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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 23.04.2001
Aktenzeichen: 1 Ws 199/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 454 a
Bei verhältnismäßig kurzen Freiheitsstrafen kommt eine Entscheidung über die Aussetzung eines Strafrestes erst kurz vor Erreichen des insoweit maßgeblichen Entlassungszeitpunktes in Betracht, weil in der Regel erst dann der Vollzugseindruck beurteilt werden kann.
1 Ws 199/01

In dem Strafvollstreckungsverfahren gegen

wegen Verletzung der Unterhaltspflicht,

hier: Strafaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung der Hälfte und von zwei Dritteln der Strafe

Besetzung

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel

am 23. April 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21. März 2001 teilweise, soweit er die Strafaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe betrifft, aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, insoweit an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

Der Verurteilte verbüßt seit 14. Februar 2001 eine Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Verletzung der Unterhaltspflicht in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal (Pfalz). Unter Berücksichtigung verbüßter Untersuchungshaft hat sich der Halbstrafenzeitpunkt für den 25. März 2001 errechnet. Der Zwei-Drittel-Zeitpunkt ist für den 25. Mai 2001 vorgemerkt. Das Strafende wird am 25. September 2001 erreicht sein. Auf den Antrag des Verurteilten hat es die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) abgelehnt, die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe nach Verbüßung der Hälfte der Strafe zur Bewährung auszusetzen. Zugleich hat sie auch die Strafaussetzung nach Verbüßung von zwei Dritteln versagt. Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Verurteilte gegen beide Entscheidungen.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Nach Auskunft der Justizvollzugsanstalt Frankenthal (Pfalz) ist der angefochtene Beschluss dem Beschwerdeführer am 27. März 2001 übergeben worden.

Die sofortige Beschwerde führt teilweise zu einem vorläufigen Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer hat verfrüht über die Strafaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (§ 57 Abs. 1 StGB) entschieden.

I.

Zwar ist nach § 454 a StPO vorgesehen, dass Entscheidungen über die Aussetzung von Strafresten möglichst früh getroffen werden sollen, ohne dass das Gesetz allerdings den zeitlichen Abstand zwischen der Entlassungsentscheidung und dem Entlassungszeitpunkt näher bestimmt. Ab wann die künftige Entlassung des Verurteilten beschlossen werden kann, hängt daher von den Umständen des Einzelfalles ab. Hat der Verurteilte (wie hier) eine verhältnismäßig kurze Strafe zu verbüßen, wird in der Regel erst kurz vor dem Zeitpunkt der Entlassung eine Entscheidung in Betracht kommen. Denn in solchen Fällen lässt sich die Auswirkung des Strafvollzugs als wesentlicher Faktor der Prognose des künftigen Verhaltens des Verurteilten in Freiheit erst dann bestimmen (Senat, StV 1992, 26-27 = NStZ 1992, 148). Hinzu kommt, dass in solchen Fällen der Aufwand der erforderlichen Wiedereingliederungsmaßnahmen, der der Grund für eine möglichst frühzeitige Entlassungsentscheidung darstellt (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1987, 1046; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 454 a Nr. 1), regelmäßig geringer sein wird, als wenn sich der Verurteilte seit längerer Zeit in Strafhaft befunden hat (Senat aaO).

Somit bestand hier kein Anlass, im Rahmen der von dem Verurteilten beantragten Halbstrafenentscheidung über den Zwei-Drittel-Zeitpunkt mitzuentscheiden, der erst am 25. Mai 2001 erreicht sein wird. Zwar ist der Strafvollstreckungskammer insoweit beizupflichten, dass auch dieser Zeitpunkt relativ nahe liegt. Dennoch war die Zwei-Drittel-Entscheidung verfrüht, weil die Strafvollstreckungskammer noch über keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für eine diesbezügliche Prognose verfügte. Denn der Bericht der Justizvollzugsanstalt Frankenthal (Pfalz) vom 12. März 2001, der sich ausdrücklich nur auf eine Stellungnahme "nach § 57 Abs. 2 StGB" bezog, ist weniger als vier Wochen nach Beginn der Strafhaft erstellt worden. Es liegt nahe, dass nach so kurzer Zeit der Strafvollzug den Verurteilten noch nicht beeindruckt hat, woraus sich ohne weiteres die darin geäußerte ungünstige Einschätzung des Verurteilten erklärt. Ein so geringer Verbüßungszeitraum genügt erst recht nicht, um abschließend zu beurteilen, ob der bei Erstverbüßern regelmäßig anzunehmende günstige Vollzugseindruck eingetreten ist oder dem gewichtige Gründe entgegenstehen. Die Strafvollstreckungskammer durfte somit aufgrund des von dem Verurteilten sogleich nach Vollzugsbeginn gestellten Halbstrafenantrags noch nicht über eine Strafaussetzung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt mitentscheiden.

