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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 17.06.2005
Aktenzeichen: 2 UF 230/04
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 13
EGBGB Art. 14
EGBGB Art. 17
BGB § 314 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 314 Abs. 2 Nr. 5
Anwendbarkeit deutschen Rechts als das Recht des verletzten Ehegatten bei Anfechtung der Ehe mit einem zur Zeit der Eheschließung türkischen Staatsangehörigen.

Das Verschweigen eines Ehegatten, die Ehe niemals vollziehen zu wollen, stellt für sich allein gesehen noch keine - zur Anfechtung der Ehe berechtigende - arglistige Täuschung dar. Auch der Nichtvollzug der Ehe über Jahre hinweg lässt nicht ohne weiteres auf Umstände schließen, die eine arglistige Täuschung des Ehepartners begründen könnten, wie etwa Heirat, nur um die Aufenthaltserlaubnis zu erlangen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken - 2. Zivilsenat - IM NAMEN DES VOLKES Urteil

vom 17. Juni 2005

Aktenzeichen: 2 UF 230/04

Verkündet am: 17. Juni 2005

In der Familiensache

wegen Eheaufhebung, hilfsweise Ehescheidung,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach, die Richterin am Oberlandesgericht Schlachter und den Richter am Oberlandesgericht Kratz auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 25. Oktober 2004 geändert:

Die Anträge auf Aufhebung, hilfsweise Scheidung, der am 16. April 2002 vor dem Standesbeamten in ... am Rhein geschlossenen Ehe werden zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien (Antragstellerin geboren am ... und deutsche Staatsangehörige; Antragsgegner geboren am ..., vormals türkischer Staatsangehöriger, seit Mitte 2004 staatenlos) streiten um die Aufhebung, hilfsweise die Scheidung ihrer am 16. April 2002 vor dem Standesbeamten in ... geschlossenen Ehe.

Die Antragstellerin ist von Beruf Hotelfachfrau. Sie hat den Antragsgegner, der in einem Obst- und Gemüsegeschäft seiner Schwester tätig ist, im Jahr 2000 kennen gelernt. Der Antragsgegner hat in der Türkei den Wehrdienst verweigert und sodann in der Bundesrepublik Deutschland Asylantrag gestellt. Die nach Zurückweisung seines Antrags eingelegte Klage wurde nach der Heirat der Parteien und Aufenthaltsgestattung zurückgenommen.

Ein der Heirat Mitte 2001 vorausgegangenes Eheversprechen hat die Antragstellerin vorübergehend aufgelöst. Grund dafür soll nach Darstellung des Antragsgegners seine kurdische Abstammung gewesen sein. Die Verlobung wurde dann 3 bis 4 Monate später in dem Hotel gefeiert, in dem die Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt tätig war.

Nach der Eheschließung hat die Antragstellerin mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Juli 2002 eine Drei-Zimmer-Eigentumswohnung erworben, für die auch der Antragsgegner mit Grundschuldbestellung vom selben Tag die persönliche Haftung (einschließlich Zwangsvollstreckungsunterwerfung) übernahm. Am 1. Oktober 2002 und 12. Juni 2003 haben die Parteien gegenüber der Ausländerbehörde jeweils versichert, "dass die Ehe nicht zum alleinigen Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung geschlossen wurde."

Zur Trennung kam es sodann Ende August 2004. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Ehe bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollzogen wurde.

Mit ihrer am 31. August 2004 eingegangenen Aufhebungsklage hat die Antragstellerin geltend gemacht:

Der Antragsgegner habe sich geweigert, mit ihr Geschlechtsverkehr durchzuführen. Einzige Erklärung hierfür sei, dass er sie nur zu dem Zweck geheiratet habe, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland zu erlangen. Er sei von Anfang an nicht gewillt gewesen, mit ihr die Ehe zu vollziehen. Damit habe er sie arglistig über seine wahren Absichten getäuscht. Die Antragstellerin hat beantragt,

die am 16. April 2002 vor dem Standesbeamten in ... geschlossene Ehe der Parteien aufzuheben,

hilfsweise,

die vorgenannte Ehe zu scheiden.

Der Antragsgegner ist beiden Anträgen entgegengetreten und hat geltend gemacht, er habe die Antragstellerin aus Liebe geheiratet. Sie habe sich ihm seit der Hochzeitsnacht verweigert. Das eigentliche Problem sei gewesen, dass die Familie der Antragstellerin einen permanenten Druck auf beide Eheleute ausgeübt habe.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat nach Anhörung der Parteien dem Hauptantrag stattgegeben und die Ehe aufgehoben. Hinsichtlich der Begründung wird auf die erstinstanzliche Entscheidung (Bl. 54 ff d. A.) Bezug genommen.

