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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: 1 Ws 174/04 (Vollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 3 Abs. 1
StVollzG § 21
StVollzG § 22
StVollzG § 22 Abs. 1
StVollzG § 28
StVollzG § 28 Abs. 1
StVollzG § 28 Abs. 2
StVollzG § 46
StVollzG § 56
StVollzG § 56 Abs. 1
StVollzG § 56 Abs. 2
StVollzG § 116 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 1 Ws 174/04 (Vollz)

In dem Strafvollzugsverfahren

wegen unentgeltlicher Überlassung von Schreibmaterial und Hygieneartikeln

hier: Rechtsbeschwerde

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Maurer und den Richter am Landgericht Stricker

am 19. Mai 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 13. April 2004 aufgehoben, soweit sein Antrag auf unentgeltliche Aushändigung von Schreibmaterial zurückgewiesen wurde. Die Sache wird insoweit zu erneuter Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.

3. Dem Beschwerdeführer wird Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung gewährt.

Gründe:

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt .................... mehrere Freiheitsstrafen wegen Betruges. Die Entlassung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt ist rechtskräftig abgelehnt worden; das Strafende wird am 7. Oktober 2005 erreicht sein.

Der Gefangene befindet sich nach Verlegung seit 23. Oktober 2003 in Anstalt in ..............................

Er beanstandet, die Anstalt habe sein Verlangen vom 20. November 2003 auf unentgeltliche Überlassung von Schreibpapier, Briefumschlägen, Nassrasierern, Shampoo, Seife, Rasierseife, Rasierpinsel, Zahnpasta und Zahnbürste zu Unrecht abgelehnt. Sie sei verpflichtet ihm - als Taschengeldempfänger - diese Gegenstände kostenlos auszuhändigen. Es sei daher fehlerhaft, ihn darauf zu verweisen, dass er diese Gegenstände mit dem ihm gewährten Taschengeld in Höhe von 30 € kaufen könne.

Seinen Antrag vom 7. Januar 2004 auf gerichtliche Entscheidung, der darauf gerichtet war, die Justizanstalt anzuweisen, ihm weiterhin die oben genannten Gegenstände unentgeltlich zu überlassen, hat die Strafvollstreckungskammer als unbegründet zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen ist formell nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer macht die Verletzung seines Rechts auf unbeschränkten Schriftverkehr (§ 28 Abs. 1 StVollzG) geltend. Es ist auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG gegeben.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit sie sich dagegen wendet, dass die Vollstreckungsbehörde ihn hinsichtlich des Schreibpapiers und der Briefumschläge auf die Möglichkeit des Einkaufs mit dem dem Gefangenen zur Verfügung stehenden Taschengeld verweist.

§ 28 Abs. 1 StVollzG gibt dem Gefangenen das Recht zum unbeschränkten Schriftwechsel; es darf nur in den Ausnahmefällen des § 28 Abs. 2 StVollzG eingeschränkt werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Gefangene, was auch aus Gründen der Resozialisierung unabdingbar ist, Kontakt zu Personen außerhalb der Anstalt hat. Um dem Gefangenen, der nur über Taschengeld verfügt, dies auch tatsächlich zu ermöglichen, ist es im Rahmen der Fürsorgepflicht geboten, ihm unentgeltlich Schreibmaterial zur Verfügung zu stellen. Dies ergibt sich auch aus verschiedenen Regelungen im strafvollzugsrechtlichen Bereich. So regelt die Ziffer 2 der Verwaltungsvorschrift zu § 28 StVollzG, dass die Kosten des Schriftverkehrs der Gefangene trägt. Damit sind aber nur die Portokosten gemeint (Calliess/Müller - Dietz StVollzG 9. Aufl. § 28 Rn. 4, KG Berlin in Franke: Aus der Rechtsprechung in Strafvollzugssachen 1984 2. Teil, NStZ 1984, 352). Schreibmaterial - zumindest im angemessenen Umfang - hat ihm dagegen nach einhelliger Auffassung in der Literatur die Anstalt kostenlos zur Verfügung zu stellen (Schöch in Kaiser/Kerner/Schöch Strafvollzug 4. Aufl. Rn. 78, Calliess/Müller - Dietz a.a.O., Grunau/Tiesler StVollzG 2. Aufl. § 28 Rn. 6). Dafür spricht auch die "Information zum Strafvollzugsgesetz (für Gefangene) vom 1. September 1980. Dort heißt es unter Ziffer 5.4 im zweiten Absatz, dass Schreibbedarf in angemessenem Umfang die Anstalt zur Verfügung stellt, sofern der Gefangene nicht eigenes Schreibmaterial und Briefpapier verwenden will. Dazu müsste er gegebenenfalls sein Taschengeld verwenden. Nur wenn er das Taschengeld vorrangig zum Erwerb von anderen Genussmitteln - wie Tabak - ausgeben möchte, ist er insoweit nicht als bedürftig anzusehen (StVK Lüneburg Beschluss vom 12. August 1999 -17 StVK 196/99, zitiert nach Nx GE Info, Gerichtsentscheide für den Strafvollzug), Januar 2004) und verliert ausnahmsweise seinen Anspruch auf kostenlose Überlassung des Materials. Die Strafvollstreckungskammer wird entsprechend der vorgenannten Grundsätze aufzuklären haben, ob die Anstalt dem Verurteilten - nur ausnahmsweise - Schreibmaterial zur Verfügung gestellt hat oder ihm regelmäßig in angemessenem Umfang auf sein Verlangen überlässt.

