von nicht angefallenen Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie von Steuervorteilen. Die Ausgangsfeststellungen des Landgerichts zu einem Erwerbsschaden des Klägers von insgesamt 252 874,74 € hat sie ausdrücklich für "zweifels ohne nachvollziehbar und überzeugend" gehalten. Davon ist sie erst nach Ablauf der bis zum 20. Dezember 2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist, nämlich mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2004 abgerückt.

Gleiches gilt für den späteren - inhaltlich klaren - Berufungsantrag der Beklagten vom 18. Januar 2005, mit dem sie anscheinend auch ihre Verurteilung zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 3 983,73 € und das Feststellungsurteil angreifen will. In der (fristgemäßen) Berufungsbegründung vom 13. Dezember 2004 hat sie sich dazu nicht geäußert. Hinsichtlich des Feststellungsanspruchs hatte sie überdies bereits mit Schriftsatz vom 24. August 1999 ein Anerkenntnis abgegeben.

c) Die Berufung der Beklagten kann nicht als Anschlussberufung im Sinne des § 524 ZPO angesehen werden. Die Beklagte hat gegen das erstinstanzliche Urteil fristgemäß Berufung eingelegt. Eine Prozesshandlung wie die Berufung kann in eine den gleichen Zwecken dienende zulässige Prozesshandlung nur umgedeutet werden, wenn sie deren Voraussetzungen erfüllt und ein entsprechender Parteiwille von vornherein genügend erkennbar ist. Mit einem sicheren Ablauf des Verfahrens wäre eine nachträgliche Umdeutung unvereinbar (vgl. BGH NJW 2000, 3215). Die Beklagte hat jedoch zu keinem Zeitpunkt - auch nicht nach dem Hinweis der Senatsvorsitzenden in der Ladungsverfügung vom 20. Januar 2005 - deutlich gemacht, dass sie ihr Rechtsmittel jedenfalls als Anschlussberufung verstanden wissen wolle. In ihrer Stellungnahme vom 27. Januar 2005 zum Hinweis des Senats hat sie an ihrer Auffassung, die von ihr eingelegte Berufung sei wirksam, ausdrücklich festgehalten. Innerhalb der Frist für die Einlegung der Anschlussberufung (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) hat die Beklagte keine weitere Erklärung dazu abgeben.

2. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

a) Die Berechnung des Erwerbsschadens des Klägers aus seiner Tätigkeit als selbstständiger Schweinezüchter in der Zeit von November 1991 bis 31. Dezember 2003 durch das Landgericht benachteiligt den Kläger nicht. Seine Bedenken dagegen, dass das Landgericht die Verletztenrente in vollem Umfang angerechnet hat, sind unbegründet.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass bei der Berechnung der Verletztenrente in der Hauptsache auf sein Jahresarbeitsverdienst aus der unselbstständigen Tätigkeit als Tierzuchttechniker - der er ab August 1993 weiter nachgeht - abgestellt wurde und seine Jahreseinkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt nur eine untergeordnete Bedeutung hatten. Der Senat hat deshalb erwogen, dass die Art der Berechnung der Verletztenrente bei deren Anrechnung auf den Erwerbsschaden des Klägers als Nebenerwerbslandwirt berücksichtigt werden müsse, um den sachlichen Zusammenhang zwischen dem konkreten Erwerbsschaden als Nebenerwerbslandwirt und eine hierauf bezogene Lohnersatzleistung zu wahren. Daran hält er - worauf er die Parteien mit Beschluss vom 21. September 2005 hingewiesen hat - nach nochmaliger Überprüfung nicht mehr fest. Denn das Argument des Klägers, dass die Verletztenrente nur geringfügig von seinen damaligen Einnahmen als selbstständiger Nebenerwerbslandwirt beeinflusst ist, berücksichtigt nicht ausreichend den schadensrechtlichen Zusammenhang zwischen der unfallbedingten Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers (als Ursache für den streitgegenständlichen Einkommensausfall als Nebenerwerbslandwirt) und dieser Rente. Die Verletztenrente in ihrer Funktion als soziale Existenzsicherung durch pauschale Entschädigung für (vermutete) Erwerbseinbußen wegen der Minderung der abstrakten Erwerbsfähigkeit (BGHZ 153, 113; VersR 1985, 356) dient dem gesamten Ausgleich der unfallbedingten Behinderung, die Arbeitskraft als Erwerbsquelle zu nutzen (BGH VersR 1985, 356). Auf den vom Kläger hergestellten Bezug zu einem konkreten Einkommensausfall als einer bestimmten Schadensposition kommt es danach nicht an. Er wird für die Gewährung der Verletztenrente gerade nicht vorausgesetzt.