Hiergegen macht der Antragsgegner im Wege der Berufung geltend:

Das Erstgericht habe die Ausschlussfrist des § 1317 Abs. 1 BGB übersehen. Nach dem Vortrag der Antragstellerin sei der Intimverkehr bereits in der Hochzeitsnacht abgelehnt worden. Die Antragsfrist zur Erhebung der Aufhebungsklage sei damit versäumt.

Außerdem sei § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB nicht berücksichtigt worden. Obwohl der Geschlechtsverkehr nicht vollzogen worden sei, habe man in der erworbenen Eigentumswohnung in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Dies habe die Antragstellerin gegenüber der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 1. Oktober 2002 und 12. Juni 2003 bestätigt.

Im Übrigen sei die Beweiswürdigung zu beanstanden. Allein die Tatsache, dass es nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, begründe keinen Anscheinsbeweis für eine arglistige Täuschung. Hierfür könne insbesondere nicht auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin abgestellt werden. Im Fall eines unansehnlichen Aussehens müsse ansonsten eine arglistige Täuschung verneint werden. Die Attraktivität der Ehefrau spreche eher dafür, dass sie sich dem Antragsgegner verweigert habe. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts beruhe insgesamt auf Vermutungen und sei lückenhaft, zumal das Erstgericht sich nicht mit dem Vorbringen des Antragsgegners auseinandergesetzt habe.

Auch fehle es an der Kausalität, da die Antragstellerin vor Eheschließung seinen Aufenthaltsstatus gekannt habe. Dies ergebe sich schon aus der Prüfung der Voraussetzungen für die Eheschließung durch das Standesamt.

Schließlich komme eine Scheidung aus Härtegründen nicht in Betracht. Insoweit könne nicht von einem Kinderwunsch der Antragstellerin ausgegangen werden, nachdem sie intime Kontakte mit ihm verweigert habe.

Der Antragsgegner beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 25. Oktober 2004, Az.: 5 a F 373/04, aufzuheben und die Anträge zurückzuweisen,

vorsorglich, den Versorgungsausgleich durchzuführen.

Die Antragstellerin erstrebt die Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht zu den Berufungsangriffen geltend:

Der Antragsgegner habe anlässlich seiner erstinstanzlichen Anhörung nicht einen einzigen Grund nennen können, weswegen er die Ehe mit der Klägerin nicht vollzogen habe. Schon zu Beginn der Ehe, als ihre Mutter ein Ehebett (zur Ausübung des ersten Geschlechtsverkehrs) habe herrichten wollen, sei ihr dies vom Antragsgegner verboten worden; er habe ihre Eltern regelrecht hinausgeworfen. Sie habe zwei Jahre versucht, die Ehe mit dem Antragsgegner zu vollziehen und ihn häufig darauf angesprochen, dass für sie Sex in der Ehe wichtig sei. Der Antragsgegner habe sie immer wieder vertröstet. Nach einem Jahr ohne sexuelle Handlungen sei sie depressiv geworden und habe sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. Erst auf ihr ständiges Drängen habe der Antragsgegner im August 2004 erklärt, er werde mit ihr niemals den Geschlechtsverkehr ausüben, weil er sich mit ihr nicht verstehe und sie nicht liebe. Danach sei für sie klar gewesen, dass er sie nur aus dem Grund geheiratet habe, in der Bundesrepublik bleiben zu können.

Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei ihr nicht bekannt gewesen, dass ein Asylverfahren laufe. Die späteren Bestätigungen gegenüber der Ausländerbehörde habe sie nur abgegeben, weil sie daran geglaubt habe, dass der Antragsteller irgendwann die Ehe mit ihr vollziehen werde. Die genannten Umstände erwiesen sich als derart schwere Härte, dass sie die Ehe mit dem Antragsgegner nicht mehr aufrechterhalten könne.

Der Senat hat die Parteien im Termin vom 3. Juni 2005 angehört. Zum Ergebnis der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 139 - 142 d. A.) verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Antragsgegners ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei; sie führt auch in der Sache zum Erfolg.

Nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien durch den Senat kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die Antragstellerin gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB durch arglistige Täuschung zur Eingehung der Ehe bestimmt worden ist. Angesichts der ungeklärten Umstände kann auch kein Fall unzumutbarer Härte i. S. v. § 1565 Abs. 2 BGB angenommen werden, so dass - nachdem das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen ist - unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils beide Anträge zurückzuweisen sind. Dazu gilt:

1. Im Ausgangspunkt zu Recht ist das Familiengericht von der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ausgegangen. Diese folgt bereits aus § 606 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO, weil die Antragstellerin deutsche Staatsangehörige ist. Etwaige Zweifel hieran, die sich aus dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 08. Mai 2005 ergeben könnten, sind durch Vorlage des Personalausweises im Senatstermin ausgeräumt.

2. Steht somit fest, dass die Antragstellerin entsprechend dem ursprünglichen Vorbringen bei Eingehung der Ehe Deutsche war und nach wie vor ist, sind sowohl für die beantragte Aufhebung als auch für die hilfsweise erstrebte Scheidung die Vorschriften des deutschen Rechts anwendbar.

a) Für die Aufhebung kann dahinstehen, ob nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB wegen des gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehegatten deutsches Recht zur Anwendung kommt (vgl. etwa OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 737 einerseits; MüKo/Siehr, ZPO, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., Art. 14 Rdr. 116 andererseits). Wird mit der überwiegenden Meinung auf den Eheschließungsstatus des Art. 13 EGBGB abgestellt (vgl. MüKo/Winkler/von Mohrenfels aaO, Art. 17 Rdnr. 24 m. w. N.), kommt es, weil Art. 12 Abs. 1 Satz 1 türkisches IPR für die Eheschließung keine (Rück-)Verweisung auf das Recht des Aufenthalts enthält (vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei, Anm. III A 3 c), im Vergleich mit dem türkischen materiellen Recht grundsätzlich darauf an, welches das "ärgere" Recht ist (vgl. Senat FamRZ 2004, 950, 951). Für die Fälle des Irrtums und der Täuschung - wie hier geltend gemacht - sieht das türkische ZGB in Art. 149 f ebenfalls Anfechtbarkeit vor. Gibt es somit kein ärgeres Recht, kommt das Recht des verletzten Ehegatten, hier also dasjenige der Antragstellerin, zur Anwendung (vgl. OLG Düsseldorf IPrax 1993, 251; LG Hamburg FamRZ 1974, 96; Henrich, IPrax 1993, 236; Johannsen/Henrich, Eherecht 4. Aufl., Art. 13 EGBGB Rdnrn. 13 und 16).

b) Für die Scheidung folgt die Anwendbarkeit deutscher Rechtsvorschriften aus Art. 17 i.V.m. Art. 14 EGBGB. Zum einen war der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bereits staatenlos, so dass nach Art. 5 Abs. 2 EGBGB an Stelle der Staatsangehörigkeit das durch den gewöhnlichen Aufenthalt bestimmte Personalstatut maßgebend ist. Zum anderen unterliegt die (hilfsweise) angestrebte Scheidung den Vorschriften des deutschen Rechts, weil beide Parteien zu diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten.

3. Eine Aufhebung der Ehe gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB kommt nicht in Betracht. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich beide Ehegatten bei Eheschließung darüber einig waren, keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 BGB begründen zu wollen. Es reicht nicht aus, dass nur ein Ehegatte hierzu entschlossen war (vgl. dazu MüKo/Müller-Gindullis, BGB 4. Aufl., § 1314 Rdnr. 34).

4. Die Voraussetzungen des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB sind nach Auffassung des Senats nicht nachgewiesen, was zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Antragstellerin geht.

Nach dieser Vorschrift kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die bei Kenntnis der Sachlage und richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung abgehalten hätte. Die Täuschung muss ursächlich für die Eheschließung gewesen sein; sie muss also begrifflich spätestens zum Zeitpunkt der Eheschließung vorgelegen haben (vgl. OLG Hamm, FPR 2004, 26; PfälzOLG Zweibrücken, 6. Zivilsenat, OLGR 2002, 229, 230). Dabei kann die Täuschung in einem positiven Tun oder Unterlassen liegen. Hier wirft die Antragstellerin dem Antragsgegner vor, dass er ihr für die Eheeingehung entscheidungserhebliche Tatsachen verschwiegen habe. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass er gebürtiger Kurde sei und nach Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland Asyl mit der Folge eines anhängigen Asylverfahrens beantragt habe. Vor allem habe er ihr verschwiegen, von Anfang an nicht gewillt gewesen zu sein, die Ehe durch Geschlechtsverkehr zu vollziehen.

