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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: 2 AR 64/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281
ZPO § 621
BGB § 1455 Nr. 8
BGB § 2287
1. Enthält ein und derselbe Klagegrund unterschiedliche materiell-rechtliche Gesichtspunkte, die nicht sämtlich in die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fallen, so kommt nur eine Verweisung des Rechtsstreits insgesamt in Betracht; eine Prozesstrennung scheidet dagegen aus.

2. Ein Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO, der die sachliche Zuständigkeit eines Amtsgerichts feststellt, bindet nicht auch dahingehend, ob das Verfahren in der Abteilung für allgemeine Zivilsachen oder Familiensachen zu führen ist. Der Abteilung für Familiensachen sollte jedoch grundsätzlich der Vorrang zukommen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 AR 64/01

In dem Verfahren

wegen Zahlung

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury sowie die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und Jenet auf die Vorlage des Amtsgerichts Kandel vom 12. Dezember 2001

am 30. Januar 2002

beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht Kandel ist für die Entscheidung des Rechtsstreits sachlich zuständig.

Tatbestand:

Die Klägerin hat mit ihrer Klage vor dem Landgericht L. einen Zahlungsanspruch in Höhe von 40 000.- DM gegen den Beklagten geltend gemacht und diesen in der Hauptsache aus ehelichem Güterrecht (§ 1455 Nr. 8 BGB), hilfsweise aus Erbrecht (§ 2287 BGB) hergeleitet. Das Landgericht hat sich im Hinblick auf die familienrechtlichen Gesichtspunkte mit Verweisungsbeschluss gem. § 281 ZPO für sachlich unzuständig erklärt und "den Rechtsstreit" an das Amtsgericht - Familiengericht - in K. verwiesen. Der Familienrichter hat nach gesonderter Verhandlung und Entscheidung über die familienrechtliche Anspruchsgrundlage den Rechtsstreit im Übrigen an die allgemeine Zivilabteilung desselben Gerichts abgegeben. Der Zivilrichter hält sich wegen des Streitwerts für sachlich unzuständig. Im Hinblick auf den Verweisungsbeschluss des Landgerichts hat er den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.

Gründe:

Das Pfälzische öberlandesgericht Zweibrücken ist als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht für die Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Landgericht Landau in der Pfalz und dem Amtsgericht Kandel zuständig. Beide Gerichte haben ihre sachliche Zuständigkeit in entsprechenden, nicht mit Rechtsmitteln anfechtbaren Beschlüssen verneint (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO). Der Senat entscheidet den Zuständigkeitsstreit wie aus der Beschlussformel ersichtlich.

Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Kandel ergibt sich daraus, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 15. Januar 2001 (Bl. 99 Rs.d. BA F 23/01) Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO a.F. (jetzt: § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO) entfaltet. Der Einzelrichter hat durch Hinweisbeschluss vom 19. Dezember 2000 den Parteien vor Verweisung des Rechtsstreits rechtliches Gehör gewährt und den Verweisungsbeschluss zulässiger Weise durch Bezugnahme auf seine Ausführungen vom 19. Dezember 2000 begründet.

Diese bindende Verweisung hat den Rechtsstreit insgesamt und nicht nur insoweit erfasst, als die Klägerin ihren Anspruch aus ehelichem Güterrecht (§ 1455 Nr. 8 BGB) herleitet. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Verweisungsbeschlusses, wonach der "Rechtsstreit" verwiesen wird, noch lässt sich dies aus dem Hinweisbeschluss Vom 19. Dezember 2000 ableiten.

Eine Zuständigkeitsspaltung wäre aus Sicht des Landgerichts auch nicht sachgerecht gewesen. Denn das Verfahren wurde - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - zu keinem Zeitpunkt mit Haupt- und Hilfsantrag geführt; die Klägerin macht vielmehr einen einheitlichen prozessualen Anspruch geltend, den sie mit mehreren sachlichrechtlichen Begründungen versieht. Deshalb liegt nur ein einheitlicher Streitgegenstand vor. Nach der vorherrschenden prozessrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand wird dieser neben dem Klageantrag bestimmt durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus welchem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Zu letzterem sind alle Tatsachen zu zählen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise aus Sicht der Parteien dem vorgetragenen Sachverhalt hinzuzurechnen sind (vgl. z.B. BGH DB 1999,1315 m.w.N.). Dieser besteht hier ausschließlich aus der dem Ehe- und Erbvertrag von 1959 angeblich zuwiderlaufenden Geldzuwendung seitens des Erblassers an den Beklagten vom 1 September 1999. Die Bezugnahmen auf verschiedene güter- und erbrechtliche Anspruchsgrundlagen sind demgegenüber lediglich materiell-rechtlich unterschiedliche Gesichtspunkte ein und desselben Klagegrundes (vgl. BGH aaO.). Eine Prozesstrennung scheidet in einem solchen Fall aus, so dass im Falle der Verweisung nur die Möglichkeit bleibt, den Rechtsstreit insgesamt an das für den güterrechtlichen Anspruch sachlich zuständige Amtsgericht zu verweisen (vgl. BGH FamRZ 1983, 155, 156).

Über die Frage, ob das Verfahren nunmehr in der Abteilung für allgemeine Zivilsachen oder der Familienabteilung des Amtsgerichts Kandel weiterzuführen ist, hat der Senat nicht zu entscheiden. Denn die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts nach § 281 ZPO wirkt sich nur auf die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts aus, nicht jedoch auf die Art des Verfahrens als Familiensache oder Nichtfamiliensache (vgl. Musielak/Borth, ZPO 2. Aufl. § 621 Rdnr. 32 m.w.N.). Insoweit hat sich zudem der Familienrichter durch seine Abgabeverfügung vom 9. Mai 2001 (Bl. 155 d.BA) nicht bindend für unzuständig erklärt. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass in Fällen, in welchen - wie hier - ein einheitlicher prozessualer Anspruch mit verschiedenen sachlich-rechtlichen Begründungen versehen wird, der Abteilung für Familiensachen grundsätzlich der Vorrang zukommen soll (vgl. BGH aaO; Walter, FamRZ 1983, 363, 364). Nur dadurch kann der Zweck, familienrechtliche Spezialfragen den darauf spezialisierten Richtern zuzuweisen, erreicht werden. Nachdem aber im vorliegenden Fall aufgrund der unzutreffenden Ansicht des Familiengerichts, die Klage bestehe aus Haupt- und Hilfsantrag, die familienrechtlichen Anspruchsgrundlagen bereits mit Urteil des Amtsgerichts vom 9. Mai 2001 abgehandelt sind, dürfte diese Überlegung für das vorliegende Verfahren nicht mehr zum Tragen kommen.

Ende der Entscheidung

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