Die dadurch begründete sachliche Konkurrenz mit dem streitgegenständlichen Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens - also des Schadens, der wegen derjenigen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers entstanden ist, aus der sich zugleich der Anspruch auf die Verletztenrente herleitet - führt zur Anrechnung der Verletztenrente insgesamt. Die sozialrechtliche Wohltat, die Verletztenrente als pauschale Entschädigung für (vermutete) Erwerbseinbußen wegen der Minderung der abstrakten Erwerbsfähigkeit auch in den Fällen zu erhalten, in denen der Geschädigte einer Erwerbstätigkeit trotzdem nachgeht und Einkommen erzielt, zwingt schadensrechtlich nicht dazu, ihre Lohnersatzfunktion und damit ihre schadensmindernde Wirkung zu verneinen.

b) Das Landgericht hat das dem Kläger nach § 847 BGB a.F. zustehende Schmerzensgeld auf insgesamt 50 000,-- € bemessen und ihm nach Abzug der von der Beklagten vorgerichtlich gezahlten 46 016,27 € / 90 000,00 DM noch 3 983,73 € zugesprochen. Dem schließt sich der Senat an.

(1) Die Funktion des vom Schädiger nach § 847 BGB a.F. zu zahlenden Schmerzensgeldes besteht darin, dem Verletzten einen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden und ferner Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu geben (BGHZ 18, 149, 154 f.; 80, 384, 386). "Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden und Entstellungen" sind dabei die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der Entschädigung (BGHZ 18, 149, 154). Bei Fahrlässigkeitstaten wie hier spielt die Genugtuungsfunktion nur eine untergeordnete Rolle (BGHZ 120, 1/7; Müller ZfS 2005, 54).

(2) Das Landgericht hat die wesentlichen Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Schmerzensgeldes wie die unfallbedingte Primärverletzung des Klägers, Art und Dauer der Heilbehandlung, damit verbundene Beeinträchtigungen sowie die Folgen des Unfalls im persönlichen und beruflichen Bereich im angefochtenen Urteil angeführt und nach dem Zusammenhang seiner Entscheidungsgründe berücksichtigt. Der Senat nimmt darauf Bezug.

Die Ansicht des Klägers, das Regulierungsverhalten der Beklagten sei schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen, ist unbegründet. Die Beklagte hat bereits im Dezember 1991 auf das Schmerzensgeld einen Vorschuss von 5 000,00 DM geleistet und ihre Zahlungen bis Dezember 1993 auf 60 000,00 DM erhöht. Im Juni 1996 hat sie die Zahlung eines weiteren Vorschusses von 30 000,00 DM auf das Schmerzensgeld verrechnet und damit insgesamt einen Betrag auf das Schmerzensgeld gezahlt, der die Höhe der von ihr geschuldeten billigen Entschädigung nach § 847 BGB a.F. fast erreichte. Dies und auch das sonstige Regulierungsverhalten der Beklagten mussten beim Kläger nicht den Eindruck entstehen lassen, sie wolle sich ihrer Einstandspflicht für den Schaden des Klägers aus dem Unfall mit fadenscheinigen Argumenten entziehen, die letztlich als Herabwürdigung der Person des Klägers verstanden werden könnten und diesen - über die sonstigen Unfallfolgen hinaus - zusätzlich unzumutbar belasten würden (vgl. zur Beurteilung des Regulierungsverhaltens: OLG Frankfurt NJW 1999; OLG Sachsen-Anhalt VersR 2002, 1569; OLG Naumburg VersR 2004, 1423 Jaeger/Luckey Schmerzensgeld 2. Aufl. Teil 1 Rdnrn. 611 bis 622 m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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