a) Was zunächst den Umstand betrifft, dass der Antragsgegner Türke kurdischer Abstammung ist, lässt sich schon ein Zusammenhang mit der Entscheidung zur Eheschließung nicht feststellen. Entsprechendes gilt auch für die in der Berufungsinstanz aufgestellte Behauptung, der Antragsgegner sei Alevite (= muslimische Glaubensrichtung). Dazu hat die Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung bekundet, sie habe bereits nach dem Eheversprechen Zweifel an der Herkunft des Antragsgegners gehabt. Sie hätte ihn aber auch geheiratet, wenn er ihr die Wahrheit mitgeteilt hätte. Des Weiteren ist das Vorbringen auch nicht erwiesen, zumal die Antragsgegnerin selbst Zweifel einräumt und deshalb das Eheversprechen vorübergehend aufgelöst hat.

b) Hinsichtlich einer Kenntnis des Asylverfahrens erscheint das Vorbringen der Antragstellerin bereits wenig glaubhaft. Notwendigerweise werden nämlich diese Fragen vor der Heirat beim Standesamt besprochen. In diesem Zusammenhang hat der Antragsgegner nunmehr eine Bestätigung des Standesamts zur Vorlage bei der Ausländerbehörde vorgelegt. Die Erforderlichkeit solcher Formalitäten kann der Antragstellerin kaum verborgen geblieben sein. Ungeachtet dessen wäre in diesem Zusammenhang weiter zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner gegenüber der Ausländerbehörde mehrfach behilflich war, indem sie am 1. Oktober 2002 bzw. 12. Juni 2003 ausdrücklich bestätigt hat, dass die Ehe nicht zum alleinigen Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung geschlossen wurde. Hieraus erhellt sich, dass die Antragstellerin jedenfalls trotz Kenntnis der Aufenthaltsproblematik an der Ehe festhalten wollte.

c) Auch die in erster Linie aufgestellte Behauptung, der Antragsgegner habe ihr von Anfang an verschwiegen, die Ehe niemals vollziehen zu wollen, da es ihm nur darauf angekommen sei, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, rechtfertigt keine Aufhebung.

Zunächst stellt bloßes Verschweigen ungünstiger Umstände im Allgemeinen noch keine arglistige Täuschung dar. Hinzukommen muss jeweils, dass mit dem Verschweigen eine Offenbarungspflicht verletzt wird. Eine allgemeine Offenbarungspflicht besteht jedoch im Zusammenhang mit der Eheschließung nicht. Soweit es um Heirat aus Liebe mit der Folge sexueller Annäherung der Partner geht, handelt es sich grundsätzlich um subjektive Empfindungen, die nicht offenbarungspflichtig sind und deren Verschweigen keine arglistige Täuschung darstellt (vgl. PfälzOLG Zweibrücken, OLGR 2002, 229 f; OLG Hamm, FPR 2004, 26 f, jew. m. w. N.). Etwas anderes kann sich nur bei ausdrücklicher Nachfrage des anderen Verlobten ergeben oder aus Umständen, die erkennen lassen, dass der andere Verlobte auf ihr Vorhandensein besonderes Gewicht legt und er seinen Entschluss zur Ehe gerade von der Abklärung abhängig machen will. Hier macht die Antragstellerin nicht einmal geltend, dass sich die Parteien vor der Ehe über ihre Vorstellungen des späteren gemeinsamen Zusammenlebens in der Ehe ausgesprochen haben. Zu Kontakten sexueller Art vor der Eheschließung hat die Antragstellerin klargestellt, dass eine solche Lebensweise aufgrund ihrer Religion nicht in Betracht gekommen sei. Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragstellerin zum Ausdruck gebracht haben könnte, dass es ihr nach der Heirat auf den Vollzug der Ehe (mit Kinderwunsch) ankommt, sind weder vorgetragen noch erkennbar.

