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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 2 UF 204/04
Rechtsgebiete: BGB, VAHRG


Vorschriften:

BGB § 1587 d Abs. 2
BGB § 1587 g Abs. 3
VAHRG § 10 a
1. Eine Korrektur von vornherein unrichtiger Entscheidungen zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich kann in analoger Anwendung von § 10 a VAHRG erfolgen.

2. Zur Zulässigkeit der prozentualen Festlegung des schuldrechtlich auszugleichenden Betrages (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 3. September 2001 - 2 UF 104/01 = FamRZ 2002, 399 = OLGReport 2002, 30).


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken - 2. Zivilsenat - Beschluss

vom 17. März 2005

Aktenzeichen: 2 UF 204/04

In der Familiensache

wegen schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs (Abänderung),

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin vom 16. November 2004, eingegangen am 9. November 2004, gegen den ihr am 26. Oktober 2004 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 12. Oktober 2004 nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 17. März 2005 beschlossen:

Tenor:

I. Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 12. Oktober 2004 geändert:

1. Der Antragsgegner hat an die Antragstellerin in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 13. November 2003 (Az. 5 b F 444/03) zum Ausgleich seiner Altersversorgung bei der Firma ... ab 1. Mai 2004 eine monatliche, künftig monatlich im Voraus zahlbare, Ausgleichsrente in Höhe von 46,3370 % der jeweils bezogenen monatlichen Bruttobetriebsrente zu zahlen.

2. Der Antragsgegner hat seine nach Rechtskraft dieser Entscheidung fälligen monatlichen Betriebsrentenansprüche gegenüber der Firma ... in der der Antragstellerin jeweils geschuldeten Höhe (46,3370 % des jeweiligen monatlichen Bruttorentenbetrages) an die Antragstellerin abzutreten.

II. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

III. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1 000,-- € festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Die von ihnen während der Ehezeit (1. Juli 1962 bis 30. April 1991) erworbenen Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung wurden durch Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 17. September 1992 (Az. 5 b F 102/91) öffentlich-rechtlich ausgeglichen. Der Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Antragsgegners bei der Firma Air Liquide GmbH wurde dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein durch Beschluss vom 13. November 2003 (5 b F 444/03) den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich dahingehend durchgeführt, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin zum Ausgleich der Betriebsrente monatlich 33,6436 % des Bruttorentenbetrages ab dem 5. September 2003 zu zahlen habe. Dieser Entscheidung lagen die Auskünfte des Versorgungsträgers der Betriebsrente im Verbundverfahren, dessen Akten das Familiengericht beigezogen hatte, zugrunde, die auf einer Betriebszugehörigkeit des Antragsgegners vom 1. April 1970 bis zum 31. Juli 2001 (Vollendung des 65. Lebensjahres des Antragsgegners) beruhten. Die Entscheidung des Familiengerichts vom 13. November 2003 wurde mit Ablauf der Rechtsmittelfristen am 3. Januar 2004 rechtskräftig.

Mit ihrem am 20. April 2004 eingereichten Antrag begehrt die Antragstellerin die Abänderung dieser Entscheidung zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Der Ausgleichsentscheidung lägen unrichtige Tatsachen zu Grunde; sie sei daher fehlerhaft. Die Betriebszugehörigkeit des Antragsgegners habe nicht vom 1. April 1990 bis Ende Juli 2001 angedauert, sondern sei - wie sie nunmehr erfahren habe - bereits zum 31. Dezember 1992 durch Ausscheiden des Antragsgegners aus dem Arbeitsverhältnis beendet worden. Damit betrage die Gesamtbetriebszugehörigkeit nicht 376 Monate, sondern lediglich 273 Monate (01.04.1970 bis 31.12.1992), so dass der Ehezeitanteil der Betriebszugehörigkeit und damit der im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu ihren Gunsten auszugleichende Anteil an der Betriebsrente des Antragsgegners deutlich höher sei. Er liege nicht lediglich bei 33,6436 %, sondern bei 46,3370 %.

Diesem Begehren auf Abänderung stehe die materielle Rechtskraft der abzuändernden Entscheidung nicht entgegen. Da der Beschluss über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ohne mündliche Verhandlung ergangen sei, sei letzte Tatsachenverhandlung diejenige im Rahmen des Scheidungsverfahrens gewesen, so dass die (später erfolgte) vorzeitige Beendigung der Betriebszugehörigkeit nach Schluss der letzten Tatsachenverhandlung eingetreten sei und damit gemäß § 1587 g Abs. 3 i. V. m. § 1587 d Abs. 2 BGB die Änderung der getroffenen Entscheidung ermögliche.

