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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 17.11.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 472/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56c Abs. 2 Nr. 1
StGB § 56f Abs. 2

Entscheidung wurde am 17.03.2004 korrigiert: das Verkündungsdatum wurde korrigiert
Zur Frage der Zulässigkeit einer Bewährungsweisung, die in das Recht der freien Berufsausübung eingreift.

Zur Frage der Zulässigkeit einer Bewährungsweisung, die in das Recht der freien Berufsausübung eingreift.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 472/03

wegen Betruges und Urkundenfälschung

hier: Bewährungsweisung

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Ruppert

am 17. November 2003

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der nicht datierte Beschluss der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz (Bl. 116 BewH). aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen, die dem Verurteilten darin entstanden sind, werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:

Der Verurteilte ist mit Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 16. August 2001 wegen Betruges in 5 Fällen und Urkundenfälschung in 46 Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Strafe wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren mit Strafaussetzung verurteilt worden. Die Urkundenfälschungen hatte er im Zusammenhang mit seiner damaligen Beschäftigung in einem Versicherungsvermittlungsbüro begangen. Mit Bewährungsbeschluss vom 16. August 2001 ist ihm u.a. unter Nr. 3. c) durch Weisung untersagt worden, eine Arbeit aufzunehmen, die im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungs- bzw. Bausparverträgen oder vergleichbarer Verträge steht. Eine sodann aufgenommene Beschäftigung in seinem früher erlernten Beruf als Dreher verlor er nach kurzer Zeit infolge betriebsbedingter Kündigung. Nach Abschluss eines im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme des Arbeitsamts durchgeführten Praktikums erhielt er ab 1. Mai 2003 eine Anstellung bei der Firma A. C. GmbH, in der er als Leiter des Fachbereichs "Makler" mit Versicherungen, Anlagen und Finanzierungen betraut ist. Zu seinen Aufgaben gehört die Betreuung der selbständigen Berater, die Schulung, Führung und Kontrolle. Die Strafkammer sieht hierin einen gröblichen und beharrlichen Verstoß gegen die genannte Weisung des Bewährungsbeschlusses und hat daher dem Verurteilten mit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 56f Abs. 2 Nr. 1 StGB zur Vermeidung eines Widerrufs die Weisung erteilt, entweder seinen Arbeitgeber über den Inhalt des zugrunde liegenden Urteils zu informieren oder seinen Arbeitsvertrag zu kündigen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten ist gemäß § 453 Abs. 2 S. 1 StPO zulässig, denn sie macht geltend, die nachträglich getroffene Bewährungsanordnung sei gleichbedeutend mit einem Beschäftigungsverbot und damit gesetzwidrig.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die im angefochtenen Kammerbeschluss angeordnete Weisung an den Verurteilten, seinen Arbeitgeber über den Inhalt des zugrunde liegenden Urteils zu informieren oder seinen Arbeitsvertrag zu kündigen, basiert ausschließlich auf der im ursprünglichen Bewährungsbeschluss vom 16. August 2001 unter Nr. 3. c) getroffenen Weisung, wonach ihm untersagt worden ist, eine Arbeit aufzunehmen, die im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungs- bzw. Bausparverträgen oder vergleichbarer Verträge steht. Die jetzige Weisung setzt daher die Gesetzmäßigkeit der ursprünglichen Weisung voraus, die in diesem Rahmen zu überprüfen ist. Der Senat ist der Auffassung, dass bereits die ursprüngliche Bewährungsweisung ohne gesetzliche Rechtfertigung erfolgt ist, womit auch die jetzige Weisung ihre Grundlage verliert.