Abgesehen davon ist eine arglistige Täuschung nicht erwiesen. Nach Ansicht des Senats lässt sich nicht feststellen, dass der Antragsgegner bereits vor der Heirat nicht gewillt war, die Ehe zu vollziehen. Nach Anhörung der Parteien durch den Senat bleibt offen, wer von den Parteien die fehlenden Intimitäten des Ehelebens zu verantworten hat. Verfehlt ist der Ansatz des Familiengerichts, allein aufgrund der Attraktivität der Antragstellerin nur in der Person des Antragsgegners die Ursache zu sehen. Die vom Erstgericht in diesem Zusammenhang aufgezählten möglichen Ursachen sind reine Vermutungen, für die es keinerlei konkrete Anhaltspunkte gibt. Zur Frage einer homosexuellen Neigung verweist die Berufung mit Recht auf die Behauptung der Antragstellerin hin, der Antragsgegner habe ein Verhältnis zu einer anderen Frau. Was das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin angeht, könnte ihre Attraktivität ebenso für die Richtigkeit der Darstellung des Antragsgegners sprechen, die Antragstellerin habe sich ihm verweigert. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Parteien über einen längeren Zeitraum hinweg zusammengelebt haben, ganz überwiegend in einer eigens gekauften Ehewohnung. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin durch Übernahme der Finanzierungskosten unterstützt. Obwohl die Antragstellerin von Anfang an den Austausch von Intimitäten vermisst haben will, hat sie sich trotz Auswirkungen mit Krankheitswert nicht etwa alsbald getrennt, sondern mit dem Antragsgegner über Jahre hinweg zusammengelebt und diesen - wie die Bescheinigungen gegenüber der Ausländerbehörde vom Oktober 2002 und Juni 2003 zeigen - aktiv unterstützt. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner durchaus Gründe für die fehlenden sexuellen Kontakte mitgeteilt hat. Bereits in erster Instanz hat er insbesondere auf die Einmischung durch die Familie der Antragstellerin und rituelle Gebräuche hingewiesen. Das ist von der Antragstellerin gegenüber dem Senat bestätigt worden. So haben ihre Mutter und Schwester zur Ausübung des ersten Geschlechtsverkehrs vor der Hochzeitsnacht ein Ehebett herrichten wollten, was der Antragsgegner abgelehnt hat. Schließlich gab es in der Hochzeitsnacht nach Darlegung des Antragsgegners unterschiedliche Ansichten zu deren Ablauf, insbesondere hinsichtlich religiöser Verrichtungen. Nach alledem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass der von der Antragstellerin vermisste eheliche Geschlechtsverkehr auf einen schon vor der Heirat gefassten Entschluss des Antragsgegners zurückzuführen ist; damit verbietet sich zugleich die Schlussfolgerung, dem Antragsgegner sei es bei Eingehung der Ehe allein um den Erhalt der Aufenthaltserlaubnis gegangen.

5. Das die Ehe aufhebende erstinstanzliche Urteil kann daher keinen Bestand haben, ohne dass es im Weiteren darauf ankommt, ob die Antragstellerin die Frist des § 1317 BGB eingehalten bzw. durch ihr Verhalten die Eheschließung gemäß § 1315 Abs. 1 Nr. 4 BGB bestätigt hat.

6. Ebenso wenig ist der Hilfsantrag, die Ehe zu scheiden, begründet. Denn ein Scheitern der Ehe gemäß § 1565 Abs. 1 BGB kann nicht festgestellt werden. Die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB greift nicht ein. Danach wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Hier ist weder das Trennungsjahr abgelaufen noch stimmt der Antragsgegner der Scheidung zu.

Ein Fall unzumutbarer Härte i. S. d. § 1565 Abs. 2 BGB, der eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahrs zulässt, liegt ebenfalls nicht vor. Aufgrund der Anhörung der Parteien kann nämlich nicht - wie oben ausgeführt - mit hinreichender Gewissheit festgestellt werden, dass die angeführten Gründe allein in der Person des Antragsgegners liegen. Soweit die Antragstellerin außerdem die Verletzung der ehelichen Treuepflicht behauptet und (erstinstanzlich) unter Beweis gestellt hat, stellt dies für sich allein gesehen noch keinen Härtegrund dar. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Begleitumstände im Einzelfall besonders demütigend bzw. ansehensschädigend sind, wie etwa die Darstellung in der Öffentlichkeit bzw. ein ehebrecherisches Verhältnis in der früheren Ehewohnung. Solche Umstände sind hier weder dargetan noch ersichtlich, so dass eine Beweiserhebung zur Frage eines außerehelichen Verhältnisses des Antragsgegners nicht veranlasst ist.

III.

Danach sind die Anträge unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung mit der Kostenfolge aus §§ 93 a Abs. 2 Satz 1, 91 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO); keiner der Parteien hat die Zulassung der Revision angeregt bzw. sie rechtfertigende Gründe aufgezeigt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

10 800,-- EUR

festgesetzt, §§ 48 Abs. 3 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 2 GKG.



Ende der Entscheidung

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