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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 27.02.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 26/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 317
StPO § 322
StPO § 400 Abs. 1
Der nur in begrenztem Umfang zur Urteilsanfechtung berechtigte Nebenkläger kann gegenüber dem Berufungsgericht zur Angabe seines Rechtsmittelziels verpflichtet sein. Dies muss aber nicht innerhalb der Begründungsfrist nach § 317 StPO geschehen und kann auch noch nach Erlass eines Verwerfungsbeschlusses im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 26/09

In dem Strafverfahren gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

hier: Sofortige Beschwerde des Nebenklägers T...F... vom 8. Januar 2009 gegen den Beschluss der 5. (Kleinen) Strafkammer des Landgericht Frankenthal (Pfalz) vom 4. Dezember 2008, in welchem seine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 8. August 2008 als unzulässig verworfen wurde

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richter am Oberlandesgericht Burger und Süs sowie den Richter am Landgericht Christoffel

am 27. Februar 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Nebenklägers wird der Beschluss der 5. (Kleinen) Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 4. Dezember 2008 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Nebenklägers sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Strafrichterin des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein hat durch Urteil vom 8. August 2008 die Angeklagten entsprechend der Anklage der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 15. Januar 2008 einer gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) zum Nachteil des Nebenklägers schuldig gesprochen. Sie hat gegen den Angeklagten C B eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten und gegen den Angeklagten A B eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten verhängt, deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) haben gegen dieses Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) hat ihre Berufung mit Berufungsbegründung vom 12. November 2008 auf das Strafmaß beschränkt.

Auch der Nebenkläger hat mit Schriftsatz seines Rechtsanwaltes vom 15. August 2008 fristgerecht Berufung eingelegt und diese wie folgt formuliert:

"Lege ich namens und in Vollmacht des von mir vertretenen Nebenklägers Herrn T F gegen das in der Hauptverhandlung vom 08.08. 2008 verkündete Urteil Berufung ein. Mit der Berufung wird geltend gemacht, dass zum einen die gegen die beiden Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen angesichts der Brutalität der Vorgehensweise bei der Tatbegehung als auch unter der Berücksichtigung der schweren Verletzungsfolgen und der hieraus resultierenden und auch derzeit noch bestehenden erheblichen psychiatrischen Nachwirkungen bei meinem Mandanten unverhältnismäßig gering ausgefallen sind und dass auch eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung unter Berücksichtigung letztlich fehlender Einsicht der Angeklagten in das Unrecht der von ihnen begangenen Taten und der bereits vorliegenden strafrechtlichen Vorbelastung nicht hätte in Betracht kommen dürfen."

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 4. Dezember 2008 die Berufung des Nebenklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 8. August 2008 als unzulässig verworfen (§ 322 Abs. 1 StPO) und dazu u.a. ausgeführt:

"Der Nebenkläger hat die rechtzeitig und formgerecht eingelegte Berufung begründet. Er beanstandet die Strafhöhe und die Strafaussetzung zur Bewährung. Ziel der Berufung ist damit ausschließlich die Verhängung einer höheren Strafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Sein Rechtsmittel ist jedoch nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen der §§ 400 Abs. 1, 401 StPO zulässig. Danach ist dem Nebenkläger die Anfechtung des Urteils mit dem Ziel, dass eine andere Rechtsfolge verhängt wird, verwehrt. Genau dies möchte der Nebenkläger aber mit seinem Rechtsmittel erreichen.

Der Nebenkläger ist aber weiterhin in dem Strafverfahren beteiligt, da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten form- und fristgerecht Berufung eingelegt haben."

Hiergegen wendet sich der Nebenkläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 8. Januar 2009 und begründet diese wie folgt:

"Zur Begründung der Berufung wurde mit Schriftsatz vom 17.09.2008 ausgeführt, dass eine Verurteilung gemäß § 226 I 3 StGB hätte erfolgen müssen. Dies ist in dem angefochtenen Beschluss unberücksichtigt geblieben."

Nach Hinweis des Senats an den Nebenklägervertreter, dass sich ein Schriftsatz mit diesem Inhalt und mit diesem Datum nicht in der Strafakte befindet, hat der Nebenkläger dem Senat eine Abschrift dieses Schriftsatzes übermittelt, der u.a. folgenden Inhalt hat:

"Wird zur weiteren Begründung der vom Nebenkläger eingelegten Berufung gegen das Urteil eingewandt, dass mit der Tat der Straftatbestand des § 226 I Ziff. 3 StGB verwirklicht wurde und die Strafnorm nicht zur Anwendung gekommen ist. Der Nebenkläger leidet weiterhin in erheblicher Weise an einer posttraumatischen Belastungsstörung nach ICD-10 F 43.1 im Grenzbereich zu einer posttraumatischen Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 F 62.0 und somit an einer geistigen Erkrankung im Sinne des § 226 StGB."

