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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 12.05.2006
Aktenzeichen: 2 WF 103/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1559
BGB § 1573 Abs. 2

Entscheidung wurde am 04.09.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Betreut der auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch genommene Beklagte ein gemeinsames Kind, so ist bei der Berechnung des Einkommens der Klägerin der von ihr als Kindesunterhalt geschuldete und titulierte Tabellenbetrag in Abzug zu bringen. Ihren so ermittelten Unterhaltsanspruch kann die Klägerin allerdings nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht durchsetzen, solange und soweit sie den Kindesunterhalt nicht zahlt (Anschluss an OLG Koblenz OLGR 2004, 301).
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 103/06

In dem Rechtsstreit

wegen nachehelichen Unterhaltes,

hier: Prozesskostenhilfe für die erste Instanz

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 20. April 2006, eingegangen am 24. April 2006 gegen den ihr am 27. März 2006 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Dürkheim vom 16. März 2006 ohne mündliche Verhandlung am 12. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der angefochtene Beschluss teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage bewilligt, soweit sie damit die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines nachehelichen Unterhaltes von monatlich 30,00 € ab 16. April 2006 erreichen will.

Ihr weitergehender Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgewiesen.

Im Umfang der Bewilligung wird der Antragstellerin die von ihr ausgesuchte Rechtsanwältin Rempel, Ludwigshafen am Rhein, beigeordnet.

II. Die Antragstellerin hat die in Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses zum GKG angesetzte Festgebühr zu tragen, nachdem ihr Rechtsmittel ganz überwiegend zurückgewiesen wurde.

Gründe:

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Dürkheim der Antragstellerin die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie die Verurteilung des Antragsgegners zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltes von 319,15 € ab Oktober 2005 erstrebt, wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verweigert.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat gemäß § 568 Satz 2 ZPO in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung entscheidet, ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache führt das Rechtsmittel lediglich zu einem ganz geringen Erfolg.

1. Zutreffend hat das Familiengericht ausgeführt, dass zu Gunsten der Antragstellerin allenfalls ein Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht kommt.

Auf Seiten der Antragstellerin besteht eine Obliegenheit zur vollschichtigen Erwerbstätigkeit. Nur soweit die Einkünfte aus einer solchen ihr zumutbaren Tätigkeit (zuzüglich des ihr bis zum Auszug aus dem vormals gemeinsamen, veräußerten Anwesen Mitte April 2006 zuzurechnenden Wohnvorteils) zur Deckung ihres eheangemessenen Lebensbedarfes nicht ausreichen, ist ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Antragsgegner gegeben.

a) Die Antragstellerin hat den Beruf einer Apothekenhelferin erlernt; in diesem Beruf war sie zuletzt bis Januar 2005 erwerbstätig; seither bezieht sie Arbeitslosengeld. Zu von ihr entfalteten Bemühungen um die Erlangung einer neuen Arbeitsstelle hat die Antragstellerin keinen ausreichenden Sachvortrag gehalten. Ihr sind daher jedenfalls für die Zeit ab Oktober 2005 erzielbare Einkünfte aus einer Tätigkeit als Apothekenhelferin zuzurechnen. Ausgehend von einem erzielbaren Stundenlohn von 10,00 € brutto, könnte die Antragsgegnerin bei vollschichtiger Tätigkeit (40 Stunden pro Woche) ein Bruttoeinkommen von rund 1.735,00 € erzielen. Nach Bereinigung um hierauf zu zahlende Steuern (Steuerklasse I 0,0 Kinderfreibeträge einschließlich Kirchensteuer), Sozialabgaben sowie die Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen, verbliebe ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund 1.092,00 €. Bereinigt um den Erwerbsanreiz blieben rund 983,00 €, die der Antragstellerin fiktiv zuzurechnen sind.

Hinzuzurechnen ist bis Mitte April 2006 der Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Anwesen mit dem objektiven Mietwert. Diesen hat das Familiengericht (wie auch bereits im Verfahren betreffend Kindesunterhalt 1 F 83/05) mit monatlich 650,00 € in Ansatz gebracht; substantiierte Einwendungen hiergegen sind nicht erhoben. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 6. Januar 2006 ist der Wohnvorteil zu bereinigen um von der Antragstellerin getragene Hausverbindlichkeiten. Für das Prozesskostenhilfeverfahren wird zu ihren Gunsten unterstellt, dass sie ihren Anteil an diesen Verbindlichkeiten von monatlich rund 202,00 € noch bis einschließlich Dezember 2005 getragen hat (den Antrag auf Einleitung der Verbraucherinsolvenz hat sie im Dezember 2005 gestellt). Für die Zeit danach kommt eine solche Bereinigung nicht mehr in Betracht, da die Antragstellerin diese Verbindlichkeit nicht weiter bedienen durfte (§§ 80 f InsO) und wohl auch nicht mehr bedient hat.

