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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 28.03.2001
Aktenzeichen: 1 Ws 146/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1
StPO § 454 Abs. 2 S. 3 u. 7
Das Mitwirkungsrecht des Verurteilten an der mündlichen Anhörung des Sachverständigen gemäß § 454 Abs. 2 S. 3 StPO ist Ausprägung des Anspruches auf rechtliches Gehör. Seine Verletzung wirkt besonders schwer, wenn der Verurteilte keine Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens hatte und führt zur Aufhebung der Bewährungsentscheidung.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 146 + 147/01 2 StVK 898/00 LG Zweibrücken 2 StVK 904/00 LG Zweibrücken 10 VRs 2402/97 StA Frankenthal 204 Js 28496/98 8 VRs StA Mannheim

In dem Strafvollstreckungsverfahren

wegen versuchten schweren Raubes u. a. hier: Strafaussetzung zur Bewährung

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und den Richter am Amtsgericht Pick

am 28. März 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken vom 22. Februar 2001 aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur neuen Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken zurückverwiesen.

Gründe:

Der Beschwerdeführer wurde am 25. November 1998 durch das AG Mannheim in dem Verfahren 204 Js 28496/98 wegen versuchten schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, diese Strafe ist bis zum 2/3Zeitpunkt am 2. Mai 2000 vollstreckt worden. Seitdem wird eine weitere (Gesamt-) Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten vollstreckt, die aus einer früheren Verurteilung vom 30. September 1997 durch das AG Ludwigshafen in dem Verfahren 5470 Js 8914/97 herrührt. Der Verurteilte begehrt seine vorzeitige Haftentlassung. Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage der Gefährlichkeit hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Verurteilten abgelehnt.

Das zulässige Rechtsmittel führt in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg.

Der angefochtene Beschluss ist unter Missachtung von § 454 Abs. 2 S. 3 StPO, wonach der Sachverständige mündlich zu hören ist, zustande gekommen.

Eine Ausnahme von der Anhörungspflicht greift hier nicht ein. Zwar haben die beteiligten Staatsanwaltschaften gemäß § 454 Abs. 2 S. 7 StPO auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichtet, ein Verzicht des Verurteilten liegt indes nicht vor. Das gesetzlich ausdrücklich geregelte Teilnahme- und Mitwirkungsrecht soll dazu dienen, das Sachverständigengutachten eingehend zu diskutieren und das Votum des Sachverständigen zu hinterfragen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. A., Rdnr. 37 zu § 454 StPO unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/9062 S. 14). Die genannte Vorschrift stellt sich damit als eine Ausprägung des Anspruches auf rechtliches Gehör dar. Ihre Verletzung wiegt vorliegend umso schwerer, weil der Verurteilte vor dem Anhörungstermin keine Abschrift des Gutachtens erhalten hat; mit der Folge, dass die Kammer selbst bei Vorliegen eines Verzichts seitens des Verurteilten von der Kann-Vorschrift des § 454 Abs. 2 S. 7 StPO nicht zuletzt bereits aus der ihr obliegenden Fürsorgepflicht keinen Gebrauch hätte machen dürfen. Es empfiehlt sich in solchen Fällen, dem Verurteilten Einsicht in das schriftliche Gutachten zu gewähren oder ihm zumindest das Ergebnis der Begutachtung mitzuteilen, bevor wegen eines Verzichtes auf mündliche Anhörung nachgefragt wird.

Darüber hinaus ist der Senat nicht in der Lage, beurteilen zu können, ob die Strafvollstreckungskammer der Pflicht zur mündlichen Anhörung des Verurteilten nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO nachgekommen ist. Zwar wurde nach Aktenlage dessen Vorführung zu dem Anhörungstermin verfügt. Mangels Vorliegens eines Anhörungsprotokolls kann jedoch nicht festgestellt werden, ob der Anhörungstermin überhaupt stattgefunden hat öder ob der Verurteilte auf die Anhörung verzichtet hat - wobei ein ausdrücklicher Verzicht vorgelegen haben müsste (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO. Rdnr. 30) -, oder ob der Verurteilte in einem eventuellen Termin zwar anwesend war, sich dort jedoch lediglich nicht geäußert hat. In dem angefochtenen Beschluss selbst findet sich lediglich ein Passus, wonach der Proband von der Möglichkeit, sich im Rahmen einer mündlichen Anhörung zu äußern, keinen Gebrauch gemacht habe. Dies lässt die aufgezeigten Möglichkeiten offen, ein Verstoß auch gegen § 454 Abs. 1 S. 3 StPO ist mithin nicht ausgeschlossen.

Die Frage kann indes dahin stehen, da bereits der Verstoß gegen die Pflicht zur mündlichen Anhörung des Sachverständigen nach § 454 Abs. 2 S. 3 StPO jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation nach Auffassung des Senats zur Zurückverweisung der Sache in die Vorinstanz führen muss.

Ende der Entscheidung

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