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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 17.07.2002
Aktenzeichen: 2 WF 35/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 704
ZPO § 114
Vollstreckbar ist auch ein Vergleich, wonach sich die Parteien "darüber einig" sind, dass ein bestimmter Unterhaltsbetrag geschuldet wird, jedoch hiervon geleistete Zahlungen, die nicht näher beziffert werden, abzuziehen seien. Weil die Frage umstritten ist, kann dennoch für eine neue Klage aus dem Vergleich Prozesskostenhilfe bewilligt werden; dies setzt aber grundsätzlich voraus, dass eine Vollstreckung aus dem Vergleich versucht worden ist.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 35/02

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalt

hier: Prozesskostenhilfe für die 1. Instanz

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Burger und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 28. Februar 2002, bei Gericht eingegangen am 1. März 2002, gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 4. Februar 2002, der Antragstellerin zugegangen nicht vor dem 20. Februar 2002,

ohne mündliche Verhandlung am 17. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe zur Klage aus einem mit dem Antragsgegner abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich. Das Familiengericht hat die Bewilligung abgelehnt, weil aus dem Vergleich vollstreckt werden könne. Die Antragstellerin ist der Auffassung, es bestehe ein Titulierungsinteresse, weil der Vergleich nicht vollstreckungsfähig sei. Der von den Parteien am 6. Juli 2000 beim AG Ludwigshafen am Rhein (5b F 187/00) geschlossene Vergleich hat - soweit es hier von Interesse ist - folgenden Wortlaut:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger (nunmehr: Antragsgegner) für den Zeitraum Juli 1998 bis einschließlich Juni 2000 der Beklagten (nunmehr: Antragstellerin) einen monatlichen Kindesunterhalt von 304 DM schuldet.

Die Parteien sind sich weiterhin darüber einig, dass vom Kläger für diesen Zeitraum geleistete Unterhaltszahlungen in Anrechnung zu bringen sind.

..."

Die Beschwerdeführerin hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, ein Versuch der Vollstreckung aus dem Vergleich sei nicht unternommen worden wegen dessen nicht vollstreckungsfähigen Inhalts; weil zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch Unklarheit über die geleisteten Unterhaltszahlungen bestanden habe, sei lediglich eine Zahlung vereinbart worden, ohne die Verpflichtung zu einer bestimmten Zahllast auszubedingen.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 127 Abs. 2 ZPO) eingelegte Beschwerde, über die der Senat gemäß § 568 Satz 2 ZPO in der im GVG vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat ist mit dem Erstrichter der Auffassung, dass der hier geschlossene Vergleich vollstreckungsfähig ist, so dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis und damit an den Erfolgsaussichten (§ 114 ZPO) für eine auf dieselbe Leistung gerichtete Klage jedenfalls zur Zeit fehlt.

Die Vollstreckungsfähigkeit wird zunächst nicht in Frage gestellt durch die Fassung des ersten Absatzes des oben wiedergegebenen Textes, der ohne weiteres dahin auszulegen ist, dass sich der damalige Kläger zur Zahlung der dort genannten Unterhaltsbeträge unmittelbar verpflichten wollte. Bei der Feststellung, ob der Schuldner etwas leisten muss, darf nicht kleinlich am Wortlaut festgehalten werden, wenn Sinn und Zusammenhang des Vergleichstextes die dahingehende Pflicht ergeben. Eine insoweit kleinliche Auslegung würde dem regelmäßig im Vergleichsabschluss zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien zuwiderlaufen, den Rechtsstreit durch Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels endgültig beizulegen (LAG Düsseldorf JurBüro 1988, 1738; Thomas-Putzo, ZPO 24. Aufl. vor § 704 Rn. 22; MK-ZPO § 794 Rn. 94 Fn. 223).

Ebenso wie eine Formulierung, wonach sich der Schuldner zu einer bestimmten Zahlung "verpflichtet" (hierzu LAG Düsseldorf a.a.O.), ergibt danach auch der hier gewählte Vergleichswortlaut, wonach sich die Parteien darüber einig sind, dass der (damalige) Kläger Kindesunterhalt in bestimmter Höhe schuldet, einen unmittelbaren Leistungsbefehl. Mögliche abweichende Vorstellungen der Parteien, wie sie im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 11. Juni 2002 behauptet werden, hätten in den allein maßgeblichen Vergleichsinhalt (vgl. nur Thomas-Putzo a.a.O., Rn. 22; Zöller, ZPO 23. Aufl. § 794 Rn. 14a) keinen Eingang gefunden.

