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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 2 UF 35/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1572 Nr. 1
BGB § 1578
BGB § 1578 b
1. Die Befristung eines Anspruchs auf Krankheitsunterhalt ist dann unbillig, wenn die Parteien rund 34 Jahre miteinander verheiratet waren, die Unterhaltsgläubigerin ihren erlernten Beruf aufgegeben hat, um gemeinsame Kinder zu betreuen und in der Firma ihres Ehegatten mitzuarbeiten, eigene Geschäftsanteile unentgeltlich auf ihren Ehegatten übertragen hat und zudem infolge der durch die Trennung beeinflussen Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft nicht in der Lage sein wird, durch eigene Erwerbstätigkeit für ihren Unterhalt zu sorgen.

2. Eine fiktive Zurechnung von Jahresüberschüssen bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens eines Gesellschafters kommt dann nicht in Betracht, wenn die Entscheidung, Überschüsse aus dem vorangegangenen Geschäftsjahr in der Gesellschaft zu belassen, aus wirtschaftlicher Sicht zur Erhaltung des Handlungsspielraums der Gesellschaft geboten war.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 2 UF 35/07

Verkündet am: 8. Februar 2008

In der Familiensache

wegen nachehelichen Unterhalts,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 12. Januar 2007 teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als nachehelichen Unterhalt folgende monatlichen, zukünftig monatlich im voraus zahlbaren, Unterhaltsrenten zu zahlen:

- 1 485,00 Euro für April bis Juni 2005,

- 1 471,00 Euro für Juli 2005,

- 1 579,00 Euro für August bis Dezember 2005,

- 1 577,00 Euro für Januar 2006 bis Februar 2007,

- 1 456,00 Euro für März 2007,

- 1 472,00 Euro für April bis Juni 2007,

- 1 473,00 Euro für Juli und August 2007,

- 1 497,00 Euro für September bis Dezember 2007,

- 1 512,00 Euro für Januar 2008 und

- 1 626,00 Euro ab Februar 2008.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5 zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Soweit Unterhalt für die Zeit ab Januar 2008 zuer- kannt ist, wird die Revision zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab April 2005.

Ihre am ... geschlossene Ehe ist seit ...rechtskräftig geschieden.

Aus der Ehe sind zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen, die am ... geborene Tochter ... und der am ... geborene Sohn V.... V... lebt im Haushalt der Mutter; er hat bis Januar 2008 eine Lehre zum M... durchlaufen. Der Beklagte zahlte an ihn bis zum Abschluss der Ausbildung Kindesunterhalt in unterschiedlicher Höhe.

Im Scheidungsverfahren verpflichtete sich der Beklagte mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom 8. März 2004 zur Zahlung nachehelichen Unterhaltes von monatlich 1 800,00 Euro bis einschließlich März 2005. Etwaige Unterhaltsansprüche für die Zeit danach sollte die Klägerin im Wege einer Erstklage geltend machen können.

Die am 14. November 1950 geborene Klägerin war während der Ehe zunächst selbständig als F... tätig und in der Folgezeit bis Februar 2001 in der Buchhaltung der Firma des Beklagten teilschichtig beschäftigt. Seither ist sie nicht erwerbstätig.

Der am ... geborene Beklagte ist seit ... wieder verheiratet. Aus dieser Verbindung ist der am ... geborene Sohn M... hervorgegangen; der Beklagte hat die Vaterschaft unmittelbar nach der Geburt anerkannt.

Er ist Geschäftsführer der Firma H... . Er gründete diese Firma 1... zunächst als Einzelfirma; seit 1... wird die Firma in der heute bestehenden Rechtsform betrieben. Zunächst waren beide Parteien Mitgesellschafter je zur Hälfte. Noch während des Zusammenlebens übertrug die Klägerin ihren hälftigen Anteil an der Firma auf den Beklagten, der die Geschäftsanteile mit notarieller Urkunde vom 20. Februar 2007 veräußert hat.

Die Klägerin bewohnt gemeinsam mit den beiden Kindern die frühere Ehewohnung, ein im hälftigen Miteigentum der Parteien stehendes Einfamilienhaus in M... . Auf noch bestehende Hausverbindlichkeiten und verbrauchsunabhängige Hausnebenkosten zahlt der Beklagte monatlich rund 330,00 Euro.