Im Übrigen hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Ein Anspruch auf kostenlose Überlassung von Hygieneartikeln besteht auch bei Taschengeldempfängern nicht. Gerade durch das dem Gefangenen zur Verfügung gestellte Taschengeld nach § 46 StVollzG kommt die Anstalt diesbezüglich ihrer Fürsorgepflicht nach.

Durch die Gewährung von Taschengeld wird bei einem Gefangenen, der wegen seiner Erkrankung nicht arbeiten kann und somit über kein Hausgeld (§ 47 StVollzG) verfügt und zudem kein Eigengeld besitzt, die eingetretene Mittellosigkeit beseitigt.

Das Taschengeld sichert somit seine finanzielle Mindestausstattung. Es dient in erster Linie dazu, dem Gefangenen den Einkauf, § 22 StVollzG, zu ermöglichen. Der Gefangene erhält das Geld nur, wenn er - wie oben dargestellt - bedürftig ist.

§ 22 Abs. 1 StVollzG ist zu entnehmen, dass das Geld in erster Linie den Einkauf von Nahrungs - und Genussmittel sowie Mitteln zur Körperpflege ermöglichen soll. Dies bedeutet aber nicht, dass durch den Einkauf ein zusätzliches, über den Mindestbedarf hinausgehendes Angebot geschaffen werden soll. Dafür könnte zwar ein Vergleich mit den in § 22 Abs. 1 StVollzG angesprochenen Nahrungsmitteln sprechen. Nach den Grundätzen des Strafvollzugs, insbesondere nach § 21 StVollzG, hat die Anstalt den Gefangenen unentgeltlich zu verpflegen. Durch die Einkaufsmöglichkeit von Nahrungsmitteln soll ein zusätzliches Angebot geschaffen werden. Dies gilt jedoch nicht für Mittel zur Körperpflege, genauso wenig wie es für die in § 22 Abs. 1 StVollzG Genussmittel gilt. Dies ergibt sich aus § 56 StVollzG; die Vorschrift trifft eine differenzierte Regelung, was die Hygiene betrifft. § 56 Abs. 1 StVollzG bestimmt, dass die Anstalt für die körperliche und geistige Gesundheit des Gefangenen zu sorgen hat; nach § 56 Abs. 2 StVollzG hat der Gefangene die notwendigen Maßnahmen zur Hygiene aber zu unterstützen. Dies bedeutet, dass er, soweit es ihm zumutbar ist, sein Taschengeld, einsetzen muss. Das ergibt sich aus den Zielen des Strafvollzugs. Nach § 3 Abs. 1 StVollzG soll das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. Daraus folgt, dass der Gefangene nur dann an die außerhalb des Vollzugs herrschende Normalität herangeführt werden kann, wenn ihm aufgezeigt wird, dass er - persönliche Leistungsfähigkeit vorausgesetzt - für die Kosten der sozialadäquaten Körperpflege selbst aufkommen muss (OLG Dresden Beschluss vom 17. Januar 2003 - 2 Ws 381/02, zitiert nach Nx GE Info a.a.O.). Durch die Gewährung des Taschengeldes verliert er - wie oben ausgeführt - den Status der Mittellosigkeit und wird leistungsfähig.

Nach alle dem war die Anstalt somit nur verpflichtet ihm beim Zugang eine Grundausstattung von Hygieneartikeln unentgeltlich zur Verfügung stellen.

Ende der Entscheidung

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