II.

Die statthafte (§ 322 Abs. 2 StPO) und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Durch die im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise nachgeholte Benennung des Berufungsziels einer Schuldspruchänderung zum Nachteil der Angeklagten (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB anstatt § 224 StGB) i.V.m. den dazu gemachten Ausführungen hat sich die angegriffene Verwerfungsentscheidung des Landgerichts im nachhinein als unrichtig herausgestellt.

§ 400 Abs. 1 StPO normiert für Rechtsmittel des Nebenklägers ein beschränktes Anfechtungsrecht. Danach ist die Anfechtung eines Urteils durch den Nebenkläger sowohl mit dem Ziel, dass gegen den Angeklagten eine andere - insbesondere härtere - Rechtsfolge verhängt wird als auch wegen einer Gesetzesverletzung, die den Nebenkläger nicht zum Anschluss nach § 395 StPO berechtigt, unzulässig. Dies bedeutet, dass ein Rechtsmittel des Nebenklägers u.a. in den Fällen unzulässig ist, wenn es im Sinne einer förmlichen Rechtsmittelbeschränkung auf die Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt wurde oder wenn bei einem unbeschränkt eingelegten Rechtsmittel sich die vom Nebenkläger erhobenen Beanstandungen allein auf die Rechtsfolgen beziehen.

Demgegenüber ist die Anfechtung zulässig, wenn geltend gemacht wird, eine Rechtsvorschrift über ein den anfechtenden Nebenkläger betreffendes Nebenklagedelikt sei zu Unrecht nicht in den Schuldspruch der Entscheidung aufgenommen worden (vgl. OLG Hamm NZV 2003, 150 m.w.N.)

Insofern muss der Nebenkläger gegenüber dem Rechtsmittelgericht deutlich erkennbar machen, dass er mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, nämlich dass das Urteil wegen einer zum Anschluss als Nebenkläger berechtigenden Gesetzesverletzung angefochten wird.

Der Nebenkläger ist dieser Verpflichtung mit seiner am 15. August 2008 eingelegten und zugleich begründeten Berufung nicht ausreichend nachgekommen.

Die Berufung ist - entgegen der Auffassung des Verteidigers des Angeklagten zu 1) - nicht förmlich auf den Rechtsfolgenausspruch des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 318 StPO beschränkt worden, da es hierzu an einer eindeutigen Erklärung des Nebenklägers fehlt.

Die Berufungsbeschränkung braucht zwar nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sie kann sich auch aus dem Wortlaut und dem Sinn der Berufungsbegründung ergeben. Führt die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, so gilt die Berufung als unbeschränkt (Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 318 Rdnr. 2). So liegt der Fall hier.

Der Nebenkläger hat seine Berufung nicht ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Auch der Wortlaut und der Sinn der Berufungsrechtfertigung rechtfertigen ebenfalls nicht die Annahme einer förmlichen Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, da dem durch einen Anwalt vertretenen Nebenkläger bekannt sein musste, dass er das Ziel einer härteren Bestrafung nur über einen zulässigen Angriff auf den Schuldspruch des erstinstanzlichen Urteils herbeiführen kann. Ferner werden in der Begründung der Berufung auch Umstände (schwere Verletzungsfolgen und psychiatrische Nachwirkungen) genannt, die für das Ziel einer Schuldspruchänderung (§ 226 StGB) angeführt werden könnten.

Der Berufungsbegründung ist - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - nur eindeutig zu entnehmen, dass der Nebenkläger nicht mit der ausgesprochenen Strafhöhe und deren Strafaussetzung zur Bewährung einverstanden ist. Ob damit zugleich der Schuldspruch des erstinstanzlichen Urteils von der Anfechtung ausgenommen werden sollte, ist seiner Begründung nicht mit genügender Deutlichkeit zu entnehmen. Auch aus den Umständen außerhalb der Berufungsschrift lässt sich das Berufungsziel einer Schuldspruchänderung nicht zuverlässig entnehmen. Die Angeklagten wurden entsprechend der Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt und dem Hauptverhandlungsprotokoll des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 8. August 2008 lässt sich nicht entnehmen, dass der Nebenkläger eine Verurteilung der Angeklagten wegen einer schweren Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB angestrebt hatte.

Der Nebenkläger hat aber im Beschwerdeverfahren noch rechtzeitig sein Berufungsziel einer Schuldspruchänderung zum Nachteil der Angeklagten mitgeteilt, da für die Benennung des Berufungsziels weder § 400 Abs.1 StPO noch § 317 StPO eine gesetzliche Frist bestimmt.