Sie verstieß damit zudem gegen die Vorschrift des § 454 Abs. 1 Satz 2 StPO, wonach die Vollzugsanstalt und der Verurteilte zu hören sind. Denn die Vollzugsanstalt hat - wie ausgeführt - in ihrem Bericht vom 12. März 2001 lediglich eine "Stellungnahme nach § 57 Abs. 2 StGB" abgegeben und sich gegen eine solche Maßnahme ausgesprochen (dass darin der Bericht der zuständigen Sozialarbeiterin zitiert wird, der sich gegen "eine vorzeitige Entlassung gemäß § 57, II und I StGB" ausgesprochen hat, ergibt nichts anderes, weil eine Stellungnahme zur Zwei-Drittel-Frage nicht angeordnet worden war und sich die Vollzugsanstalt das auch nicht zu eigen gemacht hat). Zugleich ist das rechtliche Gehör des Verurteilten verletzt worden, weil nicht ersichtlich ist, dass ihm bekannt gemacht worden ist, dass die Strafvollstreckungskammer aufgrund seines Halbstrafenantrags zugleich über den Zwei-Drittel-Zeitpunkt mitzuentscheiden gedachte, so dass er bei seiner Anhörung am 21. März 2001 keine Gelegenheit hatte, sich zu dieser Frage zu äußeren (vgl. zu allem: KK-Fischer, StPO, 4. Aufl., § 454 Rdnr. 18), und von der Entscheidung überrascht wurde. Der Bericht der Justizvollzugsanstalt ist dem Verurteilten (folgerichtig) als Stellungnahme zu einer Strafaussetzung "gemäß § 57 StGB (Abs. 2)" ausgehändigt worden. Aus dem Anhörungsprotokoll oder dem angefochtenen Beschluss ergibt sich nicht, dass der Verurteilte darauf hingewiesen worden wäre, dass über eine Strafaussetzung gemäß § 57 Abs. 1 StGB mitentschieden werden würde. Zwar hat der Vorsitzende der Strafvollstrekkungskammer am 14. März 2001 verfügt, ein weiteres "StVK Az." einzutragen "(für event. Zweidrittelentscheidung)". Daraus kann aber nicht entnommen werden, dass der Verurteilte über diese Möglichkeit in Kenntnis gesetzt worden wäre. Gleiches gilt für den Umstand, dass laut Anhörungsprotokoll die "Stellungnahme ... der Staatsanwaltschaft" erörtert wurde, weil das offen lässt, ob lediglich deren Äußerung vom 8. März 2001 zur beantragten Halbstrafenentscheidung oder auch deren Anregung vom 13. März 2001, über die Zwei-Drittel-Frage mitzuentscheiden, besprochen wurde.

Die festgestellten Verfahrensmängel, insbesondere die Verletzung des rechtlichen Gehörs hinsichtlich der Zwei-Drittel-Frage, haben zur Folge, dass die Sache entgegen der Regel des § 309 Abs. 2 StPO insoweit an die Strafvollstrekkungskammer zurückzuverweisen ist (vgl. auch OLG Rostock, NStZ-RR 2000, 14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Februar 1997 - 3 Ws 43/97 -; OLG Düsseldorf, NStZ 1993, 406).

II.

Die weitergehende Beschwerde, die sich auf die Entscheidung der Strafaussetzung zur Bewährung zum Halbstrafenzeitpunkt bezieht, bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer darauf hingewiesen, dass sich aus dem Bericht der Vollzugsanstalt ergibt, dass sich an der inneren Einstellung des Verurteilten durch die (kurze) Strafverbüßung nichts geändert hat, so dass eine Strafaussetzung zu diesem Zeitpunkt nicht in Betracht kommt.

Ende der Entscheidung

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