Daneben waren die Parteien Miteigentümer einer Immobilie in B...; auf nach deren Veräußerung verbliebene Verbindlichkeiten leistet der Beklagte monatlich 276,00 Euro.

Das Familiengericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin sowie zum Einkommen des Beklagten zugunsten der Klägerin monatliche Unterhaltsansprüche in unterschiedlicher Höhe (1 800,00 Euro für März 2005, monatlich 2 7 15,00 Euro für April bis Juli 2005 und monatlich 2 823,00 Euro ab August 2005) errechnet und zuerkannt.

Die Klägerin sei nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. B... aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ihr sei daher lediglich der Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens in Höhe des objektiven Wohnvorteils zuzurechnen. Dieser werde unter Berücksichtigung vorhandenen Reparaturstaus mit monatlich 650,00 Euro angesetzt.

Auf Seiten des Beklagten sei unter Zugrundelegung der Feststellungen des Sachverständigen Dr. M... von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoerwerbseinkommen von 8 349,00 Euro auszugehen. Die auf das Privatgutachten Prof. Dr. B... gestützten Einwände des Beklagten gegen die gutachterlichen Feststellungen seien unberechtigt. Dieses Einkommen sei in voller Höhe in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen, da die Parteien während des Zusammenlebens die erzielten Einkünfte insgesamt für die Lebensführung verwendet hätten; Vermögensbildung sei nicht betrieben worden. Zu bereinigen sei das Einkommen um die Hausverbindlichkeiten, den Kindesunterhalt für V... und für den weiteren Sohn des Beklagten. Abzusetzen sei schließlich der Erwerbsanreiz.

Eine Begrenzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin komme bei Berücksichtigung der Ehedauer von ca. 34 Jahren sowie des Umstandes, dass die jetzt erwerbsunfähige Klägerin die Firma des Beklagten mit aufgebaut und ihren Hälfteanteil unentgeltlich auf den Beklagten übertragen habe, nicht in Betracht.

Die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch nicht verwirkt. Zur Information des Finanzamtes über buchungstechnische Vorgänge in der Firma des Beklagten habe sie sich aufgrund des Bemühens des Beklagten, sich arm zu rechnen und so einer Unterhaltspflicht zu entgehen, genötigt gesehen. Sie habe daher in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt.

Mit seiner Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung erstrebt der Beklagte die Abweisung des Unterhaltsbegehrens der Klägerin insgesamt.

Die Klägerin sei nicht erwerbsunfähig. Sie sei nicht so depressiv, dass sie keiner Arbeit nachgehen könne. Auch habe sie zur Verbesserung ihres psychischen Zustandes geeignete und erforderliche Behandlungen unterlassen und damit ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt. Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. B... seien unvollständig, widersprüchlich und nicht überzeugend.

Er verfüge nicht über das vom Familiengericht der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegte Einkommen. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. M... sei fehlerhaft. Dies gelte insbesondere, soweit ihm dort fiktive Kapitaleinkünfte wegen unterbliebener Ausschüttung der Jahresüberschüsse der GmbH zugerechnet worden seien. Die Liquiditätslage der Firma in den Jahren 2002 bis 2004 habe eine Ausschüttung der Überschüsse nicht zugelassen. Zudem seien die vom Sachverständigen korrigierten Gewinnvorträge überhöht. Sowohl dort als auch bei der Korrektur der Bilanzen um die Ansparabschreibungen seien die Steuerbelastungen der Kapitalgesellschaft unberücksichtigt geblieben. Ohne die fiktiv zugerechneten Kapitaleinkünfte habe er entsprechend den Berechnungen des Sachverständigen Dr. M... in den Jahren 2002 bis 2004 lediglich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 4 112,52 Euro erzielt, das um die Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen, den Kindesunterhalt für die beiden Söhne sowie einen Betreuungsbonus für den in seinem Haushalt lebenden Sohn zu bereinigen sei.

Unter Berücksichtigung des Wohnvorteils der Klägerin, der mit mindestens 1 000,00 Euro monatlich anzusetzen sei, verbliebe daher zugunsten der Klägerin maximal ein Unterhaltsanspruch von monatlich 819,00 Euro, der mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin die Verbesserung ihres Gesundheitszustandes unterlassen habe, zu begrenzen oder zu befristen sei.