§ 400 Abs.1 StPO verpflichtet den Nebenkläger zwar zur Mitteilung seine Rechtsmittelziels, legt aber nicht fest, bis zu welchem Zeitpunkt dies gegenüber dem Rechtsmittelgericht erfolgen soll.

Nach § 317 StPO kann die Berufung binnen einer weiteren Woche nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei dem Gericht des ersten Rechtszuges zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in einer Beschwerdeschrift gerechtfertigt werden. Eine verpflichtende Berufungsbegründung ist dadurch nicht vorgeschrieben. § 317 StPO ist nur als eine Kann-Vorschrift anstatt einer Ist-Vorschrift ausgestaltet. Damit korrespondiert, dass es gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt (Meyer-Goßner a.a.O. § 317 Rdnr. 2 und § 44 Rdnr. 2). Ferner kann nach § 322 StPO das Berufungsgericht das Rechtsmittel als unzulässig verwerfen, wenn es die Vorschriften über die Einlegung der Berufung für nicht beachtet ansieht. Schon der Wortlaut (Einlegung der Berufung) macht deutlich, dass die verspätete Berufungsbegründung (§ 317 StPO) nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führt, sondern allein die fehlende Mitteilung der notwendigen Beschwer im Sinne von § 400 Abs. 1 StPO (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 12. Februar 2008, 3 Ws 41/08, zitiert nach LexisNexis). Der Nebenkläger sollte zwar so früh wie möglich sein Berufungsziel mitteilen, um eine negative Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu vermeiden. Dies schließt aber nicht aus, dass er erst nach Einlegung der ihm kraft Gesetzes zustehenden sofortigen Beschwerde (§ 322 Abs. 2 StPO) seiner Verpflichtung nachkommt. Denn das Beschwerdegericht ist nicht nur Rechts-, sondern auch Tatsacheninstanz (vgl. KK-Engelhardt StPO 6. Aufl. § 311 Rdnr. 5). Insofern kann es dem Nebenkläger nicht verwehrt werden, sein Berufungsziel erstmals im Beschwerdeverfahren zu benennen und zu konkretisieren.

Auch der Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts vom 6. September 2006 -Ws 298/06 - (NStZ-RR 2007, 209) ist nicht die Rechtsauffassung zu entnehmen, dass der Nebenkläger seine Beschwer i.S.v. § 400 Abs. 1 StPO nur innerhalb der Frist des § 317 StPO geltend machen kann. Denn eine solche Auffassung würde die Frist des § 317 StPO in eine Ausschlussfrist (Meyer-Goßner a.a.O. Vor § 42 Rdnr.6) verwandeln und die sofortige Beschwerde nach § 322 Abs. 2 StPO wäre nur noch auf eine Rechtskontrolle beschränkt.

Nachdem der Nebenkläger sein Berufungsziel nunmehr dahin klargestellt hat, dass eine Verurteilung der Angeklagten wegen einer schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) erstrebt wird, steht der Zulässigkeit seines Rechtsmittels auch der § 400 Abs. 1 StPO nicht mehr entgegen. Nicht ausreichend wäre es allerdings, wenn lediglich die Nichtaburteilung eines völlig fern liegenden Nebenklagedelikts gerügt wird, für das nach Aktenlage nicht der geringste Anhalt besteht (BGHR StPO § 400 Abs. 1 Prüfungsumfang 3; OLG Köln NZV 2004, 656; OLG Hamm NZV 2003, 150, 151; Meyer-Goßner aaO. § 400 Rn. 6). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Vielmehr besteht zumindest die entfernte rechtliche Möglichkeit einer Verurteilung nach dem nebenklagefähigen Straftatbestand.

Denn der Nebenkläger führt für die Begründung einer geistigen Krankung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB an, "dass er weiterhin in erheblicher Weise an einer posttraumatischen Belastungsstörung nach ICD-10 F 43.1 im Grenzbereich zu einer posttraumatischen Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 F 62.0 leidet". Der Nebenkläger bezieht sich damit auf einen Arztbrief des Zentrums für psychosoziale Medizin der Universität H vom 19. Dezember 2007 (Bl. 207, 208 d.A.) und auf einen Bericht seiner behandelnden Ärztin S.... vom 19. Juni 2008 (Bl. 209, 210 d.A.), die er bereits dem erstinstanzlichen Gericht vorgelegt hatte.

Daher ist die Berufung des Nebenklägers nunmehr zulässig und gemeinsam mit den Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft zu verhandeln und zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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