Auch die im anschließenden Absatz vorgesehene Verrechnungsklausel für schon geleistete Unterhaltszahlungen führt im Ergebnis nicht zu durchgreifenden Bedenken. Der Senat selbst hat in jahrelanger Übung eine Vielzahl von Vergleichen mit derartigen Verrechnungsbestimmungen protokolliert.

Die Frage, ob eine solche Vereinbarung zu einer der Vollstreckung entgegen stehenden Unbestimmtheit des so eingeschränkten Titels führt, ist - soweit ersichtlich - in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung bisher nur wenig behandelt worden. Allerdings hat der 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken (MDR 2002, 541) kürzlich die Auffassung vertreten, dass eine Anrechnungsklausel im Entscheidungssatz eines Urteils dazu führe, dass der Titel unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig sei. Der zu vollstreckende Zahlungsanspruch könne damit nicht mehr ohne weiteres errechnet werden; auf außerhalb des Titels liegende Schriftstücke wie insbesondere Überweisungsbelege oder gar privatschriftliche Zahlungsaufstellungen der Parteien dürfe zur Auslegung nicht zurückgegriffen werden.

Dem vermag der Senat jedenfalls für den hier gegebenen Fall einer Titulierung durch Vergleich nicht zuzustimmen. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit Wolfsteiner (MK-ZPO, § 724 Rn. 35) weiterhin davon auszugehen, dass es an der Bestimmtheit der festgelegten Leistung nichts ändert, wenn sich der Gläubiger noch unbestimmte Beträge auf seinen Anspruch anrechnen lassen muss, solange die Beweislast beim Schuldner liegt (vgl. ferner - zu besonderen Fallgestaltungen -OLG Köln NJW-RR 1998, 431, OLG Saarbrücken NJW 1988, 3100, 3101).

So liegt der Fall auch hier. Der geschlossene Vergleich ist dahin auszulegen, dass die vollen dort genannten Unterhaltsbeträge tituliert werden sollten. Die angefügte Anrechnungsklausel stellt lediglich klar, dass die Parteien bei der Festlegung dieser Beträge mögliche Zahlungen des Schuldners, die schon vor Vergleichsabschluss geflossen sein könnten, noch nicht berücksichtigt haben. Der mögliche Streit um solche Zahlungen bleibt damit aber dem Verfahren der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) vorbehalten. Dies gibt nur die ohnehin bestehende allgemeine Rechtslage wieder, nachdem die Ausschlussvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der vor Schluss der mündlichen Verhandlung entstandenen Einwendungen auf den Prozessvergleich ohnehin nicht anwendbar ist (vgl. nur Zöller, a.a.O., § 767 Rn. 20).

Dem Senat ist allerdings bekannt, dass die Vollstreckbarkeit von Prozessvergleichen, die derartige Anrechnungsklauseln enthalten, in der Praxis bisweilen in Zweifel gezogen wird; dies gilt insbesondere nach der o.a. Entscheidung des 6. Zivilsenats des Pfälzischen OLG Zweibrücken. Es ist daher denkbar, dass die Antragstellerin an der unmittelbaren Durchsetzung einer Vollstreckung gehindert sein könnte. In diesem Fall könnte ihr nach Auffassung des Senats die Prozesskostenhilfe für die Klage aus dem Vergleich nicht wegen mangelndem Rechtsschutzinteresse versagt werden. Es erscheint jedoch nicht gerechtfertigt, dass die Beschwerdeführerin Prozesskostenhilfe für ein neues Verfahren in Anspruch nehmen will, ohne - wie sie ausdrücklich mitgeteilt hat - irgendeinen Schritt zur zwangsweisen Durchsetzung ihrer bereits durch Prozessvergleich verbrieften Forderung unternommen zu haben. Für einen denkbaren neuen Antrag auf Prozesskostenhilfe weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Angaben in der von der Antragstellerin bisher vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend erscheinen.

Aufgrund der Zurückweisung ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin eine Gerichtsgebühr in Höhe von 25 € zu tragen (KV Nr. 1956 zum GKG). Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO). Der Senat lässt nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zu, weil die Frage der Vollstreckbarkeit von in dieser Weise gefassten Vergleichen, insbesondere bei Anfügung einer solchen Anrechnungsklausel, grundsätzlich Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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