Das Familiengericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Abänderung der Entscheidung zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich abgewiesen. Die getroffene Ausgleichsentscheidung sei zwar unrichtig, da bei ihr von einer nicht zutreffenden Betriebszugehörigkeit ausgegangen worden sei. Einer Korrektur stehe jedoch die Rechtskraft der Entscheidung entgegen. Die Voraussetzungen der §§ 1587 g Abs. 3, 1587 d Abs. 2 BGB lägen ebenso wenig vor wie die einer Wiederaufnahme des Verfahrens analog §§ 578 ff ZPO. Auch eine Abänderung nach § 10 Abs. 1 VAHRG sei nicht möglich, da insoweit die Vorschrift des § 1587 g BGB vorrangig sei. Schließlich sei auch eine Abänderung nach § 18 Abs. 1 FGG nicht möglich, da dem Absatz 2 dieser Vorschrift entgegenstehe.

II.

Die hiergegen seitens der Antragstellerin erhobene befristete Beschwerde ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 621 d Abs. 3 i. V. m. §§ 517, 520 ZPO) und führt in der Sache zu einer Abänderung der angegriffenen Entscheidung im begehrten Umfang.

Von einer mündlichen Verhandlung (§ 53 b FGG) hat der Senat abgesehen, da nicht zu erwarten ist, dass durch eine solche wesentliche neue Gesichtspunkte zutage gefördert werden (BGH FamRZ 1988, 936 [937]).

1. Die am 13. November 2003 ergangene Entscheidung über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ist mit Ablauf der Rechtsmittelfristen in Rechtskraft erwachsen. Eine Änderung dieser Entscheidung in Anwendung von § 1587 g Abs. 3 BGB i. V. m. § 1587 d Abs. 2 BGB könnte nur bei nachträglichen wesentlichen Änderungen der für die Berechnung des Ehezeitanteils des schuldrechtlich auszugleichenden Anrechts maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen erfolgen. Für die Frage der Nachträglichkeit ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung abzustellen. Wenn jedoch, wie vorliegend, eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben (§ 53 b FGG) und auch nicht erfolgt ist, ist stattdessen auf den Ablauf der vom erkennenden Gericht gesetzten Anhörungsfristen, die seiner Entscheidung vorausgegangen sind, abzustellen. Das war hier ausweislich der Verfügung des Familiengerichts im Verfahren 5 b F 444/03 (Bl. 1) in Verbindung mit der Urkunde über die Zustellung der Antragsschrift (Bl. 8) der 30. Oktober 2003. Da die für die Bemessung des Ehezeitanteils maßgebliche Tatsache, die verkürzte Betriebszugehörigkeit, bereits lange vor diesem Zeitpunkt (Ende 1992) eingetreten ist, ist dieser Umstand einer neuerlichen Nachprüfung in Anwendung von § 1587 g Abs. 3 i. V. m. § 1587 b Abs. 2 BGB entzogen.

Eine Korrekturmöglichkeit bei von vornherein unrichtigen Entscheidungen über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, wie sie hier gegeben ist, sehen die Regelungen über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht vor. § 10 a VAHRG, der im Interesse der materiellen Gerechtigkeit eine Korrektur früherer Fehler erlaubt (sog. Totalrevision - BGH FamRZ 1993, 796 = NJW 1993, 1615), gilt unmittelbar nur für den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich. Da diese Ungleichbehandlung von schuldrechtlichem Versorgungsausgleich einerseits und öffentlich-rechtlichem Versorgungsausgleich andererseits aus sachlichen Gründen nicht zu rechtfertigen ist, muss eine Fehlerkorrektur auch bei von vornherein unrichtigen Entscheidungen über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ermöglicht werden. Das kann nach Auffassung des Senats durch analoge Anwendung von § 10 a VAHRG erfolgen (so auch Palandt/Brudermüller, BGB, 64. Aufl., § 10 a VAHRG Rdnr. 4 und § 1587 g Rdnr. 23 BGB und - jedenfalls im Ergebnis - Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587 g Rdnr. 24; anders wohl noch Hahne, Die Abänderung rechtskräftiger Versorgungsausgleichsentscheidungen gemäß § 10 a VAHRG, FamRZ 1987, 217 [222]).