Entgegen der Auffassung des Familiengerichtes erfülle das Verhalten der Klägerin gegenüber dem Finanzamt auch die Voraussetzungen einer Verwirkung nach § 1579 BGB. Verwirkung sei zudem auch deshalb gegeben, weil die Klägerin die Verwertung des gemeinsamen Anwesens in M... boykottiere.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

An ihrer Erwerbsunfähigkeit könne kein Zweifel bestehen. Neben den psychischen Beeinträchtigungen leide sie an einer irreparablen Schädigung der Wirbelsäule, welche die ständige Einnahme starker Schmerzmittel erfordere.

Die Einwendungen des Beklagten gegen die Einkommensberechnungen des Sachverständigen Dr. M... seien unberechtigt. Der Unterhaltsbedarf des Kindes M... sei nicht vorweg abzuziehen. Der Beklagte könne nicht der leibliche Vater des Jungen sein, da er sich in der Ehe mit ihr habe sterilisieren lassen. Das Vaterschaftsanerkenntnis müsse sie sich nicht zurechnen lassen.

Einer wirtschaftlichen Nutzung des Einfamilienhauses in M... habe sie sich nicht verschlossen. Entsprechende Einigungsversuche seien am Verhalten des Beklagten gescheitert.

Der Senat hat erneut Beweis erhoben über die Erwerbsfähigkeit der Klägerin. Auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens des Dr. med. F... vom 21. August 2007 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 19. November 2007 wird ebenso Bezug genommen wie auf das angefochtenen Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze, insbesondere Berufungsbegründung und -erwiderung nebst zu den zu den Akten gereichten Anlagen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei.

In der Sache führt sie zu einer Reduzierung seiner Unterhaltsverpflichtung. Er schuldet nachehelichen Unterhalt lediglich im im Entscheidungssatz unter Ziffer I niedergelegten Umfang.

1. Soweit das Familiengericht Unterhalt für März 2005 zuerkannt hat, liegt darin ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO.

Aus der Klagebegründung ist ersichtlich, dass die Klägerin Unterhalt erst ab April 2005 begehrt. Unterhalt für März 2005 war zudem bereits vom Prozessvergleich vom 8. März 2004 umfasst und wurde vom Beklagten unstreitig bezahlt.

2. Für die Zeit ab April 2005 schuldet der Beklagte der Klägerin Krankheitsunterhalt nach § 1572 Nr. 1 BGB.

Die Klägerin ist bereits seit dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung (M...) und bis heute infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und kann daher zur Deckung ihres Bedarfs nicht durch Erzielung eigener Erwerbseinkünfte beitragen.

Der in erster Instanz beauftragte Sachverständige Dr. B... hat auf der Grundlage eigener Untersuchungen und Explorationen vom Oktober 2003 und Juli 2005 sowie ihm zur Verfügung gestellter Berichte der behandelnden Ärzte und Psychologen in seinen schriftlichen Gutachten vom 15. Juni 2004 und 26. August 2005 festgestellt, dass bei der Klägerin bereits seit 2000 eine psychische (Angst-)Störung von Krankheitswert vorliegt, die sich in hohem Maße chronifiziert hat und trotz anhaltender psychotherapeutischer Behandlung nicht gebessert werden konnte. Aufgrund seiner Untersuchungen hielt der Sachverständige die Klägerin wegen der Schwere des Störungsbildes und dessen einschneidender Auswirkungen auf den Lebensvollzug für erwerbsunfähig. Die Chancen einer Besserung des Zustandes schätzte der Sachverständige als weniger gut ein; er empfahl eine Überprüfung des Gesundheitszustandes der Klägerin nach Ablauf eines Jahres. Auf der Grundlage dieser Feststellungen des Sachverständigen, an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, war der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Ehescheidung eine Erwerbstätigkeit aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zuzumuten. Der Einsatzzeitpunkt des § 1572 Nr. 1 BGB ist mithin gewahrt.

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin bestehen nach den Feststellungen des vom Senat mit der Begutachtung des aktuellen Gesundheitszustandes beauftragten Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Ltd. Medizinaldirektor i. K. Dr. med. F... (Gutachten vom 21. August 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 19. November 2007) unverändert fort und sind von einem solchen Ausmaß, dass die Klägerin keine Erwerbstätigkeit mehr verrichten kann. Einwendungen gegen die gutachterlichen Feststellungen haben die Parteien nicht erhoben; Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln hinsichtlich der Richtigkeit dieser Feststellungen geben könnten, sind nicht ersichtlich. Der Senat legt sie deshalb seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde.

3. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen.

Diese waren geprägt durch das Erwerbseinkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma H..., seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb, dem Unterhaltsbedarf des gemeinsamen Sohnes sowie das Wohnen im eigenen Anwesen.

Prägend ist auch der Unterhaltsbedarf des nach Scheidung der Ehe der Parteien geborenen weiteren Sohnes des Beklagten (BGH FamRZ 2006, 683); der Beklagte ist aufgrund der Anerkennung Vater des Kindes (§ 1592 Nr. 2 BGB) und damit diesem zum Unterhalt verpflichtet, die - streitige - Frage seiner biologischen Vaterschaft ist nicht entscheidungserheblich.

a) Der Beklagte bezieht aus seiner Tätigkeit für die GmbH ein Geschäftsführergehalt. Aus den vorgelegten Gehaltsbescheinigungen hat der Senat ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen (nach Abzug von Einkommenssteuer und Solidaritätsbeitrag unter Zugrundelegung von Steuerklasse IV und einem Kinderfreibetrag, Beiträgen zur Direktversicherung und freiwilligen Krankenversicherung bis 02/07 bzw. zur gesetzlichen Sozialversicherung ab 03/07 und Bereinigung um die Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen) von rund

- 2 326,00 Euro im Jahr 2005,

- 2 321,00 Euro im Jahr 2006 sowie im Januar und Februar 2007 und

- 2 052,00 Euro ab März 2007

errechnet.

b) Daneben hat der Beklagte in der Berufungsbegründung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe zugestanden, die der Sachverständige Dr. M... in seinem schriftlichen Gutachten festgestellt hat (S. 28 des Gutachtens vom April 2006). Umgelegt errechnen sich daraus monatliche Einkünfte in Höhe von rund 3 259,00 Euro.

c) Kapitaleinkünfte durch Ausschüttung der von der GmbH erwirtschafteten Jahresüberschüsse in den Geschäftsjahren 2002 bis 2004 hat der Beklagte (unstreitig) nicht erzielt.

Eine fiktive Zurechnung solcher Kapitalerträge unter dem Gesichtspunkt einer unterhaltsrechtlich nicht hinzunehmenden unterbliebenen Ausschüttung der Jahresüberschüsse an den Beklagten als Alleingesellschafter kommt nach Auffassung des Senates nicht in Betracht.

Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nicht vom Sachverständigen zu beurteilen ist.

Dessen Aufgabe war es, die Jahresabschlüsse der GmbH zu überprüfen und nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen nicht berücksichtigungsfähige steuerliche Einflüsse (insbesondere Sonderabschreibungen und Rückstellungen) aufzuzeigen. Dem hat der Sachverständige Dr. M... in seinem schriftlichen Gutachten (Kapitel 4.6 - S. 21 bis 30) Rechnung getragen.

Die unterlassene Ausschüttung von Jahresüberschüssen, die eine Kapitalgesellschaft im Vorjahr erzielt hat an die Gesellschafter (bereinigt um etwaige Verlustvorträge, zuzüglich etwaiger Gewinnvorträge aus früheren Jahren) ist nicht in jedem Falle unterhaltsrechtlich vorwerfbar. Maßgebend sind insoweit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft. Sie können es gebieten, dass die Ausschüttung im Interesse der Liquidität und des Fortbestandes der Gesellschaft unterbleibt.

Eine fiktive Zurechnung von Jahresüberschüssen bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens eines Gesellschafters ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn die Entscheidung der Gesellschafter, diese Überschüsse stehen zu lassen, nicht von wirtschaftlichen Erwägungen getragen ist.

Aus unterhaltsrechtlicher Sicht besteht Prüfungsbedarf hinsichtlich der unternehmerischen Entscheidung der Gesellschafter insbesondere dann, wenn der Mehrheits- und Alleingesellschafter ein Interesse daran haben kann, dass eine Gewinnausschüttung unterbleibt, die ihm als Kapitaleinkommen zuzurechnen ist.