Vom Einkommen der Antragstellerin vorweg abzuziehen ist der als Kindesunterhalt für den vom Antragsgegner betreuten Sohn Fabian von ihr geschuldete Tabellenbetrag, da dieser durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Dürkheim vom 6. September 2005 (1 F 83/05) ab dem hier streitgegenständlichen Zeitraum (Oktober 2005) tituliert ist (Urteil des Senates vom 25. Februar 2005, 2 UF 172/04; OLG Koblenz NJW 2005, 686 = OLGR 2005, 301).

Damit ist der Unterhaltsbemessung ein bereinigtes Gesamteinkommen der Klägerin von

- (983,00 € + 650,00 € ./. 202,00 € ./. 291,00 € =) 1.140,00 € in 10-12/05,

- (983,00 € + 650,00 € ./. 291,00 € =) 1.342,00 € in 01/06 bis 15/04/06

- (983,00 € ./. 291,00 € =) 692,00 € ab 16/04/06 zugrunde zu legen.

b) Der Beklagte erhält eine Beamtenpension in Höhe von monatlich 1.930,00 € (ermittelt unter Außerachtlassung des Splittingvorteils aus der Zusammenveranlagung mit der neuen Ehefrau - BVerfG NJW 2003, 3466). Einkünfte aus Nebentätigkeit sind nicht hinzuzurechnen. Die früher ausgeübte Nebentätigkeit hat er vor Oktober 2005 aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben; eine Wiederaufnahme - zu der er unterhaltsrechtlich auf Grund seiner Dienstunfähigkeit nicht verpflichtet ist - behauptet die Antragstellerin nicht.

Zu bereinigen ist das Einkommen des Antragsgegners um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von monatlich 146,00 €, krankheitsbedingten Mehrbedarf von 50,00 € und monatliche Zahlungen an das BHW auf Hausdarlehen von 400,00 €. Der Erlös aus dem Verkauf des Anwesens hat zur Deckung der Verbindlichkeiten nicht ausgereicht; nach Darlegung der Antragstellerin bestehen noch Restverbindlichkeiten von mindestens 50.000,00 €. Einen Wegfall der Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners hat die Antragstellerin auch nicht behauptet.

Damit errechnet sich ein bereinigtes durchschnittliches monatliches Pensionseinkommen des Beklagten von 1.334,00 €.

c) Soweit das der Antragstellerin zuzurechnende bereinigte Gesamteinkommen hinter dem bereinigten Einkommen des Antragsgegners zurückbleibt, besteht zu ihren Gunsten ein Aufstockungsunterhaltsanspruch in Höhe der hälftigen Differenz der beiderseitigen Einkünfte, das sind monatlich

- (1.334,00 € ./. 1.140,00 € : 2 =) 97,00 € in 10-12/2005 und

- (1.334,00 € ./. 692,00 € : 2 =) 321,00 € ab Mitte April 2006.

Im Zeitraum Januar bis Mitte April 2006 übersteigt ihr bereinigtes Gesamteinkommen mit 1.342,00 € das Einkommen des Beklagten, so dass ein ungedeckter Bedarf und damit ein Anspruch der Antragstellerin nicht besteht.

d) Für die vorstehend errechneten Unterhaltsbeträge ist der Beklagte auch leistungsfähig; der ihm zu belassende Selbstbehalt, der nach neuester höchstrichterlicher Rechtsprechung (Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15. März 2006 - 12 ZR 30/04) mit rund 995,00 € anzusetzen ist, ist gewahrt.

2. Der Antragstellerin ist es jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, diesen zu ihren Gunsten errechneten Unterhalt in vollem Umfang geltend zu machen, solange sie ihre Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem vom Antragsgegner betreuten minderjährigen Sohn nicht erfüllt (OLG Koblenz aaO). Für die Antragstellerin durchsetzbar ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich ein um den zu Gunsten des minderjährigen Sohnes Fabian titulierten Unterhaltsbetrag von monatlich 291,00 € geminderter Anspruch auf Ehegattenunterhalt; mithin ein solcher in Höhe von monatlich (321,00 € ./. 291,00 € =) 30,00 € ab 16. April 2006.

Ende der Entscheidung

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