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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 09.10.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 381/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1
StGB § 57 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 381/07

In dem Strafvollstreckungsverfahren

wegen Steuerhinterziehung u.a.

hier: Strafaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln der Strafe

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Petry, den Richter am Oberlandesgericht Maurer sowie den Richter am Amtsgericht Schubert

am 9. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken vom 10. September 2007 aufgehoben.

2. Die Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafestrafe von 3 Jahren und 6 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 19. Juli 2005 wird nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich seiner darin entstandenen notwendigen Auslagen hat der Verurteilte zu tragen.

Gründe:

Der Verurteilte verbüßt eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten, die das Landgericht Kaiserslautern am 19. Juli 2005 gegen ihn wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke in 15 Fällen, Steuerhinterziehung in zwei Fällen und versuchter Steuerhinterziehung verhängt hat. Die Strafvollstreckungskammer hat die bedingte Entlassung nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln der Strafe angeordnet. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie die Annahme einer günstigen Prognose in Frage stellt.

Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Nach § 57 Abs. 1 StGB i.d.F. des am 31. Januar 1998 in Kraft getretenen Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160) kann die Vollstreckung des letzten Drittels einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Nach § 57 Abs. 1 S. 2 StGB in der genannten Neufassung ist dabei neben der Persönlichkeit und dem Vorleben des Verurteilten, den Umständen der Tat, seinen Lebensverhältnissen und den Wirkungen der Aussetzung auf den Verurteilten auch das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes zu berücksichtigen. Erforderlich ist sonach eine Abwägung zwischen dem Resozialisierungsinteresse des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, wobei die Anforderungen an die Erfolgswahrscheinlichkeit der Strafaussetzung mit dem Gewicht des bei einem etwaigen Rückfall bedrohten Rechtsgutes immer höher werden (OLG Stuttgart StV 1998, 668; OLG Koblenz StV 1998, 667 m.w.N.).

Eine an den aufgeführten Kriterien orientierte günstige Sozialprognose vermag der Senat dem Verurteilten im Gegensatz zur Strafvollstreckungskammer nicht zu stellen. Weder die persönliche Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug noch die äußere Situation, in die er vorzeitig entlassen würde, sind als so günstig einzuschätzen, dass die Rückfallgefahr sich auf ein verantwortbares, bei Prognoseentscheidungen stets verbleibendes Risiko beschränken würde. Gegen den Verurteilten spricht vorliegend, dass eine Aufarbeitung der Straftaten im Vollzug bisher nicht stattgefunden hat und er sich eher in einer Opfer- als in einer Täterrolle sieht, wenngleich der Senat das beanstandungsfreie Vollzugsverhalten des Verurteilten, das auch dadurch gekennzeichnet ist, dass er aus Vollzuglockerungen stets pünktlich zurückkehrte, nicht verkennt. Ein beanstandungsfreies Vollzugsverhalten ist jedoch für Wirtschaftsstraftäter eher typisch. Auch spricht gegen den Verurteilten, dass er im Fall seiner Entlassung wohl von sozialen Leistungen leben müsste. Er macht im Vollzug zahlreiche körperliche Beschwerden geltend, die es unwahrscheinlich machen, dass der Verurteilte in Freiheit einen Arbeitsplatz findet, der mit körperlicher Arbeit verbunden ist, obwohl er den Beruf des Maschinenbauers erlernt hat. Hinzu kommt, dass der Verurteilte sich bereits in einem fortgeschrittenen Lebensalter befindet. Es wäre daher zu befürchten, dass der Verurteilte auf eigentums- oder vermögensstrafrechtlichem Gebiet wieder rückfällig würde. Die Erwägung der Strafvollstreckungskammer, dass der Verurteilte wegen seiner desolaten finanziellen Situation wohl keine Steuerdelikte mehr begehen wird, geht daher insofern fehl, als sich aus dem Urteil des Landgerichts Kaiserslautern ergibt, dass der Verurteilte aus seinen Straftaten, wegen denen er zurzeit Strafe verbüßt, seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie bestritten hat, eine angespannte finanzielle Situation also gerade eher Anreiz zur Begehung weiterer Straftaten bieten kann. Die Strafvollstreckungskammer hat daher durch Beschluss vom 16. Mai 2007 mit eingehender, vom Senat durch Beschluss vom 13. Juni 2007 (1 Ws 258/07) gebilligter Begründung Strafaussetzung nach Verbüßung von 2/3 der Strafe auch im Hinblick auf den bisherigen Werdegang des Verurteilten versagt. Die Situation des Verurteilten und auch sein Vollzugsverhalten haben sich seitdem nicht geändert, sodass keine Veranlassung besteht, nunmehr anders zu entscheiden. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken vom 10. September 2007 ist daher aufzuheben und der Antrag des Verurteilten vom 26. Mai 2007 auf Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung zurückzuweisen.

Der Senat konnte vorliegend ohne eigene persönliche Anhörung des Verurteilten entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 1988, 1715; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. 2007 § 454 Rdnr. 46). Er nimmt dem Verurteilten ab, wenn er in der mündlichen Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer vorbrachte, er habe hinsichtlich seiner umstrittenen Internetveröffentlichung aus unüberlegter Verzweiflung gehandelt. Diese Veröffentlichung hat bei der Entscheidung des Senats jedoch, wie aus obigen Ausführungen ersichtlich, keine Rolle gespielt, da sie, wie aus der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 4. September 2007 unter dem Aktenzeichen 4107 Js 9201/07 hervorgeht, keine strafrechtliche Relevanz hat. Auch glaubt der Senat dem Verurteilten, dass seine Familie sich in ernsten Schwierigkeiten befindet, was sich auch aus den zahlreichen Unterlagen ergibt, die der Verurteilte zur Glaubhaftmachung seines diesbezüglichen Vortrags vorgelegt hat. Jedoch sind diese Umstände nicht - auch nicht bei einer Zusammenschau mit den oben genannten für den Verurteilten sprechenden Gesichtspunkten - geeignet, eine positive Prognose zu begründen, da sie jeden Verurteilten, der sich in einer ähnlichen Situation befindet, gleichermaßen treffen, als Folge des Strafvollzuges hinzunehmen sind und auch in der von dem Verurteilten beschriebenen Ausprägung nicht in der Lage sind, die oben genannten, negativen Faktoren zumindest auszugleichen.

Ende der Entscheidung

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