Hier ergibt sich der Prüfungsbedarf aus dem Umstand, dass der Beklagte bis Februar 2007 Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft war und in dieser Eigenschaft über die unterbliebene Ausschüttung der Jahresüberschüsse allein verantwortlich entschieden hat.

Im Rahmen dieser Überprüfung kann nicht festgestellt werden, dass die unterbliebene Ausschüttung der Jahresüberschüsse der Jahre 2002 bis 2004 (jeweils in den Folgejahren) nicht mehr von dem unternehmerischen Gestaltungsrecht gedeckt war, das dem Beklagten als Verantwortlichen der Kapitalgesellschaft zustand. Sie ist mithin unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar.

Zwar hat die Kapitalgesellschaft nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Meyer-Klenk in den Jahren 2002 bis 2004 auch unter Berücksichtigung der Steuerlasten Jahresüberschüsse erwirtschaftet.

Die zwischenzeitlich vorliegende Jahresabrechnung für 2005 belegt jedoch in diesem Jahr (nach Eliminierung der Erträge aus der Auflösung von Ansparabschreibungen) einen Verlust von rund 22 560,00 Euro. Auch für das Jahr 2006 hat die Gesellschaft nach dem nicht bestrittenen Vorbringen des Beklagten mit einem Jahresfehlbetrag abgeschlossen.

Diese Entwicklung zeigt, dass die unternehmerische Entscheidung, die Überschüsse aus den vorangegangenen Geschäftsjahren in der Gesellschaft zu belassen, zur Erhaltung des Handlungsspielraumes der Gesellschaft geboten war.

Der Unterhaltsbemessung sind damit auf Seiten des Beklagten Einkünfte aus seiner Geschäftsführertätigkeit sowie Einnahmen aus Gewerbebetrieb zugrunde zu legen; diese belaufen sich auf

- (2 326,00 Euro + 3 259,00 Euro =) 5 585,00 Euro in 04-12/05,

- (5 321,00 Euro + 3 259,00 Euro =) 5 580,00 Euro in 01/06 bis 02/07 und

- (2 052,00 Euro + 3 259,00 Euro =) 5 311,00 Euro ab 03/07.

d) Dieses Einkommen des Beklagten ist zu bereinigen um

- die unstreitigen Verbindlichkeiten für das von der Beklagten und den gemeinsamen Kindern bewohnte Anwesen in Mutterstadt von monatlich 330,00 Euro und für das zwischenzeitlich veräußerte Anwesen in Böhl-Iggelheim vom monatlich 276,00 Euro.

- um den Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn Veith und den am 12. August 2004 geborenen weiteren Sohn Marc.

Veith ist bereits seit Juli 2003 volljährig.

Die Parteien gehen von einer alleinigen Barunterhaltspflicht des Beklagten für den gemeinsamen Sohn aus. Das von der Klägerin für Veith bezogene Kindergeld ist daher in vollem Umfang bedarfsdeckend anzurechnen. Zwischen den Parteien besteht demgemäß Einigkeit darüber, dass Unterhalt für Veith nur in Höhe der tatsächlich vom Beklagten erbrachten Beträge, das sind monatlich 580,00 Euro für 04-07/05, monatlich 340,00 Euro für 08/05 bis 03/07, 305,00 Euro für 04/07 bis 08/07 und rund 253,00 Euro für 09/07 bis 01/08 einkommensmindernd zu berücksichtigen sind.

Der in seinem Haushalt lebende Marc wird vom Beklagten im Rahmen des Familienunterhaltes unterhalten.

Zur Bemessung des Unterhaltsanspruches der Klägerin kann gleichwohl der Betrag in Abzug gebracht werden, der sich als Barunterhaltsbedarf für Mark ergeben würde. Die zusätzliche Berücksichtigung eines Betreuungsbonus kommt dagegen nicht in Betracht.

Ausgehend von einem um die Verbindlichkeiten für die beiden Anwesen bereinigten Einkommen des Beklagten von rund

- 4 979,00 Euro im Jahr 2005,

- 4 974,00 Euro im Jahr 2006 sowie im Januar und Februar 2007 und

- 4 705,00 Euro ab März 2007

ist der Unterhaltsbedarf für Mark bis einschließlich Dezember 2007 der Einkommensgruppe 13 und ab Januar 2008 der Einkommensgruppe 10 der jeweils geltenden Düsseldorfer Tabellen zu entnehmen.

