Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 04.02.2004
Aktenzeichen: 1 Ws 513/03 - Vollz
Rechtsgebiete: StVollzG, StGB


Vorschriften:

StVollzG § 6
StVollzG § 7
StVollzG § 7 Abs. 2
StVollzG § 7 Abs. 2 Nr. 1
StVollzG § 7 Abs. 2 Nr. 7
StVollzG § 109 Abs. 2
StVollzG § 116 Abs. 1
StGB § 57
StGB § 57 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ws 513/03 - Vollz

In dem Strafvollzugsverfahren

wegen Festsetzungen des Vollzugsplans,

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Ruppert

am 4. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ............. vom 6. Oktober 2003 aufgehoben.

2. Der Antrag der Betroffenen festzustellen, dass

a) die Festlegungen im Vollzugsplan vom 16. Januar 2003, soweit von einer vollständigen Strafverbüßung ausgegangen wird und deshalb Vollzugslockerungen (noch) nicht vorgesehen sind,

b) die Vollzugsplanfortschreibung (erst) nach einem Jahr rechtswidrig sind, wird abgelehnt.

3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und ihre notwendigen Auslagen zu tragen.

4. Der Streitwert wird auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 300,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin verbüßt in der Justizvollzugsanstalt ................ eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten wegen Untreue aus dem Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 27. November 2001 (Az.: 6061 Js 9092/00 (Wi) - 5 KLs). Zwei Drittel der Strafe werden am 21. November 2004 verbüßt sein. Das endgültige Strafende ist am 1. Januar 2006. Nach den Feststellungen des Urteils hatte die Antragstellerin als Bankkauffrau zwischen 1988 und 1997 ca. 4,4 Mio. DM bei ihrem Arbeitgeber veruntreut. Der Verbleib der Gelder ist ungeklärt. Zum Verbleib des Geldes machte die Antragstellerin keine Angaben. Bei Aufnahme der Antragstellerin in die Justizvollzugsanstalt ................ wurde ein Vollzugsplan erstellt, in dem es u. a. heißt, dass von einer Verbüßung bis zum Endstrafentermin ausgegangen werden müsse und dass derzeit keine Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Eine Fortschreibung des Vollzugsplans ist erstmals nach Ablauf eines Jahres vorgesehen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dass sie zu den Motiven ihrer Straftaten und zum Verbleib des Geldes keine Angaben mache, könne nicht als (alleinige) Begründung dafür herangezogen werden, sie müsse mit Endstrafe rechnen und sei der Flucht verdächtig, weshalb keine Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Eine Vollverbüßung sei nicht angezeigt.

Dem tritt die Anstaltsleitung entgegen. Die Antragstellerin habe zum Beuteverbleib auch während der Behandlungsuntersuchung keine befriedigenden Angaben gemacht. Man habe sich deshalb an der Rechtsprechung des Pfälzischen Oberlandesgerichts orientiert, wonach bei unklarem Verbleib der Tatbeute eine vorzeitige Entlassung versagt werde.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ................ hat daraufhin mit Beschluss vom 6.Oktober 2003 festgestellt, dass die beanstandeten Festlegungen im Vollzugsplan rechtswidrig seien.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das rheinland-pfälzische Ministerium der Justiz ist der Rechtsbeschwerde mit Schreiben vom 2. Dezember 2003 beigetreten. Der Antragstellerin ist die Rechtsbeschwerde zugeleitet worden. Sie hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 StVollzG sind gegeben. Der vorliegende Einzelfall gibt dem Senat Anlass, zu der - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage Stellung zu nehmen, ob die Justizvollzugsanstalt bei Erstellung des Vollzugsplanes den sich aus § 57 Abs. 5 StGB ergebenden Rechtsgedanken, wonach die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe unterbleiben kann, wenn der Verurteilte unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib der aus der Tat erlangten Beute macht.

Die danach zulässige Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Der den Erfordernissen der §§ 6, 7 StVollzG entsprechende Vollzugsplan verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 109 Abs. 2 StVollzG.

Maßgebend für die rechtliche Beurteilung sind die im Zusammenhang stehenden Vorschriften der §§ 6 und 7 StVollzG. Danach schließt sich an das Aufnahmeverfahren eine Behandlungsuntersuchung an. Gegenstand dieser Behandlungsuntersuchung ist nach dem Gesetzeswortlaut die Erforschung der Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse der Gefangenen mit dem Ziel, die Umstände aufzuspüren und festzustellen, deren Kenntnis für eine Behandlung der Gefangenen im Vollzug und für die Eingliederung nach ihrer Entlassung notwendig sind. Die Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung finden sodann in einem Vollzugsplan ihren Niederschlag. Dieser muss mindestens Angaben über die in § 7 Abs. 2 StVollzG bezeichneten Behandlungsmaßnahmen enthalten und ist mit der Entwicklung der Gefangenen in Einklang zu halten. Diesen Erfordernissen wird der aufgrund einer eingehenden Behandlungsuntersuchung erstellte Vollzugsplan hinreichend gerecht. Er enthält zureichende Angaben zu den nach § 7 StVollzG zu treffenden Anordnungen.