2. Die Abänderungsvoraussetzungen nach § 10 a VAHRG liegen vor. Danach kann eine Abänderung bei wesentlicher Abweichung des zum Zeitpunkt des Erlasses der Abänderungsentscheidung ermittelten Wertunterschiedes von dem in der abzuändernden Entscheidung zugrunde gelegten Wertunterschied erfolgen (§ 10 a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VAHRG).

Dies trifft hier zu: Bei einer - auf der Grundlage der nunmehrigen Erkenntnisse zugrunde zu legenden - Betriebszugehörigkeit des Antragsgegners von 273 Monaten (01.04.1970 bis 31.12.1992), von der in die Ehezeit (01.07.1962 bis 30.04.1991) insgesamt 253 Monate fallen, errechnet sich der - schuldrechtlich auszugleichende - Ehezeitanteil der betrieblichen Altersversorgung des Antragsgegners auf 92,6740 % und der hälftige Ausgleichsbetrag auf 46,3370 %; das ist wesentlich mehr als der in der abzuändernden Entscheidung auf der Grundlage einer deutlich längeren Gesamtbetriebszugehörigkeit ermittelte Ausgleichsanteil von 33,6436 %. Ausgehend von der bei Beginn des Rentenbezuges (August 1999) an den Antragsgegner gezahlten Betriebsrente von monatlich 1 324,24 DM (Mitteilung Firma ... an den Beklagten vom 15. Juli 1997 - Bl. 68 d. A.) ergibt sich eine betragsmäßige Abweichung des Wertunterschiedes von 336,18 DM (zwischen 891,04 DM und 1 227,22 DM) und eine Differenz im Ausgleichsbetrag von 168,09 DM. Durch die bis heute erfolgten Rentenanpassungen ist der Wertunterschied auf rund 184,-- € und die Differenz im Ausgleichsbetrag auf rund 92,-- € gestiegen. Statt auf der Grundlage der abzuändernden Entscheidung an die Antragstellerin ausgekehrten rund 243,-- € stehen ihr bei zutreffender Ausgleichsberechnung rund 335,-- € monatlich zu (vgl. Schreiben der Antragstellerin an das Familiengericht vom 5. Oktober 2004 - Bl. 21 d. A.).

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 10 a VAHRG sind gegeben. Als beteiligter Ehegatte ist die Antragstellerin antragsberechtigt (Abs. 4); beide Ehegatten erhalten bereits Versorgungsbezüge (Abs. 5).

Die Abänderung wirkt gemäß § 10 a Abs. 7 Satz 1 VAHRG auf den Zeitpunkt des der Antragstellung folgenden Monatsersten zurück; das ist hier, ausgehend vom Eingang des Abänderungsantrages am 20. April 2004, der 1. Mai 2004.

Die Abtretung des Betriebsrentenanspruchs des Antragsgegners in Höhe des Ausgleichsbetrages kann gemäß § 1587 i Abs. 1 BGB, der auch im Rahmen der Abänderungsentscheidung nach § 10 a VAHRG zu beachten ist, lediglich hinsichtlich der laufenden, d. h. der ab Rechtskraft der Ausgleichsentscheidung fälligen Ausgleichsrenten verlangt werden. Sie kann - als deren Nebenanspruch - zusammen mit der Entscheidung über die (hier im Wege der Abänderung erfolgte) Festsetzung des schuldrechtlichen Ausgleichsanspruchs geltend gemacht werden und gilt mit Rechtskraft der Entscheidung als erfolgt (§§ 53 g Abs. 3 FGG, 894 ZPO).

Der Senat hält an seiner mit Beschluss vom 3. September 2001 (FamRZ 2002, 399 = OLGR 2002, 30) geäußerten Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der prozentualen Festlegung des Ausgleichsbetrages fest. Die hiergegen, insbesondere vom 5. Senat des Pfälzischen Oberlandesgerichts(OLGR 2003, 177), geäußerten Bedenken an der fehlenden Vollstreckbarkeit bei prozentualer Festlegung des Ausgleichsbetrages teilt der Senat nicht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 99 Abs. 1, 3 Nr. 1, 131 Abs. 1 Satz 2 KostO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 99 Abs. 3 Nr. 2, 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Der Senat lässt mit Rücksicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der analogen Anwendung von § 10 a VAHRG auf Verfahren betreffend die Abänderung von Entscheidungen zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich und der Zulässigkeit der Festlegung der Ausgleichsrente mit einem prozentualen Anteil (insoweit anders: BGH FamRZ 1990, 380 [382]) die Rechtsbeschwerde zu (§ 641 € Abs. 2 i. V. m. § 543 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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