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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 11.12.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 610/00 (Vollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 30
Die Vollzugsanstalt darf die Weiterleitung eines unfrankierten Briefes auch dann nicht verweigern, wenn absehbar ist, dass der Empfänger die Annahme verweigern wird.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 610/00 (Vollz) StVK 874/00 (Vollz) LG Frankenthal (Pfalz)

In dem Strafvollzugsverfahren

wegen Verweigerung der Weiterleitung eines Schreibens

hier: Rechtsbeschwerde

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler sowie die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel

am 11. Dezember 2000

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 31. Oktober 2000 in Nr. 1 teilweise - soweit er die (ablehnende) Maßnahme der Vollzugsanstalt vom 29. September 2000 betrifft - und in Nr. 2 ganz aufgehoben.

2. Die Vollzugsbehörde wird angewiesen, den Antragsteller hinsichtlich seines Antrags vom 27. September 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden zu einem Drittel der Landeskasse im Übrigen dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Freiheitsstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a.. Der Zwei-Drittel-Zeitpunkt ist für den 7. August 2001, das Strafende am 7. Oktober 2002 vorgesehen.

Am 27. September 2000 gab der Antragsteller in der Vollzugsanstalt einen Briefumschlag zur Post, der vier an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) gerichtete Stellungnahmen zu verschiedenen dort anhängigen Verfahren betraf. In einem beigefügten "Anschreiben" begehrte er von der Vollzugsanstalt die "Weiterleitung" seines Briefes. Diese weigerte sich wegen der fehlenden Frankierung, das Schriftstück weiter zu befördern, und gab es an den Beschwerdeführer zurück. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem er die Ablehnung beanstandet hat, und der darauf gerichtet war, die Anstalt zu verpflichten, "künftig (seine) Schreiben ... auch ohne Frankierung ..." weiterzuleiten, hat die Strafvollstreckungskammer als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat sich dabei dem Standpunkt der Vollzugsbehörde angeschlossen, dass Gefangene Schreiben an Gerichte, Behörden und andere "Institutionen" frankiert abgeben müssten, andernfalls das "Beförderungsmonopol durch die Deutsche Post AG" durchbrochen würde, wenn die Anstalt solche Schreiben unentgeltlich befördere. Der Beschluss ist dem Antragsteller am 2. November 2000 zugestellt worden. Am 21. und 28. November 2000 hat er zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) Rechtsbeschwerde eingelegt und diese begründet.

I.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung seines Rechtes auf unbeschränkten Schriftwechsel (§ 28 Abs. 1 StVollzG) geltend. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG sind gegeben. Die Überprüfung des angefochtenen, Beschlusses ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung Geboten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass die Vollstreckungsbehörde am 27. September 2000 die Weiterleitung des Briefes des Beschwerdeführers verweigert hat, Der weitergehende Verpflichtungsantrag bleibt ohne Erfolg.

1. Die Auffassung der Vollzugsbehörde und - ihr folgend - der Strafvollstreckungskammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Sie verkürzt schon ihren Ansatzpunkt, indem sie davon ausgeht, der Antragsteller begehre eine unentgeltliche Briefbeförderung durch die Anstalt. Einen solchen Anspruch, der im übrigen auch den Strafvollzugsbestimmungen (§ 30 StVollzG; W Nr. 2 zu § 28 StVollzG) widerspräche, hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Wie sich aus seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 29. September 2000 ergibt, hatte er das hier interessierende Schreiben in der Vollzugsanstalt "zur Post" gegeben und dessen "Weiterleitung" (an die Strafvollstreckungskammer) verlangt. Damit kann sein Ansinnen nur dahin verstanden werden, dass er von der Vollzugsbehörde - wie in § 30 StVollzG bestimmt - die übliche Weitervermittlung seines Briefes auf dem Postweg begehrt hat, nicht aber als (unbegründetes) Verlangen auf unentgeltliche Postbeförderung durch die Anstalt ausgelegt werden. Nichts anderes ergibt sich aus seinem beigefügten "Anschreiben", in dem der Beschwerdeführer auf eine (den Fall der Weiterleitung betreffende Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle) hingewiesen hat.

So verstanden, durfte das Begehren nicht unter Hinweis auf die fehlende Frankierung zurückgewiesen werden.

Der Strafgefangene hat das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden (§ 28 Abs. 1 StVollzG). Die Absendung muss er grundsätzlich durch die Vollzugsanstalt vermitteln lassen (§ 30 Abs. 1 StVollzG), die seine Briefe unverzüglich weiterleiten muss (§ 30 Abs. 2 StVollzG). Die Kosten trägt zwar grundsätzlich der Gefangene (Nr. 2 der VV zu § 28 StVollzG). Sein Rechtsanspruch auf Briefverkehr kann aber nur durch gesetzliche Einschränkungen begrenzt werden (Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 8. Aufl. § 28 Rdn. 2; Joester in AK, 3. Aufl. § 28 Rdn. 2). Eine die Weigerung der Vollzugsanstalt rechtfertigende Norm ist nicht ersichtlich. Die Frage, ob und unter welchen Umständen ein nicht frankierter Brief dem Adressaten übermittelt wird, richtet sich im hier interessierenden Fall nach den "allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG für den Briefdienst Inland", die in der Regel beim (mit der Übergabe der Sendung an die Post erfolgenden) Abschluss eines Beförderungsvertrages mit dem Absender vereinbart werden (Nr. 2 der AGB). Sie beurteilt sich mithin nach völlig anderen - zivilrechtlichen - Gesichtspunkten, die sich im Wesentlichen aus den Anforderungen des Postbetriebes ergeben. Die Vollzugsanstalt ist an dem Beförderungsverhältnis grundsätzlich nicht beteiligt und kann deshalb nicht darauf einwirken (OLG Celle ZfStVO 1993, 57). Sie darf somit die Weiterleitung eines Briefes nicht allein deshalb verweigern, weil er unfrankiert ist (vgl. auch OLG Celle ZfStVollz SH 1979, 46; Callies/Müller-Dietz, aaO § 31 Rdn. 1; Joester aaO, § 28 Rdn. 10). Das gilt auch dann, wenn es sich - wie hier - um ein an ein Gericht (oder eine Behörde) adressiertes Schreiben handelt und deshalb abzusehen ist, dass der Empfänger dessen Annahme verweigern wird. Die Annahmeentscheidung obliegt letztlich diesem und darf ebenso wenig von der Vollzugsanstalt vorweggenommen werden wie sie den Absender des Risikos entheben darf, im Falle der Annahmeverweigerung von der Post mit Kosten belastet zu werden.

Der Senat kann nicht beurteilen, ob andere Gründe einer Weiterleitung des Briefes entgegenstehen, weshalb die Sache nicht spruchreif ist, so dass die Verpflichtung der Vollzugsbehörde auszusprechen war, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden (§ 115 Abs. 4 S. 2 StVollzG).

2. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings unbegründet, soweit der Antragsteller über die Beanstandung der verweigerten Weiterleitung hinaus beantragt hat, die Vollzugsanstalt zu verpflichten, seine Schreiben (generell) "auch ohne Frankierung" weiterzuleiten. Wie bereits ausgeführt, ist die Vollzugsanstalt berechtigt aus anderen (gesetzlichen) Gründen (vgl. §§ 28 ff StVollzG) ausgehende Schreiben des Gefangenen zu untersagen, überwachen oder anzuhalten. Für eine allgemeine Verpflichtung ist daher kein Raum.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 121 Abs. 1, 2 StVollzG, 473 Abs. 1, 4 StPO, 48 a, 13 GKG.

Ende der Entscheidung

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