Um den Erfordernissen des § 7 StVollzG zu entsprechen, muss der Vollzugsplan regelmäßig auch einen Zeitplan enthalten (vgl. Callies/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, Rz. 1 zu § 7). Deshalb wird schon der erstmalig aufgestellte Plan unter Beachtung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 7 StVollzG Hinweise darauf geben müssen, ob und ab wann Lockerungen des Vollzugs oder gar eine Unterbringung im offenen Vollzug nach der Vorstellung der Vollzugsbehörde in Betracht kommen können. Sollte im Einzelfall von Anfang an davon auszugehen sein, dass Vergünstigungen dieser Art aller Voraussicht nach nicht in Betracht kommen, werden die Gründe hierfür darzulegen sein. Insbesondere konkrete Aussagen über notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung (§ 15 StVollzG) werden dabei ohne Benennung des voraussichtlichen Entlasszeitpunktes nicht möglich sein. Deshalb ist es in jedem Fall sachdienlich - auch unter Berücksichtigung des § 57 StGB - Angaben zum voraussichtlichen Entlasszeitpunkt in den Vollzugsplan aufzunehmen.

Dem hat die Vollzugsanstalt unter Hinweis auf § 57 Abs. 5 StGB Rechnung getragen, indem sie in der Vollzugsplanung von einer Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe bis zum Endzeitpunkt ausgegangen ist. Die Vollzugsbehörde hat hierbei in beanstandungsfreier Weise auf § 57 Abs. 5 StGB und die ständige Rechtsprechung des Senats (vgl. NStZ 1999, 104) abgestellt, wonach in Fällen, in denen die Verurteilte den Verbleib der Tatbeute verschweigt, die Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe bis zum Endzeitpunkt die Regel sein wird. Nach § 57 Abs. 5 StGB kann das Gericht von der Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung nämlich dann absehen, wenn die Verurteilte bewusst unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib der Tatbeute macht. Wenn ihr die Reststrafe erlassen werden soll, ist es ihr regelmäßig zuzumuten, zumindest das aus der Tat Erlangte herauszugeben, um so zur Schadenswiedergutmachung beizutragen, und zwar auch dann, wenn im Erkenntnisverfahren die unzureichenden Angaben der Verurteilten hierzu nicht widerlegt und nicht straferschwerend berücksichtigt werden durften. Ob das Verheimlichen des Verbleibs der aus den rechtswidrigen Taten erlangten Tatbeute weitere Straftaten der Verurteilten erwarten lässt und deshalb einen Umstand darstellt, der auch der Annahme einer günstigen Kriminalitätsprognose entgegensteht, braucht hierbei nicht abschließend entschieden zu werden. Denn die Verurteilte verkennt, dass der Rechtsgedanke des § 57 Abs. 5 StGB auch bei günstiger Prognose in der Regel eine frühzeitige Entlassung hindert (Senat aaO m. w. N.). Der Vorschrift liegt nämlich der Gedanke zugrunde, dass sich Straftaten nicht lohnen dürfen. Deshalb ist es dem Täter, wenn er vorzeitig aus der Haft entlassen werden will, zuzumuten, nach Kräften an der Schadenswiedergutmachung mitzuwirken.

Hat die Vollzugsbehörde damit aber den voraussichtlichen Entlasszeitpunkt in beanstandungsfreier Weise bestimmt, so ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass in dem bei Aufnahme der Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt erstellten Vollzugsplan zunächst von einem geschlossenen Vollzug ohne Vollzugslockerungen ausgegangen worden ist. Entgegen der Ansicht der Verurteilten hat sich die Anstalt bei den angefochtenen Festlegungen im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bewegt und damit keine fehlerhaften Anordnungen getroffen, zumal die getroffenen Festsetzungen auch auf die Einschätzung des Anstaltspsychologen gestützt werden, wonach die Verurteilte nicht bereit zu sein scheint, nähere Auskünfte über sich und die Hintergründe der Straftaten zu geben. Eine unzureichende Auseinandersetzung mit den Taten und den in ihnen zum Tragen gekommenen Persönlichkeitsanteilen lässt einen erfolgreichen Strafvollzug regelmäßig nicht erwarten.

Nachdem der Vollzugsplan inzwischen fortgeschrieben und eine erneute Fortschreibung bereits für April 2004 vorgesehen ist, braucht der Senat die Frage nicht mehr zu entscheiden, ob die im ursprünglichen Vollzugsplan getroffene Überprüfung erst nach Ablauf einer Jahresfrist die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat. Insoweit hat sich die Sache infolge Zeitablaufs erledigt.

Ende der Entscheidung

Zurück