Bis einschließlich Dezember 2007 sind jeweils die das hälftige Kindergeld enthaltenden Bedarfsbeträge (sog. Tabellenbeträge) in Abzug zu bringen.

Ab Januar 2008 kommt auch für bereits zuvor entstandene Unterhaltsrechtsverhältnisse das zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I 3189) zur Anwendung (vgl. die Übergangsregelung in § 36 EGZPO).

Gemäß § 1612 b Abs. 1 Satz 1Nr. 1 und Satz 2 BGB n.F. ist das auf Marc entfallende hälftige Kindergeld von monatlich 77,00 Euro (zu einem etwaigen Zählkindervorteil vgl. § 1612 b Abs 2 BGB n.F.) zur Deckung seines Bedarfs zu verwenden. Er mindert den Barbedarf des Kindes. Dieser Kindergeldanteil wird damit jetzt - wie bereits im Sozialrecht (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2+3 SGB II, § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) - faktisch als Einkommen des Kindes behandelt.

Das hat nach wohl überwiegender Auffassung in Literatur und zahlreicher Obergerichte (vgl. die jeweiligen unterhaltsrechtlichen Leitlinien - etwa Nr. 15.2 SüdL), der sich der Senat anschließt, zur Folge, dass bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts nicht mehr der volle Kindesunterhaltsbedarf (vor Kindergeldanrechnung), sondern lediglich der (um den bedarfsdeckend anzurechnenden Kindergeldanteil gekürzte ) Zahlbetrag vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen vorweg abzuziehen ist. Abzusetzen sind vom Einkommen des Beklagten für Marc danach monatlich 398,00 Euro für 04-06/05, 408,00 Euro für 07/05 bis 06/07, 404,00 Euro für 07-12/07 und (447,00 Euro abzüglich 77,00 Euro =) 370,00 Euro ab 01/08.

- um den Erwerbsanreiz.

Es verbleiben sodann gesamt bereinigte Einkünfte des Beklagten von rund

- (4 979,00 Euro ./. 560,00 Euro ./. 398,00 Euro ./. 10 % =) 3 619,00 Euro in 04-06/05,

- (4 979,00 Euro ./. 580,00 Euro ./. 408,00 Euro ./. 10 % =) 3 592,00 Euro in 07/05,

- (4 979,00 Euro ./. 340,00 Euro ./. 408,00 Euro ./. 10 % =) 3 808,00 Euro in 08-12/05,

- (4 974,00 Euro ./. 340,00 Euro ./. 408,00 Euro ./. 10 % =) 3 803,00 Euro in 01/06-02/07,

- (4 705,00 Euro ./. 340,00 Euro ./. 408,00 Euro ./. 10 % =) 3 561,00 Euro in 03/07,

- (4 705,00 Euro ./. 305,00 Euro ./. 408,00 Euro ./. 10 % =) 3 593,00 Euro in 04-06/07,

- (4 705,00 Euro ./. 305,00 Euro ./. 404,00 Euro ./. 10 % =) 3 596,00 Euro in 07+08/07,

- (4 705,00 Euro ./. 253,00 Euro ./. 404,00 Euro ./. 10 % =) 3 643,00 Euro in 09-12/07

- (4 705,00 Euro ./. 253,00 Euro ./. 370,00 Euro ./. 10 % =) 3 674,00 Euro in 01/08 und

- (4 705,00 Euro ./. 370,00 Euro ./. 10 % =) 3 902,00 Euro ab 02/08.

e) Auf Seiten der Klägerin ist als Einkommen der Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens im im Miteigentum der Parteien stehenden Anwesen in die Unterhaltsbemessung einzustellen.

Anzusetzen ist der objektive Wohnvorteil, d. h. der Betrag, den die Klägerin für das Anwesen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt aufbringen müsste.

Der Dipl.-Wirtschaftsingenieur (FH) Bernd Grohmüller hat die ortsübliche Vergleichsmiete für das Anwesen im für das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein unter dem Az.: 2 k C 371/04 erstatteten schriftlichen Gutachten vom 19. Januar 2006 (hier vorgelegt vom Beklagten mit Schriftsatz vom 25. Mai 2007) mit monatlich 845,20 Euro ermittelt, wobei vorhandene Schäden und Mängel unberücksichtigt geblieben sind.

