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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 16.11.2000
Aktenzeichen: 2 UF 9/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587
BGB § 1587 a
Zur Berücksichtigung von Rentenanwartschaften bei der gesetzlichen Rentenversicherung der USA (US Social Security) im Versorgungsausgleich
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 UF 9/00 4 F 446/99 Amtsgericht Kaiserslautern

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen,

hier: Versorgungsausgleich,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Geisert und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die befristete Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 10. Januar 2000, eingegangen am 17. Januar 2000, gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 30. November 1999, der Beschwerdeführerin zugestellt am 15. Dezember 1999, nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten

ohne mündliche Verhandlung am 16. November 2000

beschlossen:

Tenor:

1. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 30. November 1999 wird in seiner Ziffer II (Regelung des Versorgungsausgleichs) geändert:

Von dem Versicherungskonto des Antragstellers Nr. 56 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin, werden auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin Nr. 56 bei demselben Versorgungsträger Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 43,11 DM, bezogen auf den 31. März 1999, übertragen.

2. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der Entscheidung des angefochtenen Urteils.

Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens zwischen den beteiligten Eheleuten gegeneinander aufgehoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 1 000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Die am 28. Juli 1994 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 26. April 1999 zugestellten Scheidungsantrag durch Ziffer I des (insoweit nicht) angefochtenen Urteils des Familiengerichts geschieden. Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin besitzt sowohl die deutsche als auch die US-amerikanische Staatsangehörigkeit. Beide Ehegatten haben während der Ehe Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (künftig: BfA) erworben, die Antragsgegnerin darüber hinaus auch solche in der gesetzlichen amerikanischen Rentenversicherung (US Social Security).

Die BfA rügt mit ihrer in zulässiger Weise erhobenen befristeten Beschwerde (§ 621 e Abs. 1 und 3 ZPO) zu Recht, dass bei der Regelung des Versorgungsausgleichs durch das Familiengericht die Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin bei dem amerikanischen Versicherungsträger nicht berücksichtigt wurden.

Ausländische Anwartschaften auf eine Versorgung wegen Alters oder Berufs-/Erwerbsunfähigkeit sind in den Versorgungsausgleich mit einzubeziehen, wenn sie die Voraussetzungen von § 1587 Abs. 1 BGB erfüllen (BGHZ 75, 241, 247 = FamRZ 1980, 29, 30, MüKo/Dörr, BGB, 4. Aufl., § 1587, Rdnr. 24, Wagner, Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung; Rdnrn. 41 ff). Dies ist bei der von der Antragsgegnerin während ihrer Beschäftigung bei einem amerikanischen Arbeitgeber erworbenen Anrechte bei dem amerikanischen Versicherungsträger der Fall. Einer entsprechenden Beurteilung steht weder entgegen, dass das amerikanische Rentensystem durch eine soziale Umverteilung innerhalb der Versichertengemeinschaft gekennzeichnet ist, familienbezogene Leistungen und darüber hinaus im Scheidungsfall die Zahlung einer Geschiedenenrente vorsieht. Familienbezogene Leistungen sind gemäß § 1587 a Abs. 8 BGB bei der Wertberechnung auszuscheiden; auch im deutschen gesetzlichen Rentenversicherungssystem findet eine Umverteilung im Solidarsystem durch die Anrechnung von Ausfallzeiten, Ersatzzeiten und Zurechnungszeiten statt (vgl. zu Vorstehendem etwa Gümpel, FamRZ 1991, 138):

Wenn wie im vorliegenden Falle die ausländische Anwartschaft allein auf Seiten des ausgleichsberechtigten Ehegatten besteht, kann der Versorgungsausgleich ohne weiteres öffentlich-rechtlich durchgeführt werden, da durch die Einbeziehung lediglich der Ausgleichsanspruch gemindert wird (vgl. etwa MüKo/von Mohrenfels, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB, Rdnr. 227, Wagner, aaO, Rdnr. 41 ff).

Die ausländische Anwartschaft ist gemäß § 1587 a Abs. 5 BGB in sinngemäßer Anwendung von § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 b BGB zu bewerten, da weder die letztgenannte Vorschrift noch § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB unmittelbar anwendbar sind (Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., § 1587 a Rdnr. 44, Gümpel, FamRZ 1990, 226,, 230).

Zur vollständigen Ermittlung (für die Zeit ab Januar 1999) und Bewertung der gesetzlichen amerikanischen Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin hat der Senat ein Gutachten des Rentenberaters S eingeholt. Danach hat die Antragsgegnerin am Ende der Ehezeit (31. März 1999, gemäß § 1587 Abs. 2 BGB) die gesetzliche Wartezeit von 40 anrechenbaren Versicherungsquartalen in der amerikanischen Rentenversicherung noch nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin hat bisher erreicht:

1. Januar nach Vollendung des 21. Lebensjahres|01.01.1992|frühester Beginn der Regelbeitragsjahre|01.01.1951|gültiger Beginn der Regelbeitragsjahre|01.01.1992|Vollendung Alter 62|21.10.2032|Ende der Regelbeitragsjahre für die Altersrente|31.12.2031|Anzahl der Regelbeitragsjahre| 40|Wartezeit für die Altersrente (Quartale)|40|Vorhandene Versicherungsquartale bis 30.06.1999|- 29|fehlende Versicherungsquartale für die Wartezeit|11

Die fehlende Erfüllung der Wartezeit steht einer Bewertung für den Versorgungsausgleich zwar gemäß § 1587 a Abs. 7 S. 1 BGB nicht entgegen. Die Antragsgegnerin kann die fehlenden elf Quartale noch erreichen. Gleichwohl ist der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zwischen den Ehegatten nicht eine fiktive Vollrente nach innerstaatlichem US-amerikanischen Recht zugrunde zu legen, sondern der bei Ehezeitende bereits bestehende Rentenanspruch gemäß dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika übersoziale Sicherheit vom 7. Januar 1976 (BGBl II 1976, 1357, II 1979, 566) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 2. Oktober 1986 (BGBl II 1988, 82, 361).