§ 56 c Abs. 2 Nr. 1 StGB lässt grundsätzlich auch Weisungen zu, die den Bereich der Arbeit betreffen, allerdings nur unter der Einschränkung, dass damit keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten gestellt werden. Streitig ist, ob solche Weisungen einem Berufsverbot i.S.v. § 70 StGB gleichkommen dürfen. Teils wird diese Frage eindeutig verneint mit der Begründung, dass ein Berufsverbot nur durch Urteil ausgesprochen werden könne (OLG Hamm NJW 1955, 34). Auch der Bundesgerichtshof (StV 1998, 658) hat bei einem Angeklagten, der seinen Lebenserwerb als Kinderclown erzielte, in der Weisung, nicht mit Kindern unter 14 Jahren in der Öffentlichkeit zusammenzuarbeiten, eine unzumutbare Anforderung und daher einen gesetzwidrigen Eingriff gesehen. Soweit in der Rechtsprechung Einschränkungen der Berufsausübung durch Weisung als zulässig erachtet werden, sind die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte mit vorliegendem nicht vergleichbar. Nach BGHSt 9, 258, worauf sich auch der angefochtene Beschluss bezieht, ist eine zeitweilige Untersagung einer bestimmten Tätigkeit zulässig zum Zwecke der Wiedereingliederung des Verurteilten. Zugrunde lag eine politische Nachrichtentätigkeit, die als Nebentätigkeit und nicht im eigentlichen Beruf ausgeübt wurde, deren Untersagung kein eigentliches Berufsverbot darstellte. Das Oberlandesgericht Nürnberg (OLGSt StGB § 57 Nr. 30) lässt ein fast vollständiges Berufsverbot zu, wenn dies nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern auch der Resozialisierung des Verurteilten dient und nicht unzumutbar erscheint. Hierbei ging es um die bedingte Entlassung eines Verurteilten, der bei Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit straffällig geworden war; er wurde angewiesen, für den Fall der Wiedererteilung seiner Approbation keine ärztliche Tätigkeit, die mit dem persönlichen Kontakt mit Patienten verbunden ist, auszuüben; mit dieser Weisung war er im Übrigen einverstanden. Primär auf die Gefahren für die Allgemeinheit stellt das Oberlandesgericht Hamburg ab (NJW 1972, 168). Ein kaufmännischer Angestellter wurde infolge seines Alkoholproblems und darauf beruhender Affektlabilität angewiesen, nicht in einem Beruf des Gaststättengewerbes tätig zu werden.

Die Ausgangslage in vorliegender Sache ist mit diesen Entscheidungen nicht vergleichbar. Es ist bereits zweifelhaft, ob bei dem Angeklagten eine besondere Gefährdung zur Begehung von Straftaten speziell in Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs des Versicherungskaufmannes besteht. Er hat lediglich eine einzige einschlägige Vorverurteilung (Geldstrafe wegen Betruges und Urkundenfälschung). Bei der weiteren im Urteil aufgeführten Verurteilung wegen Betruges handelt es sich nicht um eine Vorstrafe, da sie in die Gesamtstrafe einbezogen wurde. Die insoweit zugrunde liegende Straftat steht nicht in Zusammenhang mit der Tätigkeit als Versicherungskaufmann, vielmehr ging es um den Kauf einer Einbauküche. Dies gilt im Übrigen auch für einen Teil der am 16. August 2001 abgeurteilten Straftaten. Lediglich die 46 Urkundenfälschungen wurden vom Verurteilten im Zusammenhang mit seiner damaligen Tätigkeit in einem Versicherungsvermittlungsbüro begangen; er hatte fingierte Anträge für Bausparverträge mit Unterschriften nicht existenter Personen unterschrieben. Laut Urteil stand dabei ein Mitverurteilter im Vordergrund, der deswegen auch zu einer wesentlich höheren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Bei der Strafzumessung wurde berücksichtigt, dass der Verurteilte, der in vollem Umfang geständig war, alle Taten auf Veranlassung des Mitverurteilten begangen hatte. Die Kammer ging auch davon aus, dass der Verurteilte durch die in der Zeit vom 19. Januar 2001 bis 16. August 2001 erlittene Untersuchungshaft erkannt habe, dass er sein Leben grundlegend ändern müsse. Die zwingende Notwendigkeit der Untersagung der Tätigkeit im Bereich des Versicherungsmaklers zum Zwecke der Bewahrung des Verurteilten vor neuer Straffälligkeit erscheint danach bereits wenig nachvollziehbar. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass der Verurteilte den Beruf des Versicherungskaufmannes im Rahmen einer Umschulung im Jahre 1988 erlernt hatte, weil er die frühere Tätigkeit als Dreher infolge einer Körperbehinderung nicht mehr ausüben konnte. Er hat zwar nach der Verurteilung nochmals als Dreher gearbeitet, was aber nur von kurzer Dauer war (betriebsbedingte Kündigung).

Die getroffene Weisung regelt nicht nur die Art und Weise der Berufsausübung, etwa die Untersagung, zusammen mit bestimmten Personen tätig zu sein, sondern kommt dem kompletten Verbot, in seinem erlernten Beruf als Versicherungskaufmann tätig zu sein, gleich. Darin liegt jedenfalls eine unzumutbare Anforderung an die Lebensführung des Verurteilten, die in keinem Verhältnis zur Absicht steht, ihn vor neuer Straffälligkeit zu bewahren. Die Weisung war gesetzwidrig, so dass auf sie weder ein Widerruf der Strafaussetzung noch - wie im angefochtenen Beschluss - im Wege des § 56f Abs. 2 StGB weitere Weisungen gestützt werden können.

Ende der Entscheidung

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