Ausgehend hiervon scheint der vom Familiengericht unter Berücksichtigung der unstreitig vorhandenen Mängel sowie des Reparaturstaus geschätzte Gebrauchsvorteil von monatlich 650,00 Euro angemessen.

f) Nach dem Halbteilungsgrundsatz bemisst sich der nicht durch eigene Einkünfte gedeckte Unterhaltsbedarf der Klägerin und - wegen uneingeschränkter Leistungsfähigkeit des Beklagten - ihr Unterhaltsanspruch auf rund

- (3 619,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 485,00 Euro in 04-06/05,

- (3 592,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 471,00 Euro in 07/05,

- (3 808,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 579,00 Euro in 08-12/05,

- (3 803,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 577,00 Euro in 01/06-02/07,

- (3 561,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 456,00 Euro in 03/07,

- (3 593,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 472,00 Euro in 04-06/07,

- (3 596,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 473,00 Euro in 07+08/07,

- (3 643,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 497,00 Euro in 09-12/07,

- (3 674,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 512,00 Euro in 01/08 und

- (3 902,00 Euro ./. 650,00 Euro : 2 =) 1 626,00 Euro ab 02/08.

g) Eine Begrenzung und/oder Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin gemäß § 1578 b BGB n. F. ist nicht gerechtfertigt. Sie wäre angesichts der konkreten Umstände unbillig.

Die Parteien waren rund 34 Jahre verheiratet; sie haben über 30 Jahre zusammengelebt.

Die Klägerin hat während des Zusammenlebens im Wesentlichen die beiden gemeinsamen Kinder erzogen und betreut.

Sie hat ihre selbständige Tätigkeit als Friseurin aufgegeben und in der gemeinsamen Firma der Parteien mitgearbeitet. Ihre Geschäftsanteile an der Firma hat sie noch während des Zusammenlebens unentgeltlich auf den Beklagten übertragen.

Aufgrund ihrer - nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. Breitmeier und Dr. Fees zumindest auch durch die familiäre Situation und die Trennung mit beeinflussten - psychischen Erkrankung ist sie bis auf Weiteres und unter Berücksichtigung ihres Lebensalters mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft nicht in der Lage, durch eigene Erwerbstätigkeit für ihren Unterhalt zu sorgen bzw. zumindest einen Beitrag dazu zu erbringen.

h) Schließlich kommt auch eine Herabsetzung oder ein Ausschluss des Unterhaltsanspruchs der Klägerin wegen Verwirkung gemäß § 1579 BGB nicht in Betracht.

Die - unstreitig sachlich zutreffende - Anzeige des Beklagten beim Finanzamt wegen steuerlicher Unregelmäßigkeiten bei der Geschäftsführung der GmbH erfüllt nicht den Tatbestand des § 1579 Nr. 4 BGB. Die Anzeige ist zur Wahrung berechtigter Interessen der Klägerin erfolgt, weil der Beklagte sowohl im Trennungsunterhaltsverfahren als auch im Verbundverfahren betreffend nachehelichen Unterhalt und Zugewinnausgleich versucht hat, seine Einkünfte und sein Vermögen zu verschleiern und zu verschweigen (vgl. BGH FamRZ 2002, 23).

Inwieweit das Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der vom Beklagten gewünschten Verwertung des gemeinsamen Anwesens die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verwirkung erfüllen könnte, lässt sich aufgrund des diesbezüglichen pauschalen und wenig substantiierten Vorbringens des Beklagten nicht feststellen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Der Senat lässt gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zu, soweit Unterhalt ab Januar 2008 zuerkannt ist. Die Frage, in welcher Höhe der Barbedarf von Kindern nach neuem Unterhaltsrecht (§ 1612 b BGB n.F.) bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts einzustellen ist, wird von den Obergerichten nicht einheitlich beurteilt (s. Vorbehalt des OLG Stuttgart in den SüdL - Stand: 1. Januar 2008 - zu Nr. 14; Leitlinien des OLG Hamm Nr. 15.2.3; Klinkhammer, FamRZ 2007, 193, 199 m. w. N. zum Meinungsstand). Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bedarf es daher einer Entscheidung des Revisionsgerichts.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 33 421,00 Euro festgesetzt (1 800,00 Euro + 4 x 2 715,00 Euro + 7 x 2 823,00 Euro).

Ende der Entscheidung

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