Die gemäß § 7 Abs. 2 des Abkommens erforderlichen Mindestversicherungszeiten (18 Monate bei Anwendung deutschen Rechts, sechs Vierteljahre bei Anwendung amerikanischer Rechtsvorschriften) war von der Antragsgegnerin bei Ehezeitende erfüllt, so dass für sie ein Anspruch auf die nach dem Abkommen zu zahlende zwischenstaatliche Rente bestand. Der Anspruch auf die zwischenstaatliche Rente besteht zwar nur solange fort, als die Wartezeit von 40 Versicherungsquartalen in der amerikanischen Versicherung von der Antragsgegnerin weiterhin nicht erfüllt werden. Falls dies noch eintritt und damit der Rentenanspruch nach inneramerikanischem Recht entsteht, entfällt der Anspruch auf die zwischenstaatliche Rente. Ob die Antragsgegnerin bis zum Jahr 2032 die Wartezeit noch erfüllen wird, ist derzeit ungewiss.

Bei dieser Sachlage erscheint es sachgerecht, den bei Ehezeitende tatsächlich erreichten Versorgungsstand zugrunde zu legen, zumal die Höhe einer künftigen innerstaatlichen Rente und damit auch der auf die Ehezeit entfallende Anteil (pro-rata-temporis-Berechnung, vgl. Gümpel, FamRZ 1990, 230) davon abhängt, ob der Klägerin für die weiteren Beitragsjahre ein niedrigeres Einkommen wie bisher oder ein deutlich höheres zugerechnet würde. Die Berechnung des Ehezeitanteiles einer künftigen innerstaatlichen Rente ist daher zusätzlich unsicher.

Dies wirkt sich im vorliegenden Falle nachteilig für die Antragsgegnerin aus, da die auf die Ehezeit entfallende zwischenstaatliche Monatsrente höher zu bewerten ist, als die nach US-amerikanischem Recht nach Erfüllung der Wartezeit zu erwartende innerstaatliche Monatsrente. Letzteres ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die innerstaatliche Rente grundsätzlich aufgrund einer wesentlich geringeren Bewertung der Anwartschaften berechnet wird, wenn - wie im Falle der Antragsgegnerin - ein weiterer eigenständiger Rentenanspruch besteht. Falls die Antragsgegnerin die Wartezeit noch erfüllt und hierdurch die zwischenstaatliche Rente entfällt, könnte diese Änderung unter den Voraussetzungen des § 10 a VAHRG zu einer Abänderung der Versorgungsausgleichsentscheidung führen.

Die auf die Ehezeit entfallende zwischenstaatliche Monatsrente der Antragsgegnerin in der amerikanischen Rentenversicherung beläuft sich auf 123,06 DM. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf das Rentengutachten des Rentenberaters S vom 8. August 2000 (Bl. 40 f d.A.) Bezug genommen.

Diese Anwartschaft kann ohne weitere Anpassung in die Ausgleichsbilanz für das Splitting nach § 1587 b Abs. 1 S. 1 BGB eingestellt werden, da sie sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als dynamisch beurteilt werden kann. Die der Rentenberechnung zugrunde liegenden Durchschnittseinkommen aller Versicherten und die Grenzwerte zur Bestimmung des Leistungsgrundbetrages (bend points) werden jährlich angepasst (vgl. zur Rentenberechnung US-amerikanischer Anrechte allgemein Gümpel, FamRZ 1990, 226 f). Nach den Feststellungen im schriftlichen Sachverständigengutachten stiegen die Durchschnittseinkommen in den USA im Zeitraum von 1977 bis 1999 auf 295,12 %. Im gleichen Zeitraum stiegen die aktuellen Rentenwerte um 191,63 % (48,29 DM 25,20 DM x 100). Die Leistungen der Rentenversicherung werden bei Erhöhung der Konsumentenpreise um mindestens 3 % automatisch angepasst.

Die Antragsgegnerin hat in der Ehezeit vom 1. Juli 1994 bis 31. März 1999 außerdem Anwartschaften in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 69,17 DM erreicht (Auskunft der BfA vom 20. Oktober 1999), während der Antragsteller mit 278,44 DM ehezeitanteiligen Anwartschaften (Auskunft der BfA vom 26.08.1999) über die höheren Versorgungsanrechte verfügt und somit gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB in Höhe des hälftigen Unterschiedsbetrages von gerundet 43,11 DM (278,44 DM ./. 69,17 DM ./. 123,06 DM = 86,21 DM : 2) ausgleichspflichtig ist. Der Ausgleich hat gemäß § 1587 b Abs. 1 durch Übertragung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erfolgen.

Die Anordnung gemäß § 1587 b Abs. 6 ist bereits im Urteil des Familiengerichts enthalten und bleibt bestehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 93 a ZPO, 8 Abs. 1 GKG, 13 a FGG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 14 Abs. 1 S. 1, 17 a Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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